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Bestimmte Dinge umschreiben, die man eigentlich kennt...

Begonnen von Höllenpfau, 14. September 2010, 21:53:03

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Höllenpfau

Heda,
ich habe ein Problem.

In meiner Geschichte, sie spielt in einer anderen nicht existierenden Welt, möchte ich einen Ort wie z. B. Macchu Picchu (oder wie das heißt) beschreiben. Also diese typischen Südamerikanischen urvolk-Pyramiden und Ruinenstädte.
Aber ich kann ja nicht einfach schreiben Atztekentempel oder Maya~, Inka~ usw.

Wie kann man soetwas gut umschreiben, dass jeder sich dies gut vorstellen kann und weiß was gemeint ist.

(Ich bin manschmal auch skeptisch, wenn ich etwas von "kolonialistischen" Möbeln oder "viktorianischen" Häusern schreibe, weil es die dementsprechenden Epochen ja nicht in einer anderen Welt gibt...)

Sprotte

bei kolonialistischen und viktorianischen Möbeln darfst Du nicht skeptisch sein - sie haben in einer fantastischen, fremden Welt nichts zu suchen!

Ebenso wenig Nilpferde - Flußpferde wären okay, aber nicht der Nil.

Ruinenstadt aus der grauen Vorzeit, Pyramidenbauten, quadratischen Höfe, Hochplateau - das alles geht.

Höllenpfau

Naja, es ist nicht diese typische fantastische Welt. Kein Mittelalter.
Eher eine Mischung aus Zwanziger Jahre und Zauberei und der Mode des 19. Jahrhunderts. Und da sind Umschreibungen wie "kolonialistisch" schon irgendwie notwendig.

Hochplateau. Pyramidenbauten.
Ja, das könnte gut sein. ich probiere mich einfach mal aus...

Maran

Macchu Picchu ist eine alte Tempelanlage, soweit ich weiß. Tante Wiki sagt da zwar etwas anderes, aber ich habe letztens eine Doku gesehen, deren Theorie wohl etwas aktueller ist. (oder verwechsle ich da etwas? :hmmm:)

Beschreibe einfach die Gebäude, das Gelände, auf dem sie stehen, die Materialien, aus denen sie gebaut wurden, den Zweck, den sie erfüllten. Vergleiche sie mit dem heutigen Erscheinungsbild. So würde ich es jedenfalls machen.

Ansonsten schließe ich mich Sprotte an. Viktorianisch wäre beispielsweise in einer Fantasy-Welt völlig unpassend, es sei denn, Du würdest dort eine Queen Victoria platzieren, die ein Zeitalter prägte.

Kuddel

Wenn es keine Kolonien gibt in deiner Welt, woher sollen denn kolonialistische Möbel herkommen? Das klappt nicht.

Aber solche Begriffe, wie Tempelanlagen, Gedenkstätte, Mahnmal, Monument, Grabmal sind da schon eher geeignet.

Liebe Grüße,
Kuddel
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Judith

Nun ja, darin sehe ich jetzt per se kein Problem - warum soll es in einer Fantasywelt zwingend keine Kolonien geben?

Grundsätzlich ist es natürlich mit solchen Begriffen allgemein sehr schwierig. Wenn man etwa Nilpferde ausschließt, dürfte man in einer Fantasywelt auch kein Pergament haben. Oder gibts dort auch überall die Stadt Pergamon?  ;) Man muss wohl für sich selbst entscheiden, wo man die Grenze zieht, aber zumindest ein Begriff, der ganz klar mit einer bestimmten Persönlichkeit verknüpft ist, wie etwa Viktorianisch, passt nicht in eine fremde Welt.

Sternenlicht

 ich würde sagen, das hängt stark davon ab, wie sehr deine Welt der realen Welt ähnlich. Bei einer reinen Fantasiewelt wie "Mittelerde" fände ich Bezeichnungen wie "viktorianisch" unpassend, bei einer Welt, die mehr oder weniger an die reale Welt angelehnt ist, fände ich es dagegen unproblematisch.

Zur Beschreibung würde ich einfach mal im Internet nach Beschreibungen von Machu Picchu oder vergleichbaren Ruinenstädten suchen. Da kann man sicher Anregungen für ein geeignetes Vokabular finden.

Geli

Wenn 20er Jahre, dann geht Kolonialistisch überhaupt nicht. Damals besaß niemand das Bewusstsein dafür. Du könntest höchstens von Eingeborenenstil reden, schlimmstenfalls sogar - politisch korrekt war man damals schon überhaupt nicht - von "N****rstil", "Chinesenstil" etc. und Maccu Pichu wäre einfach eine Indianerpyramide.

Nur glaube ich nicht, dass Du oder Leser mit dieser Schiene glücklich wären. Was Du aber machen kannst und vielleicht solltest, ist auf die technische Architektursprache zurückzugehen. Pyramiden sind Pyramiden, jedes Kind, weiß, wie die aussehen. Zyklopenquadermauern (wie in verschiedenen Inka-Städten) kann man sich auch vorstellen. Das sind per Definition riesige Steinquader, nichts, was Mutti mal so eben hinklöppelt. Kragsteingewölbe ... eben keine Rundbögen wie in der Romanik, keine Spitzbögen wie in der Gotik. Diese Dinge sind im Bewusstsein einer Gesellschaft der Goldenen Zwanziger noch gut präsent. Der Historismus war schließlich noch keine 50 Jahre her.

Lisande

Zitat von: Judith am 14. September 2010, 22:43:20
Nun ja, darin sehe ich jetzt per se kein Problem - warum soll es in einer Fantasywelt zwingend keine Kolonien geben?


Natürlich kann es in einer Fantasywelt Kolonien geben, aber das heißt noch lange nicht, dass der für uns geprägte Begriff "kolonialistisch" darauf passt. Das geht nur dann, wenn sich die Geschichte etwa parallel entwickelt hat - also zum Beispiel in einem Paralleluniversum, denn ansonsten ist der halbwegs aufmerksame Leser eher verwirrt. Spielt die Geschichte jetzt doch in unserer Welt? Oder was heißt in Deiner Welt "kolonialistisch"? Das kann ja komplett anders belegt sein.
Und deswegen sind Begriffe, die auf historische Begebenheiten / Zustände in unserer Welt abstellen, einfach unpassend und wecken beim Leser gerne den Eindruck, dass der Autor da wohl nicht nachgedacht hat.
Klar passiert das ganz schnell. Viele Begriffe haben sich auch so in unseren Sprachgebrauch eingeprägt, dass man die eigentliche Herkunft gar nicht mehr so offensichtlich vor Augen hat (wie zum Beispiel beim Pergament). Da wird man dann wirklich überlegen müssen, was sofort ins Auge springt und was man, weil es einfach so ein "normaler" Begriff geworden ist, trotzdem verwendet. Aber gerade "viktorianisch" oder "kolonialistisch" sind eigentlich offensichtlich. Wobei da wahrscheinlich aber auch je nach Hintergrund des Lesers jeder von anderen "offensichtlichen" Dingen ausgeht...
Schwieriges Thema.

Höllenpfau

Also, dass "viktorianisch" nicht gut in einer anderen Welt geht, sehe ich ein.
Doch bei kolonialistich...
Ich überlege wirklich immer wieder, wenn ich zum Beispiel beschreibe, dass jemand auf so einem Sofa sitzt.
Damals gab's ja noch keine Ledercouch, sondern vielleicht ein altes Kanapee. Aber das ist eben schwer zu umschreiben...
So weit, wie ihr es geschrieben habt, mit dem Pergament (Pergamon) würde ich auch nicht gehen. Das würde ja bedeuten, man könnte nichtenimal irgendwelche Namen benutzen, die sch aus Stadtnamen entwickelten.

Aber mit der macchu-Picchu-Sache wurde mir geholfen. Vielen Dank  :jau:

Berjosa

@ Höllenpfau: Ich würde mal davon ausgehen, dass auch deine Leser Tante Wiki bemühen können, wenn ihnen ein Wort komisch vorkommt. Außerdem ist es nicht ganz so lebensentscheidend, was nun genau der Unterschied ist zwischen Kanapee, Recamière, Chaiselongue, Ottomane* und wie die Dinger alle heißen, wenn nur klar wird, dass es um ein längliches, gepolstertes Sitzmöbel geht.
Übrigens gab's zu Zeiten von König Ludwig eine bayrische Prinzessin, die glaubte, ein "Sopha" verschluckt zu haben. Das könnte ebensogut mit Leder wie mit Stoff bezogen gewesen sein. Und der Herr, der vielen Leuten beim Stichwort "Couch" einfällt, ist auch ungefähr in deiner Zeit zu Hause.

* Da sich die Bezeichnung angeblich vom Osmanischen Reich herleitet, tritt wieder das gleiche Problem auf wie bei "viktorianisch".

Höllenpfau

Hm, und wie ist es bei sowas wie Zeppelin?
Das Ganze ist ja eigentlich ein luftschiff, doch eigentlich sagt jeder Zeppelin.

Bei "Der Goldene Kompass" von P. Pullman wurde auch einmal zeppelin geschrieben, obwohl es nach einer bestimmten Person benannt wurde, die es in dieser parallelwelt eigentlich geben dürfte...
Trotzdem ist das Buch ein Erfolg!

Maran

Ich kann mich da nicht an "Zeppelin" erinnern, nur an "Luftschiff". Ich mag mich aber irren. Ansonsten stellt sich mir dabei die Frage, ob es im Original oder in deutscher Übersetzung vorkam. Zeppelin würde gar nicht gehen, da stimme ich Dir zu.

Höllenpfau

ich habe schon während ich das Buch gelesen habe darüber nachgedacht, ob irgendwann mal das Luftschiff Zeppelin genannt wird, um keine Wiederholungen zu machen. Und als das Luftschiff von Mrs. Coulter in Bolvangar anlegt wird einmal Zeppelin geschrieben.

Das kann natürlich sein, dass es an der deutschen Übersetzung liegt.


Geli

Ich habe His Dark Materials nur auf Englisch gelesen und da ist mir nirgends die Bezeichnung Zeppelin in Erinnerung.