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Was ist "explizite Gewaltdarstellung"?

Begonnen von Sprotte, 25. März 2012, 13:52:17

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Sprotte

Ich hoffe, der Betreff sagt es schon: Was genau ist das nun?

Ich schreibe Heroic Romantasy. In den Romanen halten sich Liebesgeschichte und auch Schlachtengetümmel und Kampfszenen des angeschmachteten Helden die Waage.
Natürlich habe auch ich die Lyx-Ausschreibung entdeckt. Und dort heißt es eben "keine explizite Gewaltdarstellung". Wo fängt diese an? Schon in dem Moment, da der Held sich durch ein Gegnerfeld schlägt und hier und da ein Kopf rollt, Blut spritzt und jemand schreiend zu Boden geht?
Ich behaupte, keinen Splatter zu schreiben. Ja, ich habe auch zwei oder drei ziemlich grausame Szenen in meinen Romanen versammelt. Doch bislang ist keinem Betaleser schlecht geworden. Und keiner von ihnen hat mir gesagt, daß diese Szene zu hart, zu blutig oder grausam wäre.

Was meint Ihr?

Ary

Die Frage stelle ich mir auch immer wieder. Kennst Du den Film "Highlander"? In der ungeschnittenen Fassung sieht man, wie in der Parkhausszene das Schwert in den gegnerischen Hals schlägt und der Kopf durch die Gegend fliegt. Da würde ich sagen, das ist explizit. Weniger explizit wäre: Held zieht Waffe und greift Gegner an, dann Schnitt und Held sitzt auf den Knien neben dem toten Körper des Gegners, das blutige Schwert auf den Knien. Du zeigst Anfang und Ende, aber nicht den Kampf selbst. Wäre für mich ein Weg. Ich sehe das ein bisschen parallel zum Thema "keine explizite Erotik". Ich schicke also mein Pärchen engumschlungen und knutschend ins Bett und mache dann leise die Tür zu. Am nächsten Morgen komme ich dann wieder, um den beiden beim Aufwachen zuzusehen. Was dazwischen liegt, beibt der Phantasie des Lesers überlassen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Grummel

Eigentlich recht einfach. Ich versuche es anhand eines kurzen Beispiels.

Wenn dein Held auf dem Weg von A nach B den ein oder anderen Feind meucheln muss, dann ist der Weg, dass was du beschreibst und dazu gehört halt hier ein abgeschlagener Kopf und dort ein Stich ins Herz.
Wenn auf diesem kurzen Stück von A nach B jedoch das Augenmerk eben auf die Art und Weise des Tötens, und nicht auf die Bewältigung der Wegstrecke gelegt wird, dann ist das explizite Gewaltdarstellung.
Wobei bereits in dem Satz, "Er schlug ihm den Kopf mit einem Hieb ab, so dass er tot hernieder sank.", explizite Gewalt steckt. Ohne diese, würde es so lauten.  "Er erschlug seinen Feind mit einem Schlag, so dass dieser tot hernieder sank."
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Sprotte

Autsch, ich fürchtete es.
Explizite Erotik schreibe ich definitiv nicht, da halte ich es nach der oben von Ary geschilderten Methode. Aber meine Kampfszenen sind ganz obereindeutig explizit.  :schuldig:

Arcor

Ich stimme Grummel zu. Explizit wäre für mich, wenn du darstellst, wie es passiert. Wie der Kopf durch die Luft fliegt, wie der Bauchschnitt angesetzt wird, wie - bei Erotik - die Nacht verläuft. Je mehr Details du erwähnst, desto expliziter wäre es für mich. Wenn dein Hauptaugenmerk nicht auf dem Tötungsprozess liegt, dann brauchst du auch entsprechende Details nicht zu erwähnen und das Ganze wird weniger explizit.
Spritzendes Blut und herumfliegende Körperteile wären für mich demnach schon explizit.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Maran

Ich vermute einmal, daß es zwischen "Gewaltdarstellungen" und "expliziten Gewaltdarstellungen" ebenso einen Unterschied gibt, wie zwischen "Erotik" und "Pornographie".

Detailreich beschriebene Schlachtszenen können, wenn sie gut geschrieben sind, eine story bereichern. Allerdings besteht ein Unterschied darin, ob die Metzelei das Ziel, oder der Weg zum Ziel ist. Ich sehe das ähnlich wie Grummel, wobei der zweite Beispielsatz für meine Begriffe wiederum zu fad ist. Er hat etwas von Blümchensex ...  :-\

Zit

#6
Wobei ich "Er schlug ihm den Kopf ab." als erzählenden Teil nicht als explizit empfinde.
Mehr wäre da Show don't tell ein Problem, wenn das Schwert sauber durch die Kehle fährt, der Kopf aber immer noch am Rückenmark hängt, das Blut sich ins kleinsten Kügelchen als Fontäne ergießt und der Körper erschlaffend zu Boden sinkt, nur um dort auszubluten. Das ist explizit. Gewaltverherrlichend würde es werden, wenn der Charakter es auch noch genießt und es vll. noch mit positiven Adjektiven beschreibt ...
(Als Leser will ich zumindest auch wissen wie jemand gestorben ist; ob nun durch einen Kopfschuss oder einer Klinge im Bauch oder weil er stolpert, in ein Loch fällt und sich das Genick bricht.)

Bei Sex wären auch genauere Beschreibung wie Erregungszustände, bekannte Beschreibungen von Geschlechtsorganen und hitzende Körper explizit. Ein Satz wie: "Er kniete sich nieder und liebte sie." ist es nicht.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Mogylein

Zitat von: Aryana am 25. März 2012, 13:59:57
Ich sehe das ein bisschen parallel zum Thema "keine explizite Erotik". Ich schicke also mein Pärchen engumschlungen und knutschend ins Bett und mache dann leise die Tür zu. Am nächsten Morgen komme ich dann wieder, um den beiden beim Aufwachen zuzusehen. Was dazwischen liegt, beibt der Phantasie des Lesers überlassen.
Und wenn ich beschreibe, wie er sein Jeans gegen sie reibt und sie ihn heftig in den Nacken beißt, ehe ich ausblende, ist das dann schon explizit? Oder kommt explizit erst mit Nacktheit und Beschreibungen der besten Stücke? Die genaue Grenze zu ziehen finde ich wahnsinnig schwierig.

Wegen der Gewalt:
Ich denke, das geht über Telling, nicht Showing. Ich kann sagen, dass ihm sein Kopf von den Schultern flog, aber wenn ich zeige, wie sich die Klinge in seinen Hals bohrte, das Blut plötzlich in alle Richtungen schoss und am Ende noch die halbe Luftröhre aus dem Hals herausragt, dann wird es explizit. Bei härterer Gewalt ist es schwer, wenn man gefühlsnah und packend schreiben will, nicht explizit zu werden, denke ich... wobei mir die anschaulich dargestellte Gewalt als Leser auch sauer aufstößt.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

caity

Ich schließe mich da Mogylein und Zitkalasa an:
Ich finde nicht, dass "spritzendes Blut" und "rollende Köpfe" an sich schon Zeichen für explizite Gewaltdarstellungen sind. Explizit wird es, sobald es ins Detail geht. Zu einer Schlacht gehören Tote einfach dazu. Die Frage ist, wie genau du diesen tot beschreibst. Ich bin jetzt einfach mal so frech und bringe ein Beispiel aus meinem Roman:

ZitatDas Pferd stoppte jäh, während X drei Pfeile verschoss: einem Kerl in die Lende, einem anderen durchbohrte sie die Kehle und den dritten traf sie in den Arm, sodass er seine Hellebarde schreiend fallen ließ. Waffen klirrten. Y parierte den Schwerthieb des letzten, schlug ihm mit dem Knauf gegen die Stirn. Unter der Wucht brach der Mann ohnmächtig zusammen.

Ich würde mal behaupten, dass trotz der durchbohrten Kehle hier keine explizite Gewaltdarstellung stattfindet. Schuld daran ist zum einen das Tempo, und zum anderen fehlende Ausführungen. Es bleibt eben "oberflächlich" und nicht direkt.

Vielleicht magst du uns ja auch mal ein konkretes Beispiel von dir liefern, Sprotte?
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Melenis

Zitat von: caity am 25. März 2012, 14:48:01
Vielleicht magst du uns ja auch mal ein konkretes Beispiel von dir liefern, Sprotte?

Oh ja, mehr Beispiele  :pompom:

Ne, Spaß beiseite, ich sehe das wie Caity. Ihr Beispiel ist meinen Augen nicht explizit. Explizit ist es erst, wenn es erst explizit ist :D Ich hab' da auch so ein paar Szenen im Kopf, die schon brutal sind (aber brutal ist ja nicht unbedingt gleich explizit, oder?), die aber so kalt und detailarm beschrieben werden, dass ich mich dagegen sträube, diese Szenen explizit zu nennen. Vielleicht sind sie abartig und pervers, ja, das schon, aber nicht explizit - wobei sich man da natürlich die Frage stellt, ob das andere wirklich besser ist ;)
Man, jetzt habe ich so häufig explizit geschrieben, und ich tippe es immer noch falsch, menno  :wums:

Grüßle

Sprotte

Reichlich von mir findet sich im NaNo-Board und bei den Tintenschnipseln. Textbeispiele werden hier ja nicht so gerne gesehen.
Hier wirklich nur zwei winzige Absätze:

ZitatWie ein Pflug durch satte, schwarze Erde fuhr er in die Reihen seiner Feinde. Er überragte alle, wirkte wie ein Waffenturm inmitten ihrer Masse.
Blut spritzte, als Ariz in einen Windmühlenschlag wirbelte und vier Gegner zur beinahe gleichen Zeit verstümmelt, schreiend und mit herausquellenden Eingeweiden zu Boden sandte.

Ich kann auch noch deutlich heftiger, aber das ist meistens mein Gewaltniveau.

Ary

Das finde ich schon recht explizit. Vor allem die Gedärme.  :gähn:
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Melenis

Zitat von: Aryana am 25. März 2012, 15:06:43
Das finde ich schon recht explizit. Vor allem die Gedärme.  :gähn:

Findest du? Ich weiß nicht, Gedärme sind jetzt nicht so selten - ich würde sagen, dass das hart an der Grenze war, aber es noch schlimmer geht. Ich weiß nicht, bei Gewalt bin ich in Filmen und Büchern relativ unbedeeindruckt, viel eher machen mir so eklige Dinge zu schaffen - wenn in Augen gestochen wird, Finger unter Schmerzen abgeschnitten werden, usw. Leute aufschlitzen ist so herrlich ungenau, und selbst wenn Gedärm rausquillt - das ist so schnell abgehandelt, da folgt keine weitere Beschreibung, wahrscheinlich folgt kurz darauf das nächste Gemetzel, da vergisst man die Därme doch bereits wieder, oder? Ich weiß nicht, spielt in Romanen die Explizität überhaupt eine Rolle? Gibt es so etwas wie FSK für Romane?
Da du aber gerade für eine Ausschreibung schreibst, würde ich die Gewalt einfach ein bisschen raushalten. Dürfte ja doch nicht so schwer sein... für den privaten Gebrauch kannst du sie ja wieder einbauen :D

Arcor

@Melenis
Es geht aber ja um Explizität und nicht darum, ob etwas häufig ist oder man es selber als eklig empfindet. Klar sind herumfliegende Gedärme bei Schlachtszenen nicht so selten (was sicher auch daran liegt, dass die Region einfach am leichtesten zu treffen ist), aber explizit finde ich Sprottes Beispiel definitiv. Ob es dann auch noch schlimmer geht oder nicht, spielt für dese Einschätzung erstmal keine Rolle.

Ich schließe mich aber deinem Rat an Sprotte an. Für einen Wettbewerb, wo explizit  ;) keine expliziten Gewaltszenen gewünscht sind, würde ich es etwas entschärfen.
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Faye - Finding Paradise

Emilia

Wobei ich eigentlich finde, dass die Gedärme das einzig Explizite daran sind. Wenn du das streichen würdest, Sprotte, dann wäre das in meinen Augen eine normale Kampfszene.