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[Geschichte] Viktorianisches Zeitalter: Fragen zur Etikette

Begonnen von Alana, 30. Oktober 2011, 16:59:20

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Alana

Hallo zusammen,

ich schreibe einen Roman, der im Viktorianischen Zeitalter in England spielt. Ich habe dazu schon viele Internetseiten gewälzt, aber einiges fehlt mir noch. Vor allem, weil sich das Meiste auf die Zeit um 1860 bezieht. Mein Setting wäre aber eher so um 1845 herum.
Ich wäre auch dankbar, für Links und Buchtipps zum Thema Etikette, Höflichkeitsfloskeln, No-Gos etc. den Hochadel betreffend. Außerdem Abläufe von Bällen und Soirees.
Insbesondere interessieren mich auch Rechte und Pflichten (z.B. gesellschaftliche Ereignisse, die unbedingt besucht werden mussten oder andere anwesenheitspflichtige Veranstaltungen) die mit den verschiedenen Adelstiteln einhergingen.

Und dann habe ich noch Fragen:

1. Wieviel persönlichen Kontakt hat Queen Viktoria mit ihren Adeligen gepflegt? Wünschte sie, neue Familienmitglieder oder angeheiratete Personen persönlich kennenzulernen?
2. Konnten Personen aus dem Hochadel heiraten, ohne vorher ihre Zustimmung einzuholen?

Vielen Dank für eure Hilfe!
Alhambrana

Sprotte

Der ultimative Buchtipp zur Regency-Epoche wäre Georgette Heyer und The Regency World of Georgette Heyer. Das ist zwar davor, sollte aber gerade in Bezug auf Bälle, Routs und Co noch immer passend sein.

Alana

Alhambrana

Grey

Deine Anfrage ist ja nun sehr weit gefasst, da weiß man gar nicht wo man anfangen sollte ...
Wenn es auch englische Literatur sein darf empfehle ich "Inside the Victorian Home" von Judith Flanders, ein echt fetter Schinken in dem alle möglichen Details stehen.

Lavendel

Zitat von: Sprotte am 30. Oktober 2011, 17:15:34
Der ultimative Buchtipp zur Regency-Epoche wäre Georgette Heyer und The Regency World of Georgette Heyer. Das ist zwar davor, sollte aber gerade in Bezug auf Bälle, Routs und Co noch immer passend sein.
[Klugscheißmodus]
1845 ist aber nicht Regency. Queen Vicky wurde 1837 gekrönt, und man sagt generell, dass das viktorianische Zeitalter in den 30ern anfing.  :versteck: [/Klugscheißmodus]

Ich würde empfehlen 'What Jane Austen Ate and Charles Dickens Knew'. Irgendwo hier im Board gibt es auch eine Rezi von mir zu dem Buch. Es ist anschaulich, sehr detailreich und super zum Einstieg in die viktorianische Epoche. Einen Teil über Etikette gibt es auch. Ansonsten könnte es auch helfen, Romane zu lesen und Filme zu schauen, die in der entsprechenden Zeit spielen. Das hilft, um sich einzufühlen, man sollte aber immer schauen, inwieweit vor allem Filme und moderne Romane historisch Korrekt sind.
Wenn du dich was traust und über die politischen und sozialen Fragen der 30er/40er Jahre gut informiert sein möchtest, empfehle ich dir "Middlemarch" von George Elliot, auch wenn das im bürgerlichen Milieu spielt und schlappe 800 Seiten lang ist ...
Darüber hinaus, lass mich dich warnen. Durch die Peerage durchzusteigen ist so gut wie unmöglich, ohne sich jahrelang intensiv damit zu befassen, ganz zu Schweigen von den Verbindungen zu den Adelsfamilien im Rest von Europa. Stammbäume und so weiter findet man aber überall im Netz, also vie Spaß damit. ::)

Steffi

#5
Wäre das jetzt der geeignete Thread, um jemanden "North & South" von Elizabeth Gaskell ans Herz zu legen?  ;D (Sowohl Buch als auch die BBC Adaption?) Das spielt ungefähr 1850. Soweit ich weiß existiert aber ausgerechnet von diesem ihrer Romane keine Übersetzung.
Sic parvis magna

Alana

Ups, das hab ich im Eifer des Gefechts überlesen, Regency hilft mir natürlich nicht weiter, schade. Alle Bücher, die im Geschichts-Bibliotheksthread genannt werden, werd ich mir mal ansehen, darunter auch das Victorian Home und das mit Jane Austen. Das scheint aber alles nicht zu sein, was meine beiden speziellen Fragen klären könnte, fürchte ich.
Trotzdem schonmal danke für eure Hilfe!

@Lavendel: So extrem ausführlich muss es auch nicht sein, es kommt nur am Rande vor. Aber ich möchte schon, dass es wenigstens grob stimmt. Dass man sich da jaherlang mit beschäftigen kann, fürchte ich auch. Kennst du die BBC Verfilmung von Middlemarch? Die überlege ich mir auch schon länger zu kaufen.

@Steffi: Das steht schon lange hier und wird regelmäßig angeschaut, das ist wirklich ein ganz, ganz toller Film! Richard Armitage steht wirklich nur ganz kurz hinter Colin Firth in meiner Rangliste. Was übrigens auch genial ist, ist die Verfilmung von Little Dorrit mit Matthew MacFadyen. Die werd ich mir dann jetzt auch nochmal holen.
Alhambrana

Steffi

Zitat von: Alana am 31. Oktober 2011, 15:08:36
@Steffi: Das steht schon lange hier und wird regelmäßig angeschaut, das ist wirklich ein ganz, ganz toller Film! Richard Armitage steht wirklich nur ganz kurz hinter Colin Firth in meiner Rangliste. Was übrigens auch genial ist, ist die Verfilmung von Little Dorrit mit Matthew MacFadyen. Die werd ich mir dann jetzt auch nochmal holen.

Habe ich hier etwa noch eine Liebhaberin des Period Drama gefunden? ("Little Dorrit" mit Matthew Macfadyen kenne ich selbstverständlich auch :D ) - KOMM AN MEIN HERZ!  :knuddel:
Sic parvis magna

Lavendel

Die Verfilmung von North and South ist echt toll! Ich liebe die Szene, in der Margret in die Fabrik kommt und es Baumwollföckchen schneit.  :wolke:

Die BBC Mini-Serie zu Middlemarch kann man sich auch angucken. Ist auch nicht gar so  :gähn: wie der Roman. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so sehr mit einem Buch gekämpft wie mit Middlemarch.

Du könntest dir ja auch mal ein paar Filme über Queen Vicky reinziehen, der neuste ist glaube ich von 2009 und spielt in den 30ern, aber ich weiß nicht, ob der gut ist.

Alana

#9
@Steffi: Ja hast du!  :knuddel: Ich suche ständig nach Nachschub. Achja, es gibt eine neue Serie mit Maggie Smith, Downtown Abbey. Die hol ich mir auch. Ich bin schon ganz gespannt....
Aber das ist dann doch etwas OT. Ähem.

@Lavendel: Der Film ist gut.  ;D Den wollte ich mir dann auch nochmal holen, nur wird mir der leider meine Fragen nicht beantworten. Ob ich wohl mal an einen Professor oder so jemanden an irgendeiner Uni schreiben könnte? Meint ihr, die helfen bei sowas?
North and South ist wirklich toll, diese Szene und auch die Musik ist so wunderschön.   :wolke:

Edit: Steffi, gerade habe ich diesen Thread (zum Thema Period Drama) gesucht um ihn dir zu empfehlen, da musste ich ziemlich lachen. Aber schau selbst:
http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,3673.0.html
Alhambrana

Nika

Uff, in der obersten High Society kenne ich mich in der Zeit nicht aus. Ich habe aber für mein NaNo-Projekt (spielt 1853) noch etwas nach den Anstandsregeln beim Umwerben bis hin zur Hochzeit gesucht. Würde dir das etwas helfen?

Lavendel

Du kannst einem Professor schreiben, aber ich würde das eher nur mit spezifischen Fragen tun, wenn du dich schon ordentlich eingelesen hast. Schließlich haben die Profs auch nicht den ganzen Tag Zeit, um dir einen allgemeinen Bericht über das viktorianische Zeitalter zu schreiben. Es gibt jede Menge gute Literatur zu dem Thema. Ich würde auch mal in die örtliche Unibib latschen und einfach ein bisschen Geschichtsbücher wälzen. Es gibt auch welche, die nicht fürchterlich trocken sind, aber es ist auch ganz wichtig, herauszufinden wie man die Welt in dieser Zeit eben so sah.
Gerade in den 30ern und 40ern hatte man das Gefühl, dass eine neue Zeit anbrach. Zwar beginnt die Moderne in Europa offiziell mit der Doppelrevolution  (industrielle in England und politische in Frankreich), aber so grob ab den 30ern waren Industrialisierung und damit die Urbanisierung, technischer Fortschritt, Ausbau von Infrastruktur und Kommunikationswesen etc so weit entwickelt, dass es im Alltag deutlich spürbar wurde. Großes Thema ist die Eisenbahn, Gaslampen werden langsam allgemein gebräuchlich und verändern den Tagesrhythmus, der Kolonialismus steuert straight auf seinen Höhepunkt zu und England ist die bedeutendste und mächtigste Nation der Welt. Unruhen in der Arbeitklasse in ganz Europa, überall bahnen sich Revolutionen an ('Ein Gespenst geht um in Europa'), die im Prinzip gerade erst entstanden ist lehnt sich gegen die Bourgoisie auf, die auch gerade erst entstanden ist. Seit dem Reform Act von 1832 ist das Unterhaus wesentlich mehr zu sagen, die Mittelschicht gewinnt immer mehr Selbstbewusstsein, der Adel sieht seine Macht schwinden ....
Ich meine, man könnte ewig so weitermachen. Übrigens kannst du sicher viel rausfinden, wenn du mal schaust, dass du die Briefe und Korrespondenzen von Queen Vicky liest, zumindes die aus der Zeit, die dich interessiert.
Dass sie den Hochzeiten des Hochadels zustimmen musste, schließe ich erst mal aus, generell kann man aber sagen, dass sie eher unter sich blieben. Prinz Albert zum Beispiel war nie so richtig akzeptiert, weil er Deutscher war und eben kein Engländer.
Das gesellschaftliche Leben des Adels in England spielte sich in zwei Bereichen ab. Einmal auf den Landsitzen und einmal in London. Jede Familie hatte sowohl ein Anwesen auf dem Land (der Hochadel hatte natürlich viel mehr als eins, fünf oder sechs oder so bestimmt, die dann aber eben von Verwaltern gemanaged wurden) und ein Haus in der Stadt. Die Saison begann traditionell nach Ostern und endete mit dem 12 August (glorious 12th), dem Beginn der Jagdsaison. Dann war es also Zeit, aufs Land zu gehen.
Während der Saison fanden jede Menge Veranstaltungen in London statt. Debütantinnenbälle (die Debütantinnen wurden auch bei Hof vorgestellt, wenn ich mich recht entsinne), Dinnerpartys, Charityveranstaltungen ... Auch politsch spielt die Season eine Rolle, weil da auch das Who is Who der Politik zusammenkam. Veranstaltungen ohne Ende. Ascot natürlich, Ruder- und Segelregattas, Poloturniere ... Generell ging es natürlich wie heute auch um gesehen und gesehen werden.
Außerhalb der Saison gab es dann eben Hunting Partys, ebenso Einladungen zum Dinner an die Nachbarn (also die Nachbarn auf dem nächsten großen Landsitz), auch mal einen Ball und so.
Das ganze System war ziemlich kompliziert. Schon die Frage, wer auf welcher Seite der Tafel und neben wem sitzen sollte oder in welcher Reihenfolge man den Saal betrat, war ein ganz prekäre Sache - und ungeheuer kompliziert.
Vielleicht kannst du hiermit schon was anfangen: http://www.victorianlondon.org/cassells/cassells-33.htm (die Seite ist eh gut, mal durchschauen, auch wenn sie fies unübersichtlich ist).
Ansonsten fällt mir gerade kein zeitgenössisches Buch ein ... aber vielleicht findest du noch eins. Eigentlich war der Markt damals von diesen Büchern geflutet, aber ich bin grade zu müde, um über die richtigen Suchbegriffe nachzudenken.
Kannst du damit was anfangen?

Alana

#12
@Lavendel: Ich danke dir, das ist einfach toll.Vieles davon wusste ich schon. Trotzdem ist das eine hilfreiche Zusammenfassung. Mein Problem ist halt, dass die von dir genannten Dinge (Industrialisierung etc.), über die man noch eher was findet, nur ganz am Rande vorkommen. Ich brauche eben wirklich mehr die Interaktion zwischen den Peers. Trotzdem hast du Recht, ich muss mich da in Politik und dergleichen auch noch etwas mehr einarbeiten, um die Stimmung der Zeit besser einzufangen. Und vielleicht finde ich da dann ja auch Hinweise.
Die Internetseite hab ich auch schon durchstöbert, aber dein Link ist wohl bisher an mir vorbei gegangen, ich fand die Seite auch nicht so übersichtlich, aber dennoch eine sehr gute Quelle.
Du hast sicher Recht mit dem Prof., deshalb habe ich bisher auch gezögert, das zu machen. Ich werde nach dem Nano erstmal in die hier genannten Bücher reinschauen und die Korrespondenz von QV hört sich auch sehr interessant an. Vielen Dank!  :knuddel:

@Nika: Grundsätzlich interessiert mich das auf jeden Fall, auch wenn ich mich mehr auf das Verhalten nach der Hochzeit und bei Hof konzentriere. Aber alles, was die Etikette betrifft, ist zunächst mal hilfreich.

Alhambrana