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Epischer Sprachstil?

Begonnen von ShainaMartel, 12. Oktober 2009, 02:46:13

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Kolibri

Also wenn du einen etwas veralteten Sprachstil möchtest, kann ich dir nur empfehlen es mir nachzutun und nur Jane Austen zu lesen.
Ich weiß, das klingt seltsam, und für Männer ist es auch sicher nicht so prickelnd, aber nachdem ich Monatelang nur J.A. Romane gelesen habe, hat sich mein Schreibstil automatisch ein wenig dem altertümlichen Stil angepasst, und auch fand ich neuere Bücher plötzlich viel zu einfach & platt.  ;)
Ich möchte allerdings noch erwähnen, dass auch rein gar nichts gegen gut geschriebene Bücher steht, die man in normalem Sprachstil verfasst. Auch das kann durchaus Episch rüberkommen.

Kuddel

Hi ShainaMartel,

es kommt auf die Geschichte an. Ich habe vor kurzem mit einer Lektorin zusammengearbeitet. Ich selbst habe einen Hang zu pathetischen Formulierungen, den musste sie mir erst einmal ausprügeln. Denn die Geschichte beginnt in unserer jetzigen Welt und die Hauptfigur stammt auch aus unserer Zeit. Somit würde ein epischer Stil nicht passen. Wenn du allerdings ein High Fantasy-Buch planst, das in einer Welt spielt, die einer gewissen Norm von Epik folgt, dann solltest du dich mal an Herr der Ringe versuchen. Dann lernst du einiges über Formulierungen, aber auch über das Schwaffeln und wie man 20 Seiten mit der korrekten Nutzung von Pfeifenkraut füllt.  ::)

Ansonsten haben die anderen Recht. Lies so viel du kannst aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts. Der Sprachstil war gehobener und in den meisten Fällen auch schwungvoller.

Liebe Grüße,
Kuddel
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Maran

Zitat von: Kuddel am 28. Januar 2010, 22:00:38
Wenn du allerdings ein High Fantasy-Buch planst, das in einer Welt spielt, die einer gewissen Norm von Epik folgt, dann solltest du dich mal an Herr der Ringe versuchen.

... aber bitte in der alten Übersetzung oder im Original ;)

Das "Silmarillion" hatte bei mir den unangenehmen Nebeneffekt, daß ich in keinem anderen Stil mehr schreiben konnte - und ich arbeitete gerade an einem Sci-Fi-Roman  :-[


Kuddel

Zitat von: Maran am 29. Januar 2010, 10:15:07
... aber bitte in der alten Übersetzung oder im Original ;)

Das "Silmarillion" hatte bei mir den unangenehmen Nebeneffekt, daß ich in keinem anderen Stil mehr schreiben konnte - und ich arbeitete gerade an einem Sci-Fi-Roman  :-[

Selbstredend im Original.  ;D
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Rika

Mmm, wenn in Deutsch geschrieben werden will, sollte allerdings auch Deutsch Lesen dazukommen, insofern lohnt es sich bestimmt auch, in die alte Übersetzung reinzugucken, die erinnere ich nämlich als eine der raren, sehr guten Übersetzungen.

(Ich habe inzwischen angefangen mich zu wundern, ob ich denn auf Deutsch Geschichten schreiben könnte (ich wörde "noch" sagen, bloß daß ich ja quasi gerade erst anfange... ) Ich wäre auf jeden Fall gespannt, wie dann mein deutscher Schreibstil so wäre, und ob es dann etwas holperig ist. Ganz so, wie ich auf Englisch schreibe ginge das jedenfalls sicherlich nicht.)

Kati

Rika: Mein englischer Schreibstil ist komplett anders als mein deutscher. Ich finde das irgendwie ein bisschen unheimlich.  ;D

Zur Frage: Glaubt ihr , dass man seinen Stil einfach so umstellen kann? Das man sagt: "Ich möchte jetzt epischer schreiben" und das dann nach einer Zeit auch kann? Ich glaube fast, dass das so nicht geht, schließlich entwickelt sich ein Stil über Jahre.
Was man allerdings sicherlich tun kann, ist mehr auf das Erzählen achten als auf Dialoge und keine Abkürzungen verwenden. (Wie ich es hasse, wenn Charaktere in Büchern "LOL" oder "SOB" sagen. Wenn es nicht im Dialog vorkommt, werde ich ja schon nervös, wenn da anstatt "herunter" einfach nur "runter" steht.  ;))

LG,

Kati

Churke

Zitat von: Kati am 29. Januar 2010, 15:26:24
Rika: Mein englischer Schreibstil ist komplett anders als mein deutscher. Ich finde das irgendwie ein bisschen unheimlich.  ;D
Ich nicht. Du solltest dir eher Sorgen machen, wenn du die selben Dinge auf die gleiche Weise ausdrücken wolltest. (Der Klassiker: "You must... because...")

ZitatZur Frage: Glaubt ihr , dass man seinen Stil einfach so umstellen kann? Das man sagt: "Ich möchte jetzt epischer schreiben" und das dann nach einer Zeit auch kann? Ich glaube fast, dass das so nicht geht, schließlich entwickelt sich ein Stil über Jahre.

Ich für meinen Teil habe mehrere Stile auf Lager. Wortgewaltiges Geschwafel gehört nicht dazu. Ich kann damit nichts anfangen. Trotzdem wäre es mit entsprechendem Aufwand sicherlich möglich, mir das anzueignen. Die römischen Rhetorikschulen hatten auch das Lernziel, so zu reden/schreiben/diktieren wie Cicero. Warum also nicht? Weil ich darauf keinen Bock habe und nicht mal dafür bezahlt werde. Aber möglich ist es sicherlich.

ZitatWenn es nicht im Dialog vorkommt, werde ich ja schon nervös, wenn da anstatt "herunter" einfach nur "runter" steht.

Er holte sich einen herunter klingt nun mal irgendwie blöd.  ???

Anamalya

Zitat von: Kati am 29. Januar 2010, 15:26:24
Zur Frage: Glaubt ihr , dass man seinen Stil einfach so umstellen kann? Das man sagt: "Ich möchte jetzt epischer schreiben" und das dann nach einer Zeit auch kann? Ich glaube fast, dass das so nicht geht, schließlich entwickelt sich ein Stil über Jahre.

Ich denke, dass das möglich ist. Seit ich in einer Schreibwerkstatt bin, habe ich begonnen sprachlich ein wenig zu experimentieren und mit mehr Bildern zu schreiben. Natürlich muss man in einen neuen Stil erst reinkommen, aber ich glaube, man kann sich schnell daran gewöhnen. Und natürlich zeigt sich jahrelange Übung deutlich und am Anfang muss man sich selbst immer erinnern "eigentlich wollte ich ja so und so schreiben", aber mit der Zeit müsste das funktionieren. Man muss wahrscheinlich vorher wirklich einiges lesen, damit man auch den passenden Wortschatz hat, aber mit der Zeit entwickelt wahrscheinlich ohnehin jeder seinen eigenen Stil.

Kati

ZitatEr holte sich einen herunter klingt nun mal irgendwie blöd. 

Das meinte ich so auch nicht.  ;D Ich meinte Sachen wie: "Sie holte die Flasche vom Regal runter, brachte sie rüber zum Tisch und guckte dann drunter." Sowas mag ich gar nicht, aber das ist Geschmackssache.  :)

Ich persönliche habe noch nicht probiert meinen Stil umzustellen, ich hatte bloß gedacht, dass es mir schwerfallen würde einen ganzen Roman lang in einem anderen Stil auszuhalten. Ich würde sicherlich in meinen alten zurückverfallen. Aber, wenn es geht, ist das ja umso besser.  :vibes: Was Neues zum ausprobieren.

LG,

Kati


Maran

#24
Zitat von: Kati am 29. Januar 2010, 15:26:24
Das man sagt: "Ich möchte jetzt epischer schreiben" und das dann nach einer Zeit auch kann? Ich glaube fast, dass das so nicht geht, schließlich entwickelt sich ein Stil über Jahre.

Ich denke auch, daß es nicht so einfach ist. Sicher nicht unmöglich, aber nicht einfach. Das "Silmarillion" rannte bei mir offene Türen ein. Zum einen tendiere ich zu diesem Stil, zum zweiten war ich auch vorgeschädigt durch die Bibliothek meines Großvaters. Ich meine, als Kind war ich ein absoluter Bücherjunkie - und da las ich eben das, was vorhanden war. Altdeutsche Schrift? Wo ist das Problem? Da bin ich reingewachsen  ;D. Himmel, ich habe im Grundschulalter Marlitt gelesen ... Und ich fand "Das Geheimnis der alten Mamsell" wirklich toll.

Rika

Zitat von: Kati am 29. Januar 2010, 15:26:24
Rika: Mein englischer Schreibstil ist komplett anders als mein deutscher. Ich finde das irgendwie ein bisschen unheimlich.  ;D
Hm, unheimlich finde ich es nicht, aber spannend. Hm... <neugierig> du hättest nicht zufällig irgendwo Leseproben, oder...?
Und würdest du deine Sprachgewandheit in beiden Sprachen als relativ gleich empfinden, oder eher unterschiedlich gut (welche besser?) Hm. Vielleicht sollte ich dir lieber PMen... damit es nicht ganz vom Thema abgleitet - in welcher Sprache schreibst du denn eher "epischer"?

Kati

Ich würde sagen, mein englischer Stil ist schon "epischer". Lustigerweise klappt es im Englischen auch mit dem aus der dritten Person schreiben.  :) Ich schicke dir mal kurz eine PM, okay?

LG,

Kati

Rika

Lustig - mir liegt das Englische glaube ich gerade deshalb so gut, weil ich mich informell wohler fühle... PN - gern, jederzeit. :)

Joscha

Zitat von: Kati am 29. Januar 2010, 15:26:24
Zur Frage: Glaubt ihr , dass man seinen Stil einfach so umstellen kann? Das man sagt: "Ich möchte jetzt epischer schreiben" und das dann nach einer Zeit auch kann? Ich glaube fast, dass das so nicht geht, schließlich entwickelt sich ein Stil über Jahre.

Also ich habe die Erfahrung gemacht, dass das sehr leicht geht - solange man einen Vorlagetext im entsprechenden Stil hat, auf den man sich beziehen kann. Ich merke das vor allem im Deutschunterricht. Wenn es um einen Sach- oder Interpretationstext geht, bilde ich automatisch längere Sätze, fülle Fremdwörter ein und gestalte meinen Stil allgemein komplexer. Habe ich einen Brecht-Text vor mir, den ich "gestaltend interpretieren" soll, passe ich mich unterbewusst an dessen Stil an. Ich will nicht sagen, dass ich ihn imitiere, aber mir persönlich fällt schon ein deutlicher Unterschied zu meinem "normalen" Schreibstil ins Auge. Das merkt man ja sogar schon, wenn man zur Abwechslung mal eher etwas lustiges, komödiantes versucht: Der Stil wird automatisch weniger dramatisch, pointierter etc.

Das habe ich auch gemerkt, als ich einmal für eine Szene einen Auszug aus der heiligen Schrift einer erfundenen Religion benötigt habe: Ich habe mir die ersten Seiten der Bibel aufmerksam durchgelesen und mich relativ gut an deren Stil orientieren können. Natürlich bleiben einige grundliegende Dinge häufig ähnlich oder gar gleich, aber in einem relativ weiten Rahmen kann man den eigenen Stil gut variieren.

Grüße
Joscha

Sprotte

Ich denke auch, daß man sich umstellen kann, wenn man möchte.

Ein Beispiel aus meinem Englisch-Unterricht. Ich las damals bevorzugt Stephen King im Original. Dementsprechend formulierte ich meine Klausurtexte.
Dann lasen wir Shakespeare, und mein Lehrer informierte mich hämisch grinsend, daß ich eine Klausur zum Thema Macbeth nicht mit meinem schludrigen King-Amerikanisch schreiben dürfe.
Na warte, sagte ich mir und las die Wochen vor der Klausur nur noch Edgar Allan Poe. Danach haßte mein Englischlehrer mich  ;D