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Plots: Abseits von Gut gegen Böse

Begonnen von maggi, 03. Juli 2009, 20:58:24

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Lucien

Hm, ein interessantes Thema, da schreib ich doch auch noch was zu  ;D

Ich experimentiere da zurzeit noch mit. In meinem älteren Werk habe ich schon versucht, diese klassische Schwarzweißmalerei zu umgehen. Dennoch halte ich persönlich es für wichtig, dass es einen eindeutigen Feind, eben "das Böse", gibt, zumindest wenn es sich um die typische "Bedrohung der Welt" geht. Deshalb gibt es bei mir eine wirklich abgrundtief böse Person und es gibt "die Guten". In diesem Fall ein frisch gegründeter Orden, an dessen Spitze aber ein äußerst verzweifelter und unzufriedener Fürst steht, der sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlt. Durch all den Druck wird er vorübergehend zu dem, was man ein typisches - verzeiht mir die Ausdrucksweise - Arschloch nennt, weil er sich halt nicht anders zu helfen weiß als mit rumstänkern, Frust ersäufen etc. Und das "böse" Volk, welches der ultimativ bösen Person folgt, ist eigentlich auch ganz nett, aber einfach nur misstrauisch gegen andere Völker und leicht zu beeinflussen.

Ich hoffe, dass mir dieser Mix aus Schwarzweißmalerei und "irgendwie doch nicht" gelingt. Um nun auf das "Abseits" zu kommen:
Meine Geschichte endet nicht mit dem Sieg über den Feind, welcher in der Ermordung der bösen Person durch ihren eigenen, bekehrten Hauptmann zum Ausdruck kommt. Das ist quasi nur die Voraussetzung für etwas Größeres, denn im Grunde geht es darum, dass das magische Gefüge durch vergangene Kriege etc. schrecklich aus dem Gleichgewicht geraten ist und nun wiederhergestellt werden muss. Dabei kommen den Auserwählten noch diverse andere Probleme wie Krankheitswellen und andere Katastrophen in die Quere.

In einer anderen Geschichte gibt es tatsächlich keine wirklich abgrundtief böse Person, sondern nur solche, die eher zur Skrupellosigkeit bereit sind als andere. Der Konflikt dreht sich um ein magisches Amulett, welches verschollen ist und hinter dem mehrere Parteien aus völlig unterschiedlichen Gründen her sind, von denen aber keiner wirklich böse ist.

Von daher denke ich schon, dass sich einiges jenseits von gut und böse auf die Beine stellen lässt.

Liebe Grüße

Jenny

Joscha

Wie wärs mit Böse gegen Böse? Auf diesem Prinzip bauen die meisten meiner Romane auf. Ich achte sehr darauf, dass meine Charaktere durchaus deutlich negative Eigenschaften haben, selbst meine Protagonisten, auf dem Glauben aufbauend, dass es keine "guten" Menschen gibt. Ich behandle prinzipiell Pro- und Antagonisten glecihwertig, mische beiden eine Portion Grausamkeit und Bosheit bei und erfinde für beide Parteien sinnvolle Beweggründe und Erklärungen für ihre negativen Eigenschaften, die sie dem Leser sympathisch machen.

Mit wem mitgefiebert wird, entscheidet sich bei mir erst ganz am Ende des Charakterisierungsprozesses, nämlich bei der Wahl der Perspektive. Wer die hat, wird zweifelsfrei sympathischer, ganz einfach deshalb, weil er die bessere Gelegenheit hat, seine Beweggründe zu erklären und gleichzeitig seine eigene, negative Einstellung gegenüber dem Antagonisten an den Leser weiterzugeben. Das lässt sich auflockern, indem man auch aus der Perspektive des Antagonisten schreibt oder, noch besser, den Protagonisten so übertrieben schlecht von ihm denken zu lassen, dass sich deutlich zeigt, dass es nur seine eigene Sicht der Dinge ist.

Lucien

Aus der Sicht des Bösen ...  :hmmm: Coole Idee!  :jau:

Und wie kriegst du das dann mit den Motiven hin? Reine Konkurrenz wegen etwas? Bei gut und böse ist es ja (meistens) so, dass das Böse das Gute unterjochen und das Gute das Böse vernichten will.
Ich stelle mir das schwierig vor, bei Böse gegen Böse ein plausibles Motiv zu finden. Die beiden müssten ja dann bei etwas Konkurrenten sein oder sich aus irgendwelchen Gründen hassen (und diese Gründe zu finden, ohne in ein Klischee zu fallen, erscheint mir schwierig).

Joscha

#18
Naja, hassen ist ja nicht schwer bei Bösen. Ich hatte zum Beispiel mal einen Roman aus der Sicht eines Massenmörders, der mit seiner Axt durchs Land gezogen ist und Dörfer niedergemetzelt hat, weil er geistig nicht mit der Trauer um seine Geliebte fertig geworden ist (ganz einfach formuliert, ich könnte das jetzt komplexer darstellen, aber das wäre ziemlich ermüdend). Er tötet einfach und ohne Grund. Ihm gegenüber steht eine korrupte Kirche mit großer politischer Macht, die er gegen sich aufgebracht hat, weil er einen Beweis für die Nichtexistenz ihrer Götter hat: Die Kirche will das nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen, weil sie sonst ihre Macht verlieren würde (und ein Gutteil der Oberhäupter seinen Reichtum) und hat ansonsten auch nicht gerade eine reine Weste. Folglich wird versucht, den Killer aus dem Weg zu räumen, der diese aber seinerseits mit einem Attentat beschuldigen und auf diese Weise zerschlagen will, da die Kirche die Schuld am Tod seiner Geliebten trägt. (Ich hoffe, ich habe mich jetzt nicht allzu unverständlich ausgedrückt).

Inspiriert zu dieser Art von Motiven hat mich vor allem Hobbes' Theorie vom Naturzustand (Ethik kann doch ein nützliches Fach sein). Er sagt, dass alle Menschen von sich aus Böse sind und nur vom Staat bzw. der Gesellschaft davon abgehalten werden,  einander an den Gurgel zu gehen. (Er spricht von einem absolutistischen Staat, mMn reicht jedoch allein eine Gesellschaft mit ungeschriebenen sozialen Regeln.) Wenn sich einer nun so oder so nicht um die Gesellschaft schert und der Staat mit seinen Gesetzen keine Kontrolle über ihn hat, wäre er folglich im Quasi-Naturzustand eine böse Person.

Lucien

Ach ja, der gute alte Hobbes. Da war mir Locke dennoch sympatischer. Na ja, das ist OT.

Aber deine Geschichte klingt echt spannend, hab ich sogar verstanden.

Lomax

Tja, den "Tag der Messer" hab ich ja auch gerne flapsig zusammengefasst als "die Bösen gegen die noch Böseren". Und ich habe auch nie ein Problem darin gesehen, zwischen diesen Bösen einen glaubwürdigen Konflikt zu finden. Das ergibt sich irgendwie ganz von selbst ...
  Bei einem Streit unter Bösewichten nimmt jeder kleine Konflikt gleich monströse Formen an ... und bringt damit jeden fiesen Intriganten dazu, gleich eine Gelegenheit zu wittern, den Konflikt zu seinem Vorteil auszunutzen. Wenn man also viele Bösewichte in einen Topf wirft, hat man gleich einen Hexenkessel, in dem jeder jedem an der Kehle hängt. Eigentlich viel besser, als wenn irgendwelche lästigen Gutwichte dazwischen sind, die eine Eskalation bremsen :engel:

Tenryu

In einer meiner Geschichten habe ich neben dem Bösewicht-Motiv noch ein übergeordnetes Thema verwandt: der "Kampf" der Morderne gegen die Tradition. In dieser Welt droht die Wissenschaft und Technik die Magie und somit die alten Strukturen der Magiergilden zu verdrängen. Es gibt in der Geschichte zwar Gute und Böse, aber man kann nicht unterschieden, wer recht hat und unrecht. Ich nehme dem Leser nicht die Entscheidung zwischen Magie und Wissenschaft ab.

Angelus Noctis

Ich finde ja, man kann den Leser auch mit Namen bzw. Beschreibungen der Charaktere auf völlig falsche Fährten locken.
So finde ich zum Beispiel den namen Damian total toll, weil viele Leute ihn sofort mit "Dämon" assoziieren - was natürlich Blödsinn ist. Auch Beschreibungen fürchterlich finsterer Typen :darth:, die dann allerdings auf der Seite des Lichts stehen (und da soll nochmal jemand behaupten, ich wäre pathetisch!! :d'oh: ;D), finde ich klasse.

Lord Zahnstocher

#23
Also eigentlich hat es schon genug Aussagen gegeben, aber trotzdem scheint das Thema Gut gegen Böse am meisten von den Klischees durchgekaut zu werden. Naja was solls...
Also zuallererst sollte kein gut gegen böse ja nicht automatisch kein Konflikt von Charakteren bedeuten, denn ohne sowas kommen gute Bücher nicht aus. Auch wenn der Prota das Wetter oder ahnliches zum Feind hat sollte es auch menschliche Gegner geben, denn ein unbezwingbarer Gegner ist langweilig.
Des Weiteren meinen hier einige, dass sie sich mehr darauf konzentrieren eine Árt Helden mit bösen Facetten zu erschaffen. Das ist zwar schön und gut, aber mal ehrlich, ist euch in den letzen 15 Jahren ein Unterhaltungsmedium mit nur einem einzigen Helden untergekommen, der nur edle und gute Eigenschaften hat. Ich meine das Klischee des Helden ist nicht mehr das des edlen Hercules ohne einen Tropfen Bösen im Körper. Solche Helden sind heute selten. Wohl eher sind solche Leute Protagonisten, deren Ein-Zimmer-Appartement mit chinesischen Nudelpackungen und Papierstößen besudelt sind, die nie rechtzeitig aufwachen und die schnell vom Gequatsche ihrer Freunde genervt sind, weil sie im Klich mit ihrem Freund, ihrer Freundin, Mutter oder ihrem Vermieter sind und deswegen kettnrauchend in Unterwäsche auf dem Balkon stehen. Das ist wohl eher eines der heutigen Heldenklischees.

Soviel dazu, dass ihr euren Helden eine Böse Seite gibt. Wenn ihr dem Genre einen Gefallen tun wollt, dann erschafft doch mal einen durch und durch guten und edlen Helden ohne menschenverachtende Neigungen und Drogensucht. Das wäre heutzutage fast schon revolutionär.
[Meine Meinung zu dem Tema]
lg

Angelus Noctis

Ich glaube, ich habe mich in meinem letzten Post ziemlich dämlich ausgedrückt. Mit der "Beschreibung fürchterlich finsterer Typen" meinte ich tatsächlich nur die Optik. So ist das nämlich bei meinem Helden, zum Beispiel. Er sieht zwar aus, als würde er kleine Kinder frühstücken, doch ansonsten ist er nur gut und opfert sich für die gute Sache.
Insofern hätte ich ja dann das Kriterium eines "revolutionären" Helden, wie Alex es ausdrückt, erfüllt. *lach* ;D

Lavendel

So ähnlich wie in 'Sin City' zum Beispiel? Da waren ja nun wirklich alle fürchterlich finster, die Guten und die Bösen. Am tollsten finde ich da immer noch Marv. Der ist wirklich ein Held nach meinem Geschmack. Hochgradig Wahnsinnig und trotzdem zum Gernhaben ;).

Angelus Noctis

 :innocent: Da muss ich passen. Das kenne ich gar nicht. Aber der Böse sieht bei mir eigentlich nicht so sehr böse aus. ;D

TheaEvanda

Mein Lieblingsbösewicht ist immer ordentlich rasiert, gut angezogen, und von dem Wohl seiner Taten überzeugt. Zusätzlich weiß er guten Wein zu schätzen und ist freundlich zu Kindern, Hunden und Katzen. Dass die Opposition seine Grundphilosophie nicht teilt (ich und nicht der Boss ist Chef von das Ganzem), ist wirklich schade...

Um mal wieder auf die Frage "eine Geschichte ohne echtes Böse" zurückzukommen: Ich empfehle die Homepage von Team Hoyt, einem Vater-Sohn-Team, das an Marathons und Triathlons teilnimmt. Der Haken dabei: Der Sohn ist schwerst behindert, und der Vater trägt/rollt/zieht seinen Sohn über alle Distanzen mit.Sie sind beim Iron Man of Hawaii sogar ins Ziel gekommen.
Auch ein solcher Kampf gegen eine Krankheit oder Behinderung kann wunderbaren Geschichtenstoff abgegen, ohne dass das liebe alte "Gut gegen Böse"-Klischee herhalten muss. Man kann es sogar in die Fantasy portieren. Obwohl die Geschichte "Magier kämpft gegen seine magische Unfähigkeit" bis jetzt eher als Parodie benutzt wurde; kann man es auch dramatisch aufziehen. Der zu besiegende Feind liegt dann halt in der unerwünschten Eigenschaft.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Lucien

Ob man das jetzt eins zu eins mit deinem Magierbeispiel vergleichen kann, weiß ich nicht, aber meine Protagonistin hat als Werwölfin auch genug mit sich selbst zu tun, wenn es darum geht, ihr zweites Ich zu bändigen  ;D Trotzdem würde ich persönlich wohl kaum ein ganzes Buch damit gefüllt kriegen, wenn ich mir spontan ein paar Gedanken darüber mache.
Es gibt ja auch in der Realität nicht nur einen Faktor, der einem zu schaffen macht. Der eigene Körper, feindselige Mitmenschen und das "Schicksal" treten immer irgendwie gemeinsam auf und bilden alle gemeinsam einen abstrakten "Gegner".

@ Alex: "Der Gute" ist bei mir eher eine Gruppe, als Gegenspieler zum Bösen. Und in dieser Gruppe von sehr unterschiedlichen Charakteren ist genug Platz, um alles unterzubringen. Da gibt es bei mir einen Guten, der wirklich so gut ist, dass es schon fast nervt und einen, der wirklich zunehmend unsympatischer wird, je länger man mit diesem "Guten" zu tun hat. Dazwischen sind sämtliche Facetten vertreten. Was sie alle zusammen schweißt ist das Gemeinsame und "gute" Ziel ihrer Mission.

Lomax

Zitat von: Alex am 22. Juli 2009, 00:55:49Wenn ihr dem Genre einen Gefallen tun wollt, dann erschafft doch mal einen durch und durch guten und edlen Helden ohne menschenverachtende Neigungen und Drogensucht. Das wäre heutzutage fast schon revolutionär.
Ich würd mal sagen, dass ist mehr eine Frage der Aufmerksamkeitspsychologie als der tatsächlichen Verteilung. "Nicht so saubere" Helden sind derzeit modern und fallen mehr auf, weshalb es so aussieht, als wären sie allgegenwärtig. Würde man dann aber einen guten, edlen Helden erschaffen ... würde es niemand bemerken, weil diese Art Held auch jetzt immer noch in Massen zu finden ist und ein weitere Held dieser Art auch im 08/15-Strudel versinken würde, zu dem sich der "nicht so saubere Held" erst noch entwickeln muss.

Die Forderung, jetzt saubere Helden zu prägen, weil das innovativer wäre, ist ungefähr genauso angebracht, als hätte man zur Blütezeit der "City Roller" gefordert, zu Fuß zu gehen, um mehr aufzufallen. Klar sind diese komischen Roller damals überall aufgefallen und waren allgegenwärtig - was aber nichts daran ändert, dass die meisten Leute immer noch zu Fuß gegangen sind. Man konnte dann vielleicht nicht mehr besonders hervorstechen, wenn man auch so einen Roller hatte - aber um revolutionär zu sein, hätte es eines noch ausgefalleneren Gefährts bedurft, und nicht der Rückbesinnung auf den Turnschuh.
  Und nur weil wir jetzt schon in der Phase dieser "noch ausgefalleneren Gefährte" sind, übersieht man die vielen Fußgänger auf dem Buchmarkt umso leichter ;D