Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: ShainaMartel am 12. Oktober 2009, 03:03:17

Titel: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: ShainaMartel am 12. Oktober 2009, 03:03:17
...oder denkt ihr, dass man auch eine Geschichte in einer Welt wiedergeben kann, wenn man sehr viele / gar keine wirklichen Protagonisten besitzt? Ich finde zwar, dass die Geschichte neutraler wirkt und nicht Gefahr läuft, sich nur um den einen Charakter zu drehen, der der Protagonist der Geschichte ist, wenn man sich nicht hauptsächlich auf einen/mehrere Personen versteift, doch ist es dann natürlich erheblich schwieriger, eine richtige Story aufzubauen. Wie seht ihr das? Oder findet ihr die Idee einfach verrückt, keinen Protagonisten herauszuarbeiten?  :o ;)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Tenryu am 12. Oktober 2009, 04:10:48
Ich denke nicht, daß es unbedingt eines einzelnen Pprotagonisten bedarf. In fast allen meinen Geschichten gibt es mehrere Hauptfiguren, die mehr oder weniger gleichbedeutend nebeneinander stehen. Ich finde das oft sogar interessanter udn reizvoller.

Grundsätzlich aber sind beide Erzählweisen geeigent. Man kann eigentlich jede Geschichte auf unzähllige unterschiedliche Weisen erzählen. So gesehen gibt es keine richtige oder falsche, sondern nur bessere oder schlechtere. Wobei das auch vom Vermögen und der Erfahrung des Autors abhängt.

In meinem Roman Erz11! habe ich sogar neun Hauptfiguren verwendet.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Beate am 12. Oktober 2009, 06:19:45
Die Frage ist, was man erzählen will. Will man die Geschichte eines Königreichs in einer schwierigen Situation, den Sturz eines lang gehassten Diktators etc. erzählen, aber nicht die Geschichte einer einzelnen Person, eignet es scih sicherlich, mehrere ERzählperspektiven ohne sicheren Hauptcharakter zu nutzen. In so einem Fall eignet sich vor allem ein auktorialer Erzähler sehr gut.

Für "Personengeschichten", wenn die Geschichte von einer Person dargelegt wird, wie ihr Lebensabschnitt verlaufen ist, eignet sich der personale Erzähler meist besser.

So gesehen gibt es da wohl keine "richtig oder falsch" Lösung, es ist eine Frage, was einem mehr liegt und was besser zur Geschichte passt. Und gerade in Romanen ist es auch kein Problem, die Perspektive einfach mal zu wechseln.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Cythnica am 12. Oktober 2009, 06:52:36
Also ich hab mehrere Sachen ausprobiert, kam aber letztlich immer zum Ergebnis, dass es mir am besten gefällt, wenn ich 2-3 Personen habe, die die wichtigsten Rollen tragen und hin und wieder die Perspektive übernehmen.

Wobei ich hierbei auch immer die Sorge hatte, dass möglicherweise manch einer nicht darauf klar kommt, dass nach einer szenischen Trennung ( Ich teile meine Kapitel in Zahlen ein) die Sicht wechselt.

Ich mag es jedoch nicht so, meine Geschichte nur aus der Sicht einer Person zu schreiben. Das würde mich viel zu sehr dazu zwingen, die Person entweder überall hinzuschicken, oder sie ständig in Dialogen erfahren zu lassen, was alles an anderen Sachen passiert, an denen sie vielleicht mal nicht teilhaben konnte.

Wohlgemerkt spreche ich hier von einer Sicht in dritter Person. In der ersten Person aus drei Sichten wäre für mich etwas krass.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Churke am 12. Oktober 2009, 09:30:46
Zitat von: ShainaMartel am 12. Oktober 2009, 03:03:17
Oder findet ihr die Idee einfach verrückt, keinen Protagonisten herauszuarbeiten?  :o ;)
Das trtifft es ziemlich genau.  ;D
Eine Geschichte ohne Protagonisten ist wie ein Film ohne Hauptdarsteller.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Chuck am 12. Oktober 2009, 10:12:17
Generell habe ich immer einen Protagonisten. Nicht zwangsläufig gewollt, aber es ist halt meist der Lauf meiner Erzählung geschuldet.

Darüber hinaus finde ich es aber eigentlich nicht unbedingt so wichtig. Oder anders ausgedrückt: Ich könnte mich vom Gegenteil überzeugen lassen - kommt darauf an, wie ein solches Werk ausgearbeitet wird.

Ich denke, ein Werk sollte einen roten Faden oder Kern besitzen, damit er als zusammenhängendes Werk betitelt werden kann. Ob dieser Kern nun ein Protagonist ist oder ein Idee, das spielt eigentlich keine Rolle.

Ich stelle mir da zum Beispiel ein Buch oder Erzählung über den olympischen Fackellauf vor, der in Griechenland beginnt. Hier wird die Fackel entzündet und der erste Träger begleitet uns über das erste Kapitel ... schließlich gibt er die Fackel aber ab ... das passiert immer und immer wieder bis die olympischen Spiele beginnen. Man hat dabei kaum Zeit die Fackelträger näher kennenzulernen, vielleicht ihre Gefühlswelt und ein paar Hintergründe, aber dann geht es auch schon weiter. Durch die Fackel selbst hätte das Werk aber einen starken roten Faden, der mich auch ohne starken Protagonisten überzeugen könnte.

Oder anders: Der Hauptdarsteller wäre eben keine Person. Ich stelle mir das sehr interessant vor.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 12. Oktober 2009, 15:27:09
Ich habe meist 2-3 Protas/Perspektiventräger, selten mehr und niemals nur eine. Nur ein einziger Prota wäre mir zu langweilig und einseitig.

Gar keinen Prota zu haben, stelle ich mir relativ unmöglich vor, außer in einem Sachbuch  ;D Nun ja, vielleicht nicht unmöglich, sowas zu schreiben, aber ich denke, für den Leser wäre es schon ziemlich anstrengend, sich ständig auf eine neue Figur einstellen zu müssen. Ich würde meinen, das wäre mal wieder so ein Fall von "das darf sich nur ein sehr bekannter Autor leisten", der darf Experimente machen und seine Bücher werden von den Fans trotzdem gekauft (und hoffentlich auch gelesen)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: LoneRanger am 12. Oktober 2009, 17:29:59
Ich werde mich erst auf einen einzigen Protagonisten beschränken, wenn meine Schreibkunst reifer geworden ist. Zur Zeit habe ich mindestens zwei Hauptprotagonisten und gerne ein paar "Special Guests". Ich liebe Interaktion und glaube daran, das wirklich große Dinge nur im Team zu erreichen sind.

Aber:

Es kristallisiert sich immer ein Held, eine Heldin heraus und selbst in einem Team gibt es wohl immer die Figur, die die Geschichte trägt. Und manchmal ist es nicht die Figur, von der man es zu Beginn denkt.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Anamalya am 12. Oktober 2009, 18:31:44
Hallo,
ich habe im Laufe meines Zyklus über zehn Figuren, die alle maßgeblich für die Geschichte sind und die man eigentlich als Protagonisten bezeichnen kann. Der Grund für dieses Personenchaos ist, dass ich so die Möglichkeit habe bestimmte Ereignisse bzw. Personen aus verschiedenen Sichtweisen zu beschreiben und so das gut-böse Bild aufzulösen.
Vielleicht kennt ihr "Die Haarteppichknüpfer" von Andreas Eschbach? In dem Buch wird jedes Kapitel aus der Sicht einer anderen Person erzählt, meistens haben sie nur indirekt oder überhaupt nichts miteinander zu tun. Das bewirkt meiner Meinung nach, dass man sich nicht mit einer der Personen identifiziert und so die Handlung objektiver verfolgen kann.
Es kommt aber insgesamt natürlich immer darauf an, was man schreiben möchte.  :)
LG
Anamalya
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Kati am 12. Oktober 2009, 20:09:34
Ich finde auch, dass eine Geschichte mehrere Protagonisten haben kann. Eigentlich macht das die Geschichte bloß spannender, da es mehrere Handlungsstränge gibt.
Eine Geschichte ganz ohne Protagonisten...geht das überhaupt? Ich kann es mir nicht vorstellen. Braucht man für einen Plot nicht einen Protagonisten?

LG,

Kati
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Joscha am 12. Oktober 2009, 22:00:45
Ich stimme den meisten meiner Vorposter zu. Eine Geschichte ohne Protagonisten ist für mich undenkbar, da man sich als Leser mit irgendjemandem identifizieren muss - eine Ausnahme ist es, wenn man Bücher schreiben will, mit denen in hundert Jahren Schüler gequält werden sollen...

Ich habe allerdings nichts gegen Romane mit einem einzigen Protagonisten, was meiner Meinung nach allerdings eine sehr anspruchsvolle Art des Schreibens ist, die ich mir selbst nicht zutraue. Mehrere Protagonisten ziehe ich als Autor vor, als Leser unterscheide ich nicht zwischen Büchern mit einem oder mehreren Protagonisten.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Tenryu am 12. Oktober 2009, 23:52:38
Ich frage mich, ob der Protagonist auch unbedingt eine Identifikationsfigur sein muß?
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Lucien am 13. Oktober 2009, 00:06:29
ZitatIch finde zwar, dass die Geschichte neutraler wirkt und nicht Gefahr läuft, sich nur um den einen Charakter zu drehen, der der Protagonist der Geschichte ist, wenn man sich nicht hauptsächlich auf einen/mehrere Personen versteift, doch ist es dann natürlich erheblich schwieriger, eine richtige Story aufzubauen.
Kommt ganz auf die persönlichen Stärken und Schwächen an. Ich persönlich sitze grad an zwei Geschichten, die nur einen Prota haben und bei beiden hänge ich schon nach den ersten Kapiteln im Plot fest. Bei den beiden anderen Werken, die mehrere Hauptfiguren haben, schreibt sich der Plot quasi von alleine.
Ich liebe das puzzeln und ich lasse auch gerne den Leser puzzeln. Deshalb baue ich Geschichten gerne um einen Gegenstand oder etwas anderes auf, worüber es etwas herauszufinden und das es zu entdecken gilt.
Da zwingt sich mir die größere Anzahl an Hauptfiguren förmlich auf. Alle wissen einen Teil und so kann nach und nach, wenn die Figuren aufeinander treffen, das Rätsel gelöst werden.  :)
Aber andererseits wird vielleicht die Auseinandersetzung mit der Figur intensiver, wenn es nur einen Prota gibt.
Es hat alles seine Vor- und Nachteile und es kann nicht schaden, mit allem mal zu experimentieren.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Möchtegernautorin am 13. Oktober 2009, 08:16:18

Also, die Überlegung, ein Buch zu schreiben, ohne Protagonisten, wäre mir sicher nie gekommen. Es dürfte möglich sein, aber ich stelle es mir etwas verwirrend vor, zumal ich eine bekennende Charakterliebhaberin bin. Manchmal können die Plots noch so bescheiden sein, wenn gut ausgearbeitete und glaubhafte Charaktere mitmischen, lese ich meistens doch weiter ;)
Eine Geschichte nun, in der ich mich ständig auf jemand neuen einstellen müsste und schlimmer noch: interessante Charaktere, bei denen ich neugierig auf deren Hintergrund bin, plötzlich nicht ehr wieder zu erleben, fände ich doch sehr enttäuschend :engel: Im besten Fall würde ich mich so sehr Ärgern, dass ich mir selbst was überlege.
Aber vielleicht wäre es wirklich mal ein nettes Experiment <nick>

Selbst produzieren könnte ich das allerdings nicht. Meine Geschichten hängen zu sehr an Charakteren. Ich brauchte Protagonisten, denn ohne diese würden bei mir einfach keine Geschichten entstehen. Ich plotte immer nur um die Charakter herum, um seine Geschichte und die seiner Freunde, Gefährten und Gegenstreiter zu finden.
Und da ich meistens immer mehr als einen Protagonisten habe (außer, ich käme doch mal auf die Idee einen Ich-Erzähler auszupacken), ist mir das sowohl beim Schreiben, als auch beim Lesen am liebsten. Dann habe ich wenigstens die Auswahl, mit wem man sympathisieren möchte ;)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Grey am 13. Oktober 2009, 10:26:11
Hm. Also ob es jetzt immer *einen einzigen* Protagonisten geben muss, bezweifle ich. Die Anzahl der wichtigen Figuren hängt schließlich immer auch von der Komplexität der Geschichte ab.

Was ich viel wichtiger finde, ist darauf zu achten, dass der "Rote Faden" der Geschichte immer sichtbar bleibt und die Erzählung nicht zu weit in Nebengeschichten abdriftet. Die können auch spannend und interessant sein, aber gerade dann lenken sie oft viel zu sehr von dem ab, was eigentlich erzählt werden soll. Und die Gefahr ist natürlich bei einem großen Personal viel größer - das ist bei Charakteren nicht viel anders als bei echten Menschen. Schließlich sind die eigenen Probleme immer die schlimmsten und sollten gefälligst berücksichtigt werden! ;D
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Tanrien am 15. Oktober 2009, 09:10:42
Zitat von: Tenryu am 12. Oktober 2009, 23:52:38
Ich frage mich, ob der Protagonist auch unbedingt eine Identifikationsfigur sein muß?

Ich denke, vielleicht nicht unbedingt Identifikationsfigur, aber zumindest ein Etwas, zu dem man eine emotionale Bindung eingehen kann. Sei es nun, dass man dieses Etwas bemitleidet, hasst, sich damit identifiziert etc. pp.

Ich habe bei der Eigangsfrage sofort an Naturdokumentationen gedacht. Da gibt es einerseits den Hauptprotagonisten Natur (Regenwald, Amazonas, etc.), dann wiederum wird ja meistens auch noch lose die Geschichte des Rudels Löwen, oder des kleinen Wals von Geburt bis Tod "verfolgt". Letzteres wäre der offensichtliche Protagonist/die Identifikationsfigur, die eingebaut wird, um das Ganze ansprechender zu machen.

Im Eingangsabsatz habe ich dieses Ding, den Protagonisten, als Etwas bezeichnet, weil ich denke, dass man auch so über, zum Beispiel, das Schicksal einer Kirche vom Aufbau bis in die Gegenwart durch die Augen vieler verschiedener Menschen, berichten kann - ohne, dass es ein Sachbuch ist, und trotzdem interessant für den Leser.

Dementsprechend würde ich sagen: Ein menschlicher/tierischer Protagonist muss nicht sein, ist aber einfacher und vielleicht ansprechender; was aber sein muss, damit die Geschichte gelesen wird, ist das Etwas, zu dem wir die Bindung aufbauen könnten. Nennen wir das Etwas jetzt einfach "Unkonventioneller Protagonist" (oder gar "Thema"?) und schon wäre die Antwort:
Ja, jede Geschichte braucht irgendeine Art von Protagonist.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 15. Oktober 2009, 13:28:02
Zitat von: Joscha am 12. Oktober 2009, 22:00:45
Ich habe allerdings nichts gegen Romane mit einem einzigen Protagonisten, was meiner Meinung nach allerdings eine sehr anspruchsvolle Art des Schreibens ist, die ich mir selbst nicht zutraue.

Zutrauen würde ich es mir schon, ich fände es nur etwas langweilig, aber gut, das ist Geschmackssache.
Allerdings weiß ich ehrlich gesagt nicht, was daran anspruchsvoller sein soll, nur einen Prota zu haben?  :hmhm?: Wenn man mehrere Protas mit mehreren Handlungssträngen hat, die vernünftig miteinander verknüpft werden müssen, ist das m.E. viel anspruchsvoller, als einen einzigen Prota und einen einzigen Handlungsstrang zu haben.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Joscha am 15. Oktober 2009, 16:21:59
Anspruchsvoll ist es meiner Meinung nach eher, den Leser trotz eines einzigen Protagonisten mitfiebern zu lassen und z.B. auch die "Gegenseite" mehr zu beleuchten bzw. Vielfalt entstehen zu lassen. Ein einzelner Protagonist wird, wenn er nicht gut gestaltet ist, mMn verhältnismäßig schnell eintönig.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Wuo Long am 16. Oktober 2009, 22:07:32
Um mal auf diese Frage eine Antwort zu geben:

Auch ich denke, dass es ganz darauf ankommt, was der Autor möchte.

Die zwei Romangeschichten, an die ich bisher schreibe haben beide mehr als einen Protagonisten. Das liegt unter anderem daran, dass ich - wie wahrscheinlich auch die meisten anderen Schreiber aus diesem Forum - mein Hauptaugenmerk auf die Handlung lege und auch auf die Kreierung einer eigenen Welt und da hilft es meiner Meinung nach definitiv, diese für den Leser fremde und neue Welt aus mehr als nur einer Perspektive zu beschreiben, sie aus mehr als nur einem Blickwinkel zu betrachten.

Das heißt aber nicht, dass ich Geschichten mit nur einem Protagonisten nicht reizvoll finde, ganz im Gegenteil: Momo von Michael Ende hatte nur eine einzige Protagonistin und die war super gelungen. Ein vielleicht etwas abstruses Beispiel, aber auch Goethes Faust hat meiner Meinung nach nur einen Protagonisten, Faust halt, und die Charakterentwicklung hinter diesem Epos ist... ich glaub ich lese es demnächst noch einmal, mir fehlen gerade die Worte.   :d'oh:

Worauf ich hinaus möchte ist, dass in einem Buch mit einem Protagonisten die Handlung mit einer Charakterstudie verbunden werden sollte. Natürlich kann man sich um die genaue Natur einer solchen Studie streiten, aber um es in einfache Worte zu fassen: Die Figur soll erleben, sich entwickeln, noch mehr erleben, wachsen, stürzen, sich wieder aufrappeln und seinen möglichst verschlungenen Lebensweg gehen und dafür bleibt in einem Roman meist nur für einen Charakter Platz...dem Protagonisten halt.

Ich stelle mir eine gelungene Charakterstudie schwierig vor. Ich habe mich bisher noch nicht an so was getraut.

Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Issun am 17. Oktober 2009, 09:52:48
Ich finde es spannend, mehrere Protagonisten ins Rennen gehen zu lassen. Sie müssen nicht immer dieselben Ziele verfolgen. Auf jeden Fall sollten es eigenständige Charaktere sein und nicht Klone mit unterschiedlichen Aufgaben, die nur dazu dienen, die Handlung voranzutreiben (auch das ist mir schon passiert  ::)). Der Leser kann dann selbst entscheiden, bei welchem dieser Protagonisten seine Sympathien liegen.

Ich glaube schon, dass auch an einer Vielfalt von Protagonisten Charakterstudien betrieben werden können, allerdings nicht in dem Ausmaß, das Wuo Long angesprochen hat. Einem einzelnen Prota kommt viel mehr Wichtigkeit zu als einem unter vielen, daher darf seine Entwicklung auch mehr Platz beanspruchen. Einen Roman mit etlichen Figuren zu schreiben, die sich alle von A nach Z entwickeln, würde viel Zeit und Nerven beanspruchen - außerdem machen ja nicht alle Charas eine so radikale Entwicklung durch.

ZitatOder findet ihr die Idee einfach verrückt, keinen Protagonisten herauszuarbeiten?

Nicht alle Erzählungen brauchen einen Protagonisten. Kurzgeschichten zum Beispiel kommen auch ohne aus, wenn einem das Skurrile gefällt.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Moa-Bella am 23. Oktober 2009, 22:23:27
Ich habe lieber 2-3 Protagonisten, allerdings lässt sich das manchmal nicht realisieren. Bei einem meiner Projekte kommen generell nur sehr weniger Personen vor da das Buch in einer, sagen wir sehr einsamen Gegend spielt und mehr als eine Hauptperson ist nicht drin. Bei mehreren bietet es einerseits mehr Abwechslung, andererseits ist es auch spannend, die verschiedenen Entwicklungen zu schreiben. Ich neige aber leider dazu, eine Lieblingsfigur zu haben, alle anderen ebenfalls so intenriv herauszuarbeiten ist schwierig.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Kolibri am 24. Oktober 2009, 20:21:43
Also ich finde es ja schon wichtig, dass es Hauptpersonen in einer Geschichte gibt.. Wenn man das neutral schreibt, ohne die Handlung auf jemanden/eine Gruppe zu fixieren.. kann dabei keine richtig gute Story rauskommen, oder?

Ansonsten kann es natürlich auch mehrere Hauptpersonen geben, mein Musterbeispiel sind hier immer die Gefährten aus Herr der Ringe.
Wie man das letzten Endes macht, kommt aber wirklich auf den Autor an.
Ob nun nur einen, oder mehrere Protas, hängt von der Geschichte ab. Aber Hauptpersonen generell sind wichtig, auch weil ich mir nicht vorstellen könnte, eine Geschichte zu schreiben, wo es keine Hauptperson gibt. Man baut ja automatisch zu den Personen eine gewisse Beziehung auf..
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Nachtaktive am 24. Oktober 2009, 21:14:34
Ich glaube auch, dass es eine große Rolle spielt wie viel Zeit in der Geschichte vergeht.
Wenn eine Erzählung nur von einem einstündigem Gespräch beim Tee handelt braucht man keinen
Protagonisten, aber wenn jetzt eine Geschichte beispielsweise durch Jahrzehnte hindurch geht, dann
kommt man glaub ich nicht drum herum mehrere Protas miteinzubeziehen, weil so nunmal das Leben spielt.
Wer lebt jahrelang alleine bzw. trifft nie Leute mit denen er etwas näheren Kontakt hat? (Außer vielleicht Einsiedler,
aber deren Leben ist wohl im allg. nich interessant genug um darüber einen Plot zu schreiben der inhaltlich Jahre beinhaltet....)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Redwood am 07. November 2009, 14:55:19
Ich persönlich finde, dass ein Autor auf der einen Seite darauf achten sollte, dass, wenn er nur
eine Perspektive verwendet, es nicht zu eintönig werden darf. Auf der anderen muss man bei
mehreren (gegen z.b.3 ist ja auch nichts einzuwenden) aufpassen, dass die Handlung nicht unübersichtlich wird. Es sollte dem Leser bei mehreren Perpektivträgern die Zeit gegeben werden,
sich jedes mal in die Geschichte einfühlen zu können. :)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Roland am 11. November 2009, 17:40:03
Mhm, eine gute Frage!

Ich für meinen Teil schätze, dass es auf die Story ankommt, wie viele Protas man braucht/benutzt. Schreibt man eine Story, in der der Prota ein knallharter Überlebensjunky ist, kann es gut und gerne reichen, wenn man nur einen hat. Es kann dann aber auch gut tun, wenn er Leute um sich rum hat, die ihn beeinflussen.
Ist man eher auf eine etwas "sozialere" Story aus, geht es ja auch gut mit mehreren. Aber ich stimme den anderen zu, dass es dann darauf ankommt, wie man jeden einzelnen gewichtet.

Grüssli, Wulf!
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Sin am 18. Dezember 2009, 18:50:48
Keinen Protagonisten zu haben, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Aber sicherlich kann man es probieren.
Bei nur einem Prota kann man sich gut hineinversetzen, vor allem, wenn es noch aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Ist zumindest meine Meinung.
Genauso interessant ist es, mehrere Protas zu haben. Man kann aus verschiedenen Sichtweisen schreiben und die Beziehungen zwischen ihnen in der Geschichte herausarbeiten.

Es muss auch zur Geschichte passen, genauso wie zum Schreibstil und den eigenen Vorlieben. Man merkt als Leser schon einen Unterschied, finde ich.

Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Bisou am 18. Dezember 2009, 19:02:38
Oookay, ich habe mich hierzu noch gar nicht geäussert, merke ich gerade. Das muss geändert werden :)

Ich halte es so, dass ich meine Geschichte sowieso nie von Anfang an im Kopf habe. Mir fliegen Szenen zu, Dialoge, Namen. Und die fordern dann lautstark meine Aufmerksamkeit. Wird eine dieser Szenen aus Sicht einer Frau erzählt, die starke Selbstzweifel hat, lässt sich das nicht mit einem strahlenden Helden vereinen. Für mich braucht es spätestens dann mehrere Protagonisten.
Um von meiner aktuellen Geschichte zu sprechen: es fing an, als ich mich einfach vor den PC setzte und angefangen habe, zu schreiben. Die erste Protagonisten war geboren. Gleich im zweiten Kapitel sprang die Perspektive über zu demjenigen, an den sie gedacht hatte. Die Perspektiven werden später zwar zusammengeführt und die des Mannes verschwindet, aber da sie zu Anfang beide wichtig für den weiteren Verlauf der Handlung sind, bleiben sie. Eine Krönungszeremonie schreibt sich halt am besten von "mittendrin".
Insgesamt gibt es in meinem Roman sechs Perspektiventräger im ersten teil, die im zweiten Teil entweder weg sind oder weitergeführt werden, jedenfalls reduziert sich das auf zwei Perspektiventräger.

Deswegen würde ich sagen: wenn man es sinnvoll am Text begründen kann und es für die Geschichte sinnvoll ist, dann ist es meines Erachtens sogar gut, mehrere Träger zu haben. So wird die Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt, die sich einander nicht ausschließen müssen.
Das finde ich persönlich spannend.

LG
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Nessa am 18. Dezember 2009, 19:32:05
Mal eine Frage, wer oder was ist der Protagonist?
Zitat von: Wikipedia.deDer Protagonist  bezeichnet in der griechischen Tragödie den Darsteller der ersten Rolle (ggf. vor Deuteragonist und Tritagonist, d. h. zweiter und dritter Hauptrolle).
Dementsprechend kann es nur einen Protagonisten geben.
Es gibt in allen Büchern, die ich bisher gelesen habe, nur einen Protagonisten.
Warum?

Da kommen wir zum Thema Schreibtheorie

Was ist die Funktion des Protagonisten?
Der Protagonist ist derjenige, der die Handlung vorantreibt. Es ist derjenige, mit dem die Handlung überhaupt in Gang kommt. Beispielsweise Herr der Ringe, weil es hier schon angesprochen worden ist, hat als Prota Frodo und nur Frodo allein trägt die Handlung. Es gibt Nebenhandlungen, jawohl, doch bei Frodo liegt die Haupthandlung.
Frodo entscheidet den Ring zum Schicksalsberg zu bringen. (1. Wendepunkt)
Frodo entscheidet sich, den Weg ohne seine Freunde weiter zu gehen. (2. Wendepunkt)
Frodo wirft, wenn auch unabsichtlich, den Ring in das Feuer des Schicksalberges (3. Wendepunkt)
(Das sind meiner Meinung nach, die wichtigsten, in der gesamten Geschichte, doch ist es möglich für jedes Buch die zwei wichtigsten Wendepunkte herauszuarbeiten.)
Die Geschichte um Merry und Pippin ist ein Nebenstrang, ebenso die von Aragorn und den anderen.

Wenn ihr Filme schaut, überlegt, welche Figur ist der Protagonist. Wer ist es, der die Handlung in Gang bringt?

Überlegt genau, wer ist der Träger der eigentlichen Handlung? Das ist der Protagonist. Es geht nicht ohne ihn. Es geht auch nicht mit mehreren.
Der Protagonist hat eine innere und eine äußere Motivation, die die Handlung voranbringt, sie ist das Motiv für die Geschichte. Wenn mehrere Protagonisten (tschuldigung, mir rollen sich grad die Fußnägel hoch, weil das ein Widerspruch in sich ist), die gleiche äußere Motivation hätten und auch die innere identisch wäre, so wären es identische Persönlichkeiten. Es kann sein, dass sich die Motivation von Charakteren innerhalb der Handlung überschneiden, dass sie sich gleichen, aber niemals sind beide Motivationen identisch. Hmm, obwohl, wenn beide die gleiche Frau lieben - äußere Motivation - und sie wollen beide von ihr geliebt werden - innere Motivation - so würde sich das doch überlagern, allerdings wird nur einer sein Ziel erreichen können.

Dementsprechend, redet von Charakteren, nicht von mehreren Protas.
Ich weiß selbst, wie schwer es fällt, sich wirklich für einen zu entscheiden, doch wenn man eine Geschichte richtig entwickelt, kommt man um diese Entscheidung nicht drumherum.

LG Nessa
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Lomax am 18. Dezember 2009, 20:17:25
@Nessa:
Bei deinem Einwand stolpere ich über einen methodischen Mangel, den man am deutlichsten wohl an zwei Punkten festmachen kann:
"Der Protagonist  bezeichnet in der griechischen Tragödie ..."
"Wenn ihr Filme schaut, überlegt, welche Figur ist der Protagonist ..."

Du siehst, worauf ich hinauswill ... das alles sind Beispiele aus der dramatischen Form, aber wir reden über Romane, die epische Form. Und die ist erheblich freier, insbesondere im modernen Roman. Und genau das ist der Punkt, wo dein Einwand zu eng wird, denn ...
Zitat von: Nessa am 18. Dezember 2009, 19:32:05Da kommen wir zum Thema Schreibtheorie ...
... er geht nicht von "der Schreibtheorie" aus, sondern nur von "einer Schreibtheorie", die ihre Aussagen zur Erzähltheorie vor allem aus der Dramentheorie ableitet. Diese Sichtweise ist derzeit recht populär und in vielen Schreibratgebern sehr präsent; nicht zuletzt darum, weil vor allem der zeitgenössische Genre- und Unterhaltungsroman sehr stark in den Sog des Mediums Film geraten ist. Sprich: Es ist gerade sehr modern, Romane wie einen Film aufzubauen, vor allem, um ein Publikum anzusprechen, das inzwischen den Film als Leitmedium akzeptiert.

Aber es ist eben auch nicht mehr als eine Sichtweise, eine bestimmte Schule unter vielen. Wenn die auf filmische Einfachheit setzt, hat sie damit vielleicht sogar ein recht gut funktionierendes Muster gefunden, und in der Anlehnung an das Drama womöglich sogar das am besten funktionierende und publikumswirsamste Muster überhaupt.
  Aber im Thread hier ging es ja gerade um die Frage, ob der epische Roman tatsächlich immer an dieses Muster gebunden ist und ihm folgen muss. Muss er natürlich nicht. Gerade der moderne Roman erlaubt halt nicht nur das, was gerade besonders modern ist ;) Er muss nicht mal figurengetrieben sein.

Und am Rande - mich schüttelt es immer besonders, wenn von "Charakteren" geredet wird :( Die gehören doch eher ins Rollenspiel. In der Literatur sollte man, wenn man sich vom "Protagonisten" abgrenzen will, wenigstens von "Figuren" reden.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Lavina am 18. Dezember 2009, 21:01:02
Ich kann es mir nicht so richtig vorstellen, wie ich eine meiner Geschichten hätte schreiben sollen ohne einen Protagonisten zu haben, der die Geschichte erlebt.
Manche können vielleicht solche Geschichten schreiben aber ich glaube, die Gefahr, dass der Leser ziemlich schnell das Interesse verliert, weil er nicht klar erkennt um was es geht oder es einfach zu lange dauert (bis er es erkennt), ist einfach zu groß.
Ich muss mich in eine Person hinein versetzen können, um das Gefühl zu haben, die Geschichte richtig erzählen zu können. Wenn es keinen Prota gäbe, würde ich womöglich meinen roten Faden verlieren.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: LoneRanger am 18. Dezember 2009, 21:37:09
Gerade unser Genre, die Fantasy, lebt m. E. vom einen einzigen Protagonisten und dann erst vom Team, den Mitstreitern und auch den Widersachern.

Ich habe versucht, in meinem ersten Projekt mit einem Team aus gleichwertigen Handelnden anzufangen, alle charakterlich und von den Begabungen her wichtig und in ihrer gegenseitigen Ergänzung ziemlich stark. Was passierte? Meine Protagonistin wurde noch stärker, verfolgte sowieso ihren eigenen Weg und bemerkte nur am Rand, das die anderen überhaupt da sind ihr Team sind und ihr brav zuarbeiten um ihr den Rücken freihalten. Ich habe es im Multi-Prota-Modus  versucht, aber ich konnte nicht so schreiben.

Ein Prota! Amen!

In meinem zweiten Versuch, einem SciFi-Liebesabenteuer, spielte sich der Bordrechner (Ellie) in den Vordergrund und in das Herz ihres Captains (Barrie). Ursprünglich war Barrie für die Hauptrolle angedacht, aber er ist nicht der Typ dafür. Will seine Ruhe und so wurde Ellie die Nummer 1. Die Schlüsselszenen entscheidet sie und das macht ja den / die Prota aus.

Ich habe es versucht und kann gar nicht anders, als nur einen einzigen Protagonisten zu haben. Wer es mit mehreren wirklich gleichwertig schaftt... Hut ab!

Aber nicht schummeln.

Gruß vom Ranger
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Bisou am 19. Dezember 2009, 11:36:22
Ich muss Lomax recht geben. Es mag Geschichten geben, die wirklich nur mit einem Protagonisten funktonieren und in denen das Team dem Protagonisten den Rücken freihalten, ihn psychisch und physisch unterstützen, etc. aber wenn ich diesen Satz auf meine Romane anwenden wollte...ganz ehrlich, das geht gar nicht.
In dem Moment, in denen die Geschichte an zwei Erzählsträngen hängt, die gleichberechtigt sind, die ohneeinander nicht funktionieren, habe ich zwei oder sogar mehr Protagonisten. Das sind in meinem Fall die beiden Schwestern, die ohne das Wissen über ihre Verbindung stetig gegeneinander arbeiten. Das sind die beiden anderen Schwestern, die am Anfang miteinander arbeiten, sich schließlich aber gegenseitig töten. Das ist der Königssohn, der die Freiheit sucht und sie im Tod findet.
Die ganze Geschichte würde ohne diese Protagonisten gar nicht funktionieren, niemals, denn jeder dieser Handlungsstränge trägt und bezweckt einen anderen, sie gehen im Prinzip fließend ineinander über.
Natürlich mag es auch Romane geben, in dem es einen Protagonisten und ein Team gibt, aber ich persönlich finde das schneller langweilig als alles andere. Diese Romane müssen sehr gut geschrieben und der Protagonist sehr gut ausgearbeitet sein, damit es spannend bleibt.

Letztendlich liegt es wie immer an der Ausarbeitung. Möglich ist, was funktioniert. Und ich hoffe, nein, ich glaube eher, dass es im Falle meines Konzepts funktioniert, und dass es funktioniert, habe ich schon bei einigen Romanen gelesen.
Es hängt dann letztendlich immer noch beim Autor, genauso wie es nach deiner Definiton, Nessa, auch nur einen Antagonisten geben kann. Und wenn es dann Antagonist gegen Protagonist steht, diese beiden die Geschichte tragen und die Nebenfiguren letztlich nur leere Hüllen sind, wie sie mir schon in dem ein oder anderen Roman begegnet sind...kommt das Gähnen schneller als die Bgeisterung.

LG
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 19. Dezember 2009, 16:50:57
Zitat von: Nessa
Zitat von: wikipedia.deDer Protagonist  bezeichnet in der griechischen Tragödie den Darsteller der ersten Rolle (ggf. vor Deuteragonist und Tritagonist, d. h. zweiter und dritter Hauptrolle).
Interessant zu wissen, dass Begriffe/Wörter wie Deuteragonist und Triagonist existieren, die habe ich bisher noch nie gehört  :hmhm?:
Ich muss zugeben, dass ich die Begriffe Protagonist, Hauptfigur und Perspektiventräger i.d.R. völlig synonym verwende. Jeder der eine Perspektive hat, wird bei mir entweder als Prota oder als Anta bezeichnet. Allerdings muss ich auch zugeben, dass meine Protas i.d.R. schon eine gewisse Abstufung in ihrer Relevanz haben, oder darin, wie häufig ich sie zu Wort kommen lasse. Wenn ich so an meine bisherigen Romane denke, dann lässt sich meistens eindeutig und ohne viel zu überlegen die wichtigste Figur benennen, die anderen wären dann also entsprechend Deuteragonist, Triagonist usw..
Zumindest meistens, was ja nicht immer bedeutet.  ;) Mir fällt aus meinem eigenen Reportoire auch ein anderes Beispiel ein, wo es eher so ist, wie bei Bisou. Wenn da zwei Handlungsstränge sind, die quasi parallel laufen und sich eine ganze Weile überhaupt nicht berühren, dann kann man schon sagen, dass es auch zwei gleichwertige Protagonisten gibt.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: LoneRanger am 19. Dezember 2009, 17:49:06
ZitatWenn da zwei Handlungsstränge sind, die quasi parallel laufen und sich eine ganze Weile überhaupt nicht berühren, dann kann man schon sagen, dass es auch zwei gleichwertige Protagonisten gibt.

Ist das überhaupt ein Widerspruch zur Frage, ob es EINEN Protagonisten gibt? Selbst in der Argumentation von Bisou kann ich das nicht erkennen. Es sind zwei ineinander verwobene Erzählstränge, von denen jeder einen eigenen Protagonisten hat. In dem Moment, in dem sie aufeinander stossen, wird aus einem Prota u.U. ein Antagonist. Das ist, was Bisou m.E. beschreibt, nicht zwei Protas, sondern die parallele Einführung einer Antagonistin. Von daher kann ich "Mehr Protas = weniger Langeweile" als Argumentation nicht nachvollziehen, denn die Protas übernehmen letztlich doch wieder die Position eines Deutas oder Tritas oder Antas...

Was passiert aber, nachdem mehrere Erzählstränge mit "mehreren" Protas schliesslich zusammenlaufen? Es wird sich eine Hauptfigur herausschälen und der Leser wird es vorher schon geahnt haben, um wehn es sich dabei handelt - denn im Kopf des Autoren, der Autorin, wird es diesen EINEN Protagonisten schon gegeben haben.

Prota - es kann nur einen geben.

Ist für mich bislang die noch die nicht widerlegte Theorie, aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen. 

Nur... letztlich ist ja auch egal, wie jeder das für sich nennt. Es haben sich schon Sachen als Bestseller verkauft, die gegen alle Regeln geschrieben worden sind und die Manuskript-Halden sind voll von Werken, die auf jede Definition und Vorgabe geachtet haben.

Keep on writing

Der Lone Ranger




Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 19. Dezember 2009, 18:10:05
Zitat von: LoneRanger am 19. Dezember 2009, 17:49:06
Was passiert aber, nachdem mehrere Erzählstränge mit "mehreren" Protas schliesslich zusammenlaufen? Es wird sich eine Hauptfigur herausschälen und der Leser wird es vorher schon geahnt haben, um wehn es sich dabei handelt - denn im Kopf des Autoren, der Autorin, wird es diesen EINEN Protagonisten schon gegeben haben.

Nun ja, jedes Mal wenn es in einem Roman mehrere Protas/Perspektiventräger/Hauptfiguren gibt, wird jeder Leser sich seine Lieblingsfigur raussuchen, die dann der individuelle Prota des Lesers ist. Ich würde nicht behaupten, dass man das als Autor so unbedingt steuern kann, es sei denn, man hätte eine der Figuren wirklich sträflich vernachlässigt, aber dann wäre es ja von vornherein ganz eindeutig kein Prota gewesen ;)

Und das sich einer der Protas/Perspektiventräger aus einem der Handlungsstränge zwangsweise in einen Anta verwandeln muss, oder das er/sie die alleinige Protarolle übernimmt, würde ich auch nicht zwangsweise so sehen. Vielleicht in Bisous Beispiel mit den beiden Schwestern, aber das kann ich so genau nicht beurteilen, weil ich den Roman nicht näher kenne.
Aber es gibt ja auch Romane, in denen es zwar zwei (oder mehr) gegnerische Parteien gibt, aber kein eindeutiges "Gut" und "Böse", also auch keinen echten Anta. Da hätte ich z.B. einen in der Mache. Hier habe ich auf beiden Seiten quasi einen "Hauptprota" und dann noch auf beiden Seiten (insgesamt) 3-4 "Nebenprotas" (Deuteragonist, Tritagonist usw.)

Oder in einem anderen Roman von mir gibt es zwei weibliche Protagonistinnen, die in getrennten, parallelen Handlungssträngen agieren, die sich nur lose berühren. Die zwei sind als Mädchen Freundinnen geworden, dann aber getrennte Wege gegangen. Schließlich geraten sie einige Jahre später auf unterschiedliche Art und Weise in einen Krieg, wo sie völlig unterschiedliche Rollen einnehmen und sich vor dem Ende des Romans (nach der Auflösung der eigentlichen Handlung, quasi eine Szene um "den Kreis zu schließen") auch gar nicht widertreffen. Verbunden sind sie auch noch dadurch, dass die Eine eine Affäre mit dem Bruder der Anderen hat, aber - wie gesagt - die zwei Handlungsstänge berühren sich eigentlich gar nicht, sondern dienen eher dazu, einerseits verschiedene Aspekte des Krieges zu zeigen und andererseits handelt der Roman von der persönlichen Entwicklung der beiden Protagonistinnen. Beide sind wirklich völlig gleichwertig und der Roman trägt daher als Arbeitstitel auch den Namen von beiden  :hmhm?:
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: LoneRanger am 19. Dezember 2009, 18:20:03
Zitataber kein eindeutiges "Gut" und "Böse", also auch keinen echten Anta.

Das ist mir neu, das sich ein Antagonist über eine moralische Wertigkeit definiert. Wenn der Protagonist z.B. böse ist, aber vom Autor als Sympathieträger eingeführt wurde, dann ist er der Prota und es sind die Guten, die ihn nerven, und damit die Antas des Romans. Oder liege ich da völlig falsch?

Was Du anhand Deines Romanes beschreibst, sind für mich immer noch nicht 2 Protas, sondern zwei Geschichten mit jeweils einem Prota. Aber gut - das könnte auch in Erbsenzählerei oder Rechthaberei von mir ausarten. Ich habe jedenfalls verstanden, was Du meinst, definiere es nur anders. Das wird an der Arbeit am Text nichts ändern, für keinen von uns.  8)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 19. Dezember 2009, 18:57:57
Zitat von: LoneRanger am 19. Dezember 2009, 18:20:03
Das ist mir neu, das sich ein Antagonist über eine moralische Wertigkeit definiert. Wenn der Protagonist z.B. böse ist, aber vom Autor als Sympathieträger eingeführt wurde, dann ist er der Prota und es sind die Guten, die ihn nerven, und damit die Antas des Romans. Oder liege ich da völlig falsch?

Nein, tust Du gar nicht ... :)
Im Fall meines Romans "Der ewige Krieg" geht's halt um zwei Seiten, die sich miteinander im Krieg befinden und keine von beiden Seiten ist "gut" oder "böse". Und da ich beide Seiten gleichwertig behandle und beide auch nach unseren Moralvorstellungen durchaus im Recht sein könnten, gibt es halt keinen Anta. Ich wüsste nicht, wie ich eine von beiden Seiten (bzw. eine der Figuren) dazu verdonnern sollte, diese Stellung einzunehmen ...
Welche der beiden Seiten die eventuellen späteren Leser bevorzugen und mit wem sie letztlich mitfiebern, ist mir persönlich ehrlich gesagt ziemlich wumpe, ich mag meine Figuren/Protas/Perspektiventräger alle und ICH weiß ja, wie's ausgeht.  ;D

ZitatWas Du anhand Deines Romanes beschreibst, sind für mich immer noch nicht 2 Protas, sondern zwei Geschichten mit jeweils einem Prota. Aber gut - das könnte auch in Erbsenzählerei oder Rechthaberei von mir ausarten. Ich habe jedenfalls verstanden, was Du meinst, definiere es nur anders. Das wird an der Arbeit am Text nichts ändern, für keinen von uns.  8)

Da hast Du wohl recht. Letztlich muss jeder von uns so arbeiten, wie es für ihn persönlich am Besten funktioniert, denn nur dann wird sich das Ergebnis entsprechend sehen lassen können. :)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Bisou am 19. Dezember 2009, 20:23:05
Ich finde es interessant, was ihr hier schreibt, und deswegen finde ich nicht, dass man das an dieser Stelle abbrechen sollte. Und ich glaube nicht, dass jemand die Arbeit an seinem Text deswegen abbricht, bzw. ihn ändert. Für mich sind solche Unterhaltungen/Diskussionen immer wieder hilfreich, um meine Texte zu überdenken, bzw. sie zu optimieren und mir über sie klar zu werden.

An LoneRanger: Ich muss dir im Falle meines Romanes leider definitiv widersprechen. Ehe du von Anta- und Protagonist bei den beiden sprichst, kommt eher Prota und Prota oder Anta und Anta, denn die beiden arbeiten permanent gegeneinander, ohne dass sie voneinander wissen. Keiner von beiden weiß, dass er durch seine Handlungen gegen diesen jemanden agiert, und da ich beide als Sympathieträger eingeführt habe, sind es für mich beide Protagonisten. Die eine von ihnen ist geöffnet und gutherzig, die andere eher melancholisch und verschroben. Aber beide haben auf ihre völlig gegensätzliche Art bei mir Pluspunkte gesammelt, gerade weil sie so gegensätzlich sind. Der unterschied ist nur, dass die zweite, gleichberechtigte Protagonistin erst dann richtig in Erscheinung tritt, wenn das Buch schon halb rum ist.
Um von den beiden abzukommen: wenn es Handlungsstränge gibt, die einander bedingen ( In Italien flattert ein Schmetterling mit den Flügeln, in China fällt ein Sack Reis um, wie man so schön sagt  :)), gibt es für mich auch dort wieder zwei gleichberechtigte Protagonisten, weil keiner der Handlungsstränge funktioniert, wenn es nicht den anderen geben würde.

Ich will dich jetzt natürlich nicht von meiner Sichtweise des Ganzen überzeugen, denn das würde keinen Sinn machen. Ich glaube, der Autor definiert sich durch seine Ansichtsweisen und seinen Stil und wenn der Weg ist...nicht schön.
Aber in dem Punkt muss ich Romilly recht geben. Der Autor kann seine Protagonisten noch so gleichberechtigt schreiben, der ein oder andere sammelt bestimmt mehr Pluspunkte und wird somit zum Protagonisten des Lesers. Ich glaube auch, dass der eigentliche Entstehungsprozess beim Autor viel vielschichtiger ist als der Prozess des Schreibens und hinterher das fertige Werk. Müsste ich alle meine Hintergrundinformationen im Buch unterbringen, wäre das Ganze wohl nur noch Infodump.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Geli am 21. Dezember 2009, 09:53:38
Die Komplexität der Geschichte ist ein gutes Stichwort.
In meinem immer noch aktuellen Projekt "brauche" ich einfach 4 Erzählperspektiven: die Heldin A, den Bösen B, den Weißen Ritter der Heldin C und den Vater der Heldin D.
Es macht (mir) zu wenig Spaß, alle Aktionen des Bösen aus der Perspektive der Heldin zu erzählen; deshalb führe ich die Story abwechselnd aus der Sicht von B C und D weiter.
Wichtig ist (wiederum mir) dabei nur, dass die Handlungszeit immer fortschreitet - also keinerlei Rückblenden - und zweitens, dass sich für den Leser erst aus dem Zusammenspiel der vier Perspektiven nach und nach der Plot erschließt.

Wenn man das, was ich hier zu beschreiben versucht habe, aber mit einem einzigen Protagonisten hinkriegt, sollte man sich auch auf diesen beschränken!
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Valaé am 21. Dezember 2012, 22:40:52
Gerade wollte ich aufgrund Janikas Anmerkung zu ihrer Unsicherheit bei der Protagonisten-Frage einen neuen Thread eröffnen, da stoße ich in der vorsorgenden Suche, die ich vorm Threaderöffnen immer betreibe, auf das hier. Entschuldigt mich, wenn ich jetzt Totengräber spiele, aber ich finde das besser, als nochmal einen neuen Thread zu eröffnen.

Mit freundlicher Genehmigung von Kati zitiere ich sie hier einmal:
Zitat von: Kati am 21. Dezember 2012, 21:58:43
Der Protagonist ist immer die wichtigste Figur einer Geschichte (...). Die zweitwichtigste Figur wäre der Deuteragonist, die drittwichtigste der Tetragonist. Welche Figuren wie wichtig sind, kann man ja meist in ihrem Auftreten und ihrer Rolle ableiten. Aber nur eine Figur kann Protagonist sein.  ;)
Das ist durchaus das, was normalerweise als Diskussionsgrundlage dient und jahrelang Standard war. Gerade die neuere Literatur kennt da aber auch Probleme. Ich nehme mal ein Beispiel, das die meisten hier wahrscheinlich kennen: Könnt ihr einen Protagonisten in "Das Lied von Eis und Feuer" benennen? Hier gibt es so viele Figuren, aber keine ist wirklich herausragend, keine nimmt die "wichtigste" Rolle ein - und trotzdem gibt es Nebenfiguren. Sie alle also einfach als Figuren ohne Wertung zu bezeichnen wäre schwierig, fände ich. Von den Hauptfiguren kann man aber auch niemanden vor die anderen stellen - sind es also mehrere Protagonisten? Oder bräuchte man dafür einen neuen Begriff, weil der Protagonist eben der "erste Schauspieler" ist und das dann auf diese Figuren nicht zutrifft? Da ich durchaus Interesse an fachlich richtiger Ausdrucksweise habe, wie nennt man die dann? Nach alter Definition dürfte man nicht Protagonist sagen - allerdings neigt die modernere Literaturwissenschaft auch dazu, sich über diesen Punkt zu streiten - wie macht ihr das, welche Handhabungsweise schlagt ihr vor?

Allgemein, wie empfindet ihr das? Ich finde es sehr schade dass dieser interessante Thread so weggerutscht ist, denn auch fern von der Begriffsdefinition (deswegen kein neuer Thread, weil ich auch sehr an der allgemeinen Thematik interessiert bin) - Habt ihr immer einen deutlichen Protagonisten? Oder gibt es manchmal mehrere dominante Figuren, die aber wirklich dieselbe Stärke aufweisen? 
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Sprotte am 21. Dezember 2012, 22:52:34
Ich habe aus Grundsatz (Romantasy!) ein Heldenpaar. Deren Beziehung steht neben dem Gemetzel (Heroic) im Vordergrund und definiert die Geschichte. Ich würde sie als Protagonist und Protagonistin bezeichnen. Die Abkürzung "Prota" finde ich übrigens gruselig.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Alana am 21. Dezember 2012, 22:54:26
Ich habe in einem Buch auch zwei Protagonisten mit gleichberechtigten Perspektiven, beide Ich-Erzähler. Wie sollte ich da bestimmen, wer DER Protagonist ist? Ich gebe aber zu, das Wort in letzter Zeit etwas zu locker verwendet zu haben. Ich gelobe Besserung. ;D

Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Kati am 21. Dezember 2012, 22:56:57
Da möchte ich gleich mal drauf antworten.  ;) Ich denke, das Wort "Protagonist" kann man auch bei mehreren Hauptfiguren nicht verwenden. Allein schon von der Bezeichnung her. Denn "Protagonist" bedeutet ja "Ersthandelnder". Und zwei Leute können nicht gleichzeitig Ersthandelnde sein. Ich gebe aber auch gern zu, dass es stimmt: In vielen, meist modernen Büchern ist es schwer einen Ersthandelnden zu bestimmen. Und selbst, wenn man einen Protagonisten bestimmen kann, wird es oft bei Zweit- und Dritthandelndem sehr schwer. Nehmen wir Harry Potter. Harry ist definitiv der Protagonist, aber man kann nicht sagen, ob Hermione oder Ron jetzt Deuteragonist ist. Sie beide erachte ich als gleichwichtig. Und nun?

Ich denke, man kann Figuren vielleicht als "Hauptfiguren" zusammenfassen, aber nicht als "Protagonisten". Und Hauptfiguren ist vielleicht ein wenig lasch, aber ein besseres Wort fällt mir nicht ein.

Ich selbst habe immer einen deutlichen Protagonisten. Das war schon immer so, schon bevor ich überhaupt angefangen habe, mir darüber Gedanken zu machen, was jetzt die Fachbegriffe und alten Muster sind. Ich habe immer eine deutliche Hauptfigur, aber bei mir wird es dann auch schwer, den Zweit- und Drittwichtigsten zu bestimmen. Mein Protagonist ist oft durch ein besonderes Merkmal oder eine besondere Gabe Erstwichtiger, da bin ich, wie mir tatsächlich jetzt erst klar wird, sehr traditionell. Vom Handeln her, könnte ich auch sagen, ich habe mehrere gleichwichtige Hauptpersonen, die alle gleich viel tun. Aber schon allein dadurch, dass ich Ich-Erzähler habe, habe ich natürlich meist einen, der "am wichtigsten" ist.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Naudiz am 21. Dezember 2012, 23:01:22
Bei mir kann man schon eindeutig einen Protagonisten ausmachen, allerdings ist dieser nicht gleichzeitig der einzig wahrhaftige Perspektivträger, und tatsächlich ist es so, dass die Nebenhandlungen der anderen Charaktere genauso wichtig sind wie die des Protagonisten, da sie einander beeinflussen und viele Situationen, in die der Protagonist gerät, ohne das aktive Handeln der anderen Perspektivträger so nicht möglich wären.

Allgemein kann man also sagen, dass es bei mir ganz ähnlich wie beim Lied von Eis und Feuer ist, obwohl sich bei mir wie gesagt ein definitiver Protagonist bestimmen lässt.

Einen Protagonisten, der auch gleichzeitig die alleinige Perspektive hat, habe ich bisher nur in einem Roman.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: K a t e am 21. Dezember 2012, 23:05:23
Ich habe sehr selten einen Ich-Erzähler. Wenn das der Fall sein sollte, ist der Ich-Erzähler der Protagonist, den ich wirklich ohne lange zu überlegen als Protagonisten festlegen kann.

Bei anderen Geschichten ist es dann schon schwieriger. Ich habe meisten zwei Protagonisten, die gleich wichtig sind für den Verlauf der Geschichte oder die eine wichtige Beziehung zueinander haben.
Mein restlichen Perspektiventräger sind dann einfach Hauptpersonen. :) (einzige Ausnahme ist bei meinem Heroicprojekt, wo ich zwei Protagonisten und einen protagonistenähnlichen Perspektiventräger habe).
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Maran am 21. Dezember 2012, 23:07:55
Zitat von: Valaé am 21. Dezember 2012, 22:40:52
Das ist durchaus das, was normalerweise als Diskussionsgrundlage dient und jahrelang Standard war. Gerade die neuere Literatur kennt da aber auch Probleme. Ich nehme mal ein Beispiel, das die meisten hier wahrscheinlich kennen: Könnt ihr einen Protagonisten in "Das Lied von Eis und Feuer" benennen? Hier gibt es so viele Figuren, aber keine ist wirklich herausragend, keine nimmt die "wichtigste" Rolle ein - und trotzdem gibt es Nebenfiguren.

Ich denke nicht, daß das so neu ist. Ich beziehe mich jetzt (wieder einmal) auf Tolkiens Herrn der Ringe. Wer ist denn in diesem Werk der Protagonist? Frodo? Oder Aragorn?
M.b.M.n. ist diese Frage nicht wirklich zu beantworten, denn die Geschichte erfordert die Verbindung dieser beiden Charaktere, weil die Geschichte Mittelerdes in diesem Zeitraum wichtig ist. Nicht das Schicksal der Figuren, sondern das Schicksal der Welt ist wichtig. Darum geht es. Entweder erzählt man als Autor die Geschichte einer Figur, oder aber die "größere" Geschichte, indem man die Figuren als Mittel zum Zweck nimmt.

("Das Lied von Eis und Feuer" habe ich nicht gelesen, sry.)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Valaé am 21. Dezember 2012, 23:35:34
Ich persönlich finde an sich auch, dass man nicht zu mehreren Figuren Protagonist sagen sollte, weil es eben nicht der Wortbedeutung entspricht, ich tue es trotzdem hin und wieder, weil es  meiner Meinung nach dem Diskurs darum einfach noch an einem richtigen Wort dafür fehlt, auf Hauptfiguren weiche ich auch gerne aus, nur ist mir das Wort zu schwach irgendwie. Eine Hauptfigur steht für mcih im Kontrast zur Nebenfigur die eben keine wichtige Rolle spielt an sich, es kommt bei mir aber durchaus vor, dass ich 3 oder mehr Figuren mit wichtiger Rolle (und Perspektive) habe, von denen dann aber noch einmal 2 herausstechen und wirklich die zentrale Rolle übernehmen, mir fehlt da irgendwie noch eine Staffelung, als einzige Staffelung Hauptfiguren und Nebenfiguren zu haben, ist mir zu wenig. Manchmal grenze ich dann ab mit Perspektivträgern und Hauptfiguren, aber dann fragen mich immer alle, ob meine Hauptfiguren keine Perspektive haben, was auch verständlich ist weil ich dann zwei vollkommen unterschiedliche Kategorien durcheinander werfe - deswegen habe ich es mir abgewöhnt.
Meistens nenne ich in einem solchen Szenario die beiden dann doch Protagonisten, einfach weil mir ein anderes Wort dafür fehlt und ich sie sonst nicht von den anderen Hauptfiguren abgrenzen kann.

Und es ist bei mir auch wirklich so, dass diejenigen, die ich dann beide damit beschreibe, genau gleich wichtig sind- sie haben beide eine Perspektive (beide meistens dieselbe, sodass auch keine Gewichtung durch die Perspektivenart zustande kommt), sie gehen beide durch eine gleich starke Entwicklung und auf beider Geschichte und Besonderheit liegt der Fokus - gerne funktionieren sie antithetisch - sie erleben ähnliches und entwickeln sich genau entgegengesetzt.

Hier und da kann ich manchmal einen Aspekt herausfinden, der dann doch dazu tendiert, den einen als Protagonisten zu bezeichnen, aber meistens gibt es dann etwas anderes bei dem Anderen, dass die Waage in seine Richtung verschiebt. Beispiel 1: Eine Figur hat eine Perspektive aus der 1. Person erzählt, die andere aus der 3., somit wird der Leser stark durch die Gefühle von Nr.1 gelenkt und der Fokus liegt stark auf Nr.1, aber auf der anderen Seite hat Nr.2 mehr Auftritte und eine deutlicher gezeichnete Hintergrundgeschichte, womit auch der Fokus der Gesamtstory ein wenig mehr zugunsten Nr.2s Entwicklung verschoben wird - und nun?

Auch Alanas Konstellation hatte ich schon - wenn auch nicht beide mit Perspektiven aus der 1. Person erzählt, sondern mit welchen aus der 3. Person.

Ich finde im Übrigen alle Modelle sehr interessant und bin manchmal selbst verwundert dass es mir selbst so schwer fällt, eine Geschichte mit einem festen Protagonisten zu schreiben - vielleicht spuke ich zu gerne sehr lange und ausführlicg in verschiedenen Köpfen herum und beleuchte zu gerne aus mindestens 2 gleichberechtigten Sichtweisen ... :hmmm:.

ZitatIch denke nicht, daß das so neu ist.
Nicht unbedingt, aber es gibt in der moderneren Literatur durchaus einen verstärkten Trend dazu - Tolkiens Werk ist im Übrigen noch nicht so alt, dass man es in diesem Zusammenhang nicht schon noch als "neuere" Literatur bezeichnen könnte, wobei ich dir allerdings nicht unbedingt zustimme, was die Frage angeht, wer bei Tolkien der Protagonist ist - das ist für mich durchaus eindeutig Frodo.
Und warum? Zum Einen weil Frodo der Einzige ist, dessen volle Geschichte, mit Vorgeschichte und bis zum Ende erfahren, die anderen Geschichten werden uns nur angedeutet oder in Appendixen erzählt. Dann kommt die Tatsache dazu, dass der Herr der Ringe durchaus eine relativ klassische Heldenreise-Struktur aufweist und Frodo nun einmal derjenige ist, der den "Quest" akzeptiert, er erhält den "call to adventure", er muss sich entscheiden, die Bürde des Ringes auf sich zu nehmen und das Abenteuer anzunehmen - die anderen unterstützen ihn dabei. Es ist eine ganz einfache Sache - das ganze Abenteuer wäre denkbar ohne Aragorn, ohne Gimli, ohne Legolas und auch ohne jeden anderen Gefährten - aber nicht ohne Frodo. Zumindest kann Frodo nicht ersatzlos gestrichen werden, denn dann hätte man keinen Ringträger mehr und das würde die ganze Geschichte ad acta legen - es ist Frodos Geschichte und Frodo schreibt sie dann auch am Ende in Bilbos Buch, niemand sonst. Das ist ganz folgerichtig, den Frodo ist der Protagonist.

ZitatEntweder erzählt man als Autor die Geschichte einer Figur, oder aber die "größere" Geschichte, indem man die Figuren als Mittel zum Zweck nimmt.
Ich denke, das ist vor allem eine Frage der Wertlegung auf Charakter oder Plot - also eine character-driven Story oder eine plot-driven. Aber auch eine Geschichte, die plot-driven ist, kann einen Protagonisten haben. Letztlich erzählen viele alte Heldensagen (man nehme beispielsweise die Eneis) von großen Ereignissen (der Geschichte der Flucht des trojanischen Volkes nach dem Fall von Troja und ihrer neuen Heimatfindung) und heißen trotzdem nach ihrem Protagonisten (Eneas), welcher auch im Vordergrund steht. Eine Geschichte kann durchaus von sehr großen Dingen, auch vom Schicksal eines Volkes oder einer Welt erzählen und trotzdem einen Protagonisten haben. Viele High- Fantasy Romane drehen sich um das Schicksal einer Welt und haben trotzdem ganz klare Protagonisten - meistens, weil die Rettung der Welt einen "Helden" braucht. Tolkien hat es uns da schon etwas schwieriger gemacht und seinen Helden nicht so klar gezeichnet wie beispielsweise Eragon, aber trotzdem würde ich Frodo ganz klar als Protagonisten benennen wollen.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Envo am 28. Dezember 2012, 17:52:18
Zitat von: ShainaMartel am 12. Oktober 2009, 03:03:17
...oder denkt ihr, dass man auch eine Geschichte in einer Welt wiedergeben kann, wenn man sehr viele / gar keine wirklichen Protagonisten besitzt? Ich finde zwar, dass die Geschichte neutraler wirkt und nicht Gefahr läuft, sich nur um den einen Charakter zu drehen, der der Protagonist der Geschichte ist, wenn man sich nicht hauptsächlich auf einen/mehrere Personen versteift, doch ist es dann natürlich erheblich schwieriger, eine richtige Story aufzubauen. Wie seht ihr das? Oder findet ihr die Idee einfach verrückt, keinen Protagonisten herauszuarbeiten?  :o ;)

Martin löst das in seinen Büchern hervorragend. Ich mag inzwischen nicht mehr gern Fantasy-Romane lesen, in denen nur aus Sicht einer einzigen Person (also den Protagonisten) erzählt wird, weil man weiß, ihm passiert, wenn überhaupt, erst ganz zum Schluss etwas und daher gibt es in den Szenen vorher nur Pseudospannung.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 30. Dezember 2012, 03:02:59
Ich bin ja entzückt, dass ich zu dem Thema im Großen und Ganzen noch immer dieselbe Meinung habe wie 2009. ;D Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, noch mal was zum Thema zu schreiben.

Zitat von: Alana am 21. Dezember 2012, 22:54:26
Ich habe in einem Buch auch zwei Protagonisten mit gleichberechtigten Perspektiven, beide Ich-Erzähler. Wie sollte ich da bestimmen, wer DER Protagonist ist? Ich gebe aber zu, das Wort in letzter Zeit etwas zu locker verwendet zu haben. Ich gelobe Besserung. ;D
Dazu zwei Sachen:
1) Obwohl ich seit 2009 weiß, dass es einen Protagonisten, Deuteragonisten usw. gibt, verwende ich den "Prota(gonist)" auch immer noch sehr locker und oft auch, wenn ich alle Hauptfiguren als Gesamtheit meine. Das Wort kommt mir einfach besser über die Lippen, bzw. kommt beim Tippen hier im Forum leichter raus. Es ist vermutlich einfach Gewöhnungssache. An sich benutze ich Hauptfigur(en)/Protagonist(en) und Perspektiventräger synonym. Das ist für mich dasselbe. Wer keine Perspektive hat ist Nebenfigur. - Aber auch ich gelobe, mit dem Begriff Protagonist in Zukunft sorgfältiger umzugehen.
2) Zu den Ich-Erzählern. Mein NaNo-Roman von 2010 hat auch zwei Ich-Perspektiven, trotzdem lässt sich eindeutig bestimmen, wer Protagonistin und wer Deuteragonistin ist. An sich wechseln sich die Kapitel der beiden ab, dann allerdings habe ich noch eine dritte Perspektiventrägerin (aus der 3. Person), die nur 2 Kapitel im ganzen Roman hat und die anstelle der Deuteragonistin gesetzt sind. Von daher hat die Deuteragonistin schon mal 2 Kapitel weniger, als die Protagonistin. Davon abgesehen sind die Kapitel der Protagonistin oft auch wesentlich länger, als die der Deuteragonistin. - Also, es ist wahrscheinlich wirklich etwas schwieriger, bei zwei Ich-Perspektiven eine Abstufung zuzuweisen, aber unmöglich ist es ganz sicher nicht. ;)


Zum Herr der Ringe: Darüber zerbreche ich mir jetzt auch gerade den Kopf. Es ist zu lange her, dass ich HdR gelesen habe, sodass ich es nicht mehr ganz sicher beurteilen kann. Aber ich neige dazu, Maran zuzustimmen, dass Frodo und Aragorn beide *die* Hauptfiguren sind. Frodo ist demzufolge der Protagonist und Aragorn der Deuteragonist. Ketzerisch gesagt könnte man letztlich genausogut beide streichen und andere Figuren dafür einsetzen und die dann ganz genauso aufbauen. Z.B. könnte Frodo genauso ein Zwerg sein, dem der Ring ebenso zufällig in die Hände fiel, wie Hobbit Frodo und der ebenso ein gutes Herz und einen tollen Kumpel hat, mit dem er zum Schicksalsberg marschiert. Aragorn könnte genauso gut eine Frau sein, oder was auch immer. Tolkien hätte es so erzählen können und an der Geschichte an sich hätte sich quasi nichts geändert im Vergleich zu dem, wie wir sie tatsächlich kennen.
Das sehe ich als Unterschied zwischen einer Geschichte, die Figuren-driven und einer die Plot-driven ist.
Bei einer Plot-driven-Story könnte man die Figuren relativ leicht austauschen und durch beliebige andere Figuren ersetzen. Es ist wichtig, dass die Handlungen, die sie ausführen von irgendwem ausgeführt werden; die Figuren sind eigentlich nur Mittel zum Zweck. - Tendenziell sind gerade bei diesem Modell auch mehrere Perspektiventräger nötig, um alle Aspekte der Geschichte zu beleuchten.
Bei einer Story, die Figuren-driven ist, können ausschließlich ganz genau diese Figuren und keine anderen die Handlung ausführen, allgemein ist auch das Innenleben und die persönlichen Belange der Figuren wichtiger, als irgendeine große Weltenrettungsstory. - Eine Geschichte nach diesem Modell funktioniert auch schon mal eher aus Sicht nur eines Perspektiventrägers. Gibt es z.B. zufälligerweise gerade einen Krieg, kann der auch als Rahmenhandlung dienen, aber man braucht dann nicht x-Perspektiventräger, um alle Aspekte dieses Krieges, die dafür irgendwie wichtig sein könnten, zu zeigen. Wichtig ist/sind halt nur der/die Perspektiventräger und was dem gerade zustößt und wie sich z.B. der Krieg gerade auf sein Leben auswirkt und mit den persönlichen Problemen vermischt. Ob nun die ein oder andere Seite den Krieg gewinnt, ist für die Geschichte an sich aber womöglich total nebensächlich.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: FeeamPC am 30. Dezember 2012, 13:51:55
Ich mag beides und benutze beides. Entweder ein einziger Perspektiventräger, dessen Sichtweise konsequent durchgehalten wird, oder mehrere, die relativ gleichwertig sind, z.B. die verschiedenen Mitglieder einer Familie. Manchmal lasse ich sogar dieselbe Szene aus verschiedenen Blickwinkeln durchspielen.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: canis lupus niger am 04. Januar 2013, 21:31:30
Geht mir genauso.

Ich habe jetzt mit allem experimentiert: Ein Protagonist- eine Erzählperspektive, ein Protagonist -  mehrere wechselnde Erzählperspektiven. Vier Protagonisten - vier wechselnde Erzählperspektiven.

Mir selber haben alle Modelle mehr oder weniger gefallen. Die Kritiker haben sich teils positiv, teils negativ dazu geäußert, zum selben Text teils völlig gegensätzlich. Deshalb denke ich einfach, dass diese eine Mode- und Geschmacksfrage ist. Jemanden, dessen Erlebnisse oder Schicksal ich als Leser verfolgen kann, brauche ich aber. Zumindest habe ich noch keinen Roman gelesen, in dem es gar keinen Protagonisten gab, und kann mir auch nicht vorstellen, dass das funktionieren würde.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Zit am 14. Januar 2013, 00:57:30
Zitat von: Romy am 30. Dezember 2012, 03:02:59
Wer keine Perspektive hat ist Nebenfigur.

Holmes ist aber keine Nebenfigur, er ist der Protagonist, auch wenn Watson der Perspektivträger (und zweite Hauptfigur) ist. Lestrade ist aber eine (konstante) Nebenfigur und Moriarty der Antagonist, wenngleich er persönlich selten auftritt. So einfach ist es dann doch nicht.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Mithras am 14. Januar 2013, 01:09:28
Ich könnte mich nicht auf einen einzigen Hauptcharakter beschränken - es würde mich langweilen, nur an dessen Perspektive gebunden zu sein. Ein breites Spektrum an potentiellen Protagonisten bietet mir eine große Auswahl an Möglichkeiten, den Leser an der Nase herumzuführen, denn normalerweise unterscheiden sich Hauptcharaktere in vielerlei Hinsicht - ohne diesen Kontrast wäüren sie schließlich austauschar. Und da sie möglichst unterschiedlich sein sollen, haben sie auch unterschiedliche Moralvorstellungen, halten Dinge für wahr, die andere als absurd bezeichnen usw. Man kann also durch die Verwendung mehrerer Perspektiveträger eine Vielzahl von Widersprüchen einflechten, die man als Autor nicht unbedingt aufklären muss, und der geneigte Leser ist dann dazu aufgefordert, sich selbst einen Reim darauf zu machen. Mir als Leser, aber auch als Autor macht das immer sehr viel Spaß.

Außerdem: Wenn es nur einen Protagonisten, also nur einen Perspektivträger gibt - kann der dann sterben? Wahrscheinlich nicht, denn dann wäre die Geschichte in den meisten Fällen beendet. Mehr Charaktere sorgen auch gerade deshalb für Unberechenbarkeit und Abwechslung - abgesehen davon, dass man natürlich mehr über die Welt erfährt und Einblick in Dinge erhält, die ein einzelner Charakter kaum überblicken könnte.

Man sollte natürlich darauf achten, man das Gleichgewicht wahrt. ch würde sagen, dass im meiner Geschichte Welt und Handlung im Vordergrund stehen und die Hauptcharaktere vor allem dazu dienen, einen Blick auf alle Facetten zu ermöglichen, nichtsdestotrotz sind sie für mich keineswegs Statisten, die unbedeutend und austauschbar wirken. Tatsächlich habe ich Probleme mit Büchern, in denen Charaktere nur Mittel zum Zweck darstellen und entsprechend mittelmäßig ausgearbeitet sind. Eriksons Spiel der Götter ist da so ein Beispiel...

Einige meiner Charaktere sind mir wirklich ans Herz gewachsen, und anderen Wünsche ich seit Jahren den Tod. Ich muss ihnen Raum lassen, sich zu entfalten, und das mache ich liebend gerne.Auf etwa fünf zentrale Personen und etwa genauso viele Nebenperspektivträger konzentriert, wobei diese nicht gleichzeitig als solche eingeführt werden. Der Tod ist allgegenwärtig, und es kann vorkommen, dass ein neuer Charakter die Lücke schließt, die ein anderer hinterlassen hat. Im Übrigen sind natürlich nicht alle zentralen Charaktere Perspektivträger - das wäre ja noch schöner, schließlich sollten Ziele und Pläne der Strippenzieher nicht zu früh bekannt werden.
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Romy am 26. Januar 2013, 19:38:03
Zitat von: Zitkalasa am 14. Januar 2013, 00:57:30
Holmes ist aber keine Nebenfigur, er ist der Protagonist, auch wenn Watson der Perspektivträger (und zweite Hauptfigur) ist. Lestrade ist aber eine (konstante) Nebenfigur und Moriarty der Antagonist, wenngleich er persönlich selten auftritt. So einfach ist es dann doch nicht.
Ausnahmen bestätigen die Regel. ;) 8)

Davon abgesehen habe ich:
1) gesagt, dass *ich* die Begriffe synonym benutze. So ein Fall, wie bei Holmes hatte ich noch *nie* in einer meiner Geschichten.
2) Ich habe zwar viele Holmes-Verfilmungen gesehen, aber noch keinen der entsprechenden Romane oder Kurzgeschichten gelesen. Von daher kann ich das spezielle Beispiel eh nicht wirklich beurteilen.
3) Auch wenn es vielleicht etwas flapsig und zu einfach klingen mag zu sagen, dass Ausnahmen die Regel bestätigen, ist da definitiv was Wahres dran. ;) Ich denke, das Holmes-Beispiel ist wirklich eher eine Ausnahme. Im Normalfall ist es doch so, dass Hauptfiguren auch zugleich eine Perspektive haben. - "Zentrale Charaktere" wie Mithras sie nennt, müssen andererseits nicht zwangsweise Hauptfiguren/Perspektiventräger sein. Das sind halt einfach "nur" Figuren, die eine wichtige Rolle spielen. z.B. der König, dem der Protagonist dient und der für den Prota und die Handlung sehr wichtig ist. Aber um für den Prota im Mittelpunkt zu stehen, braucht der ja keine Perspektive und keinen Hauptfigurenstatus (obwohl es natürlich trotzdem so sein könnte).

Und wo ich schon mit blöden Sprüchen um mich werfe: Man muss die Regeln kennen, um sie zu brechen. ;D Der Herr Arthur Conan Doyle hat es halt drauf gehabt. ;D
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Lemonie am 26. Januar 2013, 22:39:18
Holmes ist tatsächlich eine Ausnahme, und da liegt es meiner Meinung nach daran, dass seine Perspektive... schwieriger geworden wäre. ;)
Ich denke, Watsons Perspektive ist genial gewählt, weil man eine Figur wie Sherlock Holmes am besten von außen kennenlernt, aus der Sicht von jemandem, der ihn ebenso kennelernt wie der Leser und dem noch auffällt, wie unkonventionell Holmes sich teilweise verhält. Da geht es ja gerade darum, dass man Holmes (trotzdem die Hauptfigur!) aus Sicht eines "Normalos" kennenlernt, in den man sich hineinversetzen kann. Die Konstellation gibt es in manchen Geschichten, aber viel öfter hat der Protagonist tatsächlich eine Perspektive, würde ich jetzt zu behaupten wagen.

Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Ratzefatz am 27. Januar 2013, 09:57:05
ZitatIm Normalfall ist es doch so, dass Hauptfiguren auch zugleich eine Perspektive haben. - "Zentrale Charaktere" wie Mithras sie nennt, müssen andererseits nicht zwangsweise Hauptfiguren/Perspektiventräger sein. Das sind halt einfach "nur" Figuren, die eine wichtige Rolle spielen. z.B. der König, dem der Protagonist dient und der für den Prota und die Handlung sehr wichtig ist. Aber um für den Prota im Mittelpunkt zu stehen, braucht der ja keine Perspektive und keinen Hauptfigurenstatus (obwohl es natürlich trotzdem so sein könnte).

Eine interessante Mischung liefert George R. R. Martin in "A Song of Ice and Fire" ab. Während die meisten seiner Perspektivträger Hauptfiguren sind, hat er doch auch ein paar "Watsons" dabei. So würde ich zB Catelyn und Davos weniger als Hauptfiguren bezeichnen; die eigentlichen Hauptfiguren sind hier Robb Stark und Stannis Baratheon, also Catelyns Sohn und der König, dem Davos dient. Bei Davos und Stannis scheint der Hintergedanke zu sein, dass Stannis, ein eher schwieriger Charakter, dem Leser eigentlich nur dadurch sympathisch wird, dass der sympathischere Davos eine so hohe Meinung von ihm hat. Bei Catelyn und Robb ist der Grund vielleicht einfach logistischer Natur (sprich, wenn Robb der Perspektivträger wäre, hätten wir zB in "Clash of Kings" die Eroberung des Crag unmittelbar mitbekommen, dagegen aber Jaime Lannisters Flucht nur aus zweiter Hand); zumindest denke ich, dass es für meine Empfingungen als Leser keinen großen Unterschied machen würde, wenn Catelyns Perspektive durch Robbs ersetzt wäre.

LG
Ratzefatz
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Zit am 27. Januar 2013, 16:32:22
"Ausnahmen bestätigen die Regel" ist so ein Totschlagargument. Außerdem, gerade in dieser Diskussion, doch eher deplatziert. Meine Intension war es, zu zeigen, dass es eben auch anders geht. Dass die erste Hauptfigur eben nicht immer auch eine eigene Stimme braucht; und dass die Frage, welche Figur bekommt eine Stimme, sich aus den Figuren und dem folgenden Spannungspotential ergibt. Damit lässt sich die Frage eben nicht so einfach mit einem "alle anderen machen es auch so" abschmettern.
(Zumal es auch Geschichten gibt, die Holmes aus seiner Sicht erzählt: Die Gloria Scott, Das Musgrave-Ritual, Die Löwenmähne und teilweise in Das leere Haus, als Klärung, was mit ihm am Reichenbach passierte.)
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Robin am 27. Januar 2013, 16:47:10
Für mich ist das Thema jetzt dahingehend interessant, weil ich noch damit herumspiele, wie ich in meiner Geschichte meinen Protagonisten präsentieren will - den Hauptprotagonisten, noch dazu. :hmmm:

Normalerweise hab ich es immer so gehandhabt, dass die Perspektivträger auch immer die Protagonisten sind, also auch die hauptsächlichen Akteure. Aber diesmal will ich ausprobieren, wie weit ich komme, wenn ich den Protagonisten nur selten zu Wort kommen lasse, und stattdessen andere Perspektivträger seine Geschichte erzählen lasse. Ob ich damit weit komme ist natürlich die Frage...
Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Amaya am 29. Januar 2013, 16:46:31
Eine Freundin hatte die Idee, eine Geschichte nur in Form von Briefen, E-mils, Tagebucheinträgen, Telephonaten und anderen Kommunikationsmedien zuschreiben.
Allerdings geht es um zwei Organisationen. Die eine versucht die andere auszuschalten.
Es gibt keinen richtigen Prota, denn es geht um die Geschichte und den Kampf der beiden Gruppen gegeneinander.

Was ich damit sagen möchte ist, dass es meiner Meinung nach möglich ist, ohne einen oder mehreren Protas zuschreiben.
Es kommt aber stark auf den Inhalt an.

Titel: Re: Findet ihr es wichtig, einen einzigen Protagonisten zu haben?
Beitrag von: Fianna am 29. Januar 2013, 17:15:40
Aber man muss sich doch auf eine gewisse Personenzahl begrenzen... Selbst wenn jede Mail denselben Adressstamm hat, ist es doch zu verwirrend, wenn 2 von sandra@wir-sind-die-guten.com stammen, 3 von Adam@wir-sind-die-guten.com und je 1 von ungefähr 8 anderen Personen.

Auch wenn der Mailstamm, Briefkopf oder was auch immer gleich bleibt (in 2 Versionen, pro Lager eines) und man die Absender diesen Organisationen zuschreiben kann, ist es zu verwirrend, wenn da ständig andere Namen stehen.

Außerdem ist fast jede funktionierende Organisation hierarchisch aufgebaut, in dem vorliegenden Fall vermutlich sowieso (damit sie schnell handlungsfähig ist) und so hat man automatisch Dokumente, die sich gewissen Personen höherer Rangstufe vermehrt zuordnen lassen.
Interessant ist ja auch das Zusammenspiel oder Nicht-Zusammenspiel der "Fußsoldaten", die vielleicht aus taktischen Gründen Anweisungen missachten und so den Plan des Obermackers in Gefahr bringen, die die Pläne anzweifeln und sich vorsätzlich diesen widersetzen oder die mit Leuten zusammen arbeiten, die sie auf den Tod nicht ausstehen können oder deren Arbeitsweise nicht gut harmioniert... Oder es gibt noch andere Gründe/Spannungsteigerer, doe dazu führen, dass man in den unteren Rängen auch mehrere Personen öfter zu Wort kommen lässt.

Somit hat man dann mehrere Personen, die mehr Dokumente stellen als andere, was vom Leser automatisch als Perspektivträger eingestuft wird (auch wenn meine literaturwissenschaftlich geschulten Kollegen mir gleich sagen sollten, dass sie es trotzdem nicht sind :) )