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Fremdsprachige Titel: atmosphärisch oder verwirrend?

Begonnen von Joscha, 08. März 2010, 14:55:06

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Joscha

Hallo in die Runde!

Da es mir zwar um ein spezielles Projekt geht, das Problem jedoch sehr allgemein ist, habe ich diesen Thread mal in Workshop und nicht ins AhA-Board gestellt.

Ich denke, aus dem Titel lässt sich das Problem schon relativ klar erkennen. Mein Projekt spielt in einer verhältnismäßig detailliert ausgearbeiteten Welt, in der ich mich auch etwa um eigene Sprachen gekümmert habe. Das Land, in dem sich die Hauptaktion abspielt, hat eine Sprache, die dem Kroatischen sehr ähnelt. Das bedeutet, dass etwa Städte- und Personennamen (solange erstere nicht schon vor der Zeit dieser Sprachveränderung entstanden sind) einen sehr kroatischen Klang haben.

Da zumindest einige Adlige jenes Landes eine sehr wichtige Rolle für die Handlung spielen, habe ich auch Adelstitel verwendet, die den kroatischen Adelstiteln sehr nachempfunden sind. In der Adelsgesellschaft existieren ähnliche Titel und Ränge wie im Heiligen Römischen Reich des hohen bis späten Mittelalters (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Adelstitel). Es kommen durchaus Figuren vor die Titel wie nadvojvoda (Erzherzog), grof (Graf), barun (Baron) oder maršal (Marschall) tragen.

Nun die Frage: Wie steht ihr dazu, solche fremdartigen Titel zu verwenden? Würdet ihr das eher als atmosphärisch passend beurteilen oder als zu verwirrend? Natürlich impliziere ich eine kurze Erklärung der Titel in einem Nebensatz (etwa: "Er beobachtete den Mann. Das war also maršal Drzimir aus dem Hause Babic, der höchste Beamte der Krone in ganz Acator.") und im schlimmsten Fall ein Glossar.

Die Alternative wäre es, die deutschen Titel zu verwenden, was, wie ich finde, in Verbindung mit den pseudo-kroatischen Namen für Städte und Personen unharmonisch klingt. Was würdet ihr dazu sagen? Ich tendiere zur ersten Lösung, allerdings kann ich schlecht einschätzen, wie groß die Gefahr für einen Leser ist, dann den Durchblick zu verlieren und gar nicht mehr zu wissen, welcher Titel jetzt für was steht.

Viele Grüße
Joscha

Grey

Es kommt sicher auch darauf an, wie wichtig es für den Leser ist, die genaue Bedeutung des Titels zu wissen. Auch mit deutschen Adelstiteln und deren Rangfolge und Wichtigkeit im Bezug zueinander kennt sich ja nicht jeder genau aus. Wenn jemand ein Herzog oder Marschall ist, dann nimmt man das eben so hin - quasi als Teil des Namens. Wenn aus dem Zusammenhang im Text deutlich wird, welche Stellung der Charakter innehat, und welche Vorzüge oder Nachteile ihm sein Titel bringen, dann ist es m.E. egal, ob es die kroatischen oder die deutschen sind. Und in dem Fall würde ich der Harmonie wegen auch eher zu den kroatischen tendieren, um einen Stimmungsbruch zu vermeiden.

Thaliope

Hey Joscha,

ich finde die fremdsprachigen Titel in Ordnung. Fände es eher verwirrend, wenn in einem Setting, das mit dem deutschen Adelssystem nichts zu tun hat, die deutschen Titel verwendet würden. Schließlich sind die genauen Privilegien etc. nicht eins zu eins übertragbar.
Eine kurze Erklärung ist sicher hilfreich, ggf. finde ich auch ein Glossar sinnvoll. Das stört den Lesefluss nicht so ... mir als Leser reicht es, wenn ich ahne, dass es sich um einen Titel handelt und falls ich wirklich mehr wissen will, nachschlagen kann. Bei Namen bin ich ein eher oberflächlicher Leser und merke mir eigentlich nur die Unterschiede ;)

LG
Thali

Joscha

Zitat von: Thaliope am 08. März 2010, 15:05:28
Eine kurze Erklärung ist sicher hilfreich, ggf. finde ich auch ein Glossar sinnvoll. Das stört den Lesefluss nicht so ... mir als Leser reicht es, wenn ich ahne, dass es sich um einen Titel handelt und falls ich wirklich mehr wissen will, nachschlagen kann. Bei Namen bin ich ein eher oberflächlicher Leser und merke mir eigentlich nur die Unterschiede ;)

Da bin ich ja beruhigt, dass es nicht nur mir so geht. Ich war mir vor alem unischer, weil ich etwa bei ein paar Rezensionen zu "Die Diebin" von Torsten Fink einige Rezensenten gelesen habe, die sich über die fremdsprachigen Namen aufgeregt haben. (Allerdings ist dieser Roman wirklich ein Extrembeispiel. So viele fremde Namen auf einmal bringe ich nicht ein.)

Leon

#4
Hallo Joscha

Atmosphärisch gesehen finde ich die kroatische Namen und Titeln schon passender zu deiner Geschichte als deutsche. Allerdings bei Zungenbrecher wie zum Bleistift "Nadvojvoda" oder Namen von denen man als Leser nicht weiß wie sie gesprochen werden sollen, würde ich Abstand nehmen, und durch andere, gängigere ersetzen.

Ich zum Beispiel habe die schlechte Angewohnheit, solche Namen einfach zu überlesen. ;)

Gruß
Leon

Rika

Ich würde auf jeden Fall die schönen Athmosphärischen Titel benutzen und würde auch empfehlen, diese in einem kurzen Glossar am Anfang zu erklären. Wen's nicht interessiert, braucht sich das ja nicht durchzulesen, aber für die Interessierten ist dann gleich offensichtlich, was es ist - und auch auf einer Seite übersichtlich, wie Titel ggf zusammenhängen.

Ich würde höchstens noch überlegen, ob du den langen (4-silbigen) Titel Nadvojvoda durch etwas kürzeres ersetzt. Das würde es beim Lesen einfacher machen. (Es sei denn es kommt z.B. als Rang auch ein Vojvoda vor, wo dann der Zusammenhang ähnlich wie z.B. bei Herzog und Erzherzog klarer wird.)
Wenn dir der Sprachzusammenhang sehr wichtig ist, könntest du ggf das als Notiz im Glossar erwähnen, dann ist dem Leser klar, daß du nicht willkürlich lange Titel wählst um zu nerven. ;)

Smaragd

Ich verwende selbst auch ausgedachte Titel, deswegen erstmal den  :jau: für das Thema!

Dementsprechend mag ich solche Titel auch sehr gerne. Herzöge, Lords, Grafen und Barone gibt`s einfach genug - und sie sind halt sehr "irdisch". Solange es nicht zuviele unterschiedliche Titel gibt und recht schnell klar wird, in welchem Verhältnis die zueinander stehen, finde ich sowas toll. im Zweifelsfall würde ich auch noch ein Glossar dazunehmen - kommt drauf an, wie viele Titel du hast, eventuell könntest du das zu einem Verzeichnis mit Erklärungen zu Orten, Namen und Titeln ausbauen.

Ich würde selbst den langen Titel so lassen - beim Lesen merke ich mir für längere ausgedachte Titel (oder auch Namen) immer eine Abkürzung. Nadvojvoda würde dann wahrscheinlich zu Naddie werden, bis der Titel so oft aufgetaucht ist, dass ich ihn ganz abgespeichert kriege ;) Wenn es zu der Sprache passt, dass Worte eben mal mehr als zwei Silben haben, ist das eben so. Dostojewskis Schuld und Sühne hat extrem viele lange, schwierig zu merkende Namen und ist trotzdem ein Klassiker. Ok, der Vergleich hinkt, aber ich finde nicht, dass man den Lesern alles furchtbar einfach machen muss.

Moa-Bella

Zitat von: Leon am 08. März 2010, 15:59:09

Allerdings bei Zungenbrecher wie zum Bleistift "Nadvojvoda" oder Namen von denen man als Leser nicht weiß wie sie gesprochen werden sollen, würde ich abstand nehmen, und durch andere, gängigere ersetzen.

Ich zum Beispiel habe die schlechte Angewohnheit, solchen Namen einfach zu überlesen. ;)


Mache ich auch, aber schlimm finde ich das nicht. Als ich vor vielen Jahren den ersten Harry Potter Band gelesen habe, habe ich Professor McGonagall immer Prof. McDonalds genannt (sehr lange her...), gestört hat mich das aber nicht. Dann überlesen sie es eben, ich würde den Namen aber wiedererkennen, merken würde ich ihn mir aber nicht. Es sollte nur eben kein Name wie Nadvajvoda oder so auftauchen, den man nicht als einen anderen erkennt.

Churke

Ich würde Titel grundsätzlich nicht übersetzen, da ein Titel eine Funktion bezeichnet und damit an eine Gesellschaft gebunden ist. Wahrscheinlich ist es das, was man als "atmosphärisch" empfindet.
So lange man nicht inflationär Zungenbrechertitel verwendet, sehe ich da kein Problem. Die von dir verwendeten Titel sind teilweise nicht einmal wirklich "fremd", der maršal etwa ist nur eine slavische Umschrift des des deutschen "Marschall", den "barun" dürften sich die meisten auch noch zusammen reimen können und so weiter.
Also alles im grünen Bereich. Ich finde auch nicht, dass der der "Nadvojvoda" Schwierigkeiten bereitet. Der ist eben mehr als ein Wojwode und wer keine Bildung hat, der kriegt sie spätestens beim Lesen. Allerdings könnte man durch "Erz-" oder "Großwojvode" ein wenig Hilfestellung durch bekannte Silben leisten.

Gwee

Ich finde auch, dass es überflüssig ist die Titel zu übersetzen, da sie viel besser passen als die deutschen Bezeichnungen. Ich hab in letzter Zeit auch öfters Bücher gelesen, in denen solche Titel vorkamen - und noch andere unbekannte Dinge - und die wurden dann im Anhang erklärt. Das hat mir persönlich gereicht.
Und deine Titel klingen ja nun noch nicht allzu fremd. Selbst "Nadvojvoda" kann man sich meiner Meinung nach gut einprägen. Eine extra Beschreibung und ein Glossar fänd ich eine bessere Idee als alles bei deutsch zu belassen. An solchen Titeln merkt man immerhin auch, ob ein Autor sich wirklich mit seinem Buch beschäftigt hat und nicht bloß lieblos das leichteste niedergeschrieben hat, was er finden konnte.
Es ist so eine Art Obsession, glaube ich. Das Schreiben fasziniert mich so sehr,
daß, wenn es mir verboten würde, ich langsam daran sterben würde.
Johannes Mario Simmel

Aethra

Also für mich ist es keine Frage ob du kroatischähnliche Adelstitel schreibst. Dazu nur: :jau: Die Frage ist für mich eher das wie, der Zusammenhang. Ich finde, wenn du in deiner wirklich auf Politik und Staatsgeschäfte wertlegst kannst du auch ein paar Namen länger schreiben. Wenn deine Geschichte, eher mehr auf der nicht so anspruchsvollen, gut zu lesenden Seite ist wo man sich schon natürlicherweise mit dem Lesen zu anstrengen braucht, solltest du eher zu kurzgeschriebenen Titeln tendieren. Laut meiner Meinung ist hier außerdem eine Art "Vergewisserungssatz" nötig, also ein Satz bei dem wirklich klar wird wer spricht. Ich habe nämlich die Angewohnheit solche Titel immer zu verwechseln und mich dann nicht auskennen.

Maran

Zitat von: Leon am 08. März 2010, 15:59:09
Hallo Joscha

Atmosphärisch gesehen finde ich die kroatische Namen und Titeln schon passender zu deiner Geschichte als deutsche. Allerdings bei Zungenbrecher wie zum Bleistift "Nadvojvoda" oder Namen von denen man als Leser nicht weiß wie sie gesprochen werden sollen, würde ich Abstand nehmen, und durch andere, gängigere ersetzen.

Ich zum Beispiel habe die schlechte Angewohnheit, solchen Namen einfach zu überlesen. ;)

Gruß
Leon

Das sehe ich genauso - und mir ergeht es ebenfalls so. Kurze Titel sind in Ordnung, aber bei den längeren gerate ich beim Lesen immer ins Stolpern. Und ich bin aus dem Alter wohl raus, in dem ich mich intensiv mit fremden Sprachen/Kunstsprachen beschäftigen wollte. Mit den Elben- und Zwergensprachen hatte ich mich noch auseinandergesetzt. Klingonisch, schön und gut, weil man es hören kann - aber lesen?

Wenn fremde/fremdartige/erdachte Titel in einer Geschichte vorkommen, dann brauche ich als Leserin zwar nicht so genau zu wissen, wo genau in der Hierarchie der jeweilige Titelträger einzuordnen ist (bei den wichtigen Personen sollte das schon von ganz alleine klar werden), aber ich möchte die Titel doch zumindest aussprechen können.

Joscha

Danke für eure Meinungen!

Ich habe so oder so vor, die Titel noch einmal etwas zu verändern. Schließlich ist meine Sprache an das Kroatische angelehnt und nicht damit identisch. Beim Verändern werde ich darauf achten, dass die Titel sich etwas intuitiver aussprechen lassen. (Wobei ich persönlich keine Probleme mit nadvojvoda hatte, als ich das erste Mal darüber gestolpert bin.)

Viele Grüße
Joscha