• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Tragik - was ist zuviel?

Begonnen von Coppelia, 20. November 2008, 07:21:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Lothen

Zitat von: GuddyOb es reicht, wenn man zwischendurch immer wieder auch längere hübsche Passagen hat. Auf ein nonstop-Trauerspiel habe ich ohnehin keine Lust und halte es auch nicht für realistisch.
Ich glaube, wenn nur ein Schicksalsschlag den nächsten jagt, würde ich irgendwann als Leser durchdrehen. ;) Außerdem verliert es dann an Wirkung.

Ein wenig Ruhe, angenehme Passagen, schöne Dinge zwischendurch sind meiner Meinung nach sogar ziemlich wichtig.

ZitatDer tragischste Charakter kann auch den ein oder anderen (oder auch mehr) "hellen" Zug haben.
Auf jeden Fall. Jeder Mensch geht anders mit tragischen Geschehnissen um. Ich denke, da ist jede Nuance von hell bis dunkel möglich. Tragik kann ja auch dazu beitragen, dass jemand noch überzeugter wird und noch stärker an seine Ideale glaubt (Stichwort Hiob). Aber es kann einen Menschen natürlich auch zerstören. Ich denke, dazwischen ist alles möglich. ;)

Guddy

Zitat von: Lothen am 15. Dezember 2014, 18:41:18
Tragik kann ja auch dazu beitragen, dass jemand noch überzeugter wird und noch stärker an seine Ideale glaubt (Stichwort Hiob).
Oh ja! Generell finde ich persönlich es spannender, wenn der Prota an (schlimmen) Erfahrungen wächst! Ich finde des interessant zu sehen, was aus solchen Charakteren wird, wie sie sich verändern. Wo wir wieder bei meiner Schwäche für starke Charaktere sind ;D
Naja, Hauptsache auch, der Prota jammert nicht. Das ist nämlich etwas, das ich absolut nicht leiden kann.

Siara

#32
Huch, wie konnte ich bisher nicht auf diesen Thread stoßen? Dabei ist es doch eines meiner Lieblinsthemen!

Also zu der Frage, ob sonnige Passagen nötig sind und ob sie ausreichen: Wie bereits zuvor angemerkt, genügt es auch meiner Meinung nach für Tragik nicht, wenn eine Figur immer wieder von Schicksalsschlägen getroffen wird. Das ist bedrückend, aber nicht tragisch.

Tragik lebt von der Hoffnung. Tragik entsteht für mich aus guten Absichten, die vielleicht sogar gute Folgen nach sich ziehen, nur um am Ende in der totalen Katastrophe zu enden. Oder auch nur in einer kleinen Katastrophe, aus der der Protagonist sich mit Zuversicht befreit, weil er weiß, dass glücklichere Tage folgen. Wenn die Figuren lachen dürfen, während sie noch nicht wissen, dass die schöne Zeit bald vorbei ist. Tragik ist für mich enttäuschte Hoffnung. Und dazu braucht es ganz klar auch helle Tage und glückliche Momente.

In meinen Augen kann nur eine tragische Figur abgeben, wer von Zeit zu Zeit glücklich ist oder war. Tragik und Glück gehen also Hand in Hand. Das ist auch meine Antwort auf die Frage, ob sonnige Passagen genügen, um der Tragik die Düsternis ein wenig zu nehmen.

Wie tragisch ein Roman nun wirklich ist, hängt für mich davon ab, wo der Autor zu erzählen aufhört. An einem der hellen Tage oder in dem Moment, in denen der Protagonist alles Schöne verloren hat, was er zuvor besaß?

OT: Da gibt es so eine wunderschöne Stelle in "Der Vorleser", die gut verdeutlicht, was ich meine. Leider kenne ich mich mit Zitatrecht nicht genug aus, um zu wissen, ob das hier theoretisch erlaubt wäre.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Churke

Tragik ist die Dramaturgie des Scheiterns.
Natürlich gehört Hoffnung dazu, und zwar große, denn nur große Hoffnung kann groß enttäuscht werden.

Es geht nicht um sonnige Passagen - es geht darum, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, dass die Ziele des Protagonisten absolut realistisch und in greifbare Nähe gerückt sind, dass der Held es praktisch geschafft hat.

Doch dann scheitert der Held nicht am Schicksal, sondern aus Gründen, die in seiner Person selbst liegen.

Timmytoby

Ich muss zugeben, dass ich komplette Tragödien meide. Es muss kein Happy End sein, aber ein Schicksalsschlag nach dem anderen und ein unglückliches Ende finde ich schlicht ermüdend und antiklimaktisch. Zumindest eine mehr oder weniger hoffnungsvolle/positive Resolution sollte es schon sein, für meinen persönlichen Geschmack. Gutes Beispiel: The Fault in our Stars (Das Schicksal ist ein Verräter, oder so? Keine Ahnung wie der deutsche Titel ist). Da gibts auch nicht wirklich ein Happy End, aber es ist auch kein Emo-Trauerspiel.

Was gar nicht geht bei mir, und worüber ich mich dann auch gerne in meinen Rezensionen lustig mache, ist "Angst" in der englischen Bedeutung. Wenn sich die Charaktere über hunderte von Seiten an-"angsten" wird das für mich eher ein Text der mich zum Lachen bringt. Also Charaktere die passiv in der Gegend rumsitzen, über ihre Schicksalsschläge weinen, sich ordentlich selbst bemitleiden, aber nie tatsächlich "Agency" zeigen.
"Angst" in kleinen Dosen ist wie ein feines Gewürz, dass ein Buch besser machen kann. Es wird aber, besonders in der Urban Fantasy und den diversen Romanzen-Kategorien, im Übermaß benutzt, leider.  :vibes:

Guddy

#35
Zitat von: Churke am 15. Dezember 2014, 20:11:50

Es geht nicht um sonnige Passagen - es geht darum, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, dass die Ziele des Protagonisten absolut realistisch und in greifbare Nähe gerückt sind, dass der Held es praktisch geschafft hat.
Ja, das ist ein Teil dessen. :) Es geht um mehr als nur das - zumindest mir. Allgemeingültig ist es vermutlich nicht. Wenn es nach mir ginge, sollten viele Facetten abgedeckt werden und Tragik hat in meinen Augen einige.

Wenn es die Like-Funktion bereits gäbe, würde ich Siara ein Like geben, ihr Kommentar trifft in weiten Teilen meine Meinung.