• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Ich nicht sprechen deine Sprache sehr gut...

Begonnen von Ary, 09. Januar 2010, 18:24:01

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Volker

Da wir uns ja in der Phantastik bewegen, kommt mir noch ein anderer Gedanke als nur Grammatik: Verständnis.

Wenn eine Gruppe / ein Volk nur eine Schwarmintelligenz besitzt, dann hat sie vielleicht gar kein Verständnis vom Individuum, sondern kennt nur "diese Instanz von ich". Dann sind auch andere Verständnisprobleme impliziert, wie z.B. fehlende Trauer über den Tod von "Repräsentanzen" - ein Körper wächst doch einfach nach, wie bei uns Haare (naja, den meisten von uns)...

Etwas abgeschwächt könnte dies bei extrem gruppenzentrierten Völkern auftreten, wo Individualeigentum kaum bekannt ist.  "Du hast mein Brot gegessen!" - "Ja, das war ja auch unser Brot, und es hatte noch kein anderer gegessen."

Eine einzelgängerisch geprägte Rasse hat evtl. ein Problem mit "wir" und "ihr", also der Zusammengehörigkeit Inklusivität/Exklusivität.  Es sind dann immer "ich und Peter und Paul und Mary" bzw. "diese Gruppe" - und auf der anderen Seite "du und Simon und Garfunkel" bzw. "jene Gruppe". Auch Gruppeneigentum ist dann sehr schwer zu vermitteln.

Rassen mit Nestflüchtlingen (wie etwa Meeresschildkröten) dürften kein Verständnis für Kinder, Erziehung und Eltern-/Kind Beziehungen haben, ganz zu Schweigen von Babysprache und ähnlichen Sonderheiten.



Rika

Zitat von: Dämmerungshexe am 16. Februar 2010, 18:56:18
Ich habe das ganze eigentlich selbst nie als Problem betrachtet. Eine Beta-Leserin hat mich drauf aufmerksam gemacht.
Als ich den Charakter - Lias - zum ersten mal eingeführt habe, hat mich vor allem die Möglichkeit gereizt durch seine "Fremdartigkeit" Dinge erklären zu können, die für die anderen Charaktere gar nicht erwähnenswert gewesen wären. Außerdem ist er ein Zeichen dafür, dass die Welt, in der die Geschichte spielt, viel größer ist als man eigentlich glaubt, eine Fakt, der gerade für den Helden, der sehr abenteuerlustig ist, bedeutend ist.
Klingt mir so, als ob das ganze dann eigentlich kein Problem sein muß. Lias ist von weit weg, da ist es natürlich, daß er die Sprache nicht kann und kulturell anders, "fremd" ist. Wenn du größere Bandbreite zeigen willst, könntest du ihn eventuell noch andere Völker irgendwo im Gespräch erwähnen lassen, so a lá "dunkle Haut nur hier ungewöhnlich, aber schon viele variationen unterwegs gesehen", oder "dieses fremde Gewürz ist dort ganz normal, dafür kennt man dort jenes überhaupt nicht"...

Eigentlich stehe ich auch eher auf der "übertriebene PC" position, andererseits bin ich mir halt auch bewußt, daß ich relativ zu dem Thema wohl in einer privilegierten Gruppe stecke. Im Zweifelsfall würde ich versuchen, es nicht zu "über-denken", sondern erstmal so zu schreiben, wie es für deine Geschichte stimmig ist. Ein stimmiger, interessanter Charakter mit Ecken & Kanten, also kein Abziehbild zieht die Aufmerksamkeit dahin wo sie hingehört - zum Chara und der Story.

Lavendel

Ich denke, solage das Sprachproblem deinen Charakter nicht dümmlich oder dämlich erscheinen lässt, wenn ertrotzdem gute Ideen hat, Heldentaten begeht und eine tragende Rolle in der Geschichte übernimmt usw, kann dir niemand Rassismus vorwerfen. Es ist aber bestimmt ganz gut, für das Thema sensibilisiert zu sein, weil man es so sicher etwas anders angeht.

Dämmerungshexe

Danke für die vielen nd hilfreichen Antwortn, ich gehe jetzt etwas gelassener an den Charakter heran.

Volker:
diese Aspekte sind dann ja aber eher ein kulturelles Problem, und weniger eins der Sprache. Bei Ralf Isau gab es etwas ähnliches, dass der Behmisch, dessen Volk nicht zwischen männlich und weiblich unterscheidet, die Pronomen immer wieder verwechselt hat (was aber auch eine Schwierigkeit bei der Übersetzung von Englisch ins Deutsche ist).
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Cherubim

Vielleicht kann ich dir auch etwas weiter helfen.
Ich habe vor kurzen die Bücher "Wort für Wort" von Elisabeth George und "Creative Writing" von Alexander Steele gelesen und beide schreiben, dass es für Leser angenehmer ist, wenn man einen Dialekt oder Fremdsprache nur andeutet. (Satzbau, typische Wörter usw.) Alles andere kann schnell lächerlich wirkten.

Ich selbst stelle es mir nicht so schlimm zu lesen vor, aber ich habe noch nie ein Buch gelesen, wo ein Sprachproblem mehr als nur angedeutet war.

Lothen

*Staub wegpuste*

Ihr Lieben, ich hänge mich mal an diesen Thread ran, weil ich ein ähnliches, aber doch etwas anders gelagertes Problem habe, das sich nicht auf das Sprechen einer fremden Sprache, sondern auf das Verständnis bezieht.

Meine Prota hat die Sprache des Landes, in dem sie sich gerade befindet, quasi in der Schule gelernt, kann sie also gut lesen, schreiben und auch leidig sprechen. Da sie aber zum ersten Mal in ihrem Leben mit Muttersprachlern konfrontiert ist, denke ich, dass sie beim Verstehen Probleme haben dürfte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie schwer ich mich getan habe, bei meinem Praktikum in der Karibik meine Kollegen zu verstehen, obwohl ich englisch wirklich fließend beherrsche.

Die Frage, die sich daran anschließt, ist: Wie kann ich dieses Verständnis-Problem sinnvoll darstellen, wenn meine Prota POV ist? Erfahrungsgemäß versteht man ja oft nur Fetzen einer Aussage, z.B. einzelne Wörter. Eigentlich möchte ich nicht alle Dialoge paraphrasieren, aber ich will auch nicht mit "..." arbeiten müssen, um Auslassungen anzudeuten. Das passt für mich nicht in den Lesefluss.

Habt ihr vielleicht noch Ideen?

Layka

Du könntest deine Prota etwas Falsches verstehen lassen, also statt "..." entweder nicht ganz passende Sachen oder komplettes Kauderwelsch. Das ist vielleicht nicht immer passend, aber manchmal versteht man bei Fremsprachen ja wirklich vermeintlich sinnvolle Sachen, die im Kontext jedoch offensichtlich deplatziert sind (oder nicht offensichtlich, dann könnte es lustige Missverständnisse geben :D).
lights out.

Tigermöhre

Ich würde da mit indirekter Rede arbeiten.

Prota: "Wie geht es dir?"
Der Einheimisch antwortete, doch er redete so schnell, dass Prota lediglich einzelne Wörter aufschnappen konnte. Wenn sie es richtig verstand, erzählte er ihr irgendwas vom Wetter.

Lothen

@Layka : Auch eine nette Idee. Leider ist die Situation gerade eher bedrohlich für die Prota, da passen solche Verwechslungen nicht so gut in den Ton. Aber das merke ich mir für später!  :jau:

@Tigermöhre : Teilweise hab ich das so gemacht, aber ehrlich gesagt finde ich das sehr mühsam, wenn ich das für jeden Dialog machen muss. Ich glaube, das liest sich auch nicht wirklich angenehm und wirkt dann recht distanziert.

Berjosa

Vielleicht kannst du sie ab und zu in Gedanken fragen lassen: "Was meint er/sie jetzt? Gurkensalat? Das kann doch gar nicht sein ..."
Oder sie kann in einer ruhigen Minute anhand ihres Schulwissens über den einen oder anderen Fallstrick sinnieren. "Mein Lehrer hat das immer so und so gesagt, aber hier betonen die das ganz anders ..."
Nach einiger Zeit, wenn sie anfängt, sich einzuhören, passt vielleicht ein Hinweis auf den einen oder anderen Ausdruck, den sie sich inzwischen gemerkt hat.

Wie bei den weiter oben beschriebenen Sprachschwierigkeiten muss das ja nicht die ganze Zeit durchgehen, sondern nur ab und zu, wenn es die Situation gerade hergibt.

Volker

#40
Je nach Gegend kann man versuchen, den Dialekt nachzubauen - und teilweise dann auch in die Gedanken des Protagonisten rückzuübersetzen.

Zitat
"Gänse Vechta" - Paul hatte nicht einmal Zeit über den Zusammenhang zwischen Federvieh und Stadt nachzudenken, als er auch schon zur Seite geschoben wurde. "Wechda sachich!"

Zitat
"Detwollemerned" Keine Ahnung was das nun wieder hieß - aber die Haltung der Frau war eindeutig ablehnend.

Oder mir real passiert:
Zitat
"Würden Sie mich freundlicherweise begleiten?"
"Nu."
"Ja sicher doch, jetzt."
"Nu. Nu."
"Das sagte ich doch gerade."
Paul konnte sich keinen Reim darauf machen, was das nun wieder bedeuten sollte oder weshalb der Sachse ihn erwartungsvoll anguckte.
("nu" bedeutet in der Gegend um Meißen und Dresden schlich "ja")

chaosqueen

Praktika in der Karibik kenne ich - wenn die Kariben nicht wollen, dass man sie versteht, dann versteht man sie auch nicht. ;D

Ich würde es mischen. Sie wird sicher einiges richtig verstehen, manches falsch und manches gar nicht. Also gib es so wieder: Dialogteile, die normal sind, welche, in denen das Gegenüber Blödsinn redet und sie überlegt, warum um alles in der Welt sie Gurkensalat einen Teppich mitbringen soll, und solche, wo eben gar keine wörtliche Rede mehr ist sondern nur die Verzweiflung der Prota über die völlig unverständliche Sprache Raum hat.

Adiga

komisch wird's dann - wenn Leute die eine Sprache nicht sprechen - dann aber plötzlich ein Vokabular von 1000 Wörtern haben und ihre  "wenigen" Vokabeln auch noch ständig hundertprozentig richtig dem Sinn nach einzusetzen in der Lage sind.

komisch ist - du nicht bla bla viel - aber du prima verstehen wie geht und nix probleme mit Fehlern

Vic

Gute Frage.
Ich find die Stelle eigentlich ganz süß, aber ich frag mich grade ob mich das über hunderte von Seiten nicht doch nerven würde....
Gibt es denn irgendwann Aussicht auf Besserung? Also wenn man eine Sprache viel benutzt wird man ja automatisch flüssiger in ihr. ;) 

Lothen

@Vic : Glücklicherweise kommt dann ein ziemlich langer Zeitsprung von zwei Jahren, in denen meine Prota die Sprache dann sicher gut genug beherrscht, um solche Verständigungsprobleme zu umgehen. ;) Insofern geht es nur um ein bis zwei Kapitel.

Ich danke euch schon mal allen sehr für eure Einschätzung, ich werde jetzt auch einfach mal verschiedene Stilmittel nutzen und damit ein bisschen abwechseln, damit es nicht zu eintönig wird. Ich denke, die grundlegende Idee dahinter kann ich damit schon sinnvoll abbilden.