• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

... diese Anrede an Leute von geringerem Status?

Begonnen von Farean, 03. Februar 2012, 23:10:50

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Farean

Ich habe zur Zeit ein recht spezielles Sprachproblem. Zwei meiner Protagonisten, beides Raumfahrer, sind gerade zu einer geschäftlichen Besprechung bei der Herrin eines mächtigen Handelshauses zu Gast. In unserer Kultur wäre der typische Satz, den sie als nächstes sagt: "Bitte, meine Herren, nehmen Sie Platz."

Nur: Ich kann mir absolut nicht vorstellen, daß eine so mächtige Dame zwei einfache Sternenvagabunden mit einem ehrerbietigen "meine Herren" anredet. Sie könnte natürlich beide immer nacheinander mit ihrer Position anreden ("Captain, Maat"), aber es wäre mir lieber, sie hätte eine Art Sammelanrede, eben im Stil von "meine Herren", aber nicht ganz so respektvoll.

Habt ihr Ideen?

Maran

#1
Wie wäre es mit einem einfachen "Setzen!", "Setzt euch!", oder, wenn es etwas höflicher sein soll, "Setzen Sie sich!". Das ist keine Aufforderung, sondern ein Befehl, und würde eine klare Hierarchie zum Ausdruck bringen.

Die liebe Tante Edit klopft mir gerade auf die Schulter und weist mich dezent darauf hin, daß "Untergebene", oder eben Personen geringeren Status sich höchstwahrscheinlich nicht setzen dürfen, ihnen also wohl auch kein Platz angeboten wird.

der Rabe

Sie könnte es auch einfach gestisch, also ohne Worte, andeuten, indem sie mit einer Armbewegung auf die entsprechenden Stühle weist.
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Angela

Vielleicht hat sie auch einen Lakaien, der diese undankbare Aufgabe übernimmt.
Eventuell ist es in der Kultur ja so, dass Untergebene sitzen müssen und stehen bleiben nur dem Adel vorbehalten ist.

Sanne

Ich denke auch, wenn sie sich so überlegen fühlt (oder es auch nur denkt), dann sagt sie gar nichts in der Richtung und setzt sich selbst einfach nur hin. Sie fragt bestimmt nur nach, was sie denn wollen - und die beiden können sich nicht einfach setzen, das wäre unhöflich, also müssen sie sie fragen und damit wäre das Problem gelöst, denn die beiden müssen ja höflich sein? Also lass die beiden fragen, ob sie sich setzen dürfen und die Herrin nur kurz nach den Wünschen fragen. In umgekehrter Reihenfolge.  Vielleicht noch in der dritten Person? *g* Ich weiß aber nicht, ob das bei Dir jetzt passen würde.  ;D

Churke

"Sie dürfen sich setzen."

Kann man noch entrückter gestalten, indem das Reden ein Assistent übernimmt.
"Sie dürfen sich setzen."

Oder ein Assistent, der nur wortlos auf die beiden niedrigen, schäbigen Stühle weist, während die Chefin nicht mal von ihrer Arbeit aufsieht.

Alana

#6
Hm. Ich finde, es kommt auf den Charakter der Dame an. Ein einflussreicher Mensch, der die Höflichkeitsregeln auf alle Menschen anwendet und nicht nur auf Gleichgestellte, erniedrigt sich damit nicht, sondern zeigt, dass er selbst in jeder Situation ein wahrer Gentle-Mensch (entschuldigung für den Ausdruck, mir fällt gerade nichts besseres ein) ist. Was anderes ist das natürlich bei Haus-Angestellten, die würde man so oder so nicht mit meine Herren oder meine Damen ansprechen. Wenn die Dame nun also deutlich zum Ausdruck bringen will, dass die anderen ihr gesellschaftlich deutlich unterlegen sind, weil sie das eben ihrem Charakter entspricht, dann finde ich die Vorschläge der anderen gut. Einfach weglassen. Oder sie könnte es auch sarkastisch betonen, je nachdem, wie weit das gehen soll.
Alhambrana

Farean

:hmmm: OK, vielleicht sollte ich die Situation noch etwas präzisieren, um die es mir geht.

Die Dame hat die beiden Raumfahrer extra zu sich bestellt, um ihnen einen Auftrag zu erteilen. Während die Dame einer streng hierarchischen Gesellschaft entstammt, sind die Raumfahrer untereinander eher eine Gemeinschaft von Gleichen. Beide Gesellschaften berühren sich häufig, um den Handel zwischen den Welten aufrechtzuerhalten, solche Arrangements sind also an sich nicht außergewöhnlich.

Außergewöhnlich ist, daß die Herrin des Hauses persönlich mit zwei Raumfahrern verhandelt, anstatt das irgendeinem Untergebenen zu überlassen. Da sie etwas von denen will, wird sie sie höflich behandeln. Andererseits aber betrachtet sie sich mit völliger Selbstverständlichkeit als im Stand deutlich höhergestellt, kann also mit der Höflichkeit nicht so weit gehen, sie wirklich auf Augenhöhe anzureden.

Vielleicht eine vergleichbare Situation aus der Geschichte: Queen Elizabeth I. empfängt einen jungen, unbedeutenden Piraten namens Francis Drake (zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal im Ritterstand), um mit ihm über seine Ausstattung für einen Raubzug gegen die spanischen Kolonien zu verhandeln. Wie könnte sie ihn und seinen 1. Offizier angeredet haben - nicht einzeln, sondern eben als Sammelbezeichnung im Sinne von "meine Herren"?

Maran

In der dritten Person.  :rofl:

Der Vergleich hinkt ein wenig, da es im britischen Königshaus ganz klare Verhaltensregeln gibt, die (fast) jede Bewegung vorschreiben.

Wenn überhaupt, wird sich die Dame direkt an den Ranghöchsten wenden. In einem Vier-Augen-Gespräch kann sie Konventionen fallen lassen und reden, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, wenn sie es denn will. Das wiederum ist abhängig von ihrem Charakter, von ihrem (Selbst-)Bewußtsein, ihren Kenntnissen über die andere Gesellschaftsform und ihrer Bereitschaft, darauf einzugehen, sich selbst evtl. sogar zu "erniedrigen". Wenn hingegen mind. einer ihrer Leute anwesend ist, muß sie die Konvention wahren, um nicht Gefahr zu laufen, eine Schwäche zu zeigen oder sich selbst von einem Podest zu holen (aus Sicht der anderen).

Farean

Zitat von: Maran am 04. Februar 2012, 14:57:15
In der dritten Person.  :rofl:
Das weiß ich selbst. ::) Und daß der Vergleich ein wenig hinkt, war mir auch klar. Mir ging es nur darum, ein anschauliches Beispiel für die Macht- bzw. Standesverhältnisse am Verhandlungstisch und die Einstellung der Anwesenden zueinander zu bringen.

Zitat
Wenn hingegen mind. einer ihrer Leute anwesend ist, muß sie die Konvention wahren, um nicht Gefahr zu laufen, eine Schwäche zu zeigen oder sich selbst von einem Podest zu holen (aus Sicht der anderen).
Die Dame ist durchaus der Typ "standesbewußte Aristokratin", soll heißen: sie besitzt Selbstvertrauen und hat es nicht nötig, ständig auf den Putz zu hauen, um sich und anderen zu zeigen, wer der Boss ist.

Anwesend sind, abgesehen von ihr und den beiden Raumfahrern: eine ranghohe Untergebene und ein "freier Mitarbeiter", in diesem Fall ein Wissenschaftler, der temporär für ihr Haus arbeitet. Das Ganze stellt eine vertrauliche und somit eher zwanglose Zusammenkunft dar. Entscheidend für ihre Redeweise ist damit vor allem ihr Selbstverständnis im Verhältnis zu den anderen Anwesenden.

Gemäß den Konventionen meines Szenarios wird an dieser Stelle gesiezt, das ist also weniger das Problem. Und wenn sie den Captain einzeln anspricht, wird sie das auch mit der Bezeichnung "Captain" tun. Wonach ich halt konkret suche, ist ein Platzhalter für diese Sammelanrede "meine Herren". So was in der Art von "liebe Reisende", "werte Gäste" o.ä.; ich hätte nur eben gern etwas, worin sich das Standesgefälle ausdrückt.

Snöblumma

Wie wäre es, wenn sie einfach nur "Raumfahrer" (oder eben die Bezeichnung dieser Leute in deiner Geschichte) sagt? Soweit ich das jetzt verstanden habe, suchst du ja mehr eine Sammelbezeichnung für die beiden Herren. Dass sie sie zum Setzen auffordert, scheint ja klar zu sein.

Also in etwa so:
"Setzen Sie sich, Piloten/Raumfahrer/Flieger." Das könnte ich mir vorstellen, dass das funktioniert. Es macht den Statusunterschied deutlich, ist aber nicht allzu abwertend, denn die Berufsbezeichnung ist und bleibt nun mal die Berufsbezeichnung.

Calysta

#11
Ich werf mal meine fünf Cent in die Runde, weil ich momentan C. S. Lewis lese und dort auf ähnliche Anreden gestoßen bin. In "Narnia" spricht die Hexe Jadis Edmund nämlich mit z.B."Er soll den Mund halten" an (sie spricht von ihm in der dritten Person) und drückt damit aus, dass er weit unter ihr steht. Aslan jedoch ist sehr höflich zu den Kindern und spricht sie auch mit "du" an oder mit der besonderen Anrede "Evas-Töchter" und "Adams-Söhne".
Ich denke, auf welche Weise deine Raumfahrer angesprochen werden hat sehr viel mit dem Charakter des Gegenüber zu tun. Man kann von oben herab sein, oder aber höflich.
Du kannst deine Raumfahrer auch einfach als Sternenreisende von der Herrin des Handelshauses benennen lassen - oder so. Das klingt sehr schön und keineswegs zu steif.

Karlmann

Ich würde die letzten beiden Vorschläge kombinieren wollen: Sternfahrer.

Also nach deinem Beispiel: "Bitte, Sternfahrer, nehmen Sie Platz!"

Wobei ich nicht das Problem sehe, daß "meine Herren" für dich bedeutet. Es ist die minimale Höflichkeitsstufe im Deutschen, die bereits durch das Sie gewährt wird.

Nur im Englischen wird durch Sir oder Mister eine distanzierte Höflichkeit ausgedrückt, da das englische you sowohl für du als auch für euch und das höfliche Euch benutzt wird.
Deshalb bestehen die Drillsergeants in den amerikanischen Filmen auch immer darauf, daß man in den Antworten "Sir" benutzt ("Yes, Sir! Yes!"). Ließe man das "Sir" weg, würden sie von den Rekruten geduzt. (Ein netter Zeitvertreib ist es in manchen Filmen auf die Syncronisation zu achten, wenn diese zwischen Sie und du ohne erkennbaren Grund hin und her springt.)

Zu Königin Elisabeths I. Zeiten hätte man übrigens nicht die dritte Person als Anrede benutzt, daß kommt erst im 18 Jh. in Übung. Im 16. Jh. gab es wie fleißige Shakespear leser wissen noch ein seperates Personalpronomen der 2. Pers. Sg. das "thou".

Ratzefatz

#13
ZitatAlso nach deinem Beispiel: "Bitte, Sternfahrer, nehmen Sie Platz!"
"Sternfahrer" finde ich prima - allerdings würde ich eher "Bitte, Sternfahrer, nehmt Platz" sagen.

Ansonsten, wenn die Dame mit den Sternfahrern Großes vorhat, ihnen also vielleicht quasi einen "Vorgeschmack" auf ihre künftige Stellung geben will, wäre auch "meine Herren" völlig okay.

LG
Ratzefatz
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Farean

#14
"Sternfahrer" gefällt mir gut. :hmmm: Überhaupt, formalisierte Anreden, die eher auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis abzielen als "nur" auf die Rangfolge. Dankeschön, das laß ich erst mal sacken.

Zitat von: Karlmann am 04. Februar 2012, 21:54:07
Wobei ich nicht das Problem sehe, daß "meine Herren" für dich bedeutet. Es ist die minimale Höflichkeitsstufe im Deutschen, die bereits durch das Sie gewährt wird.
Soviel ich mit meinem laienhaften Halbwissen weiß, ist die Anrede "mein Herr" etymologisch daraus hervorgegangen, daß man vor den demokratischen Bestrebungen in Europa nur jemanden so angeredet hat, der tatsächlich im Stand bzw. Rang über einem Stand, eben seinen Herrn. Als dann die Revolutionen einsetzten, verloren erst mal viele eingebürgerte Formalismen ihre Gültigkeit, und in der allgemeinen Verwirrung über die plötzliche Gleichheit aller Menschen stellte sich die Frage, ob man jetzt einfach pauschal jeden als "von niederem Stand" behandelte oder jeden als "von höherem Stand". Als Höflichkeitsregel setzte sich dann das "von höherem Stand" durch, d.h. einfach jeden mit "mein Herr" anreden, auch wenn es gar nicht dein Herr war. (Diese Entwicklung sieht man besonders deutlich in den romanischen Sprachen. Im französischen "Monsieur" z.B. steckt ja immer noch der "Sieur" drin, aus dem das englische "Sir" hervorgegangen ist.)

Diesen Zusammenhang habe ich einfach bei so einer Szene immer im Hinterkopf. Daher brachte es meine Aristokratin als in  meinem Kopf agierender Charakter einfach nicht über sich, einfache Raumfahrer so anzureden. Es fühlte sich für mich beim Schreiben total falsch an. Daher suchte ich nach einer Alternative.

Und die habt ihr mir, denke ich, jetzt auch geliefert. Wie gesagt, "Sternfahrer", "Sternenreisende" oder etwas in der Richtung hilft mir schon mal weiter. Ich werde die Sache noch ein wenig im Kopf abschmecken, und dann geht's los. Vielen Dank euch allen. :jau: