• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Urban Fantasy mit Setting in Deutschland? Wenn ja: wo?

Begonnen von Adalia, 08. Juni 2011, 13:56:36

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Marta

Ich bin dafür, dass "Regionalfantasy" der nächste große Buchtrend wird. Will ich lesen! ;D

Als Leserin schätze ich es ja sehr, wenn jemand eine Stadt so richtig lebendig werden lässt und auf die Eigenheiten eingeht. So, dass ich mich beim Lesen mittendrin fühle, obwohl ich nie da war. Mir fällt da gerade "Rivers of London" als Beispiel ein.

Meine eigene Urban Fantasy-Serie spielt in Berlin und das war ein Kompromiss. Ich habe zwar neun Jahre in Berlin gewohnt, aber die schwäbische Kleinstadt, in der ich jetzt bin, könnte ich viel besser zum Leben erwecken. Nur will anscheinend keiner schwäbische Fantasy? Stimmt das wirklich? Keine Ahnung. Ich ärgere mich ein wenig, dass ich es nicht einfach ausprobiert habe. Aber ich bin mitten in Band 3, da kann und will ich nicht mehr zurück. Um wirkliche Erfolgschancen auf dem Markt zu haben, müsste die Serie vermutlich in New York oder London spielen, aber darauf habe ich so gar keine Lust. War halt noch nie da. Berlin kenne ich wenigstens grob, auch wenn sich da nach fast zehn Jahren viel verändert hat.

Mondfräulein

Zitat von: Marta am 12. Dezember 2019, 11:34:16
Als Leserin schätze ich es ja sehr, wenn jemand eine Stadt so richtig lebendig werden lässt und auf die Eigenheiten eingeht. So, dass ich mich beim Lesen mittendrin fühle, obwohl ich nie da war. Mir fällt da gerade "Rivers of London" als Beispiel ein.

An die Reihe musste ich tatsächlich letztens in Bezug auf dieses Thema auch denken. Es gibt eine Kurznovelle, die in Deutschland spielt und mir haben all die Details wahnsinnig gut gefallen. Als deutsche Leserin eines Romans eines britischen Autors, das in Deutschland spielt, habe ich natürlich mehr darauf geachtet, aber ich fand viele Details so treffend, dass ich beim Lesen wirklich Freude daran hatte. Zudem mochte ich sehr, dass das Buch nicht in Berlin oder Hamburg spielt, sondern in der Nähe von Trier. Seitdem habe ich das Gefühl, dass ich echt viel Freude an einem Buch hätte, das in Deutschland spielt und viele regionale Details lebendig einfängt und habe Lust bekommen, so etwas zu schreiben. Vielleicht gibt es da im Krimibereich schon mehr Auswahl, aber so etwas eignet sich durchaus auch für Fantasy-Romane.

Volker

Wenn die Stadt "unterschiedlich" genug ist und entsprechend Geschichte hat, dann hat man gleich Ansatzpunkte.

Hameln dürfte fast zu offensichtlich sein.

Berlin ist halt riesig, und hat entsprechend unheimlich viele unterschiedliche und auch alte Ecken, in denen Altes oder Magie schlummern können. Ist aber auch ein wenig abgelutscht.

Meine Heimnatstadt Paderborn wurde im Krieg völlig unnötig fast vollständig dem Erdboden gleich gemacht - aber das Paderquellgebiet unterhalb des Doms blieb wie durch ein Wunder(*) verschont. Auch Versuchen, dort, mitten im Stadtzentrum zu bauen, wehrt sich die Ecke schon immer mit spontan entstehenden Quellen (und das sind dann nicht Rinnsälchen, sondern die machen mit 1-2stelligen Litern pro Sekunde dann auch richtig Stress). Von Quellnymphen spricht im erzkatholischen Paderborn natürlich niemand - aber die Ecke ist schon seltsam. Und die ganze Pader längs hat man eine breite Aue nicht bebaut. Weil... äh... Naherholungsgebiet. Die an jener Aue gebaute Paderhalle (Konzert- und Tagungshalle) musste in ihrem Foyer einer Quelle den ihr zustehenden Platz einräumen - diese fließt nun als Springbrunnen eingefasst mit mehreren m³ pro Minute durch den künstlichen Bach mitten durch's Foyer.

(*) liegt halt in einer Kuhle, umringt von der innerstädtischen Hochebene mit Dom und anderem Gebäude - da sind die Bomben entweder oben eingeschlagen oder dann schlicht 'drüber weg geflogen. Aber diese Erklärung ist bei Weitem nicht so romantisch.

Darmstadt ist eigentlich eher uninteressant - aber da ist dann das Schloss mitten in der seelenlosen Verwaltungs-Systemstadt. Und die Landesbibliothek, die alten kurfürstlichen Universitätsgebäude, die Gruft im Prinzengarten - alle durch unterirdische Tunnel verbunden. Da schleicht bestimmt nichts. Bestimmt - und dass der Frankenstein nicht mal eine Tagesreise weit weg liegt, ist auch bestimmt nur Zufall...

Und so weiter. Man muss nur nach Rissen in der modernen Realität suchen - da lässt sich in jeder "richtigen" Stadt etwas finden.


Zu Bielefeld, Gütersloh oder Hannover will mir gerade nichts magisches einfallen (die kenne ich aber auch nicht gut genug).

Dagegen ist Heidelberg fast wieder "zu" altertümlich (bzw. touristisch), um "urban" zu gelten.

Für Urban Fantasy braucht es beides, magischge Ecken und Urbanität. Und da sollte sich gerade in Deutschland eigentlich genug finden lassen.

Anj

Also mein erstes Projekt spielt in einer fiktiven Kleinstadt in Bayern. Angelehnt an Eichstätt, wo ich während des Studiums gelebt habe. Ich habe versucht ein wenig bayrisches Flair reinzubringen, aber es hält sich in Grenzen, weil der Ort an sich eben fiktiv ist. Und da keine regionalen Geschichten eingeflochten werden, ist der Ort eigentlich auch völlig austauschbar. Nur halt gewisse (Grund-)Nahrungsmittel nicht^^
Das andere Projekt spielt z.T. in Ingolstadt, wo ich ebenfalls mal gelebt habe. Mich persönlich nervt es inzwischen auch eher, wenn deutsche Autoren ihre Geschichte in Amerika spielen lassen. Dafür mochte ich Saschas Kurt in München sehr. Und Valkyrie Tinas Frida in Stockholm.

Ich habe auch den Eindruck, dass es inzwischen häufiger mal heimische Settings gibt. Und das meist von Autoren, die auch schreiben können. Während ich bei amerikanischen Settings von deutschen Autoren häufig eher auf Anfängerniveau treffe. Vielleicht eine ungünstige Trefferquote, aber es wird zunehmend ein Kriterium für mich, wenn ich Kleinverlags- und SP-Bücher anschaue.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Rewa Kasor

Als ich vor zwanzig Jahren nach Hamburg gezogen bin habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die Stadt wirklich gut kennen zu lernen. Also bin ich mit Bahn und Rad kreuz und quer durch die Stadt und habe jeden Stadtteil besucht. Notizbuch und Stift immer dabei, später auch Diktiergerät und noch später Fotohandy. Wenn ich mal ganz viel Zeit habe, schreibe ich einen ganzen Band Kurzgeschichten "Hamburg spukt"  ;) Material habe ich genug.
Jede Wette, dass das in jeder beliebigen Stadt klappt. Jede Stadt hat ihre Geschichte - und ganz viele Geschichten. Man muss sie nur finden.

Zit

Mir ist mein eigener Wohnort tatsächlich zu alltäglich als dass ich mir wirklich fantastische Geschichten vorstellen könnte. Habs versucht, aber der Funke will nicht überspringen. Dieses "Sense of Wonder" fehlt einfach völlig. Außerdem mach ich mir dann immer so einen Druck, alles super zu recherchieren und möglichst nah an der Realität zu halten. Da ist es schon einfacher, einen fiktiven Ort zu erfinden, der all die Räumlichkeiten und das Flair hat, das ich suche/ für die Geschichte brauche.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Sparks


Zitat von: Rewa am 12. Dezember 2019, 21:23:13
Jede Wette, dass das in jeder beliebigen Stadt klappt. Jede Stadt hat ihre Geschichte - und ganz viele Geschichten. Man muss sie nur finden.

Das sehe ich auch so. In jeder Stadt, ob klein oder groß, in der ich bisher gewohnt habe, liesse sich so etwas finden.

In einer alten Fabrikhalle in einer Kleinstadt, in der ich oft spät noch gearbeitet habe, bin ich einigen merkwürdigen pysikalischen
Phenomenen hinterhergelaufen, bis sie für mich klar waren. Nun ist der Schritt nicht so groß, einerseits über deren Aufdeckung und Eigenschaften zu schreiben, andererseits aber daraus Spukgeschichten zu bauen.

Meine Heimatstadt Duisburg hat eine wahnsinns lange Geschichte mit vielen Wendungen und Veränderungen. Von einer Kaiserpfalz und mittelalterliche Fehden über im Rhein versunkenen Dörfern und Schlössern bis zu Granatwerferduellen zwischen Gangs in den 20er Jahren. Die Industriegeschichte kommt dann noch mal extra dazu. Auch aktuell ist es dort sehr spannend.

Zitat von: Zitkalasa am 17. Dezember 2019, 21:36:02
Mir ist mein eigener Wohnort tatsächlich zu alltäglich als dass ich mir wirklich fantastische Geschichten vorstellen könnte. Habs versucht, aber der Funke will nicht überspringen. Dieses "Sense of Wonder" fehlt einfach völlig.

3. Clarkesche Gesetz: ,,Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden." Zur weiteren Stimulierung könntest Du das ja einmal herumdrehen.

Zitat von: Zitkalasa am 17. Dezember 2019, 21:36:02
Außerdem mach ich mir dann immer so einen Druck, alles super zu recherchieren und möglichst nah an der Realität zu halten. Da ist es schon einfacher, einen fiktiven Ort zu erfinden, der all die Räumlichkeiten und das Flair hat, das ich suche/ für die Geschichte brauche.

Ich vermute, der perfektionistische Druck ist das Hauptproblem dabei. Du wirst aber auf wenig Leute mit genug Detailwissen stossen, die merken können, wo etwas tatsächlich nicht passt. Mich irritierten damals in den 80ern in den Schimanski Tatorten immer die Szenen, wo sie durch eine Stasse fuhren, abbogen, und in einer anderen Strasse waren, und ich hatte genug Ortskenntniss um zu wissen, dass die Strassen in verschiedenen Stadtteilen lagen, und sich auch sonst nirgendwo kreuzten, so dass das nicht passen konnte. Aber ich war auch ein Einzelfall, und einem Kölner oder Hamburger fällt das garantiert nicht auf. Übrigens: Ich fand die Duisburg-Tatorte trozdem gut.
Also: Locker bleiben. Ich weiss, ist leichter gesagt als getan.


Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Roca Teithmore

Also eine der besten Fantasy Genres die ich mir Setting unsere Welt unter gekommen ist, ist Shadow Run. Es mixt zwar noch Cyberpunk mit rein aber ich bin immer wieder baff wieviele Sachen die Jungs damals vorhergesehen haben, was auch tatsächlich passiert ist.
Ich denke um so etwas glaubhaft zu machen muss man immer sehen wie groß der Scale der Geschichte ist. Sprich der oder die Orte, an denen eine Geschichte sich abspielt. Häufig haben Fantasy Settings einen sehr weiten Scale also Reise von A nach B eine Art Mc Guffin finden oder die typische Quest des Helden. Persönlich habe ich in letzter Zeit für mich immer mehr Settings entdeckt, die sich eher im kleinen Rahmen abspielen. Da hat man als Autor nämlich viel mehr Möglichkeiten ins Detail zu gehen mit verschiedenen Aspekten der Kultur und des Worldbuildings. Wenn man die Echte Welt mit einbezieht muss man immer darüber nachdenken, wie sich Magie oder was auch immer für ein Fantasy Element sich auf unsere Kultur ausgewirkt haben könnte (zumindest finde ich das es so sein sollte) Welchepolitischen Themen gibt es, was hat es für einen Einfluss auf die Wirtschaft und das Rechtsystem usw. usw. Je nach dem was man schreiben möchte.

FeeamPC

Bislang habe ich eine Urban Fantasy geschrieben, die in Münschen spielt, und eine, die in Berlin spielt. Beide fanden wenig Absatz (trotz guter Kritiken), Nicht einmal die Münschner Fantasy-lastigen Buchhandlungen, die ich direkt angeschrieben habe zu diesem Titel, bekundeten Interesse für Leseproben oder Werbematerial. Bei vielen Buchhandlungen ist halt nach wie vor die Vorgabe, dass entweder der Autor oder der Verlag bekannt sein muss, bevor man den Titel näheren Interesses für wert hält. Aber Spaß gemacht haben beide Bücher, insofern bin ich mit dem Ergebnis zufrieden.

Angela

ZitatIch vermute, der perfektionistische Druck ist das Hauptproblem dabei. Du wirst aber auf wenig Leute mit genug Detailwissen stossen, die merken können, wo etwas tatsächlich nicht passt. Mich irritierten damals in den 80ern in den Schimanski Tatorten immer die Szenen, wo sie durch eine Stasse fuhren, abbogen, und in einer anderen Strasse waren, und ich hatte genug Ortskenntniss um zu wissen, dass die Strassen in verschiedenen Stadtteilen lagen, und sich auch sonst nirgendwo kreuzten, so dass das nicht passen konnte.

Das ist wahnsinnig schwer, wenn man nicht ewig dort gewohnt hat. Deshalb würde ich unbedingt dazu schreiben, dass die Stadt verändert wurde und nicht exakt XYZ ist. Meine Freundin hat sich gerade einen neuen Juist Roman besorgt. Die Autorin hat sicher superpenibel recherchiert, aber für uns alte Juister stehen da Dinge, die eben anders sind, bzw heißen, das sind so Kleinigkeiten, da kommt man als Außenstehender nicht drauf.

Eine Story in den USA spielen zu lassen, ist noch eine  andere Sache. Da funktionieren Dinge nach anderen Regeln als bei uns. Für ein deutsches Publikum ist das sicher egal, die merken es vermutlich nicht mal, wenn da Sachen passieren, die dort eher nicht möglich/üblich sind, ob das in Ordnung für einen selbst ist, muss jeder für sich wissen.
Ich kann mir mittlerweile Urban Fantasy in D/Europa sogar sehr gut vorstellen, die USA hat viel von dem Reiz der Freiheit/der Möglichkeiten/des großen Unbekannten verloren, nun suchen wir uns andere Orte, in einer ungewissen Zeit auch durchaus vertrautere Orte, die uns interessieren.

Adiga

In der Kelinstadt in der ich lebe, gabs vor etlichen Jahren Cafes und Gasthäuser wo dann später was anderes drin war und auch umgekehrt. Also auf längere Zeit hat nichts Bestand Dinge ändern sich, und Jahrzehnte später wissen nur noch die älteren Leute davon wo mal irgendwas davor war, oder was es früher gab und nun überhaupt nicht mehr gibt.

Früher hatte ich auch Skrupel etwas an einen Ort anzusiedeln, was es dort nie geben würde. Aber in armerikanischen Filmen und Geschichten aus dem englsichen Sprachraum geschieht das schon immer. Alles ist Fiktion; außer die Geschichte spielt im Weißen Haus oder in der 10 Downing Street, dann stimmen aber meist die Namen nicht außer es soll explizit dokumentarisch sein.

Ich fände es berüßens Wert, wenn sich europäische Autoren für europäische Ort coole Geschichten einfallen ließen. Man muss eben bereit sein mit dem altmodischen Colorit des Heimischen zu spielen. Brüche und Verzerrungen einbauen die ja in Ansetzen sowieso gibt, wenn man Dinge überzeichnet könnte das fast normale durchaus für Urbanfantasy reichen. Wenn es um Verschrobenheit und Widersinniges geht, stehen die Regionen in Festland-Europa anderen Regionen um nichts nach.

Es ist nur die Mentalität im deutschsprachigen Raum die den kreativen Umgang damit im wege steht und dass es sonst nur die anderen machen. Handlungen im englischen Sprachraum anzusiedeln, ist bestefall ein Zeichen von Ideenlosigkeit und die Angst davor, was andere über unsere Fantasy-Kunst denken mögen.

Nikki

#86
Ich finde es witzig, wie Urban und Fantasy scheinbar im Widerspruch zueinander stehen. Da laufen Werwölfe, Vampire, weiß der Teufel, was noch alles durch die Stadt, aber wehe, das Café an der Ecke ist geographisch nicht perfekt verortet. ;D

Ich schreibe österreichische Urban Fantasy, fühle mich aber dennoch von der Fragestellung angesprochen. Es war ein jahrzehntelanger Prozess, damit ich mich dazu durchringen konnte, mich zu Wien als Schauplatz zu bekennen. Wieso? Diese ärgerlichen Minderwertigkeitskomplexe im Hinblick auf die hochgelobten Klassiker haben mich ordentlich verunsichert. Einerseits gibt es den fernen Osten, andererseits den chicken Westen (USA) und dazwischen noch ein paar Weltstädte wie London, Rom oder Paris als Handlungsort. Dann kommt Deutschland und erst dann kommt irgendwann Österreich, aber in erster Linie Alpen und Wiesenlandschaft oder aber der sudernde Wiener, der seine Stadt eher als Geburtsort des Wiener Grants/Schmähs sieht als moderner Handlungsort einer Fantasygeschichte. Mit nichts davon habe ich mich je identifiziert, bis ich schließlich für mich entscheiden habe: Ich schreibe mein Wien, wie ich es empfinde und erlebe. Dazu gehört auch, wenn meine Figuren mal eben Unterschlupf vor dem rauen Wetter suchen, dass ich mal hier und da ein Gebäude einfüge, dass es so nicht gibt, aber zum restlichen Wien passt.

Fun Fact: Details, die wahr sind, wie die sonntäglichen Öffungszeiten der Nationalbibliothek oder ein Umspannwerk mitten in der Stadt, werden mir eher beanstandet als ein Café, das es auf keinem Stadtplan gibt.  ;D

Wieso deutschsprachige Settings vermeintlich weniger attraktiv sind als "fremde" wie in den USA oder in Asien? Weil man sich an einer vermeintlichen Norm orientiert und diese als höchstes Gebot achtet und (oft genug unreflektiert) reproduziert und damit verfestigt. Letztes Jahr auf der Buch Wien wurde doch ernsthaft behauptet, eine deutsche/österreichische Stadt wäre nicht sexy genug, da muss [man füge eine beliebige Stadt mit englischen Namen ein] als Schauplatz her. Wisst ihr, was Geschichten sexy, spannend und phantastisch macht? Die Geschichte selbst. Wenn ich eine Geschichte schreibe, die Leser*innen verzaubert, dann ist es fast egal, wo diese spielt. Eine Norm ist auch nur menschengemacht. Wenn sich mehr Menschen daran orientieren würden, was sich für sie faszinierend gestaltet, dann hätten wir auch ein breiter gefächtertes Spektrum von dem, was faszinierend ist, anstatt immer nur zwischen LA und New York wählen zu müssen.

Pintana

Verstehe ich auch nicht, warum alle Urban Fantasy Geschichten immer in England oder den USA spielen müssen. Da bin ich auch ganz klar für "regional Fantasy". Meine Stories, die nicht in fiktiven Welten spielen verorte ich immer ganz um die Ecke. Auch, wenn ich den Namen der Städte meistens auslasse. Bietet sich auch an, bei uns in der Gegend soll Schneewittchen ursprünglich unterwegs gewesen sein. Die Brüder Grimm waren wohl auch aktiv und eine ausgeprägte Vergangenheit in der Hexenverfolgungskultur hat die nächste Kleinstadt anzubieten. Ein paar alte keltische Überbleibsel gibt's auch. Für ein gutes Fantasy Setting ist also praktisch alles da  ;D

Volker

Ich denke, das Setting sollte schon von sich aus interessant genug sein, und dann insbesondere einen direkten Bezug zum Ort des Geschehens haben.
Wenn es also um alte Kultstätten geht, die doch gar nicht so unbenutzt sind wie es scheint, dann bieten sich natürlich so Orte wie die Externsteine an. Ähnlich auch eher ländlich: Worpswede und das Teufelsmoor. Orte mit Höhlen. Oder vielleicht ist an der Kyffhäusersage och mehr 'dran. Das Erzgebirge und seine Berggeister und Winselmütter. Material gibt's genug. Bekannteres wie unbekannteres. Gut, bis hierhin eher weniger "urban", sondern eher "modern"  (~ Fantasy).

Oder man konzentriert sich bei "Urban Fantasy" auf "urban". Berlin, München, Hamburg. Ruhrpott. Metropol(region)en.
Oder Städte, von denen "man" weiß, für welche Moderne sie stehen. Frankfurts Bankenviertel (Zentrum & Niederrad), doer Hannovers Messegelände, die nachts menschenleer sind.
Wo kulturell Fantasy und Moderne, unheimliches oder heimeliges/(Über)Natürliches und kalte Industriatlität aufeinanderprallen. Da braucht es den Kontrast.

Azora

Ich würde das total gerne mal lesen, und auch schreiben! Mir geht es genau so wie euch, ich bin total genervt von GB und Amerika als Schauplätzen. Deswegen lese ich gerade auch total gerne Africanfuturism, z.B. von Nnedi Okorafor - einfach mal was anderes!

Ich habe für den "Schwäbischen Literaturpreis" eine KG eingereicht, die in einer dystopischen Zukunft in meiner schwäbisch dörflichen Heimat spielt. Findet das Kommittee bestimmt total irre und bescheuert, aber ich hatte so Lust, das zu schreiben! Und ich würde irre gerne mal ein Buch daraus machen, aus dem Setting... naja, meine Wunsch-Schreib-Liste ist schon lang.

Aber über Empfehlungen aus dem Genre würde ich mich auch SEHR freuen :)