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Bestimmte Dinge umschreiben, die man eigentlich kennt...

Begonnen von Höllenpfau, 14. September 2010, 21:53:03

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Lavendel

Ich habe HDM auch nur auf Englisch gelesen. Spielt aber auch in einer Parallelwelt, die durchaus ihre Ähnlichkeiten mit unserer Welt hat, also ist da Zeppelin ganz vielleicht noch legitim oder die Sache etwas schludrig übersetzt. Da das Gefährt aber nach Ferdinand Graf von Zeppelin benannt ist, würde ich die Bezeichnung in einer alternativen Welt vermeiden (heißt auf Englisch übrigens auch 'zeppelin' oder 'airship' soweit ich weiß).

Luna

Wenn etwas in einem Buch steht von verfallenen pyramidenförmigen Gebäuden oder einstigen Tempelanlage mitten im Dschungel, kann man sich m. M. doch schon einiges drunter vorstellen. Fotos/Berichte etc. von diesen typischen Aztheken oder Maya-Tempeln und Ruinen im Dschungel sind doch recht geläufig. Man kann sich gut ein Bild davon machen, ohne das ein Baustil oder Volk erwähnt wird, was es nur auf unserer Welt gibt.   

Thaumaturgon

Mein Tipp: verwende niemals Worte, die Du nicht selbst ganz exakt erklären könntest UND von denen Du weißt, dass praktisch jeder Deiner Leser sie sicher auch kennt. Beschreibe generell alles so, dass ein intelligenter Mensch, der nichts von dem, das Du vor dem inneren Auge hast, jemals gesehen hast. Stell Dir meinetwegen einen begabten, neugierigen Zehnjährigen vor. Der hat weder von den Maja noch von den Inka je gehört und auch nicht die vielen Bilder von den Stufenpyramiden im Kopf. Beschreibe das, was Du siehst bzw. was die Protagonisten sehen. Wenn Du eine fremdartige Welt haben willst, wird ein einfaches zusammenbauen aus Teilen, die der Leser schon kennt nicht funktionieren. ("Stell dir ne Maja-Pyramide vor, mit dem Eiffelturm oben drauf, und daneben fliegt ein Zeppelin"). Das wirkt dann genau wie die Flickschusterei, die es in Wahrheit ist. Beim detaillierten Beschreiben stößt Du vielleicht auf Teile, die Du gegenüber Deiner realen Inspiration verändern kannst. Außerdem erkennst Du die Details selbst erst richtig, wenn Du sie beschreibst.

Grüßle

Thauma

Sanjani

Hallo Thauma,

nun, ganz so einfach gestaltet sich das ganze dann doch nicht. Klar kannst du Dinge beschreiben, wie du sie siehst, das heißt aber noch lange nicht, dass du das Bild transportiert hast, welches du transportieren wolltest. Dazu gibt es auch eine nette Selbsterfahrungsübung. Male ein ganz einfaches Gebilde auf und beschreibe jemand anderes, was du gemalt hast. Du wirst sehen, dass derjenige es sich trotz präzisester Beschreibung ein bisschen oder auch ganz anders vorgestellt hat.
Schlagwörter wie viktorianisch oder kolonialistisch haben den Vorteil, dass viele sich gleich etwas ganz Bestimmtes vorstellen, was dem dir vorschwebenden Möbel zumindest ähnlich sehen muss. In eine Fantasy-Welt passt es aber auch für mich nicht.

Ich persönlich bin der ansicht, dass es bei so etwas vielleicht gescheiter ist mit Beschreibungen zu sparen und die fantasie des Lesers offen zu lassen. das sage ich einfach aus meiner beschränkten Erfahrung ohne Sehsinn heraus, weil es viele Dinge gibt, die ich mir zwar beschreiben lassen kann, die ich mir aber trotzdem überhaupt nicht vorstellen kann. Das irritiert mich dann oft mehr als wenn ich nur ungefähr weiß, was gemeint ist, weil ich die beschriebenen Details dann oft nicht zu einem Gebilde zusammenbekomme.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Kati

Ich würde mir einfach ein Bild von einem viktorianischen Möbelstück anschauen und es ein wenig beschreiben. Ob beim Leser dasselbe Bild entsteht, wäre mir da regelrecht egal, wenn ich schreibe "ein längliches Sitzmöbel aus dunklem Holz mit weinroten Polstern" (was weiß ich  ;D), wird sich der Leser schon ungefähr etwas darunter vorstellen können und nicht allzu weit von dem Bild im Kopf des Autors abweichen. Und, wenn doch, ist es doch auch nicht schlimm. Charaktere stellt sich doch auch trotz genauer Beschreibungen jeder Leser anders vor.
Und das viktorianische Gefühl wird sicherlich vermittelt, wenn man eine Pfauenfedertapete und schwere, dunkle Möbel erwähnt. (Es sei denn, es gibt in der Welt auch keine Pfauen... ;))

Sanjani

Hallo Kati,

Zitat von: Kati am 24. Oktober 2010, 14:31:20
Ob beim Leser dasselbe Bild entsteht, wäre mir da regelrecht egal, wenn ich schreibe "ein längliches Sitzmöbel aus dunklem Holz mit weinroten Polstern" (was weiß ich  ;D), wird sich der Leser schon ungefähr etwas darunter vorstellen können und nicht allzu weit von dem Bild im Kopf des Autors abweichen. Und, wenn doch, ist es doch auch nicht schlimm.

Da gehe ich grundsätzlich mit dir konform, dann stelle ich mir aber die Frage, warum braucht man das Wort überhaupt? Aus Bequemlichkeit, weil es schneller geschrieben ist als die ausführliche Beschreibung? Oder geht es doch eher darum eine ganz bestimmte Art von Bild zu produzieren? Ich denke, das hat auch etwas mit dem persönlichen Anspruch des Autors an einen egenstand oder an ein Gebäude etc. zu tun.

LG Sanjani, die sich übrigens unter viktorianisch gar nix vorstellen kann. ;)
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Kati

Na ja, in einem Urban Fantasy Roman in der Gegenwart würde ich sofort das Wort "viktorianisch" gebrauchen, allerdings nicht allein, sondern plus Beschreibung, weil man das eben heute so kennt und so einstuft. "Ach, diese schönen, alten viktorianischen Möbel...", oder sowas und dann eine genauere Beschreibung, sollten die Möbel wichtig sein. In einen historischen Roman würde ich es wiederrum nicht tun, weil ein Viktorianer sich selbst ganz sicher nicht als "Viktorianer" eingestuft hätte. Und in Höllenpfaus Fall schon gar nicht, weil die Menschen in seiner Welt eher nicht wissen, was "viktorianisch" überhaupt sein soll.
Ich glaube, das Wort wird nicht aus Bequemlichkeit gebraucht, sondern, wie du auch sagst, um ein bestimmtes Bild hervorzurufen. Ich bin allerdings der Meinung, dass das auch gelingen kann, ohne das Fachwort zu verwenden, nicht nur durch Beschreibung des Gegenstandes an sich, sondern auch durch das Schaffen einer bestimmten Atmosphäre.  ;D Klappt in historischen Romanen ja auch, wieso also nicht in einem Fantasyroman, der in einer anderen Welt spielt?  ;)


Zit

Nicht zuletzt ist es aber auch ein Charakteristikum: Ob der Bauer aus einem 50-Seelen-Örtchen schon mal etwas von Regency gehört hat und ein Möbel auch passend einordnen kann? ;)
(Mal davon abgesehen, ob es zeitlich/weltlich möglich ist, dass es da schon das Regency gab oder nicht, wie gesagt.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt