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Verhältnis von Action zu Beschreibung bei Sätzen

Begonnen von Tanrien, 02. Dezember 2011, 17:10:29

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Zit

Hmm ... Ich denke, die Version funktioniert wirklich gut nur bei (expliziten) Sex-Szenen. (Davon abgesehen, dass solche Sexszenen das auch brauchen, um eben nicht Porno zu sein.)

Wenn ich mir jetzt einen Söldner vorstelle, der eiskalt vor sich hinmetzelt, wäre mir das zu viel Gelaber zwischendurch. Vorallem, weil es für den Söldner nichts besonderes ist, jemanden zu töten, sogar jmd., zu dem er keinerlei Beziehung hat. Der denkt über soetwas nicht nach, sondern tut es einfach nur. Aber da würde ich das Geschnetzel auch nicht ins letzte Detail beschreiben wollen; wie gesagt, ist nichts besonderes für den Charakter, also zack und fertsch. Genauso bei Assasinen oder Huren oder weiß Geier; bei allen Charakteren, deren Handlungen keine Emotionen in ihnen hervor rufen, wären solche beschreibenden Satzteile dazu unpassend.

Ob man nun mit dem Verhältnis auskommt, liegt wohl auch daran, wie schnell die Szene sein soll. Beschreibuungen verlangsamen auch und wenn ich mir ein Verhältnis von 1:5 vorstelle -- anhand des Stils von cupidsbow gemessen -- kann das ja nur auf hocherotischen, verträumten, langsamen Sex am Kaminfeuer hinaus laufen.

Kann man ausprobieren, sollte man aber mit Vorsicht genießen. Wie immer, funktioniert das vll. beim Autor, aber nicht zwangsläufig beim Rest der Welt.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Tanrien

#16
Zitat von: Zitkalasa am 07. Dezember 2011, 14:46:37
Hmm ... Ich denke, die Version funktioniert wirklich gut nur bei (expliziten) Sex-Szenen.

Was ich mich dann frage, ist, woher diese Formel denn nun kommt, wenn sie eigentlich für Action-Szenen gedacht ist. Die sollen ja gerade nicht langsam sein, sondern zum Mitfühlen, um spannend zu sein. (Mir fällt gerade gar nichts ein: Weder eine gute Action-Szene mit reinem Handlungsablauf, in der trotzdem Spannung aufgebaut wird, noch eine nach dem 1:2+-Schema; was aber mehr daran liegt, dass ich keine Zeit habe und sehr müde bin. ;) ) Selbst bei dem emotionslosen Söldner spritzt ja (meistens) das Blut auf dramatische Weise und die Köpfe fliegen kunstvoll durch die Luft - also vielleicht nicht unbedingt Beschreibung der Gefühle, aber eben Beschreibung als Nicht-Reine-Handlung.

edit: Das englische "context" macht das alles irgendwie klarer, als ich in meiner Beschreibung im ersten Post...

Sprotte

Dazu gehört beim Söldner aber auch dessen Anstrengung, Schwitzen, Atmung, vielleicht Schmerzen von der Überanstrengung. Oder?

Zit

#18
Hm, vll. war der Söldner nicht das passende Beispiel, weil es bei ihm gerade umgedreht ist. Je mehr es spritzt, umso mehr nähert man sich dem Splatter und dann ist die Grenze zur sinnlosen Gewalt nicht mehr weit -- was ja eben nicht erwünscht ist. (Zumindest bei mir.)
Aus dem ersten Beispiel geht hervor, dass sie großteils Gefühle, Sehnsüchte, Begierden des aktiveren Parts einwebt und eben sich nicht an Beschreibungen der schwitzenden Körper und Genitalien ergötzt. Habe ich mich wohl irre leiten lassen; eben auch, zugegeben, dass ich mir schon das zweite Bsp. nicht mehr antun konnte. Warum, sei dahingestellt.

Woher sie die Formel hat, weiß ich nicht. Warum fragst du sie nicht einfach, Tanrien? Ich habe ja schon den ein oder andere Ratgeber gelesen, aber davon hatte ich bisher nicht gehört. Nur eben das Typ., dass eine Szene mehr als reine Handlung (von A nach B) braucht, sondern auch Emotionen, Sinneswahrnehmungen, Reflexionen der Charaktere -- wenn man im personalen Erzähler schreibt und die Szene es hergibt. Nicht alles muss in jeder Szene vorkommen, aber schön über den Roman verteilt, immer mal wieder, auch dramturgisch vll. benutzt, sicherlich.

Ich glaube, die Verhältnis-Vorgehensweise ist nur eine Art Show Don't Tell in eine Anwendungsformel zu bringen. Ob soetwas einen ganzen Roman über bei jeder Art von Szene funktioniert und bei jedem Genre, sei dahingestellt. Ich schätze ja beinahe, dass so ein Zahlenmuster selbst dem unbedrafsten Leser irgendwann auffällt und wenn er nur das unbestimmte Gefühl hat, dass die Szenen immer ähnlich ablaufen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Suggarfly

Nun, haltet mich für unterbelichtet, aber was genau bedeutet diese Formel Aktion vs. Beschreibung 1:5????

So etwas hab ich ja auch noch nie gehört. Könnte mir da mal jemand einen Beispielsatz nenne, das wäre echt super. Auch wenn alleine schon beim Lesen solcher Formen (ich hasse Formeln seit meiner Mathematik-Schulzeit) einem die Lust auf das Schreiben vergeht, würde ich dennoch gerne wissen, worum es dich dabei handelt. Wäre nett, wenn mir das einmal jemand kurz erläutern könnte.

Danke!

Tanrien

#20
@Zitkalasa: Der Post selber ist schon so alt... aber wenn ich wirklich gar nichts mehr finde, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als nachzufragen und auf eine Antwort zu hoffen.

Zitat von: Suggarfly am 21. Dezember 2011, 20:00:59
Nun, haltet mich für unterbelichtet, aber was genau bedeutet diese Formel Aktion vs. Beschreibung 1:5????

Dass auf einen Aktionssatz (eine Handlung) fünf Beschreibungssätze kommen. Ich habe mittlerweile das Tutorial verlinket, hier, da sind auch relativ viele Beispiele. :)

Rika

Was an diesem Essay meiner Meinung nach gut gezeigt wird ist, wie wichtig Kontext für das mitERLEBEN und mitFÜHLEN des Lesers ist. "Beschreibung" läßt das schwafeliger klingen als es gemeint ist.
"Er küsste sie." läßt mich so zusammenhanglos völlig kalt. Wird diese Aktion mit Kontext/Beschreibung gemischt, dann kann es mich berühren, mitreißen.

Ich brauche dafür keine Formel - wenn die Formel allerdings jemandem hilft, ob nun als Richtlinie im Hinterkopf beim Schreiben oder als Werkzeug bei der Analyse eine Szene die "nicht funktioniert"... fein. :)

Alana

Ich finde solche Anleitungen für Anfänger wie mich ehrlich gesagt schon sehr hilfreich. Natürlich setze ich mich jetzt nicht hin, und rechne das Verhätlnis in meinen Texten aus. Und natürlich muss ich erst für mich entscheiden, ob das, was da beschrieben ist, mich überzeugt. Aber wenn ja, dann finde ich das schon ganz gut, denn ich habe überhaupt keine Ahnung, wie man Texte auseinandernehmen und nach welchen Kriterien man sie beurteilen und überarbeiten kann. Solche Tutorials helfen mir, einen Blick für soetwas zu entwicklen und ich würde mir ein ganzes Buch voll mit solchen Anleitungen wünschen. (Falls jemand einen Tipp hat, her damit ;))
Wobei ich wie gesagt kritisch herangehen und nicht zu allem ja und amen sagen würde. Ich finde zum Beispiel eines der Negativ-Beispiele aus dem Artikel viel besser, als das Positiv-Beispiel ;D

Ich habe es allerdings nicht so verstanden, dass der Ratio höher sein muss, je actionhaltiger die Szene. Sondern dass man mit dem Ratio herumspielen kann, um verschiedene Effekte zu erzielen. Die Szene mit dem 1:5 Ratio ist ja eine sehr langsame, bedächtige Szene, die durch die viele Beschreibung an Atmosphäre und Bedeutung gewinnt. Wohingegen die Szenen mit dem 1:2 Ratio eher schnell sind.
Alhambrana

Tanrien

Zitat von: Alana am 22. Dezember 2011, 21:18:10
Ich habe es allerdings nicht so verstanden, dass der Ratio höher sein muss, je actionhaltiger die Szene. Sondern dass man mit dem Ratio herumspielen kann, um verschiedene Effekte zu erzielen. Die Szene mit dem 1:5 Ratio ist ja eine sehr langsame, bedächtige Szene, die durch die viele Beschreibung an Atmosphäre und Bedeutung gewinnt. Wohingegen die Szenen mit dem 1:2 Ratio eher schnell sind.

Hab es mir jetzt nochmal angeguckt, und eigentlich sagt sie ja, dass bei Actionszenen die Ratio 1:2 sein, äh, sollte. Sobald die Aktion dann mehr Bedeutung (ja, Atmosphäre) bekommt, könnte man das hochschrauben auf 1:3, 1:4, 1:5... Ich seh den Kontext da so ein bisschen als Ummantelung, als Möglichkeit, die einzelne Aktion zur Schau zu stellen. Bei fünf nicht-aktionshaltigen Sätzen um den einen aktionshaltigen herum, wird man als Leser sicher viel eher auf den gestoßen.
Sie zielt ja auf die physische Reaktion beim Leser ab, die bei Action- und Sexszenen das Ziel sein sollte/kann.

Alana

Ja, so würde ich das auch sehen. Allerdings wird die Szene dann schon entschleunigt, wenn man 1:5 nimmt, finde ich. Oder?
Alhambrana

Churke

Seit Beginn des Threads denke ich darüber nach, was mir an der Nummer nicht passt.
Es klingt ja ganz vernünftig, liest sich nicht schlecht und mag in der Regel auch funktionieren.

Aber speziell für Kampf- und Fechtszenen ist es eine Anleitung dazu, Dinge auseinander zu ziehen, die zusammen gehören. Ich fechte einach nicht so, dass ich irgendwas tue und mir dann 2 Sätze lang Gedanken darüber mache oder die Wirkung meiner Handlung beobachte. Natürlich kann man das so schreiben, aber es fühlt sich nicht so an. Ich empfinde Handlung und Emotion als Einheit. Basisgefühle wie Angst oder Zorn sollte man sowieso vorher abgelegt haben, weil sie einen am Gewinnen hindern. Darüber hinaus steht ein Fechter technisch gesehen unter Drogen (Adrenalin, ggf. Endorphine), das darf man auch nicht vergessen.

Rika

Zitat von: Churke am 24. Dezember 2011, 14:49:50
Aber speziell für Kampf- und Fechtszenen ist es eine Anleitung dazu, Dinge auseinander zu ziehen, die zusammen gehören. Ich fechte einach nicht so, dass ich irgendwas tue und mir dann 2 Sätze lang Gedanken darüber mache oder die Wirkung meiner Handlung beobachte. Natürlich kann man das so schreiben, aber es fühlt sich nicht so an. Ich empfinde Handlung und Emotion als Einheit. Basisgefühle wie Angst oder Zorn sollte man sowieso vorher abgelegt haben, weil sie einen am Gewinnen hindern. Darüber hinaus steht ein Fechter technisch gesehen unter Drogen (Adrenalin, ggf. Endorphine), das darf man auch nicht vergessen.
Klar, aber es ließt sich doch sch... und vermittelt auch die Szene nicht wirklich, etwa sowas zu schreiben:
A stieß mit dem Schwert nach Bs Schulter, doch B wich aus und konterte mit einem Hieb nach As Beinen. A sprang über die Klinge hinweg und nutzte den Schwung des Sprunges um B mit dem Ellbogen aus dem Gleichgewicht zu schubsen.
B fing sich ab und konterte As Hieb nach seinem Hals.
A gelang es, seinen Spitzdolch unter Bs Arm, wo dessen Rüstung ihn nicht schützte, zu stechen....

So bleibt das doch völlig kalt, emotionslos und... langweilig. Und auch wenn die Kampfszene besser entworfen ist als ich das jetzt in 90 Sekunden beim Abfassen eines schlechten Beispiels hinbekomme, ändert sich daran nichts. Erst wenn die Szene durch Kontext erfahrbar, erfühlbar, miterlebbar wird... und dazu gehören numal Gefühle, Sinneswarnehmungen, Gedanken, Hoffnungen, Ängste der Beteiligten Charas. Wieviel wovon... na, das hängt auch immer davon ab, was es für Charas sind.
Das heißt für mich auch nicht, daß der Kontext die Dinge auseinander ziehen muß oder sollte, daß es separate Sätze werden sollten - letzteres sogar oft eher weniger. Aber ganz ohne bleibt es einfach flach.

Churke

Zitat von: Rika am 24. Dezember 2011, 23:20:28
So bleibt das doch völlig kalt, emotionslos und... langweilig.

Du hast schon recht, dein Beispiel ist hundsmiserabel und einem 1:2-Schema zweifellos unterlegen.  ;D

Das Problem ist allerdings ein anderes: Ein Fechter nimmt einen Kampf nicht so war, wie du ihn in guter R.-A.-Salvotore-Tradition beschreibst. Als Einzelaktionen nehme ich in der Regel nur die Eröffnung bewusst wahr und einen Treffer. Dafür lese ich den Gegner und versuche seine Stärken und Schwächen zu erkennen. Ich denke, dass sich das mit etwas Übung auch von Autoren ohne Fechtstunde nachbauen lässt. Aber man verliert diese Dinge aus dem Blick, wenn man stur das Schema abarbeitet.

Rika

Zitat von: Churke am 25. Dezember 2011, 10:27:26
Du hast schon recht, dein Beispiel ist hundsmiserabel und einem 1:2-Schema zweifellos unterlegen.  ;D
Prima, dann ist mir das ja gelungen.  ;D

Zitat von: Churke am 25. Dezember 2011, 10:27:26
Das Problem ist allerdings ein anderes: Ein Fechter nimmt einen Kampf nicht so war, wie du ihn in guter R.-A.-Salvotore-Tradition beschreibst. Als Einzelaktionen nehme ich in der Regel nur die Eröffnung bewusst wahr und einen Treffer. Dafür lese ich den Gegner und versuche seine Stärken und Schwächen zu erkennen. Ich denke, dass sich das mit etwas Übung auch von Autoren ohne Fechtstunde nachbauen lässt. Aber man verliert diese Dinge aus dem Blick, wenn man stur das Schema abarbeitet.
Ok, jetzt bin ich neugierig auf deine Warnehmung in einem Kampf - und wie du das schriftlich darstellen würdest. :)

Ich finde, auch wenn mensch mein Beispiel auf Eröffnung und nur Treffer reduziert, gibt es den gleichen Effekt. Das "Lesen und versuchen Stärken und Schwächen zu erkennen" würde ich nämlich schon unter Kontext einstufen. (Eher Warnehmung als Handlung.)

Alana

#29
Es geht ja auch nicht darum, die Gedanken des Fechters darzustellen, sondern etwas zu beschreiben, das dem Leser hilft, die Szene mitzuerleben.
Schweißausbrüche, einknickende Knie, einen Stolperer, um die Szene anschaulich zu machen. Das muss den Fluss der Handlung nicht unterbrechen. Natürlich stellt das nicht genau dar, was du während des Kampfes empfindest. Aber man schreibt ja auch Dialoge nicht genauso, wie man spricht. Sonst wären die ganz schön zerstückelt und nicht gut lesbar.
Abgesehen davon würde mich eine Fechtszene von dir auch interessieren. Wenn dein Hauptanliegen ist, zu beschreiben, was in dem Fechtenden vorgeht, oder wie er das erlebt, dann kann man es sicher auch ganz anders machen und trotzdem gut rüberbringen.
Alhambrana