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Nachnamen - förderlich oder hinderlich?

Begonnen von Amaretin, 13. September 2011, 16:30:26

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Amaretin

Also ich arbeite jetzt nun schon seit einiger Zeit an meinem ersten Roman und nun bin ich schon wieder ein Problem gestoßen (ich scheine irgendwie das Talent zu haben aus allem ein Problem zu machen oder die Probleme finden mich magisch ;) ).
Es geht darum, ob meine Figuren Nachnamen haben sollen.
Nun meine Frage: Gebt ihr in all euren Geschichten euren Figuren Nachnamen oder lasst ihr das weg? Verwirrt das am Ende nur den Leser oder fördert das Nachnamen-Geben den Überblick zu behalten?

caity

Hallo Amaretin,

ob Nachnamen oder nicht hängt imho stark vom Setting ab.
In meinem Anfangswerk gibt es keine Nachnamen, wobei ich das mittlerweile eher bereue und in der Regel zumindest ein "X aus Y" hinzufügen, weil ich finde, das solche näheren Angaben schon wichtig sind, aus realistischen Gründen: Es kann einfach nicht beliebig viele Namen geben, meiner Meinung nach. Wie ausführlich die Namen in den Romanen selber verwendet werden - Geschmackssache, muss imho nicht großartig vorkommen, es sei denn, man benutzt es als Stilmittel. Ich fand es in Harry Potter z.B. interessant, dass die Nachnamen ja in der Regel eher abfällig benutzt wurden, zumindest, sofern man keine Berufsbezeichnung oder "Mister" oder so davor gesetzt hat, das werde ich, denke ich, in meinem neuen Werk kopieren. Ansonsten arbeite ich in Fantasywelten gerne mit irgendwelchen Anhängen für -sohn oder -tochter und dann den Namen der Mutter oder des Vaters als eine Art "Nachname".

Insgesamt muss Nachname nicht, aber er stört mich auch nicht und teilweise finde ich ihn einfach sinnvoll, um die Welt stimmiger darzustellen.

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Farean

@Amaretin: Von was für einem Setting reden wir denn? Jetztzeit/Mystery, Pseudomittelalter-Fantasy, Steampunk oder eine ganz andere Richtung?

Leandors

#3
Bei mir kommt es wohl auf das Genre an. Wenn die Geschichte im Jetzt spielt, vergebe ich eigentlich immer Nachnamen. Bei Geschichten in einer Fantasy-Welt, bekommen nur die wichtigsten Charas einen Nachnamen, der je nach Gefühl und Wichtigkeit (Freundliche Anrede zu Herrscher usw.) genutzt wird.

Darielle

Hallo Amaretin,

ich sitze zwar auch noch am Debut, jedoch bereite ich nun mein zweites Projekt vor, was so richtig Fantasy werden darf. In diesem Sinn erlaube ich mir, einfach mal das als Antwort zu geben, was in meinem Kopf rumspukt.
Es kommt in meinen Augen zum einen aufs Setting und auf die Masse der Figuren an. Zum anderen welche Rolle die Figur einnehmen soll. Es gibt Bücher (nicht nur in der Fantasy), da sind Namen und Nachnamen so massig vorhanden, dass man froh wäre, wenn man sich nur die Vornamen merken müsste. Dann gibt es wieder Bücher mit ausreichend wenig Charakteren, bei denen ein Nachname hilft, die Figur tiefgreifender und mehrdimensionaler zu bekommen.
Ich werde es bei meinen Falva so handhaben, dass keine Nachnamen vorkommen. Es sind viel mehr kurze, prägnante und gut auszusprechende Namen, die dennoch irgendwie "nicht von dieser Welt" sein sollen. Da wäre es nicht klug, einen Nachnamen zu geben. Denn dieser ist ja bekanntlich ein Brauchtum in unserer Welt und hat in der Kultur der Falva nichts zu suchen.

Du solltest am besten für dich einmal diese Checkliste durchgehen:
- Wie viele Charaktere gibt es, wie viele Nebencharaktere (Hauptrollen können Nachnamen haben, Nebenrollen im gleichen Atemzug evtl. lieber nicht)?
- Wie sieht deine Welt aus, wie sehr gleicht sie der menschlichen/ kommen gar Menschen vor?
- Wie kompliziert sind die Vornamen, kann ein Nachname so prägnant sein, dass er sich in Kombination mit dem Vornamen einfach merken lässt?
- Und natürlich: Welche Perspektiven wählst du?
Mein menschlicher Prota hat in meinem Kopf zwar einen Nachnamen, der wird jedoch nie wirklich erwähnt, da der Prota ohnehin aus seiner Sicht erzählt und kaum mit anderen Menschen kommuniziert. In mein Fall ist ein Familienname ein sinnloses Anhängsel.

Was ich mir vorstellen kann, ist, dass du auch ohne Familiennamen Titel verwenden kannst wie "der Schuster", "der Mutige" oder sogar wie in Adams Watership Down "Fürst Regenbogen".

Ich hoffe, ich habe nichts völlig falsches erzählt und würde von den Profis gern eine Meinung lesen.  :bittebittebitte:

Edit: Oh, ich sehe grade einiges wurde von den anderen schon vorgegriffen.  :pfanne:

Romy

Wenn ich so was entscheide, mache ich mir erst einmal darüber Gedanken, was die übliche Anrede in der jeweiligen Welt ist und wie die handelnden Figuren zueinander stehen.
Wird sich allgemein nur geduzt und der Umgangston ist locker, dann braucht man auch nicht zwangsweise Nachnamen (es sei denn, es sollte in der Welt üblich sein, sich mit Nachnamen anzusprechen). Ist es üblich sich zu Siezen, kommt man um den Nachnamen nicht drum herum (es sei denn man nimmt zum "Sie" den Vornamen, gibts ja auch).

Also ob eine Figur nun einen Nachnamen bekommt, mache ich nicht davon abhängig, ob er eine Randfigur oder eine Hauptfigur ist, sondern ob es üblich ist, sich in der Welt mich Vor- oder Nachnamen anzureden. Wäre ja komisch, wenn es in der Welt üblich wäre, sich mit Herr Sowieso anzureden und dann wird die Randfigur plötzlich mit Horst angeredet, obwohl sie eigentlich - sagen wir mal - ein ausländischer Botschafter ist. Aber da er ja nur einmal kurz vorbeischneit und einen Satz zu sagen hat, hat er keinen Nachnamen verdient?  :hmhm?: Wäre doch ziemlich unplausibel, so jemandem keinen Nachnamen zu geben und würde nur Auskunft darüber geben, dass der Autor anscheinend zu faul war, sich einen Nachnamen auszudenken, oder weil er dem Leser nicht zumuten will, sich einen Nachnamen zu merken. In so einem Fall würde ich dann viel eher überlegen, ob diese Randfigur denn unbedingt einen Vornamen braucht. ;)

Snöblumma

Ich würde auch sagen, dass es keine allgemeingültige Regel dazu geben kann, wie Namen beschaffen sein müssen. Was ich aber immer wichtig finde, ist, dass bestimmte Prinzipien durchgehalten werden, ähnlich wie Romy schon gesagt hat. Sprich: Wenn es Nachnamen gibt, dann für alle. Wenn der Nachname als höfliche Anrede verwendet wird, dann für alle. Wenn der Nachname die Herkunft von einem bestimmten Ort ausdrückt, dann hat das bei jedem Nachnamen so zu sein (und nicht: der Prota bekommt einen besonders ausgefallenen Nachnamen, weil er der Prota ist) - jedenfalls innerhalb eines bestimmten Kulturkreises.

Ich selber verwende in meinem derzeitigen Projekt exzessiv Nachnamen. Warum? Weil es um Machtspiele zwischen Familien geht. Die Zugehörigkeit zu einer Familie ist also entscheidend. Wie lässt sie sich besser darstellen als durch einen gemeinsamen Nachnamen? Wobei ich auch noch andere Bezeichnungen habe, die die jeweiligen Personen führen, Beinamen oder Abwandlungen, die je nach Kontext eine bestimmte Aussage transportieren sollen. Wird eine Person bspw. nur mit dem Herkunftsnamen angesprochen, ist das schon fast eine Beleidigung. Solche kulturellen Dinge lassen sich mit dem Namen immer hübsch transportieren.

Ob das zu schwer für den Leser ist? Vielleicht, aber ich gehe mal nicht davon aus, dass der Leser dumm ist und kein Interesse hat. Möglicherweise stolpert er beim ersten Mal, aber bei der zweiten Verwendung in dieser Art und Weise oder bei der entsprechenden Reaktion wird ihm schon klar werden, was gemeint ist.

Dafür habe ich in einem anderen Projekt keine Nachnamen, nur Ortsbezeichnungen bei Titeln und "Häusernamen". Wieso? Weil die Familienstrukturen dort weniger auf Blutsbande, als auf Allianzen basieren. Dann erscheint es mir sinnvoller, die Personen mit solchen Merkmalen zuzuordnen.

Ich würde es also davon abhängig machen, welche  Funktion der Name einnehmen soll. Wenn er gar keine hat, dann ist er überflüssig und du kannst ihn weglassen ;) . Darielles Checkliste finde ich dazu richtig gut!  :jau:

Amaretin

Vielen Dank für eure Anregungen! Das hat mir sehr geholfen. Es ist wirklich logisch, dass Nachnamen nur auftauchen, wenn sie eine Funktion haben. Ich stehe noch relativ am Anfang des Romans und es steht auch noch nicht fest wieviele Personen wirklich mitspielen, aber ich weiß, dass im Nachbarland die Abstammung eine sehr wichtige Rolle spielen wird, deswegen werde ich wahrscheinlich im Land, wo sich die ersten Kapitel abspielen auch nicht auf die Nachnamen verzichten können. Auf jeden Fall haben eure Überlegungen mir die Entscheidung viel leichter gemacht. :)

Ary

Wenn ich meine Geschichten in der Realwelt (Europa) spielen lasse, auch bei Mystery oder Urban, haben meine Figuren ganz normale Nachnamen wie jeder Mensch. In meinen Fantasygeschichten haben die Charaktere auch immer häufiger Nachnamen oder zumindest einen Namenszusatz, aus dem Herkunft oder verwandtschaftliche Beziehungen abgelesen werden können, auch wenn ich im Schreibfluss dann meist den Vornamen verwende, ebenso in der direkten Anrede in Dialogen - wenn die Figuren sich noch nicht gut kennen oder distanziert sind, ist es dann eben "Vorname" und "Ihr"/"Sie" je nach Setting. Wobei sich meine Figuren eher "ihrzen" statt "siezen", passt besser zu einem Fantasysetting, finde ich.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Runaway

Bei mir haben immer nur die wichtigen Personen Nachnamen oder die tauchen dann auf, wenn eine spezielle Anrede es erfordert oder so... ansonsten interessieren die mich nicht weiter.

Naudiz

Für gewöhnlich haben bei mir alle Charaktere einen Nachnamen, nur dass dieser nicht zwangsläufig erwähnt werden muss. Ich meine, es ist doch ganz normal, einen Nachnamen zu haben - man kann zum Beispiel drei Dutzend Margareten nicht auseinanderhalten, wenn man keinen Nachnamen hintendranhängt.
Das ist jetzt natürlich stark übertrieben, aber du verstehst, was ich meine, denke ich.

Aber prinzipiell ist es wirklich davon abhängig, was in deiner Welt üblich ist.

LilFantasy

Ich gebe da Naudiz recht. Grundsätzlich hat auch bei mir wirklich jeder Charakter einen Nachnamen, nur muss der ja nicht zwangsläufig erwähnt werden. Nur bei den Adligen, wenn sie mit "Lord"/"Lady" und die ganzen Anreden angesprochen werden ;)


Rynn

#12
Interessante Frage, mit der ich mich auch schon herumgeschlagen habe.
Vor allem in reinen (High) Fantasy-Welten tue ich mich mit Nachnamen auch immer schwer; in meinem aktuellen Projekt habe ich eine solche eigene Welt erschaffen und nach einigem Hin und Her auf Nachnamen vollständig verzichtet. Obwohl ich etwas weg gegangen bin vom Standard-Mittelalter-Setting und mich für eine Kultur in der späten Industrialisierung entschieden habe, leben viele meiner Charaktere recht abgeschieden in kleinen Familienverbänden ("Stämmen"); da fand ich es nicht unplausibel, dass man auf Nachnamen verzichten kann.

Bei einer Erzählung in der dritten Person geht es vielleicht sogar noch, den Charakter einmal mit seinem vollen Namen zu bezeichnen und dann fortan nur noch Vor- oder Nachnamen zu nehmen. Aber meine Ich-Erzählerin sagen zu lassen "Dann kam Peter Müller herein.", nur um danach immer mit Peter auf ihn zu referieren, (Mal so aus der Luft gegriffen, da gibt's keinen Peter.  ;)) klingt in meinen Ohren sehr unecht. Bei mir liegt noch ein Urban Fantasy Projekt auf Eis. Dort haben alle Charaktere Nachnamen, auch wenn ich die unter Umständen nicht verrate. Meiner Meinung nach sollte eine Erwähnung des vollen Namens im besten Fall irgendeinen Grund haben; bei einem Charakter habe ich ihn zum Beispiel "unauffällig" in einer E-Mail-Adresse eingestreut, ein anderer wird offiziell von einem Professor vorgestellt, solche Dinge eben.

Ihren eigenen Nachnamen verrät meine Prota sogar, weil ich mir dafür eine passende Gelegenheit überlegt habe: Sie beschwert sich, von ihren Leitern immer wie ein Kind behandelt zu werden und erwähnt bei dieser Gelegenheit, dass das grausame Schicksal sie mit "Kind" als ihrem Nachnamen bedacht hat und sie das darum wohl niemals loswerden wird. ::)
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Farean

Zitat von: Amaretin am 13. September 2011, 17:36:44
[...] aber ich weiß, dass im Nachbarland die Abstammung eine sehr wichtige Rolle spielen wird, [...]
OK, daraus schließe ich jetzt einfach mal auf Schwert+Magie-Fantasy-Welt.

Da würde ich mir auf jeden Fall für verschiedene Kulturen verschiedene Systeme der Namensgebung überlegen, so daß man am Namen unter anderem auch den Stand der Person erkennt. Beispiel: in meinem letzten Roman hatten nur Adlige einen Nachnamen; einfaches Volk begnügte sich mit einem Vornamen (bei einem Dorf mit 300 Einwohnern hat da nun wirklich jeder seinen eigenen ;)), und wenn es auf Reisen ging, nannte es den Herkunftsort dazu, z.B.: "Joriol aus dem Wetaner Lehen".

Ansonsten sind solche Namensgebungssysteme gut geeignet, um die einzelnen Kulturen mit Flair zu versehen. Wenn z.B. in deinem Nachbarland die Abstammung so wichtig ist, bietet sich ein System an à la "Joriol, Sohn des Melgar". Nachnamen in unserem Sinne ergeben sich eigentlich nur, wenn die Familie als Abstraktum höhere Bedeutung gewinnt als nur die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Haushalt, z.B. "Joriol Wetan" als Kurzbezeichnung für "Joriol aus dem Haus Wetan".

Schau dich doch einfach mal in verschiedenen Kulturen der Realität um. Allein das aktuelle Familiennamen-System der Spanier geht schon über einen einfachen Nachnamen hinaus. Und wenn ich an die alten Römer denke mit ihrem Prenomen, Cognomen, Gens usw... da wurde aus dem Namen einer Person schon mal ein siebenteiliges Epos. ;)

Sunflower

Bei mir haben die Hauptpersonen alle Nachnamen, wobei ich bei einem noch am Überlegen bin, ob er denn wirklich einen Nachnamen benötigt. Menschen haben wie wir auch Nachnamen, jedoch erwähne ich diese eigentlich nicht oder fast nicht. Andere Wesen haben Nachnamen, weil die Familie bei ihnen eine sehr große Rolle spielt und es das höchste Glück der Welt ist, die Familienehre zu bewahren. Wieder ander leben in einer Gemeinschaft, wo alle gleich sind, von daher benötige ich dort wohl auch keine Nachnamen. Ich denke, dass man sich einfach überlegen muss, wie wichtig es ist, dass der Leser Nachnamen erfährt. Wenn es nicht wichtig ist, kann man es ruhig weglassen, weil das sonst nur verwirrt. Wie alle anderen auch schon gesagt haben, eben  ;)
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow