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Ich will Schriftsteller sein! Jetzt!

Begonnen von Alaun, 24. Juni 2010, 16:11:07

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Zit

Ich hatte nicht vor, jemanden auf den Schlips zu treten und glaube, ihr habt das in den falschen Hals bekommen. Ich habe nie gesagt, dass Unterhaltungsliteratur doof ist. (Noch dass ich überhaupt zwischen U und E unterscheide.) Ich sagte nur, dass ich keine Wegwerfliteratur schreiben will, und dazu stehe ich weiterhin. Es gibt so viele lieferbare Bücher, aber immer wieder greife ich daneben und gehe am Ende als Leser mit nur einem mittelmäßigem Gefühl heraus und frage mich schon, wozu das jetzt gut war. Liegt sicherlich daran, dass ich Bücher anders bewerte nachdem ich selbst schreibe, aber das kennt ihr sicher selber, das ist nichts Besonderes. Ich weiß nicht, ob es an den Ideen liegt oder daran, dass mir manche Schemata bis zum Erbrechen aus dem Hals hängen, oder dass sich Stile so sehr gleichen, dass man gar nicht sagen kann, welcher Autor das nun war. Es ist auch schon lange her, dass mir eine Geschichte tagelang nach dem Beenden noch im Kopf herum ging oder dass ich unbedingt lesen musste, auch wenn das hieß, dass ich die ganze Nacht gelesen habe. Die (originale) Per-Anhalter-Reihe waren die letzten Bücher über einen längeren Zeitraum, die mich tiefergehend beeindruckt haben. Auch beim Lavendelzimmer konnte ich gut nachfühlen, warum es so geliebt wird und hatte selbst so meine selbstvergessenen Momente beim Lesen und nachdem ich Frau George auch gesehen habe und ihr lauschen durfte (vor allem, warum sie das Buch geschrieben hat), fällt das Lavendelzimmer ebenso aus dem Rahmen mittelmäßiger Bücher. Ihr neuestes Buch habe ich noch ungelesen hier, der Test steht also noch aus, ob Frau George mich auch generell bei der Stange halten kann. ;D (Ich mein, kann ihr egal sein, aber so ein neuer Lieblingsautor für mich wäre nicht schlecht.)
Nicht nur gute Bücher sondern Bücher mit einem Ticken Besonderem, das suche ich als Leser und das würde ich natürlich auch gerne schreiben. Wenn ich danach krähe, sollte ich es am Besten auch selbst liefern können. ;D Neben meinem Schreibtisch hängt auch ein Kafka-Zitat: "Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selber schreiben." (Finde ich etwas besser als das Axt-Zitat, das aus demselben Brief ist.) Daran halte ich mich auch und schreibe eben so wie es mir gefällt. Dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, ist nur nicht ganz so einfach.

ZitatLaut dem Buch, das ich gerade höre, ist das wahrscheinlicher, je mehr man schreibt (und veröffentlicht).

;D Das ist sicherlich die Wurzel von allem: Handeln. Punkt. Momentan kämpfe ich immer noch um Plots. Ich finde es erstaunlich wie einige sich Geschichten an einem Tag aus den Fingern saugen können (sieht für mich zumindest so aus und ist jetzt auch nicht negativ bewertet), ich muss mir das in Kleinstarbeit erarbeiten. Womit wir dann wieder beim Thema Sitzfleisch sind. Also dreht sich alles im Kreis. Wie gesagt, normalerweise ignorier ich das alles weg und mach einfach mein Ding. Lamentieren bringt ja doch nichts. Da sieht am Ende nur so aus als wäre ich tod-depressiv, und das war eins der Dinge, die ich mir vorgenommen hatte, zu ändern. (Also das, was ich nach Außen kommuniziere. Mit meinen Dämonen kann ich selbst ganz gut leben.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

HauntingWitch

Zuerst einmal schliesse ich mich Aurora an.

Und @Zitkalasa, nimm mir das jetzt bitte nicht übel, aber ich denke, du blockierst dich selbst. Du möchtest etwas möglichst Tiefgründiges, Wertvolles schreiben. Für mich klingt dein Post, als würdest du deine Ideen nicht aufschreiben, weil du nicht weisst, ob das alles darauf zutrifft und so entsteht einfach gar nichts daraus. Vielleicht sind deine vermeintlich einfachen Ideen für jemand anderen total genial, aber du hältst sie für zu einfach und wirst das nie erfahren? ;) Von Fehlern lernt man erst, nachdem man sie gemacht hat (finde ich).

Ich merke bei mir selber zum Beispiel immer, dass genau solche Gedanken dazu führen, dass ich Projekte an die Wand fahre, weil ich einfach unbedingt möchte, dass sie Gewicht und Tiefe haben und dadurch das Gefühl bekomme, das wäre nicht so. Dann lese ich all die tiefgründigen Sachen meiner Vorbilder und denke, so etwas kann ich wahrscheinlich nie. Aber ich frage mich, ob ein King (oder hier beliebige andere Namen einfügen) sich überlegt, ob auch alles tiefgründig genug ist, wenn er etwas schreibt. Vermutlich eher nicht. Ich glaube, die wenigsten Autoren setzten sich hin und sagen sich: "Ich schreibe jetzt etwas gesellschaftlich Wichtiges." Sondern sie beobachten Dinge, die sie beschäftigen und daraus entstehen ihre Geschichten. Das Anliegen, diese Dinge zu verarbeiten, führt zur Geschichte. Manchen Menschen reicht es eben, zu verarbeiten, wie wichtig es ist, als Frau den Mann fürs Leben zu finden (no pun intended ;)) und anderen sind andere Dinge wichtig, wie z.B. politische oder gesellschaftliche Probleme.

Alana

#317
Also das Erste, was ich damals dachte, als ich ernsthaft angefangen habe zu schreiben war: wow, man sitzt ja wirklich da und bastelt eine tiefere Bedeutung mit Absicht zwischen die Zeilen. Die Lehrer hatten vielleicht doch recht. ;D Ich kann nicht für die großen Vorbilder sprechen, aber ich überlege mir bei jedem Buch sehr genau, was ich damit sagen will oder besser, welches Thema ich bearbeiten möchte, denn belehren will man ja nicht, sondern ergründen. Ob das dann immer klappt, ist die andere Frage. Wahrscheinlich nicht. ;D Bei meinem aktuellen Fantasyroman denke ich gerade sehr viel darüber nach, ob da wirklich drinsteckt, was ich wollte oder ob ich das noch besser herausarbeiten muss. Natürlich so, dass man es gerne liest und es mehr so unterbewusst mitbekommt. No pressure. ;D Dass in einer Woche Deadline ist, beflügelt mich dabei eher. Sonst würde ich viel zu lange sinnieren und grübeln. Ich brauche den Druck. Aber da ist auch jeder anders.
Alhambrana

HauntingWitch

@Alana: Ich  glaube, wir meinen das Gleiche. Natürlich macht man sich Gedanken und verfolgt eine Absicht bzw. möchte etwas Bestimmtes sagen. Aber nicht, weil man unbedingt etwas Wichtiges sagen möchte, sondern weil man das Thema für wichtig hält.

Trippelschritt

#319
Zitat von: Zitkalasa am 17. Mai 2016, 19:54:14
:wolke:

Schlimm? Hm. Ich möchte keine Wegwerfliteratur schreiben, keinen Bestseller, der jetzt gehyped wird, aber in zehn Jahren schon wieder vergessen ist. Es muss auch kein Bestseller sein, aber eben etwas Dauerhaftes, das auch noch in zwei, drei Dekaden seine Botschaft nicht einbüßt und nicht unter tausendfachen Me-Toos untergeht. Wenn es sich wie Harry Potter halten würde, wäre das sehr schön. Auf so inhaltsleere Sachen wie Feuchtgebiete kann ich aber verzichten.

Au weia, Zitklasa, ich befürchte, Du bist auf einem völligen Nebenweg gelandet, der dich, wenn Du ihn nicht verlässt, auch nicht zum Ziel führen wird. Dein Ziel sollte einfach sein, etwas zu schreiben, von dem, wenn du es geschrieben hast, sagen kannst: Das taugt was! Und dabei ist völlig egal, was daran etwas taugt. Ob Idee, ob Umsetzung oder ob es die Souveränität eines Handwerkaspekts (z.B. Beschreibungen  der Dialog oder Stimmung oder ...) ist. Wie der Markt auf Dein Geschreibsel reagiert, ist doch absolut irrelevant, weil Du ja eh nichts auf dem Markt hast. Und es hilft auch nicht darüber zu jammern, dass man nur das eine und nicht das  andere kann. Wenn Du Schreiben kannst, dann kannst Du alles schreiben. Wenngleuch auch nicht alles gleich gut. Beispiel:
Der Unterschied zwischen einer guten Szene in einem Roman und einer kurzen Kurzgeschichte (< 10 000 Zeichen) ist gar nicht so groß. Eine Sene hat eine ganz bestimmte Funktion im Roman und muss diesbezüglich auf den Punkt geschrieben werden. Also auf das Ende der Szene hin. Egal ob Pointe, Knalleffekt, Cliffhänger oder offenes Ende, alles ist möglich.
Und wenn Du keine Ideen für Kurzgeschichten hast, dann nimm doch Deine Ideen für Szenen. Und wenn auch das keine Gnade vor Deinen Augen findet, dann kauf mal ein halbes Dutzend Anthalogien und lies die Geschichten und versuch herauszufinden, warum die Juroren wohl diese Geschichten ausgewählt haben. Die meisten Anthalogien bedienen den Markt der kurzen Kurzgeschichten, der Romanszenen am ähnlichsten ist.

Im Augenblick habe ich das Gefühl, du bist kurz davor, an Deinem eigenen Anspruch zu ersticken. Setz dich doch besser einfach hin und schreib, denn ohne das lernst du es nicht. Und wenn du nichts findest, über das zu schreiben sich für dich lohnt, dann musst du eben erst lernen, wie man so etwas findet, worüber man schreiben kann. Es gibt zwei Arten von Dingen, über die man schreiben kann und die auch veröffentlicht werden. Sensationelle Ideen, die mindestens akzeptabel umgesetzt worden sind, und unauffällige Kleinigkeiten, die eine besonderes Auge des Autors verraten und sehr fein geschrieben wurden. Schreib doch über jemanden, der Minigolf spielt. Er/Sie spielt einfach nur eine Runde Minigolf oder auch nur ein Hindernis. Wie? Darüber kann man nichts schreiben. Aber sicher kann man das.

Liebe Grüße
trippelschritt

Maja

Ich muss mal eine Lanze für Zit brechen, weil ich ihre Position komplett nachvollziehen kann - besser sogar, als mir lieb ist. Ich denke, das ist ein Problem, das man unheimlich leicht bekommt, wenn man gleichzeitig Autor ist und Buchhändler. Man sieht in dem Beruf, wie unglaublich kurzlebig Literatur ist. Wenn die Herbstnovis reinkommen, werden die unverkauften Frühjahrsnovis remittiert. Taschenbücher gehen schon nach drei Monaten zurück - und wenn die remittiert werden, macht der Verlag, ohne auch nur einen Blick auf den Zustand des Buches zu werfen, einen Stempel drauf, Mängelexemplar, und ab geht es in die Wühlkisten. Das ist nicht Wegwerfliteratur im Sinne von "Ab in den Schredder", aber es kommt nahe dran. Man hat - und das ist der Grund, warum ich mich in dem Job zunehmend ungewohl gefühlt habe - nicht das Gefühl, es mit bleibenden Werten zu tun zu haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Will ich etwas machen, das sich mit solches Maßstäben messen muss und kaum jemals eine Chance bekommt; ein Buch, das unter dem Leistungsdruck steht, sich entweder sofort zu verkaufen oder heimgeschickt zu werden? Bei der Vorstellung schüttelt es mich. Das ist der Grund (nicht der einzige, aber letztlich der Wichtigste), warum ich immer zu Klett-Cotta wollte: Weil die ihre Bücher nie vergriffen melden (das galt vielleicht 1999, als ich mich da das erste Mal beworben habe, noch so, heute gibt es da kaum noch einen Unterschied zu anderen Verlagen). Und wenn ein Buch über Jahrzehnte lieferbar ist, sich zu einem Geheimtip entwickelt, dann ist das für mich doch viel, viel angenehmer, als ein Hype, der sofort verglüht, oder noch schlimmer, ein Flop, der sofort wieder vom Markt verschwindet.

Heute, mit einer schlechtlaufenden Publikation im Rücken, sehe ich letzteres entsprechend anders: Ich hatte immer gedacht, es gibt für Autoren keinen herzbrechenderen Augenblick, als wenn ein Buch vergriffen gemeldet wird - aber ebensogut kann es sein, dass der Autor sich freut, dass das Trauerspiel ein Ende hat. Den Ärger, und das Herzgebreche, hatte man in dem Fall schon viel früher: Wenn der Titel nicht durchgestartet ist, wenn es sich noch nicht mal im ersten Vierteljahr verkauft hat, wenn die Abrechnungen im Gegenwert eines Cheeseburgers ins Haus flattern. Eine Vergriffenmeldung ist dann eine Erlösung.

Aber was mich angeht, betrachte ich meine Literatur als wertvoll, literarisch hoch, kostbar. Und das ist der relevante Punkt: dass ich es selbst so sehe. Ich kann inzwischen ganz gut trennen, auch zwischen meiner eigenen Ansicht und dem, was die Marketingabteilungen in Verlagen sagen. Ich habe kein Problem, wenn mein Buch in der Unterhaltungssparte als Mysteryroman präsentiert wird, einem Genre mit extrem schlechtem Ruf, insbesondere was das Literarische angeht - ich weiß, was drinsteckt, und freue mich, wenn ein Leser hinterher überrascht wird, wie viel Tiefgang ich habe oder wie literarisch mein Stil ist oder überhaupt, wie unerwartet großartig ich bin. Das heißt nicht, dass ich die Ehre verachte, die mit der Veröffentlichung in einem renommierten literarischen Verlag einher geht (Hell no!). Aber wichtig ist nicht, welches Pickerl draufgepappt wird, sondern was drin ist.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Elona

Ich hoffe ich gerade jetzt nicht ganz auf OT Abwegen:

Ich denke Witch spricht da einen ganz entscheidenden Punkt an: Wie der Autor selbst zu seinem Werk steht. 
Ein außergewöhnliches Werk spiegelt in meinen Augen nicht nur wieder, in wie fern sich der Autor mit einem Thema auseinandersetzt hat, sondern auch, mit wie viel Herzblut er bei der Sache ist.

@Zitkalasa Und nebenbei bemerkt, finde ich wirklich großartig, was du aus dem ,,Sarah ..." Plot rausgeholt hast. Das hätte ich nicht hin bekommen, auch wenn ich vermutlich unter deine Kategorie ,,Geschichten an einem Tag aus den Fingern saugen" zähle.
Jeder hat seine Stärken und Schwächen, über die man sich bewusst sein sollte.

Zitat von: ZitkalasaLiegt sicherlich daran, dass ich Bücher anders bewerte nachdem ich selbst schreibe, aber das kennt ihr sicher selber, das ist nichts Besonderes.
Ja das Problem kenne ich und bin ihm auch schon beim Betalesen für andere begegnet. Für mich habe ich das Fazit daraus gezogen, dass man sehr schnell mit theoretischem, handwerklichem Wissen die Fähigkeiten verlieren kann, sich auf Werke einzulassen. Seit ich damit wieder aufgehört habe, empfinde ich beim Lesen auch wieder Freude.

Zitat von: ZitkalasaIch weiß nicht, ob es an den Ideen liegt oder daran, dass mir manche Schemata bis zum Erbrechen aus dem Hals hängen, oder dass sich Stile so sehr gleichen, dass man gar nicht sagen kann, welcher Autor das nun war.
Das hat vermutlich dann auch etwas mit Einfriedung zu tun. Egal ob von Betalesern oder Verlagsseite.

Ich finde wichtig, dass man seine eigenen Ansprüche an sich selbst erfüllt und sich dabei nicht verbiegen lässt, auch wenn es einem von allen Seiten geraten wird. Das birgt das Risiko, dass man damit scheitert, aber zumindest war man authentisch.
Zumindest ist das nun der Weg, für den ich mich entschieden habe. Mein Stil ist wohl gewöhnungsbedürftig, sagte mir kürzlich jemand.  ::)

"Ehebrecherin spielt Minigolf mit Gott" finde ich übrigens auch gelungen.

Das man die Dinge natürlich anders bewertet, wenn man Buchhändlerin ist, kann ich aber durchaus nachvollziehen.

Alana

#322
ZitatAber was mich angeht, betrachte ich meine Literatur als wertvoll, literarisch hoch, kostbar. Und das ist der relevante Punkt: dass ich es selbst so sehe.

Ich glaube, genau das ist der Knackpunkt und das, wo Zit ohne böse Absicht ein bisschen ins Wespennest gestochen hat. Wir haben im Regelfall keinen Einfluss darauf, wie unsere Bücher sich verkaufen werden. Das Einzige, was wir in der Hand haben, ist, wie wir uns sehen und welche Qualität unsere Bücher haben. Wir könnten das großartigste Werk erschaffen, das es je gegeben hat, und trotzdem könnte es als Wegwerfbuch enden, weil es in der Flut der Bücher niemand bemerkt. Und die Assoziation, dass Bücher, die schlecht laufen, nicht gut sind, steckt da halt auch ein bisschen drin und das stimmt einfach nicht und tut weh. Auch wenn ich weiß, dass Zit es nicht so gemeint hat! :knuddel:

Ich denke, (maße ich mir jetzt mal an :) ) Zit wollte sagen, dass sie gerne etwas erschaffen möchte, was wenigstens die Chance hat, zu bleiben. Und klar, das will ich auch. Darum bemühe ich mich jeden Tag. Ich denke, irgendwie wünschen sich das doch die meisten von uns. :)
Alhambrana

HauntingWitch

#323
Zitat von: Maja am 18. Mai 2016, 13:48:31
Ich muss mal eine Lanze für Zit brechen, weil ich ihre Position komplett nachvollziehen kann - besser sogar, als mir lieb ist. Ich denke, das ist ein Problem, das man unheimlich leicht bekommt, wenn man gleichzeitig Autor ist und Buchhändler. Man sieht in dem Beruf, wie unglaublich kurzlebig Literatur ist. Wenn die Herbstnovis reinkommen, werden die unverkauften Frühjahrsnovis remittiert. Taschenbücher gehen schon nach drei Monaten zurück - und wenn die remittiert werden, macht der Verlag, ohne auch nur einen Blick auf den Zustand des Buches zu werfen, einen Stempel drauf, Mängelexemplar, und ab geht es in die Wühlkisten. Das ist nicht Wegwerfliteratur im Sinne von "Ab in den Schredder", aber es kommt nahe dran.

Ich denke, das ist ein grosses Ego-Problem von uns allen. Es fühlt sich ja auch so an: "Das verkauft sich nicht, das ist nichts wert" ist eine sehr tief verankerte Denkweise in unserer Gesellschaft und so empfindet man es auch, wenn es dem eigenen Buch - oder einem Buch, das man gut findet - so geht. Ich weiss noch, wie ich einmal beleidigt von so einer Wühlkiste weggelaufen bin, weil ein Buch meines Lieblingsautors darin war. Alles andere als Schrott! (Sagen auch die Kritiker). Aber vermutlich hat sich einfach nicht die ganze Auflage verkauft oder so etwas.

Übrigens habe ich in einer solchen Wühlkiste Tobias O. Meissner entdeckt. Der verkauft sich offenbar auch nicht übermässig gut und wird vom Durchschnittspublikum wohl kaum beachtet. Aber seine Fans werden seine Bücher nie vergessen. Ist es nicht letztendlich mehr Wert, wenn man hier und jetzt das Leben von einigen wenigen bereichern kann, als wenn man von ein paar Millionen für ein paar Jahre gehypt und dann komplett vergessen wird? Sorry, jetzt schweife ich ab...

Zitat von: Maja am 18. Mai 2016, 13:48:31Man hat - und das ist der Grund, warum ich mich in dem Job zunehmend ungewohl gefühlt habe - nicht das Gefühl, es mit bleibenden Werten zu tun zu haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Das ist aber in jedem Business so. Und sobald man veröffentlichen möchte, ist es eben auch ein Business, selbst, wenn man das nicht zu sehr zu gewichten versucht (damit kämpfe ich die ganze Zeit). Die Dinge, die lange erhalten bleiben, sind die wenigen. Die Welt und die Menschen in ihr verändern sich und ich glaube, nur sehr wenige Kunst hält diesen Veränderungen dauerhaft stand.

Zit

#324
Da ist man mal eine Stunde auf Arbeit. ;D

Ja, ich denke, dass ich da ungewollt ein Problem aufgerissen habe, mit dem sich viele herum schlagen und das über kurz oder lang an unserem eigenen Bild vom Schriftsteller nagt. Maja hat einen sehr schönen Punkt eingebracht, der mir selbst nicht offensichtlich war: Stimmt, so ein Knack in der rosaroten Brille kam mit der Buchhändlerausbildung. Ich weiß noch wie wir im Libri-Zentrum in Bad Hersfeld waren und ich kurzzeitig von den ganzen Paletten angeekelt war, weil sich mir diese heilige Sache Buch plötzlich als Ware wie Schweinehälften beim Metzger präsentierte. Da ich in einer Reisebuchhandlung ausgebildet wurde, hatten wir nicht ganz so starke Probleme, was Novitäten und Remittenden angeht. Gab es natürlich auch, aber in erster Linie waren das Neuauflagen von Lonely Planet und Co, von denen die Erstausgaben schon 20 und mehr Jahre zurück liegen. Das war nur sehr selten ein Abschied für immer im Gegensatz zur Belletristik, die, wie Maja sagte, alle halbe Jahre zu 98% ausgetauscht wird. Mittlerweile bin ich in die Papeterie gerutscht, weil mich entweder keiner als Buchhändler wollte oder die, die gewollt hätten, selbst gerade so über die Runden kommen. Vielleicht war das auch gut so und mir bleibt bisher Majas Schicksal erspart. Den Beruf an sich finde ich immer noch toll und ich liebe ihn, aber er lebt nicht nur vom Idealismus, er kann ihn auch zerstören.

Ich danke euch aber auch für eure Beiträge.:knuddel: Ich hatte gar nicht vor, mir Ratschläge zu holen oder meine eigene Situation zur Diskussion zu stellen sondern wollte eigentlich nur meinen Senf hier lassen. Hätte bedenken sollen, dass sich jemand daran verbrennen kann. Mea culpa.
Abschließend möchte ich nur sagen, dass ich in meinen Romanen nicht Unterhaltung suche. Ich suche die Wahrheit hinter diesem Ding namens Leben und finde Menschen äußerst faszinierend, dass ich ihre Gefühle und Gedanken am liebsten mit der eiskalten Neugier eines Wissenschaftlers zerlegen würde; um es mal pathetisch und hochgestochen auszudrücken. Außerdem leiden meine Figuren damit sie nicht nur gegen die Welt sondern auch gegen sich selbst kämpfen müssen, nur im Kampf zeigt sich der wahre Charakter. Ob das nun die zickige Prinzessin ist oder der vom Leben gebeutelte Magier, der alles macht, nur nicht das, was er will, sind dabei nur Varianten. Wenn das auf "dem" Markt erfolgreich wird, ist das total schön und ich sage natürlich auch nicht Nein. Aber es ist nicht mein Ziel. Im Grunde ist eine Veröffentlichung ein Kommunikationsangebot und wenn das in einem anderen wider schwingt, dann habe ich mein Ziel erreicht. Dabei wäre es eben nur schön, wenn der Kanal lange genug offen bleibt, dass ihn überhaupt jemand findet und er eben nicht nach einem halben Jahr zuerst in der Grabbelkiste und dann in der Versenkung verschwindet.

ZitatIch denke, (maße ich mir jetzt mal an :) ) Zit wollte sagen, dass sie gerne etwas erschaffen möchte, was wenigstens die Chance hat, zu bleiben. Und klar, das will ich auch. Darum bemühe ich mich jeden Tag. Ich denke, irgendwie wünschen sich das doch die meisten von uns. :)

Ja. Danke. :knuddel:

Zitat von: Aurora"Ehebrecherin spielt Minigolf mit Gott" finde ich übrigens auch gelungen.

Danke. :) Ich raufe mir bei solchen Einfällen zuerst immer die Haare, weil das nur ein Aufhänger ist und keine Geschichte. Das muss dann erstmal liegen bis mir eine vernünftige Handlung einfällt, die sich aus den ganzen Gegebenheiten entwickeln lässt.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Trippelschritt

@ Zitklasa
Und ich befürchte nun, dass ich Dich böse missverstanden habe und nehme alle meine Ratschläge schnell wieder zurück. Aber vielleicht kann sie ja ein anderer gebrauchen. (Trost such). Was du da grad gepostet hast, kann ich alles sehr gut nachvollziehen.

Liebe Grüße
Trippelschritt

HauntingWitch

Ich nehme diesen Thread hervor, ich hoffe, das passt hierhin. Eine Frage, an alle, die einen anderen Brotjob haben. Habt ihr manchmal auch das Gefühl, dass der Job für alle anderen ihr Leben ist, nur für euch nicht? Ich war die letzten Tag in so einem Fortbildungskurs und da ging es mir wieder einmal so. In unserer Tischreihe sass z.B. einer, der ist höchsten ein paar Jährchen älter als ich selbst, aber total ambitioniert, mittleres Kader, hat in der Pause gearbeitet, usw. Und die anderen waren alle auch so stark interessiert. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was mache ich hier eigentlich? Kennt ihr das?

Das soll jetzt kein "Ich-möchte-doch-vom-Schreiben-leben"-Lamentio werden, davon hatten wir es ja schon oft. Mittlerweile sehe ich das auch etwas entspannter, aber einfach dieses Gefühl, dass einem das Schreiben halt wichtiger ist, während für andere der Job wirklich "der Job" ist.

Feuertraum

Liebe Witch,

oh, wie gut kann ich Sie da verstehen. Ich kenne gar nicht mal wenige Leute, die sich hinstellen und erzählen, was für einen tollen Beruf sie doch haben. Er macht Spaß, erfüllt sie, bringt jeden Tag neue Herausforderungen und spannende Erlebnisse, und jeden Morgen springen sie freudig aus dem Bett und schauen sehnsüchtig auf die Uhr, wann sie denn endlich den Sinn in ihrem Leben nachgehen können und ihr Arbeitgeber endlich die Tür aufschließt.
Ich kann es nicht nachvollziehen.
Und im Grunde genommen frage ich mich jeden Tag, wann ich meinem Beruf den Rücken kehren und das machen kann, was mich glücklich macht.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Phea

Witch, ich weiß, was du meinst. Bei mir ist es ähnlich. Ich fühle mich in dem Job an sich auch nicht sehr wohl, aber es macht mir unheimlich Spaß im Büro. Mir macht die Arbeit Spaß, weil der Rest passt (Also die Kollegen, die Arbeitgeber ...) und nicht, weil das mein Traumjob ist. Ich bin ehrlich, der Job an sich ist echt bescheiden, aber ich fühle mich in dem Betrieb wohl und das ist schon die halbe Miete. Viel lieber würde ich allerdings an meinen Projekten schreiben, bin andererseits aber auch froh, dass ich keine Berufsautorin bin.  Ich brauche die Abwechslung, sonst würde das Schreiben vollkommen untergehen und nur aus Zwang bestehen.

Nicht falsch verstehen, ich fühle mich sehr wohl so, wie es jetzt ist. Der Kundenkontakt ist toll, macht unheimlich Spaß - aber das, worauf es in dem Job eigentlich ankommt (nämlich die Geographie, Zeitzonen etc.) ist einfach nicht meins. Ich war schon immer schlecht in Erdkunde und habe mich nie wirklich für Politik interessiert. Das sind zwei Dinge, die im Beruf als Tourismuskauffrau am Wichtigsten sind. Ich MUSS jetzt auf dem Laufenden sein, wissen, was in der Welt so vor sich geht, Nachrichten gucken und Radio hören, Newsletter lesen, die mich gar nicht interessieren. Aber ohne dieses Wissen kann ich meinen Job nicht vernünftig machen. Genauso wie ich jetzt in Geographie noch mal richtig pauken muss, Entfernungen lernen, Zeitzonen bestimmen, die Jahreszeiten auf den Kontinenten wissen, um eine vernünftige Beratung durchführen zu können.

Das Schlimmste für mich ist im Moment, dass ich mich gezwungen fühle, überall zu sagen "Ja, es macht mir unheimlich viel Spaß und es ist interessant". Wenn ich das nicht tue, habe ich Angst um meinen Ausbildungsplatz, Angst vor Gesprächen wie "Warum hast du das Angebot überhaupt angenommen?" oder dummen Kommentaren, die einfach unangebracht sind. Ich habe meinen Ausbildungsplatz mit viel Glück bekommen, möchte ihn nicht riskieren und muss sehen, dass ich Geld verdiene, um mein Kind unterhalten zu können. Ob die Arbeit Spaß macht ist für mich Nebensache. Ich finde es wichtiger, mit meinen Kollegen gut zurecht zu kommen - denn wenn das der Fall ist, geht man gerne zur Arbeit und dann macht die Arbeit auch irgendwo wieder Spaß.

Allerdings hilft es mir persönlich beim Schreiben. Wenn ich eine Arbeit habe, in der ich mich "langweile", bin ich bei meinen Projekten umso produktiver.

Irgendwie bin ich froh, dass das jetzt endlich raus ist. Ich quäle mich damit seid Februar, seit ich den Ausbildungsplatz angeboten bekommen habe. Ich wusste von Anfang an, dass mir der Job nicht gefallen wird, wusste, dass ich in einem Bereich arbeiten werde, der ganz und gar nicht in meinem Interessen- und Wissensgebieten liegt. Aber ich bin zeitgleich auch unheimlich froh, dass ich eine Arbeit habe, die Chance bekommen habe. Das werde ich gewiss nicht einfach so weg werfen.
Außerdem habe ich auch Vorteile durch die Arbeit. Ich bekomme immerhin Rabatte auf Urlaubsreisen, eigne mir Wissen an, dass für Projekte wichtig sein könnte.

@Feuertraum war schneller. Ich gehöre wohl zu diesen Leuten. Wieso das so ist, habe ich hoffentlich verständlich genug erklärt.

Merwyn

#329
Ja, das kenne ich auch, Witch.