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Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?

Begonnen von Sonnenblumenfee, 27. Februar 2011, 12:22:17

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Farean

@Fianna, @Valaé: Also, ohne jetzt ausführlich auf alles zum Thema "alles in einer Welt" eingehen zu wollen, ich habe nur aus reiner Neugier gefragt, nicht weil ich es für "besser" oder "schlechter" halte, für jedes Projekt eine neue Welt auszuarbeiten. ;)

Weltenbau gehört zu meinen großen Leidenschaften, und wir stimmen, glaube ich, alle in dem Anspruch überein, daß kein Land "nur um eines Plots willen" existieren darf. Auch bei mir muß jedes Land, das meine Helden bereisen, eine eigene Geschichte und Kultur haben; und auch wenn es zehnmal die "Antagonisten-Nation" ist, natürlich sehen sich bei Konflikten die Einwohner selbst immer im Recht.

Bei mir ist es nur so, daß ich mich auf Dauer gar nicht mit einer einzigen Welt zufriedengeben kann. Ich habe immer wieder mal unterschiedliche Flairs im Kopf, die gar nicht alle auf eine Welt passen... es sei denn in geographisch so weit auseinanderliegenden Regionen, daß man sie getrost als unterschiedliche Welten behandeln kann, z.B. wie das Karolingerreich und die Maya.

In solchen Fällen lege ich allerdings auch gar keinen Wert darauf, daß diese "Flairs" miteinander in Interaktion treten könnten. Wenn ich ein hochmittelalterliches Setting plane und für ein anderes Projekt eher ein "Conan-Style-Barbaren"-Setting, dann möchte ich diese beiden Settings unabhängig voneinander nutzen und mir nicht Gedanken darum machen, was passiert, wenn sie sich eines Tages doch mischen. Davon abgesehen habe ich einfach viel zu viel Spaß daran, mir neue Landkarten auszudenken, als daß ich damit zufrieden wäre, für den Rest meines Lebens immer wieder dieselbe Weltkarte zu benutzen. ;)

Wie gesagt: dies soll kein Plädoyer dafür sein, immer wieder eine neue Welt zu erfinden, sei "besser". Es kommt halt nur meinen Interessen stärker entgegen.

Fianna

#46
Oh, auch in einer Welt kann es so unterschiedliche Flairs geben  ;) SEHR unterschiedliche.  ;D

Aber ich verstehe was Du meinst. Ich habe kürzlich eine KG verschickt (*quiek!* Das ist so toll, ich will da rein  :o ), die einfach absolut nicht in meinen Kontinent passte. Aber das Magie-Konzept ist dasselbe.
Zack! wurde es auf dem Nachbarkontinent plaziert (in meinem Geiste, ich habe es in der KG nicht benannt).

Und meine üblichen "Ich täusche eine existierende Welt vor"-Hintergrund-Fakten dieser KG sind eigentlich so interessant - da könnte man eigene Plots mit machen, neue Länder erfinden.

Fremde Kontinente sind ohnehin mehrfach Thema in meinen Sachen gewesen (entweder unbekannterweise oder mit konkretem Handel). Also wird es irgendwann eine Erweiterung gebe  :) und wenn ich mich bei diesen Möglichkeiten ausgespielt habe, werden sicher mal eine komplett neue Welt erschaffen.

____

Im Prinzip behandelt mein jetziger Handlungs-Kontinent eine Welt NACH dem Zerfall eines Groß-Reiches und die "Ordnung", die sich dort gebildet hat. Es gibt einige starke Mächte, die jedoch nur in ihrem lokalen Bereich dominant sind, mit der Option auf verheerende Macht-Erweiterungen, die aber aus bestimmten Gründen (noch?) nicht stattfinden.
Viele verschiedene gewaltige/gewalttätige Kräfte, die gegeneinander streiten und sich so knapp im Gleichgewicht halten. Häufig schön getrennt voneinander durch Puffer-Länder (die armen).
Ein anderes Gebiete im Westen schöpft sein Potential nicht aus, weil sie innerlich zerstritten sind, so dass sie auf diese Weise das Gleichgewicht bewahren.


Wohingegen der "neue" Kontinent sein Groß-Reich behalten hat - und das ist auch reizvoll.

Farean

Zitat von: Fianna am 10. Juli 2012, 21:43:27
Oh, auch in einer Welt kann es so unterschiedliche Flairs geben  ;) SEHR unterschiedliche.  ;D
Sicher. ;) Aber sie sollten zusammenpassen. Um ein Beispiel zu nennen:

  • Ich habe keine Probleme damit, in ein und derselben Welt ein Heiliges Römisches Reich und ein Osmanisches Reich unterzubringen.
  • Ich habe jedoch arge Probleme damit, in ein und derselben Welt ein HRR unterzubringen, in dem die Bauern den Bauernkrieg gewonnen haben, und eines, in dem sie ihn verloren haben.
  • ... oder in ein und derselben Welt das HRR von Otto I. und das von Karl V.
Allgemein gesprochen: zwei völlig unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichem lokalem Flair finde ich ganz wunderbar. Aber zwei Kulturen, die unterschiedliche Alternativen derselben Ausgangskultur darstellen oder dieselbe Ausgangskultur in unterschiedlichen Zeitaltern repräsentieren, passen nicht zusammen.

K a t e

Ich gehöre auch zu der Gruppe, die gerne mehrere voneinander unabhängige Geschichten in einer Welt spielen lässt, weshalb ich nach einer Lösung gesucht habe, wie ich möglichst viele Geschichten, Völker etc. dort unterbringen kann. So ist dann meine große Weltkarte entstanden, auf der mehrere Inseln sind - zwei große Hauptinseln und mehrere kleinere Nebeninseln.

Spielt jetzt eine meiner Geschichten auf Insel A, baue ich die Insel um die Handlung herum auf. Ich überlege mir die Religion, die momentane Regierungsform und welche Völker auf Insel A leben sollen. Die Nebeninseln werden - wenn überhaupt - nur am Rande erwähnt und deshalb für diese Geschichte nicht weiter beachtet/aufgebaut.

Bei einer anderen Geschichte, die in dieser Welt spielt, könnte es dann sein, dass das Volk und die Ordnung völlig unterschiedlich zur ersten Geschichte ist, dann lasse ich besagte Geschichte auf Insel B spielen, baue diese Insel auf und ziehe einige Parallelen zu der ersten aufgebauten Insel.

Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen kompliziert, aber ich finde, es ist die einfachste Möglichkeit, mehrere Geschichten mit ganz unterschiedlichen Völkern in einer Welt unterzubringen. Und je nachdem, auf welcher Insel die Geschichte spielt, baue ich den Handlungsort auf, erfinde Flora und Fauna (wobei ich da eher etwas nachlässig bin) und Sitten und Bräuche der unterschiedlichen Völker.
So entsteht Stück für Stück eine komplexe Welt, die mit jeder Geschichte ein wenig weiter wächst.  :)

Fianna

Zitat von: K a t e am 12. Juli 2012, 13:05:06
Bei einer anderen Geschichte, die in dieser Welt spielt, könnte es dann sein, dass das Volk und die Ordnung völlig unterschiedlich zur ersten Geschichte ist, dann lasse ich besagte Geschichte auf Insel B spielen, baue diese Insel auf und ziehe einige Parallelen zu der ersten aufgebauten Insel.

Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen kompliziert, aber ich finde, es ist die einfachste Möglichkeit, mehrere Geschichten mit ganz unterschiedlichen Völkern in einer Welt unterzubringen.
Das steht genau im Gegensatz/Widerspruch zu meinem Grund, alles in einer Welt spielen zu lassen. Ich baue gerade den Gegensatz zwischen A & B in meine Handlung ein - was dann zu Konflikten führt. Im schlimmsten Fall liegt ein Krieg zwischen A & B in der Luft, der aber in diesem Plot nicht zum Tragen kommt.


Gibt es in Deiner Welt denn gemeinsame Magiekonzepte, Traditionen oder Ähnliches? Es klingt so, als würdest Du Verbindungen zwischen A & B hinein setzen "weil es schön ist und Hintergrund verleiht"...

Das wäre dann ein anderes "Alles in einer Welt" als bei Valaé und mir, wir haben strukturelle Gemeinsamkeiten, die sich nur durch ein Nebeneinander der Figuren/Länder und damit Plots in derselben Welt erklären lassen.

A-ya

An und für sich bin ich der Ansicht, das sich eine zu ausgeklügelte Welt negativ auf das Leseerlebnis auswirkt. Als Leser interessieren mich die Details die wichtig für die Story und einige Hintergründe sind, aber wenn ich dann noch alles über Nachbarländer, Flora und Fauna und was nicht alles erfahre, stört es mich schon wenn das rein gar nichts mit der Story zu tun hat.
Als Schreiberling allerdings, bin ich schon der Meinung, man sollte die Welt, die man erschafft so planen, dass man selbst mit den Hintergrundinfos vertraut ist. Man muss ja nicht alles dem Leser weitergeben. Ich denke nur wenn man eine große Welt plant und auch unter Umständen mehrere Geschichten in ihr ansiedeln will, ist es vorteilhaft, wenn man in Detail geht, sei es nun angefangen bei einer Karte, über Rassen, spezifische Namen bis hin zu eigenen Sprachen.
Wie gesagt - es muss ja nicht alles auch an den Leser weiter gegeben werden aber für den Autor ist es praktisch zu wissen wie die Welt funktionieren soll.

Josch

Hi, Leute!

Ich persönlich fing ja mit Kurzgeschichten an, die immer nur einen kleinen Handlungsabschnitt behandelten. Dazu entwarf ich natürlich nicht gleich eine riesige, komplexe Welt. Als sich aber allmählich, und nur zum Teil beabsichtigt, ein globales Muster, sprich, eine Historie für meine Welt abzeichnete, kam ich nicht darum herum mir zu überlegen, in welcher Beziehung die einzelnen Orte und Regionen zueinander stehen, wer dort herrscht, wie die Gesellschaft im einzelnen aufgebaut ist, wer wo welche Sprache spricht und welche Gottheit verehrt... Nach und nach entstand so ein riesenhafter Planet mit vielen Königreichen, bekannten sowie noch unentdeckten, nur gerüchtehalber bekannten Gebieten, ja selbst eine lebhafte Historie entstand, mit Kulturen die zum Handlungsbeginn längst ausgestorben waren, in Geschichten und Sagen jedoch weiterleben. So etwas brauchte ich natürlich wie gesagt erst als die Handlung begann sich zu verdichten und die einzelnen KG sich ineinander verstrickten.
Um nicht noch weiter abzuschweifen: Ich finde eine Welt kann, wie bei mir, zugleich on the go als auch im Vorraus entstehen, denn irgendwann kommt vielleicht der Wunsch oder die Notwendigkeit auf, den "Entwurf" einer Welt genauer auszuarbeiten.
Und, seinen wir ehrlich, es ist doch wie Tarantino sagt. Gangster, die an einem Tisch sitzen und gleich einen Diamantenumschlagplatz ausrauben wollen, unterhalten sich nicht über den Plot, denn sie müssen sich nichts erklären was sie schon wissen. Sie reden über "Like a Virgin" von Madonna. Und wer seine Welt nicht gut ausgearbeitet hat, der weiß auch nicht über was seine Protagonisten reden sollen, wenn nicht über die Handlung selbst.

K a t e

Zitat von: Fianna am 12. Juli 2012, 18:46:04
Gibt es in Deiner Welt denn gemeinsame Magiekonzepte, Traditionen oder Ähnliches? Es klingt so, als würdest Du Verbindungen zwischen A & B hinein setzen "weil es schön ist und Hintergrund verleiht"...

Mit den Parallelen ziehen meinte ich, dass es zwischen A & B z.B. geschichtliche Ereignisse gibt, Religionen und etc. Bei mir bekriegen sich die unterschiedlichen Inseln auch recht gerne, was oft wegen den unterschiedlichen Regierungsformen und Ansichten der Völker zusammen hängt. Die Verbindungen sind in diesen Fällen irgendwelche Ereignisse in der Vergangenheit, z.B. ein großer Krieg, der in mehreren kurzen Geschichten mal erwähnt wurde und ziemlich ausschlaggebend für den gegenwärtigen Zustand verschiedener Reiche ist.

Zwischen den Inseln A & B gibt es auch ähnliche Traditionen/Feste, was daran liegt, dass die Inseln nicht sooo weit auseinander liegen. Hmm, ne Karte wäre jetzt ganz hilfreich, die muss ich mal wieder ausbuddeln. :hmmm:


Mithras

Der Weltenbau-Bereich ist eindeutig unterbesetzt, wenn ein Thema, in dem vor über anderthalb Jahren der letzte Beitrag verfasst wurde, noch immer auf Seite 2 steht - Zeit, daran etwas zu ändern! :)

Für mich gehört eine detaillierte und glaubwürdig ausgearbeitete Welt unbedingt zum Leseerlebnis dazu. Es mag Romane geben, die durch eine innovative Handlung, komplexe Charaktere und einen wundervollen Schreibstil bestechen und mir sehr gut gefallen - doch solange ich das Gefühl habe, dass sich die Ausarbeitung der Welt nur auf das Nötigste konzentriert, wird mir immer etwas fehlen. Viele Leser sagen ja, ein Glossar mit einem Umfang von 150 Seiten sei unnötig oder gar stören, doch für mich war es das höchste der Gefühle, im Anhang zu Bakkers Thousandfold Thought (dt.: Der Tausendfältige Gedanke) darin einzutauchen und zu erkennen, wie intensiv sich der Autor damit befasst hat. :wolke:

Sicher: Man braucht keine Chronologie der letzten vier Jahrtausende niederzuschreiben. Man muss sich nicht einmal über einen so langen Zeitraum Gedanken machen - ein paar Jahrhunderte reichen völlig. Doch es kann auch nicht sein, dass eine Geschichte völlig entkoppelt von der Welt existiert, in der sie spielt. Ich habe den Anspruch, dem Leser zu suggerieren, dass er in eine Welt eintaucht, die genauso schillernd, vielfältig, komplex und reich an Geschichte(n) ist wie die Realität. Das ist natürlich nur Augenwischerei, da nicht der Realität auch nur im Entferntesten nahekommt, was ein einziger Mensch ersinnen kann, doch hier geht es mehr um das Gefühl, und dem lässt sich auf die Sprünge helfen. Je konkreter die Elemente der Welt - das Drumherum - ausgearbeitet sind, desto stärker wird dieses Gefühl. Wenn man versteht, woran Menschen glauben und aus welchen Gründen sie das tun, wenn historische Personen und Ereignisse greifbar werden, wenn man in jedem Detail Bezüge zu anderen Details und zum großen Ganzen erkennt. unterschiedliche Kulturen klar anhand ihrer Sprache, Kleidung, Architektur und Lebensweise identifizierbar werden und ganze Städte vor dem inneren Auge entstehen, dann hat das für mich etwas ungeheuer Faszinierendes. Fantasyromane werden häufig oft deshalb gelesen, weil sie es ermöglichen, in fremde Welten einzutauchen. Bei mir ist das nicht anders: Ich begebe mich auf eine Entdeckungsreise in eine unbekannte Welt, in der es völlig Neues wie auch Altbekanntes zu entdecken gibt.Und das weckt meine Neugier und meinen Forscherdrang, und dann blühe ich erst so richtig auf.

Natürlich muss dazu nicht gleich eine ganze Welt entworfen werden, und hätte ich damals nicht die Gezeitenwelt-Romane, die eben dies zum Hauptthema hatten, hätte ich mich vermutlich nie dazu durchgerungen, etwas Ähnliches zu versuchen. Ich hatte vor zehn Jahren schon einmal begonnen, eine "eigene" Welt zu entwerfen - ohne Menschen: Die Erde in einigen (ich weiß nicht mehr wie vielen) Millionen Jahren. Damals war das alles natürlich noch sehr laienhaft, doch exakt dieselben Grundgedanken von damals spielen noch heute eine Rolle. Als Biologe überlege ich mir naturgemäß sehr früh, welche Flora und Fauna in welchem Teil meiner existiert, ob sie dort überhaupt existieren kann und inwiefern Vermischungen möglich sind. Ich habe mich dafür entschieden, in dem für die Handlung relevanten Teil meiner Welt in etwa die gleiche Tier- und Pflanzenwelt wie in den Regionen anzusiedeln, die mich kulturell beeinflusst haben. Dann drängt sich mir aber die Frage auf: Und was ist mit Arten, deren Verschwinden mit dem Menschen in Verbindung gebracht wird? Darunter sind so faszinierende Geschöpfe wie Riesenalke, europäische Waldelefanten oder Säbelzahnkatzen, wenn man es auf den eurasischen Raum beschränkt. Und das tue ich nicht: Sobald ich einmal damit angefangen habe, müssen alle faszinierenden Tierarten, die bis zum Auftreten des Menschen noch existiert haben, irgendwo in dieser Welt ihren Platz finden. Und dazu braucht es mehrere Kontinente, denn eurasische und australische Fauna können auf Dauer kaum nebendeinander existieren. Damit fing letztlich alles an - wobei ich viele Kontinente ganz oder großteils unbewohnt lasse, damit die Megafauna weiterhin ohne Einfluss des Menschen existieren kann.

Zusammenfassend kann ich sagen: Eine perfekt ausgearbeitete Welt ist nicht nötig, aber damit mir das Buch wirklich gefällt, braucht es ein Minimum an Informationen Rund um Geschichte und Kultur, und meine Schmerzgrenze, ab wann sich ein Fehlen eines entsprechenden Hintergrundes negativ auf das Leseerlebnis auswirkt, liegt wahrscheinlich tiefer als bei vielen anderen. Gerade bei mehrteiligen Geschichten sollten die Entwicklung von Handlung und Hintergrund Hand in Hand gehen, da sich letztlich alles gegenseitig beeinflusst und die Handlung letztlich auch nur Teil eines großen Gesamtkonzeptes ist und ohne Hintergrund nicht funktionieren kann. Von daher kann eine Welt für mich nicht ausgeklügelt genug sein, da auch die Handlung nur davon profitieren kann. Man darf nur nicht zulassen, dass diese Welt/der Hintergrund allgemein der Handlung und den Charakteren die Show stiehlt, denn für ein gelungenes Leseerlebnis benötige ich schließlich alle Zutaten - in der richtigen Dosierung.

Exilfranke

Zitat von: Sonnenblumenfee am 27. Februar 2011, 12:22:17
Wenn ich mir hier so die ganzen Beiträge durchlese, kommt es mir so vor, als würdet ihr eure Welten nicht nur bis ins Detail planen, sondern bis zu jedem Staubkorn. Als würdet ihr (verglichen mit unserer Erde) alles über Australien, die dor lebenden Völker und deren Geschichte wissen, obwohl eure eigentliche Story ausschließlich in Europa spielt. Und um es vorweg zu schicken: das finde ich ziemlich bewundernswert  :jau:

Meine Frage ist jetzt allerdings: Muss das sein?
Das es von Vorteil ist, wenn man seine Welt gut kennt, ist unbestritten. Aber wie viel muss ich tatsächlich wissen? Reicht es, wenn ich mir meine Welt "on the go" bastle?
Stört es euch beim Lesen, wenn ihr keine so ausgeklügelte Welt vor euch habt, wenn der rest der Geschichte (Handlung, Charaktere...) absolut stimmig ist?

LG Sonnenblumenfee

Hallo Sonnenblumenfee,

also, ich bin der Meinung, dass ein zu komplexes Worldbuilding 1. viele Ressourcen verbraucht und 2. beim Schreiben limitiert. Sicher, Weltenbau macht Spaß, aber am Ende soll ja eine spannende Geschichte stehen. Ich halte es da also ähnlich wie du.

Bevor ich angefangen habe, meinen Protagonisten auf die Welt loszulassen, habe ich mir nur einige grundlegende Gedanken gemacht: Wie sieht die Welt aus? Wie viele Reiche gibt es? Welche dominieren? Wie sind die geschichtlichen und kulturellen Hintergründe? Welche Klimazonen gibt es und welchen Einfluss haben diese auf die Landkarte? Dann habe ich Landesgrenzen, Gebirge, Flüsse und Hauptstädte festgelegt und meinen Charakter mitten hineingeworfen. Details entwickeln sich dann bei mir während des Schreibens. Bei Spielen heißt es learning-by-doing, ich erkunde meine Welt eben ein wenig durch die Augen des Protagonisten. Das hat den Vorteil, dass man freier in Gestaltung und Plot ist.

Sternsaphir

Beim Weltenbau kommt es immer darauf an, wieviel für die Geschichte wichtig ist und wieviel überladen wirkt.
Ich habe mich früher in seitenweise Landschaftsbeschreibungen verloren. Das kann auf Dauer den Leser langweilen. Also versuche ich es jetzt kürzer zu fassen. Ich beschreibe nicht jeden Hügel und jeden Stein.
Auffälligkeiten und Wegmarker werden natürlich bedacht und wenn die Handlung an eine Location gebunden ist, dann muss diese auch ausführlicher beschrieben werden (z.B. die Schlacht im Wald an einer Schlucht).
Der Leser kann und will sich ja auch in seiner Phantasie selbst etwas vorstellen können.

Man sollte schon vor dem Schreiben ungefähr wissen, wie die Welt aussieht, welche politische Situation vorherrscht und wie auch die Stimmung zu den Nachbarn ist. Dann kann man das nach und nach in die Geschichte einfließen lassen. Details können ja dann während des Schreibens eingefügt werden. Aber es muss stimmig bleiben. Also z.B. sollte der König, der einen Sohn hat, nicht plötzlich auf Seite 146 auch noch eine Tochter haben, wenn er sie nicht gerade vor der Öffentlichkeit geheim halten will.
Eine bergige Landschaft sollte nicht plötzlich viele Seen haben.
Es ist so ein bißchen wie beim Malen: Erst macht man grobe Umrisse und geht dann immer weiter ins Detail.

Exilfranke

#56
Zitat von: Sternsaphir am 24. März 2014, 14:01:25
Beim Weltenbau kommt es immer darauf an, wieviel für die Geschichte wichtig ist und wieviel überladen wirkt.
Ich habe mich früher in seitenweise Landschaftsbeschreibungen verloren. Das kann auf Dauer den Leser langweilen. Also versuche ich es jetzt kürzer zu fassen. Ich beschreibe nicht jeden Hügel und jeden Stein.
Auffälligkeiten und Wegmarker werden natürlich bedacht und wenn die Handlung an eine Location gebunden ist, dann muss diese auch ausführlicher beschrieben werden (z.B. die Schlacht im Wald an einer Schlucht).
Der Leser kann und will sich ja auch in seiner Phantasie selbst etwas vorstellen können.

Den Fehler habe ich zu Beginn auch häufig gemacht. Irgendwann bin ich dahintergekommen, dass meist eine knappe, kraftvolle Beschreibung mehr bewirkt als seitenlanges Schildern. Man darf seine Leser auch nicht unterschätzen. Klar, als Autor möchte man immer das Bild, welches man im Kopf hat, möglichst genau rüberbringen. Aber die Herangehensweise, die du beschrieben hast, ähnelt ja mehr einem "Bühenaufbau" als wirklichem Storytelling. Meist kann man im Laufe eines Absastzes den Schauplatz peu a peu enthüllen und muss nicht gleich zu Anfang alles im Detail ausbreiten.

ZitatMan sollte schon vor dem Schreiben ungefähr wissen, wie die Welt aussieht, welche politische Situation vorherrscht und wie auch die Stimmung zu den Nachbarn ist. Dann kann man das nach und nach in die Geschichte einfließen lassen. Details können ja dann während des Schreibens eingefügt werden. Aber es muss stimmig bleiben. Also z.B. sollte der König, der einen Sohn hat, nicht plötzlich auf Seite 146 auch noch eine Tochter haben, wenn er sie nicht gerade vor der Öffentlichkeit geheim halten will.
Eine bergige Landschaft sollte nicht plötzlich viele Seen haben.
Es ist so ein bißchen wie beim Malen: Erst macht man grobe Umrisse und geht dann immer weiter ins Detail.

Exakt. Und: Die Welt muss der Story dienen, nicht umgekehrt.

Sternsaphir

#57
Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 14:51:40
Aber die Herangehensweise, die du beschrieben hast, ähnelt ja mehr einem "Bühenaufbau" als wirklichem Storytelling. Meist kann man im Laufe eines Absastzes den Schauplatz peu a peu enthüllen und muss nicht gleich zu Anfang alles im Detail ausbreiten.
Ok, das war wohl falsch formuliert. Der gesamte Weltenaufbau befindet sich in meinem Kopf und ich zeige dem Leser erst Schritt für Schritt, was es zu entdecken gibt. Der Leser bekommt genau soviel Info, wie es gerade für die Szene wichtig ist. Der Rest folgt dann, wenn er sich weiter in der Welt bewegt. Wenn er z.B. die eine Schlucht betritt, sieht er nur soviel, was der Prota sieht, mehr nicht.
Alles von vorneherein dem Leser zu präsentieren fände ich langweilig. Es gibt einen groben Umriss und die Details folgen während der Geschichte.


Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 14:51:40
Exakt. Und: Die Welt muss der Story dienen, nicht umgekehrt.

Manchmal hab ich aber auch eine Welt vor Augen und überlege dann, welche Art von Geschichte könnte dazu passen.  ;D

FeeamPC

#58
Kleiner Einspruch! In den Bergen findet man oft deutlich mehr Seen als im Flachland. Sie sind meist bloß kleiner. Außerdem hängt natürlich viel vom Untergrund ab. Bei uns z.B. ist Sandboden. Seen? Nur in künstlichen Baggerlöchern oder in den Mooren. Überall sonst schluckt der Sand das Wasser weg.

Nandriel

Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 13:45:57
[...] ich erkunde meine Welt eben ein wenig durch die Augen des Protagonisten. [...]

Ich denke, das ist auch generell die Art von Exploration, die ich persönlich meistens (aber nicht immer!) bevorzuge.
Es ist eher schwer, in dieser Hinsicht generelle Aussagen zu treffen, da ein Großteil meiner Sympathie oder auch Antipathie für eine Welt und deren Darstellung davon abhängt, wie und zu welchem Zeitpunkt ich darüber etwas erfahre. Ich meine, dass ich, je weiter die Welt von meiner Realität entfernt ist, stärker detailreiche Schilderungen bevorzuge und nur in dem Fall, dass der Protagonist dort ebenfalls fremd ist, ein gemeinsames Entdecken mag. Wobei ich jedoch generell ärgerlich werde, wenn bei solchen Welten dann zu viel Detektivarbeit notwendig wird, denn das wirkt dann schnell gekünstelt.
Anders ausgedrückt: Ich liebe es, wenn in fremden Welten große Räume aufgetan und ich an die Grenzen meiner Vorstellungskraft (und darüber hinaus) gebracht werde. Wenn aber die Welt anders funktioniert als ich das aus meinem "Weltwissen" heraus verstehen und nachvollziehen kann, dann muss ich darüber aufgeklärt werden, da ich sonst unweigerlich falsche Annahmen treffe bzw. Rückschlüsse ziehe, die mich, sofern sie nicht bewusst provoziert und geschickt umgesetzt sind, völlig aus der Story reißen.

Hm... wurde jetzt klar, was ich damit sagen will?  :hmmm:

Beispiel:
Ist es in einer Welt völlig normal, dass es zwei Monde, blaue Bäume, Sklaverei, Monate mit 50 Tagen und wasweißichnochalles gibt, dann brauch ich das nicht mit dem Prota entdecken, für den das ja wahrscheinlich alles völlig normal ist (es sei denn, er ist dort genauso fremd wie ich auch). Ich möchte es kurz erwähnt haben, damit ich mich darauf einstellen kann und mich nicht wundern muss, dass das jetzt (schlimmsten falls völlig unerwartet, weil zuvor nirgends erwähnt) so ist.
Muss ich also mein Bild, das ich mir einmal gemacht habe, 50 Seiten später revidieren, weil hier neue Infos reinkommen, die ich gern zu Beginn gehabt hätte, dann stört mich das enorm. Da bin ich dann glücklich über Sternsaphirs ausschweifende Landschaftsbeschreibungen im tolkienschen Stil - hab ich einmal ein Bild im Kopf, fügt sich die Story vor diesem Hintergrund wunderbar ein.


Zitat von: Sternsaphir am 24. März 2014, 15:10:14
[...] Der gesamte Weltenaufbau befindet sich in meinem Kopf und ich zeige dem Leser erst Schritt für Schritt, was es zu entdecken gibt. Der Leser bekommt genau soviel Info, wie es gerade für die Szene wichtig ist. Der Rest folgt dann, wenn er sich weiter in der Welt bewegt. Wenn er z.B. die eine Schlucht betritt, sieht er nur soviel, was der Prota sieht, mehr nicht. [...]

Ah, genau. Sag mir, was ich wissen muss, möglichst am Anfang, sofern es nicht unbedingt Plotrelevant ist - ich glaube, so könnte man es ggf. ausdrücken. Evtl. fällt mir aber nachher auch noch ein Beispiel ein, in dem ich diese These völlig über den Haufen werfe. Mal sehen  ;D