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Die Guten und die Bösen

Begonnen von Robin, 22. Dezember 2011, 22:48:36

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Alana

#15
Ist das wirklich Off Topic? Das gehört doch zur Betrachtung der Charaktereigenschaften dazu, finde ich.

Ich muss zugeben, dass ich sehr zart besaitet bin, was Folter angeht. Und zwar nicht aus moralischen Gründen. Ich kann schon allein die Andeutung von Folter nicht gut vertragen. So eine Szene wie der Schluss von Braveheart ist der Horror für mich. Filme wie SAW sind für mich schlichtweg unfassbar. Ich kann einfach nicht verstehen, dass sich jemand soetwas ausdenken oder anschauen mag. Mein Problem ist wohl, dass ich keine Distanz aufbauen kann und mich solche Szenen noch jahrelang verfolgen.  Wohlgemerkt, mit Splatter oder gutem alten Horror im Sinne von Freddy Krüger habe ich kein Problem. Das ist so abstrus, dass es meinen Seelenfrieden nicht bedroht. Aber Folter ist für mich der Abgrund der menschlichen Seele. Tiefer gehts nicht mehr. Ich erinnere mich da an Walter Moers Rumo, wo es Stellen gab, die ich fast nicht lesen konnte. Oder Pans Labyrinth. Bei den Tudors habe ich mir von einer Freundin die Stellen auf der DVD aufschreiben lassen, an denen gefoltert wird.
Und um den Bogen zu spannen: Das ist der Grund, warum ich keine sadistischen Bösewichte lesen oder schreiben mag. Da ist für mich einfach eine Grenze. Und ich finde, das braucht es auch gar nicht, für eine intensive Geschichte.
Alhambrana

Sunflower

[OT] Der Witz ist, dass ich im "Real Life" Vegetarierin bin, jegliche Gewalt hasse und mich sogar als Pazifistin bezeichnen würde ::) [OT off]

Mein nächstes Projekt plane ich definitiv in die Richtung Dark Fantasy. Im Moment habe ich hin und wieder eine Albtraumszene, in der ich vollkommen aufblühe und meiner Prota alles antue, was mir einfällt. Und einige Charas mit etwas brutalen Gedanken  :snicker: Das ist aber schon alles und macht mich nicht so richtig glücklich. Mein nächstes Projekt wird also sehr viel blutiger, juhu.
Vielleicht ist diese übertriebene Gewalt eine Art Ausgleich zum Rest der Geschichte, in der alle heldenhaft sein müssen, wie sich das für High Fantasy gehört und wo die Welt gerettet werden muss. Keine Ahnung. Sobald ich aus der Sicht der Antagonisten schreibe, bin ich glücklich.
Um nochmal auf die Albae zurückzukommen: Das war mein erster Ausflug ins Dark Fantasy, seitdem bin ich davon unglaublich fasziniert. Mal davon abgesehen, dass Markus Heitz ein mehr als genialer Autor ist, sind diese Albae schon (für mich) toll zu lesen, weil sie so sind, wie sie sind. Vielleicht brauche ich Abwechslung zu den ganzen High/Heroic/usw. Romanen, die ich lese. Aber es wäre wirklich interessant, was ein Psychologe zu diesen Ausflügen in die Brutalität sagen würde ... :hmmm:
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Alana

Bitte versteht das nicht falsch, ich will da nichts unterstellen. Ich glaube wie gesagt, dass mir einfach die Distanz fehlt. Dazu kommt ein super Kopfkino. Ich wünschte wirklich, es wäre nicht so.
Alhambrana

Robin

Zitat von: Sunflower am 23. Dezember 2011, 23:31:45[OT] Der Witz ist, dass ich im "Real Life" Vegetarierin bin, jegliche Gewalt hasse und mich sogar als Pazifistin bezeichnen würde ::) [OT off]

Selbiges hier (außer das mit der Vegetarierin. ;D). Ich sehe total harmlos aus, und bin es auch (die meiste Zeit), aber ich kann einfach mit den absurdesten Geschichten aufwarten - meist auch sehr blutig.

Und ja, Markus Heitz hat einfach die Gabe, Dark Fantasy richtig attraktiv zu machen. Außerdem, wer will sich schon einem Dauerfeuer aus allesamt auserwählten, auf Hochglanz polierten und sonst noch was Helden sehen?

Aber gut, wenn alles miteinander vermischt wird und die Linien zwischen angeblichen Gegensätzen verwischt werden, wird es noch besser, meiner Meinung nach. Immerhin gibt es in den zwei großen Fraktionen auch verschiedene Lager, die mehr oder weniger gemäßigt / radikal / etc. sind. Diese dann aufeinander los zu lassen... göttlich.


Zitat von: Alana am 23. Dezember 2011, 23:40:36Bitte versteht das nicht falsch, ich will da nichts unterstellen. Ich glaube wie gesagt, dass mir einfach die Distanz fehlt. Dazu kommt ein super Kopfkino. Ich wünschte wirklich, es wäre nicht so.

Ich hab auch ein super Kopfkino. Nur lustigerweise kann ich es ein wenig steuern. Wenn ich Horror lese, macht mir das nichts aus. Würde ich das gleiche als Film sehen, würde ich mich nach den ersten fünf Sekunden unter der Bettdecke verkriechen und wimmern.
~Work in Progress~

Alana

Zitat von: Robin White am 23. Dezember 2011, 23:43:53
Ich hab auch ein super Kopfkino. Nur lustigerweise kann ich es ein wenig steuern. Wenn ich Horror lese, macht mir das nichts aus. Würde ich das gleiche als Film sehen, würde ich mich nach den ersten fünf Sekunden unter der Bettdecke verkriechen und wimmern.

Witzig, bei mir ist das genau andersrum. In Büchern kommt das für mich viel intensiver und erschreckender rüber.

Was die Bösewichte angeht, stimme ich übrigens zu, dass es toll ist, wenn sie mehr Tiefe haben. Ich fange halt gerne mit den Klischees an, und beleuchte dann nach und nach die anderen Seiten.
Ich finde es dann auch gut, wenn der Bösewicht einen "guten" Grund für sein Handeln hatte, aber ich finde, dass es zu oberflächlich ist, dann zu einem Happy End überzugehen. Ein Mensch der sich so böse verhält, trägt Narben davon und kann nicht einfach plötzlich wieder gut werden, egal, was seine Beweggründe gewesen sein mögen. Und gerade das finde ich ja so interessant daran. Da ist doch gleich eine viel tollere Charakterentwicklung möglich.

Alhambrana

Valaé

Ich bin zwar nicht Vegetarierin, aber ich habe bevor ich das Genre Dark Fantasy für mich entdeckt habe, keine Horrorfilme oder Thriller gesehen, habe eine extrem friedliebende Einstellung, verabscheue Gewalt und habe ein extrem, extrem gutes Kopfkino. Filme wie Saw würde ich mir im Leben nicht antun.
Horrorbücher lese ich selbst keine, Dark Fantasy in weit abgeschwächterer Form als ich sie schreibe. Und trotzdem fasziniert mich das Genre. Wundert mich selbst immer wieder. Ich liebe es, Charaktere an ihre Grenzen zu führen. Folter schreibe ich selten, das ist mir irgendwie zu direkte Gewalt glaube ich, ich verstricke sie lieber und lasse die Gewalt aus anderen Gründen als den typischen Foltergründen auftreten, da ich auch gerne der Frage auf den Grund gehe, warum jemand Gewalt anwendet. Mich fasziniert daran vor allem das dunkle Gefühl, der Horror der entsteht und das Spiel mit der Sympathie des Lesers, wenn er einen Protagonisten vor die Nase gesetzt bekommt, dessen Taten er nicht gut heißen, aber auch nicht verteufeln kann.
Mit Horrorfilmen habe ich mittlerweile eher weniger Probleme, jedenfalls mit den typischen Hollywood-Streifen. Aber eigentlich bin ich ein kleiner Angsthase, der nicht alleine nachts durch den Wald gehen will.
Ich bin also alles andere als hartgesotten oder hätte kein gutes Kopfkino. Ich kann mir nicht erklären, warum mich das Genre Dark Fantasy so fasziniert und warum ich die Stellen, an denen meine, ich nenne sie mal der Einfachheit halber "böse" Charaktere so richtig zuschlagen dürfen besonders genieße. Sie reißen mich einfach mit. Obwohl ich selbst manchmal abgestoßen bin von dem, was sie tun.

Merrit

ZitatAlana schrieb:
Was die Bösewichte angeht, stimme ich übrigens zu, dass es toll ist, wenn sie mehr Tiefe haben. Ich fange halt gerne mit den Klischees an, und beleuchte dann nach und nach die anderen Seiten.
Ich finde es dann auch gut, wenn der Bösewicht einen "guten" Grund für sein Handeln hatte, aber ich finde, dass es zu oberflächlich ist, dann zu einem Happy End überzugehen. Ein Mensch der sich so böse verhält, trägt Narben davon und kann nicht einfach plötzlich wieder gut werden, egal, was seine Beweggründe gewesen sein mögen. Und gerade das finde ich ja so interessant daran. Da ist doch gleich eine viel tollere Charakterentwicklung möglich.

Das kann ich nur unterschreiben. Auch ein Bösewicht hat seine Gründe zu sein, wie er ist. Aber das treibt ihn ja auch aus der normalen Gemeinschaft, ob gewollt, oder nicht. Mit diesen Sachen lässt sich allerdings sehr vielschichtig umgehen. Vielleicht kommt daher die Faszination und manchmal auch mehr Tiefe? Ich brauche den Bösewicht als Gegenpart, ich gebe es zu. Woran soll mein Held/Prota sich sonst messen? Aber bitte nicht als eindimensionaler Gegenpart, sondern als Persönlichkeit. Vielleicht erscheinen sie manchmal so anziehend, weil manch Held mit seiner Persönlichkeit neben ihnen verblasst und sie nicht so gradlinig handeln  ;).
Zum Tema Folter: ich schreibe (bisher) keine körperlichen Folterszenen, aber ich mag es sehr, wenn es auf die Psychologische Ebene geht.
Lg Merrit

HauntingWitch

Zitat von: Valaé am 23. Dezember 2011, 23:08:33
Ich hätte nicht gedacht dass es noch mehr von meiner Sorte gibt, die auch spüren dass eine blutige Folterszene sich so viel einfacher schreiben lässt als ruhige Kussszenen. Romantik... davor graust es mir oft in meinen Geschichten, weil ich Angst habe sie nicht darstellen zu können. Aber Grausamkeit, Böses, Horror ... aaah nie schreibt es sich so gut wie in diesen Szenen.

Doch, hier. Mir geht es ähnlich, völlig harmlose Szenen geraten bei mir meist stilistisch weitgehend schlecht, während Brutales/Düsteres/Unheimliches immer richtig, richtig gut wird. Vielleicht liegt es daran, dass ich selber gerne Horror lese? Andererseits vertrage ich es aber ab einem gewissen Punkt selbst kaum noch, da ist dann meine Grenze.

Ich denke, es ist auch einfacher, eine krasse Szene selbst zu schreiben, als sie vorgesetzt zu bekommen und genauso, (um on topic zu bleiben), einfacher, einen aus Sicht der Protas bösartigen Charakter zu erschaffen, als über ihn nur zu lesen. Denn man weiss ja beim selbst Erschaffenen ungefähr, was einen erwartet, während man bei einem Vorgesetzten bereits mit dem Schock konfrontiert ist, in dem Moment, in dem man es sieht/liest. Deshalb kann ich auch keine Horrorfilme schauen (nur die ganz harmlosen, also Tim Burton-mässig ;)), weil ich die Bilder nicht mehr aus dem Kopf kriege. Lesen ist einfacher, weil man da mehr Hintergrund hat, also eben die Nachvollziehbarkeit, und ausserdem langsamer dran herangeführt wird.

Das ist ja auch immer noch so ein Aspekt, wie wird der Leser mit dem Bösen vertraut gemacht. Bringt der Anta erstmal jemanden um? Oder ist er zunächst geheimnisvoll und merkt man dann, dass man selbst genauso handeln würde? *Jetzt gehe ich aber raus, bevor ich anfange, mich zu wiederholen ;)*

Rakso

Ich hallte auch nichts von der Einteilung in "good guys" und "bad guys" und den Vorstellungen und Klischees, die damit immer verbunden werden. Niemand ist von grundauf böse oder gut, zumindest nicht aus seiner Sicht. Das sieht man ja schon im Alltag, das ist man selbst ja immer der "Gute" ;)

Aber ich versuche gar nicht, meine Antagonisten sympathisch wirken zu lassen. Natürlich haben auch sie ihre Ideale und Philosophien, natürlich sind auch sie "menschlich" in gewisser Weise. Ich lege mein Augenmerk eher darauf, wie sie so geworden sind, wie sie sind. Was muss einem Menschen passieren, damit er den Glauben an andere verliert? Und vor allem wer ist daran schuld und wenn hält der Antagonist für schuldig.

In meinen Antarva-Projekt hat jeder etwas Dreck am Stecken. Mein erster Hauptantagonist Goun zum Beispiel. Dem ist alles egal, er ist von der Gesellschaft enttäuscht, weil sie ihm nicht geholfen hat, als er in größter Not war. Der war eigentlich mal ein ganz netter Kerl, bis er durch Spielschulden an die Banden geriet, die ihn entstellten. Und dann haben sich noch alle von ihm abgewandt. Tja, und Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit sind eine schlimme Kombination. Und hinzu kommt noch ein Typ von Außen, der ihn für seine Zwecke manipuliert und ihn daran hindert, seine Position zu überdenken. Goun ist eigentlich ein ganz armer Kerl, aber keines Falls sympathisch.

Generell arbeite ich Sympathie und Antipathie. Meine Helden sind auch nicht rund um sympathisch. Der eine ist, hart gesagt ein ganz schönes Weichei, der sich aus Angst vor Repressalien seitens der Banden zurückhält aber trotzdem versucht seinen Arbeit als Gesetzeshüter so gut wie möglich machen. Durchaus verständlich, aber er ist nicht der klassische Heldentyp.
Der andere hat eine starkes Schwarz-Weiß-Denken. Banden, korrupte Politiker und Stadtwachen sind die bösen, er (und vielleicht noch ein, zwei andere) ist der Gute. Er sehr starke Idealvorstellungen von Recht und Ordnung, seine Methoden sind aber brutal und unangemessen. Somit ist er fast das Gegenstück zu meinem ersten Protagonisten.

Nirathina

The Good, the Bad, the Ugly, wie?  ;D

Ich persönlich muss zugeben, dass ich zuvorderst diejenige bin, die einfach auf die klassischen, guten Helden und die selbstsüchtigen, raffgierigen Bösewichte steht - wenn es gut gemacht ist. Allerdings ist das nur die Spitze des Eisberges, da ich einen Faible für die klassisch/episch angehauchte Literatur habe.

Was mir jetzt allerdings zunehmend beim Plotten und beim Schreiben auffällt, ist, dass ich sowohl meine guten als auch meine bösen Protas ein wenig tiefgründiger haben möchte. Das begann schon bei meinem Erstling mit meinem Prota, der allmählich, bedingt durch etliche Faktoren, das "Böse" in sich entdeckt. Auch die prosaische Anti-Helden-Figur (also der bösartig scheinende Protagonist, der aber eigentlich der gute ist) hat es mir sehr angetan.

Sadistisch böse Buben finde ich gar nicht mal so schlecht. Ich bin ja selbst auch eher ein Pazifist, aber ich finde, wenn man einen zu zimperlichen Bösewicht hat, der gegen alles und jeden Krieg führt, aber dann plötzlich Angst hat, jemandem ins Gesicht zu schlagen, ist das a) unglaubwürdig und b) unrealistisch. Ich bin eine Verfechterin von realistischer Darstellung menschlicher Aspekte in Fantasy und Gewalt gehört eben auch zu diesen Aspekten. Die Frage ist, wie weit man dabei geht, aber das gehört ja in einen anderen Thread  ;)

Was die Guten an sich betrifft, da stimme ich Szajkó zu: Niemand kann völlig gut sein, ebenso wenig wie böse; jeder Mensch (oder Nicht-Mensch) hat seine eigene Vergangenheit und da kann viel passiert sein, ebenso wie in der Zukunft des sich ständig entwickelnden Charakters noch viel geschehen kann. Die Mischung macht's.

Und zu guter Letzt: Ja, ich stehe auf raubeinige Fieslinge, die finster daher kommen und gut aussehen  :wolke:

Grüße,
Nirathina

Churke

Zitat von: Nirathina am 27. Dezember 2011, 09:53:00

Sadistisch böse Buben finde ich gar nicht mal so schlecht. Ich bin ja selbst auch eher ein Pazifist, aber ich finde, wenn man einen zu zimperlichen Bösewicht hat, der gegen alles und jeden Krieg führt, aber dann plötzlich Angst hat, jemandem ins Gesicht zu schlagen, ist das a) unglaubwürdig und b) unrealistisch.

Nicht unbedingt. Heinrich Himmler ließ Millionen ermorden, aber beim Zuschauen wurde ihm schlecht. Ohne seinen SS-Apparat war der harmlos. Typ Schreibtischtäter.

ZitatWas die Guten an sich betrifft, da stimme ich Szajkó zu: Niemand kann völlig gut sein, ebenso wenig wie böse;

Realistisch betrachtet hast du recht. Aber in einer Romanfigur kann man das durchaus auch mal anders machen. In der Skolia-Spaceopera von Catherine Asaro gibt es als Reich des Bösen das "Eubian Concord". Das ist eine Sklavenhaltergesellschaft, deren genetisch sadistische Herrenkaste die gesamte Menschheit "vereinen" will. Der Chef, der Eubische Kaiser, ist nun aber der absolute Antisadist und so unbefleckt und rein wie Jesus Christus. Das darf nur keiner wissen, sonst würde man ihn ermorden. Jeden Tag auf seinem Thron stirbt er das Martyrium, weil er das System nicht ändern kann. Er gilt als Monster, ist der meistgehasste Mann des Universums.
Die Figur und ihr Leiden sind gnadenlos überzogen, aber ich find's ziemlich witzig.

Es gefällt mir sowieso ganz gut, wenn man Figuren erst mal als abgrundtief böse anprangert und dann im Laufe der Geschichte aufdeckt, dass die gar nicht böse sind. Umgekehrt gibt's ja auch "gute" Enttäuschungen. Ich meine damit jetzt nicht, dass jemand einfach mal so plump als Doppelagent enttarnt wird (ein beliebter Trick in "24"), sondern dass jemand schon immer ein Fiesling wr, man hat's nur nicht gemerkt. Zum Beispiel ein Bundespräsident, die sich als die moralische Instanz aufspielt und schon seit Jahren korrupt ist.

Nirathina

ZitatNicht unbedingt. Heinrich Himmler ließ Millionen ermorden, aber beim Zuschauen wurde ihm schlecht. Ohne seinen SS-Apparat war der harmlos. Typ Schreibtischtäter.

Hm, da habe ich gar nicht mehr dran gedacht. Danke, dass du mich daran erinnerst - der Geschichtsunterricht ist zu lange her  ::).


ZitatRealistisch betrachtet hast du recht. Aber in einer Romanfigur kann man das durchaus auch mal anders machen. In der Skolia-Spaceopera von Catherine Asaro gibt es als Reich des Bösen das "Eubian Concord". Das ist eine Sklavenhaltergesellschaft, deren genetisch sadistische Herrenkaste die gesamte Menschheit "vereinen" will. Der Chef, der Eubische Kaiser, ist nun aber der absolute Antisadist und so unbefleckt und rein wie Jesus Christus. Das darf nur keiner wissen, sonst würde man ihn ermorden. Jeden Tag auf seinem Thron stirbt er das Martyrium, weil er das System nicht ändern kann. Er gilt als Monster, ist der meistgehasste Mann des Universums.
Die Figur und ihr Leiden sind gnadenlos überzogen, aber ich find's ziemlich witzig.

Abgesehen davon, dass ich davon noch nie etwas gehört habe, klingt es tatsächlich ziemlich überzogen. Nur würde ich mich dann fragen, ob sich eine derart unbefleckte Person an einem über die Maßen befleckten Ort überhaupt halten könnte. Ich gehe mal davon aus, dass ich mit so  einer Konstellation nicht warm werden würde.

Lomax

Zitat von: Nirathina am 27. Dezember 2011, 09:53:00..., aber ich finde, wenn man einen zu zimperlichen Bösewicht hat, der gegen alles und jeden Krieg führt, aber dann plötzlich Angst hat, jemandem ins Gesicht zu schlagen, ist das a) unglaubwürdig und b) unrealistisch. Ich bin eine Verfechterin von realistischer Darstellung menschlicher Aspekte in Fantasy und Gewalt gehört eben auch zu diesen Aspekten.
Tja, das ist überhaupt ein Problem für Romane und realistische Darstellung, dass der reale Mensch voller Widersprüche ist, es aber in einem Roman leicht als unglaubwürdig empfunden wird, wenn man einfach einen komplexen und realistischen Menschen auftreten lässt, während umgekehrt die plattesten Motivationen und Küchenpsychologischen Erklärungen akzeptiert werden, wenn sie nur "straight" und damit stimmig wirken.
  Es gibt da beispielsweise ja das Phänomen der "Überkompensation", das ein Individuum also eine bestimmte, als negativ wahrgenommene Eigenschaft hat - sagen wir mal, sehr ängstlich ist -, und gerade weil sie das weiß und gerne anders wäre, lässt sie bei jeder Gelegenheit das Gegenteil raushängen - tritt also superforsch auf, geht durchaus auch mal übertriebene Risiken auf und wirkt dann beispielsweise schon mal wie ein echter Draufgänger. Nur, das eigentliche Wesen kommt halt doch wieder durch, gerade dann, wenn's "ans Eingemachte" geht, wenn Situationen überraschend auftreten oder halt nicht als kontrollierbar empfunden werden. Für einen realen Menschen würde ich es also als völlig normales Verhaltensmuster empfinden, wenn der Draufgänger und Maulheld bei einer Gefahr ein völliges Häufchen Elend ist, das ist leicht zu erklären. Aber bei Romanen habe ich schon oft erlebt, dass die Leser damit Probleme haben und es als "unrealistisch" und "out of character" empfinden, wenn beispielsweise der Krieger, der vorher am auffälligsten mit seiner Tapferkeit geprahlt hat, plötzlich abhaut. Als lustig kann man das bringen, aber sobald es ernsthaft wird, glauben Leser leider auch oft, das alles ernst gemeint und auktoriale Wahrheit ist, was eine Figur oberflächlich zeigt oder subjektiv von sich behauptet.
  Insofern finde ich es gerade schön und realistisch, die Widersprüchlichkeiten und auch die Differenzen zwischen Sein und Wahrnehmung in Figuren zu zeigen und auszubreiten. Nur, das so zu gestalten, dass es auch beim Leser ankommt, ist schwierig. Aber ich mag halt gerade komplizierte Charaktere, sei es als Bösewichte oder als Gutwichte. ;)

Vermutlich darum tu ich mich schwer, überhaupt die Figuren in Gut oder Böse einzuteilen. Ich mag aber auch nicht diese Grauzeichnung, die sich daraus oft ergibt, sondern ich liebe echte Ambivalenz. Also der Bösewicht, der wirklich furchterregend böse ist, aber mitunter eben auch andere Facetten der Persönlichkeit zeigt, die fast schon Sympathie oder Verständnis wecken. Ich mag es also, wenn auch die Bösewichte Menschen bleiben ... und man sich als Leser mit ihnen unwohl fühlt, ohne sie in eine beruhigende Schublade stecken zu können  ;)

Mogylein

Wenn ich diesen Thread hier so lese, fällt mir immer wieder auf, dass ich eigentlich nie wirklich feste "Bösewichte" gehabt habe. Einen richtigen Antagonisten wie, sagen wir mal, Voldemort, habe ich noch nie eingebaut. Bei mir ist das, was es zu besiegen gilt, oft eine Seite der Persönlichkeit des Protagonisten, ein System oder irgendetwas in dieser Art.

Die Wirkung, die ein personifizierter Bösewicht allerdings hat, sollte man nicht unterschätzen. Ich glaube, daran muss ich wirklich arbeiten.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Farean

Zitat von: Robin White am 22. Dezember 2011, 22:48:36
Mich würde ja interessieren, ob die werten Tintenzirkler mehr auf die 'guten' Charaktere einer Geschichte (egal ob gelesen oder selbst geschrieben) oder die 'bösen' Charaktere stehen. Dass die Linie zwischen diesen Charakteren natürlich sehr verwaschen sein kann, und durchaus mal wechseln kann, sei dahin gestellt.
Erfahrungswert: Es ist i.d.R. einfacher, die "Bösen" interessant darzustellen als die "Guten". Um so mehr freue ich mich über jeden glaubwürdigen, lebendigen "Guten".

Alles in allem schlägt mein Herz eindeutig auf der Seite der "Guten", aber ich stelle auch gewisse Ansprüche an sie. Ein naives "Ich bin der Gute, also handle ich immer richtig, und die Welt hat mich dafür zu bejubeln" genügt mir nicht. Innerer Konflikt ist ein Muß.

Zitat von: Robin White am 22. Dezember 2011, 22:48:36
Und wenn ihr einen guten / bösen Chara erstellt, auf was achtet ihr dabei? Soll es sich sofort zeigen, wie er/sie denkt, oder erst durch die Handlungen dieser Person?
Ein Charakter definiert sich immer über die Entscheidungen, die er fällt. Oft genug zittere ich mit einem "Guten" mit, ob er sich in einem kritischen Moment für "das Richtige" entscheidet oder der Verlockung des "Bösen" nachgibt. Übrigens auch bei einem "Bösen". Bei mir bekommt - sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben - jeder Charakter mit jeder Entscheidung eine neue Chance zur Einordnung.