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Ich will Schriftsteller sein! Jetzt!

Begonnen von Alaun, 24. Juni 2010, 16:11:07

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Berjosa

Hm, ich kenne mich in dem Berufsfeld nicht so richtig aus, und vielleicht liege ich völlig daneben.

Du schreibst, du therapierst gern, wenn denn Klienten da sind. Wozu du dich nicht aufraffen kannst, ist, welche zu suchen und die Praxis am Laufen zu halten.
Wäre es eine Möglichkeit, wenn du nicht selbständig arbeitest oder jedenfalls nicht völlig auf dich gestellt? Gemeinschaftspraxis oder so?
Dann kannst zu eventuell auch leichter ab- und zugeben, je nachdem, welches Standbein gerade das stabilste ist, Schreiben oder Therapieren.

Tintenteufel

Liebe Cailyn,

ich stecke natürlich nicht in deiner Haut und kann dir auch keine allzu klugen Ratschläge geben. Ich habe bloß ähnliche Gefühle durchgemacht, mache sie vielleicht immer noch durch, und weiß nur, dass sich das Problem nicht von heute auf morgen löst. Ich kann aber zumindest nachvollziehen, wie frustriert man sich fühlt dabei.

Es gibt nur eine Sache, die ich auf die ich eingehen möchte: Die mit der Berufung.
Ich persönlich halte nicht viel davon. Z.B. bin ich mir ziemlich sicher, dass Schriftsteller sein meine Berufung ist. Und trotzdem stehe ich morgens nicht auf, um mich freudetrunken in einem sechsstündigen Rausch an ein Werk zu setzen. Ich liebe Literatur und Bücher und Lesen und Kultur und Gedanken, und trotzdem gehen Monate ins Land, in denen ich keine einzige gedruckte Seite blättere, weil ich Angst davor habe, dass dieses eine Buch auf meiner Liste mein ganzes Werk in den Schatten stellt und mich für unfähig erklärt.
Ein Satz, der mir dabei sehr geholfen hat, war dieser, der auch von einer Art Motivationstrainer stammt:
ZitatIt's not choosing someone who makes you happy all the time, it's choosing somebody who you want to be with even when they're pissing you off.
Worauf ich hinaus möchte ist eigentlich nur:
Mach dich nicht fertig, weil du glaubst, irgendeinen Traum vergeigt zu haben. Manchmal passiert soetwas, da verliebt man sich in jemanden und stellt nach ein paar Wochen fest, dass er nur ein Kerl für gutes Wetter und einen Strandurlaub ist - nicht für den täglichen Kampf auf offener See.
Nimm dir Zeit, wie Trippelschritt schon sagte, und versuch dir zu überlegen, wo denn deine Prioritäten liegen.
Und wie Hanna schon meinte: Vielleicht hilft es dir ja, Schreiben als Ausgleich zu nehmen? Einfach irgendwas schreiben und gucken, was passiert. Du musst entspannen und dich nicht von etwas auffressen lassen, das dir keinen Spaß macht. Vielleicht ist Schreiben genau das Ventil, das du brauchst, um wieder frische Luft zu kriegen. Man muss es ja nicht exzessiv betreiben. :)

HauntingWitch

Zitat von: Cailyn am 01. Februar 2016, 16:55:15
Ja, und dann bin ich im Internet zufällig auf einen Motivationstrainer gestossen (da ging es eigentlich um Männer, die mehr Charisma haben wollen ;)), der war sagte, was mir auch jetzt, noch Wochen später, hängen geblieben ist. Zunächst erzählte er davon, dass Erfolg vor allem auf Freude beruht, Freude etwas zu tun. Dies wiederum geht natürlich in Richtung Talente, die man hat. Der Interviewer hat den Motivationstrainer daraufhin gefragt, woran man denn erkennen kann, dass man seine Berufung gefunden hat. Und er antwortete sinngemäss: "Berufung ist das, was man immer tut, ohne sich jemals dazu verpflichtet zu fühlen, etwas, was keine Motivation braucht, was man nie müde ist zu tun. Es ist das, wofür man morgends freiwillig aufsteht, egal, was es dafür gerade zu tun gibt. Wenn dies zutrifft, dann bist du auf dem richtigen Weg zu deiner Berufung." Also das ist kein Wortzitat, aber so ähnlich hat er es formuliert.

Jetzt musste ich lachen und gleichzeitig weinen. Ich muss immerzu an etwas denken, dass mein Cousin gesagt hat. Der arbeitet als freier Helfer, selbstständig und für gewisse Dienstleistungen stellt er Rechnung und andere Dinge macht er einfach so, weil es ihn glücklich macht. Er kommt damit durch. Und er sagte vor nicht sehr langer Zeit, ja, eigentlich nur ein paar Tage vor meinem letzten Post hier im Thread: "Weisst du, wenn du immer nur tust, was dir gut tut und dich glücklich machst, bringt dir das schon, was du brauchst." Ich habe ihn böse angesehen und gesagt, wenn das so wäre, würde ich längst vom Schreiben leben. Aber wie länger ich darüber nachdenke, umso mehr wird mir klar, dass ich falsch lag. Er sagte wenn du immer nur das tust, was dich glücklich macht. Immer und nur das. Ich mache das nicht. Ich mache viele Dinge, von denen ich denke, ich müsste sie tun, um zu leben. Normaler Job zum Beispiel, gewisse Marketing-Aktionen oder Sachen, von denen ich glaube, dass es meine Karriere irgendwie puschen könnte, die mich aber eigentlich etwas angurken. Letzteres kann ich sein lassen.

Den Job... Naja, ich möchte ja auch nicht zum Sozialfall werden. Ich habe jetzt beschlossen, mich einfach damit abzufinden und mir diesen weiter oben genannten Stumpfsinn zuzulegen. In dem Wissen, dass mich das Schreiben glücklich macht und mir hilft, den Alltag und den Ärger zu bewältigen. Das ist wohl die einzige Option, die wir haben, wenn wir nicht solche Überlebenskünstler sind wie mein Cousin.  ;) :knuddel:

Klecks

Cailyn, ich kann mich einigen Vorrednern nur anschließen, das klingt nach einem (drohenden) Burnout und ganz danach, als würde dir die Tatsache, dass in den letzten Monaten genau das fehlt, was dir immer am wichtigsten war, das Schreiben, richtig zu schaffen machen.  :knuddel:  Mir ging es bis vor ein paar Wochen - allerdings in weniger akutem Ausmaß - ähnlich: Ich habe das Schreiben vermisst und ich habe das Glücklichsein vermisst, und irgendwann habe ich mich daran erinnert, dass ich, wenn ich glücklich sein will, auch schreiben oder mich irgendwie mit meinen Projekten beschäftigen muss. Ob eine halbe Stunde oder von morgens bis abends - Hauptsache, ich nehme mir ein bisschen Zeit dafür. Vielleicht würde unter anderem das dir helfen: Dir jeden Tag fünf Minuten Zeit nehmen, über Projekte nachzusinnen oder zu schreiben. Und dann irgendwann zehn Minuten. Eine Viertelstunde. Eine halbe Stunde ... eine Stunde, vielleicht ... und dann hast du irgendwann hoffentlich wieder eine Routine und etwas, das dir gut tut.  :knuddel:

Siara

Cailyn, zuerst möchte ich den anderen zustimmen: Es kann täuschen, aber für mich klingt es auch, als läge bei dir gerade noch so einiges in Schieflage. Ob das stimmt, weißt du selbst vermutlich am besten.

Diese Existenzfragen kenne ich allerdings auch. Das Schreiben ist die Tätigkeit, die sich einfach ... richtig anfühlt. Anders kann man es gar nicht formulieren. "Writing is the only thing that, when I do it, I don't feel I should be doing something else." - Gloria Steinem. Und damit meine ich nicht nur, dass man eigentlich andere Pflichten hat und deshalb etwas anderes tun sollte. Sondern auch, dass zumindest ich mich beim Schreiben am meisten mit mir selbst im Reinen fühle, mir selbst am nähesten.

Das ist etwas Gutes. Nicht jeder hat diesen einen Ort, zu dem er immer zurückkehren kann und den einem niemand nehmen kann. Das ist etwas, um das man froh sein sollte. Trotzdem muss die Berufung nicht auch der Beruf sein, finde ich. Natürlich wäre es wunderschön, nichts anderes mehr tun zu müssen. Aber wie Alana bereits anmerkte, ist die Realität nicht immer rosarot. Das Schreiben selbst mag begeistern, wenn allerdings Deadlines, Vorgaben und Marketing dazukommen, hat es auch seine Schattenseiten. Dazu kommt, dass das Schreiben als Hauptberuf auch nur sehr wenigen vorbehalten bleibt.

Das Leben nervt manchmal. Wie sehr das bei dir gerade wirklich der Fall ist, kannst wie gesagt nur du selbst einschätzen. Aber der Gedanke, dass man wie in Manie lebt, wenn man seiner Berufung nachgeht, ist für mich utopisch. Das Leben nervt, es ist anstrengend und legt einem ständig neue Stolpersteine in den Weg. Die Berufung ist vielleicht nicht immer unser Beruf. Vielleicht kann sie vielmehr unsere Oase sein, das, was uns weitermachen lässt. Dir das zu verbieten, halte ich nicht für gesund. Wie empfindest du selbst dich denn? Teilst du den Eindruck deines Mannes, dass dir irgendetwas fehlt? Das Beste wäre es womöglich, einen Mittelweg zu finden. Das Schreiben nicht zu deinem Leben, aber doch zu einem festen Bestandteil deines Lebens zu machen. Das fällt dann unter "Zeit für dich" - und wenn andere Dinge mal liegen bleiben, weil du dir deine Portion Glück holst: So what. Das muss sein. ;)
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Cailyn

Liebe Alle!  :knuddel:

Ihr seid echt aufmerksam. Danke für eure Antworten, Anregungen und euer Verständnis.

Also Burnout und Depression... da müsst ihr euch keine Sorgen machen. Ich bin zufällig auf diesen Thread gestossen und fühlte mich gestern gerade in dieser etwas melancholischen Stimmung. Aber grundsätzlich nehme ich meine kleineren und grösseren Krisen mit Humor. Und es ist auch nicht so, dass ich generell träge und faul wäre. Nur was meine Praxiswerbung angeht. Ich mache 1000 andere Dinge (restauriere Möbel, putze Fenster, verschachere Kinderkleider auf E-Bay etc.) und das hält mich auch gut beschäftigt, da ich ja sehr ein Machermensch bin. Aber ich bin einfach auch ein extrem schlechter Networker. Ich hab so meine Leute, meine wirklich guten Freunde, und der Rest der Welt interessiert mich meistens eher weniger. Daher bin ich auch nicht so aktiv auf Social Media, um Kunden zu bewerben oder Kontakte zu knüpfen. Aber das gehört halt dazu, wenn man sich einen Kundenstamm aufbauen möchte. Heute habe ich es zumindest fertig gebracht, einen neuen Blog-Artikel zu schreiben.

Zur Berufung...
Klar, es gibt vermutlich nicht nur DIE eine Tätigkeit, die einen erfüllt und glücklich macht. Vielleicht sind das auch mehrere, quasi Berufungen, plural. Wichtig war mir an der Aussage des Motivationstrainers eigentlich die Aussage, dass man beim richtigen Job nichts mehr für Pflicht hält. Und da denke ich schon, dass dies möglich ist. Pflicht heisst für mich persönlich, dass ich anfange zu zögern, dass ich meine "Aufschieberitis" nicht loswerde. Beim Schreiben hatte ich das noch nie. Als es darum ging, für mein letztes Manuskript ein Exposé zu schreiben, hat mir davor gegraut. Aber ich habe dennoch keine Sekunde gezögert. Vielleicht habe ich es in meinem ersten Post falsch ausgedrückt: Es geht nicht per se um Spass, sondern darum, dass man motiviert ist, alles Nötige zu tun, auch wenn es keinen Spass macht. Beim Schreiben klappt das wunderbar. Bei der Praxis nicht. Mir sitzt dann alles im Nacken, was ich noch machen könnte und sollte, aber irgendwie finde ich den Drive nicht, um es auch zu tun.  ::)

Projektunabhängig zu schreiben...
Gute Idee, Hanna! Das werde ich jetzt ab heute machen. Nach diesem Eintrag hier geh ich mir ein schönes Schreibheft kaufen und schreibe da täglich irgendwas rein. Tagebuch ist nicht so mein Ding. Aber halt so lose Textfetzen, je nach dem, was mich gerade beschäftigt.  ;D

ZitatMach dich nicht fertig, weil du glaubst, irgendeinen Traum vergeigt zu haben. Manchmal passiert soetwas, da verliebt man sich in jemanden und stellt nach ein paar Wochen fest, dass er nur ein Kerl für gutes Wetter und einen Strandurlaub ist - nicht für den täglichen Kampf auf offener See.
Das ist eine echt lustige Formulierung und absolut wahr. Natürlich würde ich mich etwas ärgern, wenn es so wäre. Es ist ja nicht so, dass ich der Aufbau der Praxis Knall auf Fall ins Leben gerufen habe. Das habe ich von langer Hand geplant, jedem seit 2-3 Jahren davon erzählt. Von daher muss ich jetzt schon noch etwas ausharren und schauen, ob sich in der Praxis noch was tut. Ansonsten hätte ich viel Zeit und vor allem Geld umsonst investiert. Ich buckle jetzt mal herum und jammere dann später wieder, wenn es nicht klappt.  :omn:

Eine Gemeinschaftspraxis...
Das ist in meiner Therapierichtung eher weniger angesagt. Da schaut jeder eher für sich. Und mir selber würde das auch nicht so zusagen, weil ich gerade meine neu gewonnene Freiheit geniesse (wenn schon nicht die Arbeit, dann wenigstens die Freiheit  ;)).

Und noch zum Cousin von Witch...
Ja, der hat für sich halt entschieden und macht wohl auch einige Abstriche, wenn es um normalen Luxus geht. Finde ich total cool, dass er das durchzieht. Für mich wäre das auch was. WENN ich nicht Mann und Kind hätte. Wäre ich Single, würde ich wohl jetzt ein paar Jahre von meiner Pensionskasse leben, auf unterstem Standard, und mal schauen, ob ich in dieser Zeit einen Bestseller schreiben kann. Würde das in 4-5 Jahren nicht klappen, würde ich mir wieder ein "normales" Leben aufbauen. Aber so mit Mann und Kind wäre das total egoistisch. Vielleicht hätte ich mir einfach einen reicheren Mann suchen sollen... :rofl:

Ihr habt mich total aufgemuntert. Danke für eure Sicht auf dieses Thema!

Silvia

Wenn Dir das Marketing nicht liegt - hast Du denn genug Geld, dafür jemanden anzuheuern - freiberuflich oder fest angestellt, der eben dieses für Dich erledigt? Dinge, die man selber nicht so gut kann oder mag, kann man ja auch delegieren.

Saphirenkind

Liebe Cailyn!

Ich kann dich gut verstehen! Was die Berufung angeht, so habe ich früher genau so gedacht. Und auch heute fällt es mir jeden Tag noch schwer mich für die Dinge zu motivieren, die ich überhaupt nicht gern mache. Bei mir überwiegen diese Dinge leider momentan auch. Ich arbeite im Krankenhaus und zwar als Springer, d.h. ich bin (wenn ich Pech habe) jeden Tag woanders. Hinzu kommt, dass ich eigentlich Kinderkrankenschwester bin, aber ständig zu den Erwachsenen geschickt werde, womit ich mich momentan besonders schwer tue. Kinderkrankenpflege ist nämlich nicht umsonst ein eigenständiger Beruf und dass das von meinen Chefs mit Füßen getreten wird, tut echt weh! Ich gebe zu, ich bin momentan mehr als unzufrieden mit meinem Job, den ich im Übrigen nur erlernt habe, weil ich damals keine Alternative hatte; ursprünglich wollte ich Buchhändlerin werden. Und in Aufschieberitis bin ich Weltmeister. :rofl:

ABER: Du musst irgendwo auch ein E.N.D.E. setzen und zwar nicht nur unter deine Texte, sondern auch unter deine alltäglichen Tätigkeiten.

Es hat ein bisschen gedauert, bis mir das selbst klar geworden ist. Vor ein paar Jahren war ich bei einem Psychotherapeuten, weil ich seit Wochen keinen vernünftigen Satz mehr zustande gekriegt hatte, beruflich völlig im Ungewissen schwebte und unbedingt einen neuen Roman fertig schreiben wollte. Heraus gekommen ist beim Schreiben nur Müll- und der Therapeut wagte es auch noch zu sagen, ich würde dazu neigen, mich selbst zu zerfleischen.  :brüll: Ich war so sauer, dass ich zu Hause erst mal wütend den Garten umgegraben habe. Erst später habe ich verstanden, was er damit sagen wollte. Seitdem plane ich nicht mehr akribisch durch, was ich wann erledigen muss. Ich mach mir eine Liste und erledige es je nachdem wie es gerade passt. Du verpasst nichts und es geht dir auch nichts durch die Lappen, wenn du dich einfach mal gehen lässt und in etwas verlierst. Beim Schreiben ist das genau so.

Mein Tipp also: Mach einen bewussten innerlichen Schnitt, wenn du deine Praxistür hinter dir schließt. Verbiete dir das Grübeln und Nachdenken über Probleme von der Arbeit im privaten Umfeld und anders herum. Oder wie Eckard von Hirschhausen einmal gesagt hat: Moderiere deinen eigenen Jammerlappen! (ein zusätzlicher Hirnteil, den wir alle kennen)

ZitatJammerlappen- auswring- Training:
1. Inspizieren: Hören Sie sich selbst zu und schreiben Sie Ihre typischen Jammersätze auf.
2. Katalogisieren: Ordnen Sie die Jammersätze nach Häufigkeit, so bekommen Sie Ihre persönliche Hitliste.
3. Ignorieren: Wenn ein störender Gedanke kommt, einfach Hallo sagen, wie zu einem Bekannten auf der Straße, den man nicht besonders mag, auf der Straße aber grüßt, ohne sich weiter mit ihm zu beschäftigen.
4. Moderieren: [...] Moderieren Sie Ihre eigene Jammer- Hitparade! Auf Platz 1 diese Woche: Heute ist nicht mein Tag. [...]
5. Ausschleichen: Was passiert? Man wird seiner eigenen Schlager irgendwann überdrüssig. Und dann heißt es ganz von allein: "Heute ist nicht mein Tag- zum dritten Mal dabei- bitte nicht mehr anrufen!
aus "Glück kommt selten allein" von Eckard von Hirschhausen

Klingt total bescheuert- aber mir hilft das Jammerlappen- Training jeden Tag. Darüber hinaus ist abschalten ganz wichtig. Übertriebener Ehrgeiz schadet nur- auch deinen Büchern. Das musste ich auch erst lernen. Ich will dir nichts vormachen- der Weg dahin ist lang und beschwerlich. Aber es wird dir mehr inneren Frieden geben, versprochen!

Hier noch ein kleiner Link zum Aufmuntern: https://www.youtube.com/watch?v=YntLZ6kPUg8&list=PL27E48E80AB051F12&index=2

Du schaffst das, da bin ich mir ganz sicher!

Cailyn

Hallo Saphirenkind

Vielen Dank für deine Antwort.

Im Gesundheitswesen, wo du ja offenbar schon länger tätig bist, ist es ohnehin nicht einfach. Zu viele Patienten, zu wenig Personal und für das Pflegepersonal zu wenig Lohn. Ich komme zwar aus der Schweiz (du vermutlich aus D), aber ich vermute mal, dass es da Parallelen gibt. Und wenn du dann innerhalb dieses Bereichs dann doch was anderes machen musst, kann das schon frustrierend sein. Kann man sich da denn nicht beschweren? Beim Vorstand des Krankenhauses? Na, ich hoffe zumindest, dass dir die Freude daran nicht verloren geht.

Weisst du, es ist nicht so, dass ich Mühe habe, zu Hause mit der Therapiearbeit abzuschliessen. Ich habe ja noch viel zu wenige Klienten, um überhaupt gestresst zu sein. Die Praxis läuft eben nicht wie erwartet. Daher habe ich viel Zeit zum Ausspannen, relaxen, haushalten etc.. Schön und gut. Und eigentlich hätte ich auch super viel Zeit und Lust zum Schreiben. Das Problem ist: wenn ich anfange zu schreiben, dann habe ich keine Motivation, mehr Werbung für meine Praxis zu machen. Ich kenne mich da von der Persönlichkeit her einfach zu gut. Ich bin das Gegenteil von einer Multi-Taskerin. Und ich denke, zumindest am Anfang wäre es schon wichtig, dass ich mich für die Praxis so richtig reinknie. Wenn die Praxis dann mal läuft, darf auch das Schreiben wieder in die Gänge kommen. Aber ich habe das jetzt ein paar Monate probiert, und obwohl ich mir das Schreiben verboten habe, habe ich trotzdem nicht so viel Elan gefunden, um die Praxis voranzutreiben. Und ich denke, dass man als Selbständige schon ziemlich viel investieren muss - also nicht nur mit Geld, sondern auch mit Zeit und Feuer im Arsch. Doch ich fange jetzt wieder mit dem Schreiben an, weil mir der Entzug ja auch nichts gebracht hat.

HauntingWitch

Ich zerre den Thread jetzt doch noch einmal nach oben, weil ich viel nachdenke im Moment. So langsam komme ich zu dem Schluss, dass es vielleicht besser ist, den Traum von Erfolg und vom Schreiben leben aufzugeben und sich mit dem Schreiben als Hobby zufrieden zu geben. Es ist ja nicht das Schreiben selbst, was einen fertig macht, sondern dieser Gedanke. "Ich will/muss erfolgreich werden." Dieses und jenes müssen, so und so gut sein, immer auf die Leser ausgerichtet sein, weil man will ja erfolgreich werden. Stresst euch das nicht? Also ich muss sagen, für mich wird dieser Traum langsam zu Albtraum und zwar, weil ich viel zu sehr darauf fixiert bin und dann liest man dauernd diese Artikel oder Bücher, in denen es darum geht, was es alles braucht, um erfolgreich zu sein. Und dann denkt man, wenn man das nicht alles erfüllt, kann man also nicht erfolgreich sein und versucht, es zu erfüllen, obwohl man eigentlich gar keine Freude daran hat... Ist doch irgendwie bekloppt.

Andererseits finde ich es verdammt schwierig, loszulassen. Vor allem, immer, wenn ich denke, jetzt bin ich soweit, kommt irgendein Impuls von Aussen, der mir wieder sagt, dass man Träume haben und auf keinen Fall aufgeben soll... Und dann fängt der Teufelskreis wieder an. Ich fühle mich wie in einem Boxkampf und ich würde gern einfach unter dem Seil durchschlüpfen und aus dem Ring steigen. Aber ich weiss nicht, wie das geht.

Shea

@ Witch

DANKE! Der Beitrag hätte glatt von mir stammen können. Die Freude am Schreiben ist bei mir schon eine ganze Weile gar  nicht mehr vorhanden und ich bin im Moment beinahe schon so weit, dass ich hin und wieder den Gedanken pflege es ganz bleiben zu lassen.

Gerade deinen letzten Absatz kann ich so nur unterschreiben und traurig zustimmend nicken. Wenn du einen Weg findest, um diesem "Boxkampf" zu entkommen, dann sag mir bescheid, ja?  :bittebittebitte:

Tintenteufel

#221
Liebe Witch,

ich möchte an dieser Stelle eine der großen Sünden begehen und Franz Kafka das Feld überlassen. In "Er" schrieb er einmal einige sehr erhellende Zeilen, die dir vielleicht helfen können. Du bist mit diesem Gefühl mitnichten allein. Ich fürchte allerdings, dass sich die Moderne weitgehend darauf geeinigt hat, dass dieses Hamsterrad der Verrücktheit das Fundament der menschlichen Existenz bildet.

Zitat von: Franz KafkaEr hat zwei Gegner: Der erste bedrängt ihn von hinten, vom Ursprung her. Der zweite verwehrt ihm den Weg nach vorn. Er kämpft mit beiden. Eigentlich unterstützt ihn der erste im Kampf mit dem Zweiten, denn er will ihn nach vorn drängen und ebenso unterstützt ihn der zweite im Kampf mit dem ersten; denn er treibt ihn doch zurück. So ist es aber nur theoretisch. Denn es sind ja nicht nur die zwei Gegner da, sondern auch noch er selbst, und wer kennt eigentlich seine Absichten? Immerhin ist es sein Traum, daß er einmal in einem unbewachten Augenblick – dazu gehört allerdings eine Nacht, so finster wie noch keine war – aus der Kampflinie ausspringt und wegen seiner Kampfeserfahrung zum Richter über seine miteinander kämpfenden Gegner erhoben wird.

Mir persönlich hilft dieser Gedanke sehr. Wir kommen nicht raus aus unserer Haut und dem endlosen Kampf mit unserer Vergangenheit und Zukunft, unseren Wünschen und Wahrheiten. Letzten Endes ist es aber gleichgültig, gleichgültig ob wir Erfolg haben oder nicht, ob wir kläglich scheitern oder völlig unbedarft unser Leben verbringen. Die Welt dreht sich weiter. Die Gegner bedrängen uns und Teufel noch eins, wenn ich vor Ihnen aufgebe.

Akirai

Ein guter Gedanke.

Ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen: Wenn ich was wirklich bedeutend / bewegendes / sich vermutlich als erfolgreich erweisendes und damit gut verkaufbares  - "Werk" schreiben will, dann will das irgendwie keiner lesen. Gut, bin ich halt nicht markttauglich, shit happens.

Wenn ich für mich selbst Blödsinn verzapfe, "Räuberpistolen" und was weiß ich für nicht wirklich durchdachtes Zeug Niederschreibe, dann habe ich plötzlich positive Rückmeldungen. Sind wir wieder ironisch, liebes Schicksal ...?

Also ja, @ Witch, ich kann dein "Stressgefühl" gut nachvollziehen.

Fazit und Erkenntnis meinerseits war aber:
"Viele Köpfe, viele Meinungen". Ich werde mich nicht mehr nach irgendwelchen Trends richten, nach irgendwelchen "Aber du musst xy, um ..." - Vorgaben. Entweder, es passt oder es passt dem Gegenüber halt eben nicht. Ich kann es der ganzen Welt nicht Recht machen, ich will es auch gar nicht. Das ist mein Leben und da hat niemand reinzupfuschen, außer ich selbst.

8)

HauntingWitch

Zitat von: Shea am 09. März 2016, 09:53:42
Wenn du einen Weg findest, um diesem "Boxkampf" zu entkommen, dann sag mir bescheid, ja?  :bittebittebitte:

Mache ich. Im Gegensatz dazu habe ich aber schon noch Freude am Schreiben, nur am anderen halt weniger. Es sind nicht die Aktivitäten als Autorin, mehr dieses Gefühl, mehr, besser, weiter, höher, was auch immer zu müssen, woran ich keine Freude habe.

Ich habe sogar schon überlegt, mich absichtlich zu "sabotieren"... Z.B. haben wir im Juni eine Veranstaltung mit unserem Verein, wo wir Werbung machen können. Und ich denke die ganze Zeit, dann muss ich mein neues Buch bis dann rausbringen (ich mache ja jetzt SP, also kann ich das selber bestimmen) und dann sehe ich, was ich alles noch machen muss, und denke, das ist zu knapp, das schaffst du nicht... Dann bin ich unerwartet mit dem einen oder anderen ein kleines bisschen schneller und schon denke ich wieder, in dem Fall klappt das ja doch bis dann. Ich überlege echt, das absichtlich nicht bis dann zu schaffen, einfach weil darum.

@Tintenteufel: Das Zitat stimmt mich ein bisschen traurig, denn ich bin ja alle drei Personen selber. Beziehungsweise, alle drei Kämpfer sind ja Teile von mir, es sind ja keine Bedrohungen von Aussen. Das ist das Problem. Ansonsten würde ich genau gleich wie du sagen, "legt euch bloss nicht mit mir an, ich bin stärker als ihr", aber wenn man gegen sich selbst kämpft... Ich muss an ein anderes Zitat denken, aus einem Lied, das lautet in etwa: "You can't fight us, you are like us." Und ich würde gerne damit aufhören, nur bin ich darin so schlecht.

Zitat von: Akirai am 09. März 2016, 10:12:49
Wenn ich für mich selbst Blödsinn verzapfe, "Räuberpistolen" und was weiß ich für nicht wirklich durchdachtes Zeug Niederschreibe, dann habe ich plötzlich positive Rückmeldungen. Sind wir wieder ironisch, liebes Schicksal ...?

Das kenne ich auch! Vermutlich liegt es daran, dass man sich zu sehr verkrampft, wenn man etwas total Durchdachtes, Tiefgründiges, Gescheites schreiben will. Und das merken die Leser dann, wenn es gekünstelt wirkt. :hmmm: Vielleicht ist es mit Werbung & Co. dasselbe, wie mehr man versucht, umso mehr blockiert man sich.

Elona

Ich finde, dass man Träume auf gar keinen Fall aufgeben sollte. Träume sind das, was uns antreibt, was uns weitermachen lässt. Ohne sie verharren wir in einem (manchmal auch trostlosen) Hier und Jetzt.
Der Unterschied ist (denke ich), dass was man daraus macht. Krampfhaft an etwas festhalten, tut einem selten gut (egal worauf bezogen).

Sämtliche Artikel, Berichte usw. wie man erfolgreich wird, würde ich mit Vorsicht genießen. Es gibt Beispiele dafür und dagegen, von daher gibt es kein Rezept, wende es an und dann ...

Das Schreiben aufgeben, warum? Nur erfolgreich (ist übrigens eine Definitionssache) Schreiben, warum?
Warum reicht es einem Menschen nicht, dass was man tut gerne zu machen und zufrieden damit zu sein?

Ich glaube, das das was uns kaputt macht, ist die absurde Erwartungshaltung die wir an uns und an unseren Traum stellen. 

Und wie ich schon einmal bemerkte, kommt Zufriedenheit aus einem selbst heraus, nicht von außen und solange man das nicht findet, wird das Hamsterrad weiterlaufen. 

Edit: Hat sich mit Witch überschnitten