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Verhältnis von Action zu Beschreibung bei Sätzen

Begonnen von Tanrien, 02. Dezember 2011, 17:10:29

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Tanrien

#30
Zitat von: Alana am 23. Dezember 2011, 20:52:54
Ja, so würde ich das auch sehen. Allerdings wird die Szene dann schon entschleunigt, wenn man 1:5 nimmt, finde ich. Oder?

Ich glaube nicht, dass die Schnelligkeit eines Szene davon abhängt, welches Verhältnis man nimmt - eher davon, welche Art von Beschreibung und Kontext man wählt. Man kann ja "schnell beschreiben", knallige Wörter vielleicht oder viele kurze Stakkato-Sätze, oder eben "langsam beschreiben", mit langen, langsamen Wörtern, die tatsächlich beim Lesen langsamer machen, etc.

Es geht beim Wechsel vom 1:2 auf 1:5 eher darum, würde ich sagen, wie weit man reinzoomt. Man kann ja jede Handlung auf verschiedenen Detail/Wichtigkeits-Ebenen erzählen. So kann ich beschreiben, wie jemand die Tür aufreißt und zack, ist sie drinnen. (eine Aktion, wenig Beschreibung, Ziel: Tür auf, 1:2) Ich kann aber auch beschreiben, wie jemand die Tür aufreißt und ganz großzügig ausführen, wie das Herz stehen bleibt, der Schock durch die Wirbelsäule trümmert. (eine Aktion, viel Beschreibung, Ziel: Tür auf, 1:5)

Dann kann ich beschreiben, wie jemand die Türklinge berührt, ganz schnell einen Fuß vor den anderen setzt, vorwärts springt und drinnen ist. (viele Aktionen, wenig Beschreibung, Ziel: Tür auf, mehrmals 1:2) Oder eben wie jemand die ganzen kleinteiligen Aktionen durchführt und jede dieser Aktionen untermale ich mit Beschreibung, wie sich die Türklinke anfühlt oder eben wie der Herzschlag donnert. (viele Aktionen, viel Beschreibung, Ziel: Tür auf, mehrmals 1:5)

Aber ich würde sagen, jedes dieser Beispiele kann in einer Actionszene schnell oder langsam sein, einfach, indem die Art der Beschreibung verändert wird. ("context" - da gehört ja alles zu, auch Dialoge, etc.)

Churke

Zitat von: Alana am 25. Dezember 2011, 12:32:22
Es geht ja auch nicht darum, die Gedanken des Fechters darzustellen, sondern etwas zu beschreiben, das dem Leser hilft, die Szene mitzuerleben.

Genau das ist das Problem. Wenn ich die Perspektive eines Fechter einnehme, dann läuft es so ähnlich, wie ich es beschrieben habe.
Einem neutralen Beobachter stellt sich die Sache wieder anders da. Effektiv "sieht" der aber wohl nur 20 % von dem Kampf, der Rest ist zu schnell.

Zufällig habe ich gerade vorhin so eine richtig gute Stelle bei Catherine Asaro gelesen. Die Protagonistin wird von einem Pärchen angemacht, das sie im Auto mitnehmen will. So à la die Kinderschänder lassen grüßen.
Und dann fliegen die Fäuste. Anstelle einer Kampfbeschreibung liefert Asaro eine Beschreibung der Physis und der extremen Reflexe der Gegnerin. Die Protagonistin hat den Eindruck, des mit zweien zu tun zu haben, so gut ist die Alte.  Als es vorbei ist, liegt der Kollege tatsächlich auf dem Boden. Es waren zwei.

Alana

ZitatEs waren zwei.

Das klingt auf jeden Fall interessant, das würde ich gern mal lesen.

Ich mag Action-Szenen meist nicht so sehr, deswegen würden mir die 20% völlig reichen. ;D
Ich glaube, man kann hier gar nicht nach richtig oder falsch aufspalten, sondern erzielt dann einfach eine unterschiedliche Wirkung.
Alhambrana

Nandriel

Hach, Tanrien, danke für den Link - ich finde den toll. Zwar bin ich was Mathe anbelangt ne ziemliche Niete, aber ich mag Formeln. Weil sie Dinge vereinfachen, runterbrechen.
Ich bin leider auch nicht mehr so wirklich fit, was das Englische angeht, habe aber mit Hilfe von leo.org weitestgehend verstanden, was cupidsbow da geschrieben hat, denke ich. Und ich finde das wirklich hochinteressant.
Nicht weil ich mir einer wie auch immer lautenden Formel beim Schreiben bewusst wäre, sondern weil ich tatsächlich nach solchen suche - im fertig geschriebenen Text. Das ist mein Job; vor jeder Interpretation steht eine saubere Analyse.

Kann ich also eine funktionierende Szene auf eine solche Formel heruterbrechen? Das müsste ich wohl mal selbst nachprüfen; die Beispiele von cupidsbow sind jedenfalls mal hilfreich.

Zitat von: HauntingWitch am 02. Dezember 2011, 18:42:12
[...] Das wäre mir zu einschränkend. Da wäre ich völlig blockiert, wenn ich mir bei jedem Abschnitt solche Dinge überlegen müsste. Wenn ich schreibe, schreibe ich einfach. Nach Gefühl, das geht bei mir wie automatisch. [...]

Es geht dabei vermutlich auch nicht darum, bewusst beim Schreiben auf derartige "Regeln" zu achten, sondern diese zu verinnerlichen und sie als Werkzeug zu betrachten, um ganz bestimmte Reaktionen damit beim Leser hervorzurufen.Somit ist die Wahl von 1:2, 1:3, 1:4, 1:5 also nichts anderes als ein Mittel zum Zweck wie viele andere Kniffe beim Schreiben auch.

Zitat von: Nirathina am 02. Dezember 2011, 19:08:11
Aber eine Verhältnisformel aufzustellen, entzieht sich irgendwie jeglicher ... Begeisterung an der Materie.  :pfanne:

Es ist wohl nicht schwer zu erraten, dass ich das ganz anders sehe, oder? ;)
Wenn ein Text / eine Szene mich begeistert, mich völlig vom Hocker reißt, dann wird die Detektivin in mir gereizt, dann will ich wissen, warum das so ist. Wie schafft der Autor das? Und falls sich dann tatsächlich herausstellen sollte, dass das auf eine solche Formel (bzw. die Kombination von so einfachen Kniffen) zurückzuführen ist, dann begeistert mich das total - das ist die wahre Kunst der Worte! Und ich kann, ganz eventuell, einen Blick hinter den Vorhang werfen und eine Ahnung davon bekommen, wie dieser Wortakrobat, dieser Magier von einem Autor, das in mir auslösen konnte - wow, wie genial ist das denn! (gut, ich gebs zu, jetzt heb ich minimal ab...)
Ich gestehe allerdings: Meistens dürften diese Autoren das ganz unbewusst "richtig" machen. Es gibt (gab?) aber auch jene, die das sehr bewusst tun:

Ich führe mal wieder mein Lieblingsbeispiel C.F.Meyer an - der Typ hat seinen "Heiligen" vier Jahre lang überarbeitet, und jeder Satz ist gaaanz bewusst genau so verfasst, wie er verfasst ist. Er manipuliert den Leser, und der kriegt nix davon mit. Und selbst beim sechsten Mal Lesen (!) habe ich noch neue Zusammenhänge oder Hinweise in der Geschichte entdeckt. Alles ist hier konstruiert, und ich würde mich nicht wundern, wenn er tatsächlich solchen Formeln gefolgt wäre (wovon ich allerdings nichts weiß).

Oder wie Tanrien es ausgedrückt hat:
Zitat von: Tanrien am 02. Dezember 2011, 19:35:27
Als großer Mathe- und Wissenschaftsfan kann ich da nur sagen, dass es ja unterschiedliche Ausdrucksformen von Begeisterung gibt. Nicht nur ist Textanalyse ein eigener Strang, der überhaupt nichts mit dem Strang des Schreibens zu tun hat, wobei beide auf der Begeisterung für Wörter begründen können. Außerdem geht es ja auch darum, zu gucken, was wirkt und das anderen zu erklären, was man machen kann. [...]

Eben. Ich will es verstehen. Und um das zu können, muss ich es beschreiben können. Halleluja, wenn eine solche Formel doch tatsächlich nachgewiesen werden könnte - und schade, dass da keine Quellen dabei stehen.

Zitat von: Nirathina
Ich werde mich jedenfalls davor hüten, mich an eine solche Faustformel zu halten. Das würde so manch einem Lehrer vermutlich passen, aber mir nicht .

:rofl: Wie passend ;D Disqualifiziert das nun eher die Formel oder mich?

Zitat von: Alana am 22. Dezember 2011, 21:18:10
Ich finde solche Anleitungen für Anfänger wie mich ehrlich gesagt schon sehr hilfreich. Natürlich setze ich mich jetzt nicht hin, und rechne das Verhätlnis in meinen Texten aus. Und natürlich muss ich erst für mich entscheiden, ob das, was da beschrieben ist, mich überzeugt. Aber wenn ja, dann finde ich das schon ganz gut, denn ich habe überhaupt keine Ahnung, wie man Texte auseinandernehmen und nach welchen Kriterien man sie beurteilen und überarbeiten kann. [...]

Ich habe zwar ein wenig Ahnung davon, wie ich "Texte auseinandernehmen und nach welchen Kriterien [ich] sie beurteilen und überarbeiten kann", aber leider ist das eben etwas ganz anderes als selbst nach solchen Kriterien zu schreiben - und das kann ich leider (noch) nicht.
Um hier aber mal einem Schreibratgeber zu folgen: Gnadenlos abgucken bei denen, die es gut machen, ist das Beste, was man machen kann. Sofern man rauskriegt, wie sie es anstellen. Eine Formel wie die vorliegende wäre also eine Hilfe bei der Analyse und bei der Überarbeitung (immer vorausgesetzt natürlich, wir nehmen sie mal als funktionierend / korrekt an!).

Und irgendwann einmal werde ich dann hoffentlich in der Lage sein, rein aus dem Bauch heraus eine solche Formel anzuwenden, ohne mir darüber nen Kopf zu machen. Wie beim Autofahren - da überlege ich ja auch schon lange nicht mehr, wann ich welchen Gang einlegen sollte, sondern tue es einfach, und es passt.

So, und nu muss ich ins Bettchen. Und über diese Formel nachdenken. Ich finde die nämlich toll :)


Christopher

Bedanke mich auch noch mal für den Link. Sehr anschaulich und interessant. Nu weiss ich schon, was ich heute Abend mit ein paar meiner Szenen machen werde ;D
Be brave, dont tryhard.

Tinnue

Hapuu, also generell kann ich mich da nur Malinche, Naudiz usw. anschließen. Wenn ich wirklich permanent versuchen wollte, beim Schreiben auf ein irgendwie geartetes Großenverhältnis zu achten, da würd so gut wie gar nix mehr gehen. Das kann man aber sicher auch lernen. Oder manche können das einfach. Ich nicht. Ich muss mich so schon beherrschen, weil der Germanist in mir ständig den Grammatik-Stock hebt und mir auf die Finger hauen will. Dabei noch frei zu schreiben, naja ...

Allerdings ist das Ganze ziemlich intressant und ich bedanke mich für den Link. In manchen Schreibratgebern lesen sich ja auch so Sachen wie: In Actionszenen fallen die Sätze kürzer aus. Oder generell: Sprache und Satzbau passen sich der Szenerie an. Wenn mein Held wegrennt, Angst hat, auf der Flucht ist, dann dürfen das ruhig knappe, kurze Sätze sein mit einem Rhythmus, der zur Stimmung passt. Das erzeugt m.M.n. beim Lesen dieses Gefühl, das auch der Prota empfindet. Ich denke, mit diesem Größenverhältnis von Beschreibungen usw. läuft das auch irgendwie auf diese Schiene raus, oder?

Ich hab mich da leider eine Zeitlang zu sehr auf Regeln eingeschossen, sodass ich erst wieder lernen musste, freier zu schreiben. Daher fahre ich (oder versuche ich zu fahren) nach Malinches "Nach Gefühl". Das mag hier und da vielleicht noch nicht ganz klappen und ist erlernbar, je mehr man über sein Handwerk weiß. Allerdings denke ich, dass man seinem Gefühl recht gut vertrauen kann. Und wenn dann doch etwas hakt, weil die Länge von Beschreibungen u.a. nicht zur Szene passen, dann merkt man das beim Lesen/Überarbeiten. Ich stocke da recht schnell und merke: Da ist irgendwas noch nicht ganz stimmig.

Exilfranke

Passt wohl am ehesten hier hinein. Also, nicht ganz, aber ich habe keinen passenderen Thread gefunden und wollte wegen einem Satz kein neues Topic eröffnen. Es geht um die folgende Handlung:

"Zähne, Speichel und Blut flogen durch den Raum, dann fiel der Krummdolch zu Boden. Der Rotbart hielt sich noch einen kurzen Moment auf den Beinen, dann tat er es seiner Waffe gleich und folgte."

Für mich ist das klar ersichtlich, aber kann man das so schreiben? Würde "tat es seiner Waffe gleich" reichen? Oder ist die ganze Formulierung unorthodox?

Fianna

Ob es gefällt, ist immer Geschmackssache, aber es ist eindeutig verständlich und ohne Schwierigkeiten lesbar.

Debbie

#38
Zitat von: Exilfranke am 23. April 2014, 23:20:27
"Zähne, Speichel und Blut flogen durch den Raum, dann fiel der Krummdolch zu Boden. Der Rotbart hielt sich noch einen kurzen Moment auf den Beinen, dann tat er es seiner Waffe gleich und folgte."

Für mich ist das klar ersichtlich, aber kann man das so schreiben? Würde "tat es seiner Waffe gleich" reichen? Oder ist die ganze Formulierung unorthodox?

Für mich fühlt sich der Satz unvollständig an und "rhytmisch" unrund. Ich vermute, dir geht es um die Vermeidung einer Widerholung von "Boden", deshalb würde ich es vielleicht so gestalten:

Zitat"Zähne, Speichel und Blut flogen durch den Raum, dann fiel der Krummdolch auf die blutverschmierten Dielen/den Dielenboden/den Teppichboden/ in den Staub, etc. Der Rotbart hielt sich noch einen Moment auf den Beinen, dann tat er es seiner Waffe gleich/folgte er seiner Waffe und ging zu Boden.

Klecks

Ich habe erst beim dritten Mal lesen verstanden, was in diesem Satz wirklich passiert. Dass er es seiner Waffe gleichtut, ist für mich, eine Schnellleserin, schon wieder zu lange her, um es miteinander in Verbindung zu bringen.

Allerdings bin ich absolut kein Fan von "gleichtun", wenn die Figur nicht gerade einem anderen Menschen etwas gleichtut. Wenn man einem Gegenstand etwas "gleichtut", klingt das für mich holprig und abgekürzt, als Notlösung dafür, dass man ein Wort nicht nochmal erwähnen will. Wie Debbie fände ich es besser, wenn du ein Synonym suchst, dann kannst du gleich noch eine kleine Beschreibung mit hinein bringen.  :)

Nirahil

Ich hatte keine Probleme beim Verständnis und finde ihn auch passend. Allerdings würde ich den Textteil "und folgte" eher streichen, das fühlte sich doppelt an. Aber letztlich ist sowas tatsächlich Geschmackssache, mit Debbies Umschreibungen hätte ich jetzt auch keine Probleme beim Lesen.
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

Guddy

Ich mag den Satz, lieber noch als die Überarbeitung, die hier angeboten wurde :) "Und folgte" würde ich aber tatsächlich weglassen