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Zu starke Nebenfiguren

Begonnen von Alaun, 16. Juni 2009, 09:58:38

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Alaun

Hallo,
in meinem Projekt passiert gerade etwas interessantes: meine Nebenfigur wird plötzlich viel spannender, vielschichtiger und interessanter als meine Protagonistin. Vielleicht liegt es daran, dass sie wesentlich mehr dunkle Seiten besitzt und deshalb vielschichtiger ist?

Ich frage mich eigentlich gerade, weshalb sich jemand für die "langweilige" Nuala interessieren sollte, wenn es doch die viel spannendere Lillith und ihre Geschichte gibt...

Ist euch das auch schon mal passiert? Was tun? Ich schätze mal, ich werde einige Takte mit Nuala über ihre versteckten dunklen Anteile reden müssen, oder?  :hmmm:

Liebe Grüße!
*Alaun

Nachtblick

Oh, das Problem kenne ich nur zu gut. Ich glaube, es liegt auch zu gewissen Teilen daran, dass man seine Hauptfigur dadurch, dass sie eben die Hauptfigur ist, in- und auswendig kennt. Einfach, weil sie sowieso immer präsent ist; ich habe festgestellt, dass meine Lieblingscharaktere allesamt eher Nebencharaktere sind (nicht nur bei meinem Roman, sondern bei fast allen Büchern).

In einem extremen Fall habe ich das Problem gelöst, indem ich dem Antagonisten, der plötzlich eine viel größere Rolle beansprucht hat als vorgesehen, einfach den Gefallen getan habe. Das mag nicht immer hinhauen, aber in dem Fall bin ich zufrieden mit der Entscheidung. Ansonsten setze ich auch gern zu starke Nebencharaktere einfach mal mit der Hauptperson in Konflikt - so zeigen beide Seiten interessante Verhaltensweisen, die sie sonst ja nieee an den Tag gelegt hätten ;D

Zügeln würde ich meine Charaktere nur im Extremfall. Der Leser darf auch ruhig mal die Hauptperson weniger interessant finden - Hauptsache, die restliche Besetzung der Geschichte schmeißt die Show nicht ganz allein ;)

Nox,
Nachtblick

Grey

Ich kann meine Figuren oft gar nicht so genau in Haupt- und Nebenfiguren einteilen. Die uninteressanten Figuren werden sowieso schnell aus der Geschichte gekickt. ;)

Aber es passiert mir sehr oft, dass eine Figur plötzlich versucht, die Handlung an sich zu reißen, ohne dass es vorher so geplant war. Und das sind meistens eben die Figuren, die ich erstmal nur grob als "Platzhalter" eingefügt hatte. Liegt wohl wirklich daran, dass Charaktere, die man noch nicht besonders gut kennt, einen viel besser überraschen können. ;)

Alaun

Hm, das mit der Unterteilung in Haupt-und Nebenfiguren finde ich, ehrlich gesagt, auch immer schwierig. Ich schätze, die Figur, die sich da gerade so vehement interessant zeigt, will mir damit sagen, dass sie mehr als eine Nebenfigur ist...

Romy

Für mich sind Hauptfiguren = Perspektiventräger. Jeder der kein Perspektiventräger ist, ist also eine Nebenfigur. Da gibt's dann noch die Unterscheidung in "wichtige" Nebenfigur und "normale" Nebenfigur und vielleicht noch Randfigur.  :)
Als "wichtige" Nebenfigur würde ich jemanden definieren, der halt kein Perspektiventräger ist, der aber dennoch sehr wichtig ist für die Geschichte. Das wäre in den meisten Fällen der/die Anta und auch solche Leute, wie der beste Kumpel der Hauptfigur etc.

Das eine Nebenfigur sich in den Vordergrund drängt, kenne ich auch ziemlich gut. Erst rücken sie zur wichtigen Nebenfigur auf und übernehmen ganz entscheidende Handlungen, die man ihnen nie zugetraut hätte. Und in der Romanfortsetzung kriegen sie dann auch eine Hauptrolle und dürfen Perspektiventräger sein.  ;D Meistens zumindest, aber mir fällt da spontan ein Fall ein, wo ich mich bisher kategorisch gegen gewehrt habe, weil besagte wichtige Nebenfigur einen viel geheimnisvolleren Eindruck macht, wenn der Leser eben nicht in seinen Kopf gucken kann ... und ich bin selbst auch gar nicht sooo sicher, was in seinem hübschen Köpfchen vorgeht.  ::)

Ich denke auch mal, wenn die Hauptfigur plötzlich langweilig erscheint, dann vor allem deshalb, weil man die als Autor ja auch in und auswendig kennt. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass auch der Leser die Hauptfigur langweilig finden wird.

Jara

Ich denke, es kann durchaus Vorteile haben, wenn eine Nebenfigur sich von ihrer stärksten Seite zeigt.
Darin steckt viel Potential, weil du noch einen starken Charakter mehr hast, den du in den Plot einbinden und so gut wie möglich in Szene setzen kannst.
Vor allem stellt so jemand aber eine Herausforderung für deinen Protagonisten dar. Ob dieser nun mit deiner vorherigen Nebenfigur aneinandergerät oder deren Stärken gekonnt für die Situation nutzt sagt auch sehr viel über deinen treibenden Charakter aus.
Wenn es aber nicht nur allein daran liegt, dass sie Nebenfigur spannender ist als gedacht, sondern vor allem daran, dass dein Prota zu blass daneben aussieht, solltest du etwas dagegen tun. Dein Prota muss ja nicht plötzlich auch solche dunklen Seiten wie die Nebenfigur bekommen um interessant zu werden. Meist musst nur du als Autor seine Stärken und Besonderheiten, wegen denen er ja überhaupt erst Prota ist, besser in Szene setzen oder ihn von einer anderen, neuen Seite beleuchten.

Grey

@Romy
Das ist ein interessanter Ansatz. Aber ich bin da manchmal nicht so konsequent. Nach dieser Einteilung wäre Kris bei mir im ersten Teil eine Nebenfigur, im zweiten eine Hauptfigur, und im dritten wieder eine Nebenfigur. Und das alles aus dramaturgischen Gründen. ::)

Romy

Zitat von: Grey am 17. Juni 2009, 14:04:35
@Romy
Das ist ein interessanter Ansatz. Aber ich bin da manchmal nicht so konsequent. Nach dieser Einteilung wäre Kris bei mir im ersten Teil eine Nebenfigur, im zweiten eine Hauptfigur, und im dritten wieder eine Nebenfigur. Und das alles aus dramaturgischen Gründen. ::)

Nee, diese Einteilung mache ich ja auch eher nach Gefühl, das ergibt sich halt so. Ein offizielles Ranking habe ich nicht für meine Figuren (vielleicht sollte ich das mal machen, dann tun sie vielleicht eher, was ich will  :hmmm: ), von Konsequenz kann jedenfalls keine Rede sein.  ;)

Grey

Zitat von: Romilly am 17. Juni 2009, 14:07:55
(vielleicht sollte ich das mal machen, dann tun sie vielleicht eher, was ich will  :hmmm: )

Öh ... und wovon träumst du Nachts? ;D

Vali

Oh, dieses Problem mit sich vordrängelnden Nebenfiguren hatte ich vor kurzem auch. Es bedeutete jetzt das Aus für meinen Prota und den kometenhaften Aufstieg einer Nebenfigur, die in der Vergangenheit immer mehr Szenen für sich einheimste. Einerseits bin ich froh ein Problem losgeworden zu sein, andererseits stimmt es mich traurig, dass ich meine wichtigste Figur nach zahlreichen Rettungsversuchen fallen gelassen habe. Er ist komplett aus der Geschichte rausgeflogen.
Ich saß an einem fertig geplotteten Dreiteiler, den ich zu meinen Teeniezeiten geschrieben hatte. Weil ich die Geschichte zu kindisch und klischeebeladen fand, gab es zahlreiche, teils sehr extreme Plotänderungen. Unter anderem ist der Dreiteiler in drei Einteiler zerbrochen. Das hatte das langsame Ende meines Protas bedeutet. Weil er in der Ursprungsgeschichte zu mächtig und stark war, habe ich ihm einige Besonderheiten weggenommen und seine Fähigkeiten eingeschränkt. Ich fürchte, dass ich ihn zu sehr beschnitten hatte, dass er mir zu blass wurde.  Ich versuchte ihn zu retten indem ich diese ausführlichen Charakterfragebögen ausfüllte, ihm eine interessante Vorgeschichte verpasste und so auf ein mögliches Motiv für ihn gekommen bin. Allerdings zog die Handlung und insgesamt sogar die ganze Welt so an ihm vorbei, er passte einfach nicht mehr dazu. Ich bemerkte auch, dass mein Prota zur Deus ex machina wurde. Wo ein Problem ist, ist er, der Retter in der Not. Oder die Nebenfiguren waren zu stark, dass sie sich auch ohne meinen Prota aus der Situation manovrieren könnten.

Ich finds echt schade. Wie könnte man sowas vorbeugen? Wie muss ein Protagonist sein, dass er sich hält? Wie darf eine Nebenfigur nicht sein, dass sie sich vordrängelt?

*in die Ecke geh und meinen gefallenen Prota tröste*

Schelmin

Ich finde starke Nebenfiguren nicht schlimm. Es ist oft so, dass mir in Büchern die Nebenfiguren weit besser gefallen, als die Hauptcharaktere, oder dass ich sie zumindest als gleich stark und gleich wichtig empfinde.
Manchmal ist es sogar so, daß eine Randfigur eine Geschichte retten kann, die ohne sie schlecht oder langweilig gewesen wäre.







Lavina

#11
Dieses "Problem" kenne ich auch. In meiner Geschichte tauchte dieser Charakter plötzlich auf (ich wusste nicht einmal, dass er existiert) und drängte sich innerhalb eines Kapitels so stark in die Geschichte, dass ich im Moment daran denke, ihn als Hauptfigur zu nehmen. Manchmal wollen uns diese Figuren einfach nicht mehr in Ruhe lassen, bis sie ihren richtigen Platz in der Geschichte gefunden haben (was nicht heißt, dass sie automatisch zur Hauptfigur werden). Es reicht vielleicht schon, wenn man mehr auf den Charakter eingeht und ihm eine etwas größere Rolle zugesteht, ihn dem Leser besser vorstellt und mehr über dessen Leben und Handeln erzählt. Einfach mehr in die Geschichte einbauen.

Zitat von: Schelmin am 18. Juni 2009, 12:28:51
Ich finde starke Nebenfiguren nicht schlimm. Es ist oft so, dass mir in Büchern die Nebenfiguren weit besser gefallen, als die Hauptcharaktere, oder dass ich sie zumindest als gleich stark und gleich wichtig empfinde.
Manchmal ist es sogar so, dass eine Randfigur eine Geschichte retten kann, die ohne sie schlecht oder langweilig gewesen wäre.

Dem kann ich nur zustimmen! :jau:

maggi

Also ich hatte früher oft das Problem, dass die Hauptperson der Geschichte eine Art Platzhalter war. Ein Instrument um den leser die Geschichte miterleben zu lassen.
Aber alleine die Postion als Hauptcharakter macht eine Figur natürlich noch nicht interessant für den Leser.
Da ich aber normalerweise immer die Figuren vor dem Plot habe, suche ich jetzt einfach die Person die mir am besten gefällt und mache die zum Helden der Geschichte.

Ich finde übrigens das das Problem in vielen beliebten Büchern auftaucht. Da fällt mir zum Beispiel harry Potter ein, der von zwei dutzend coolen, interessanten Freunden umgeben ist, er selbst aber... naja er ist eben das Waisenkind. Oder Frodo. Aragorn, Gimli, Gandalf. Alles Helden. Aber die Hauptperson ist der naive Hobbit.
Kann natürlich sein, dass es Menschen gibt die das mögen, aber ich lese lieber über starke Helden anstatt über unerfahrene Jünglinge/Mädels mit toughen Freunden.

Elle

die heutigen hauptpersonen in einer meiner geschichten haben als völlig unwichtige nebencharas angefangen :D und ohne es zu merken hab ich mich plötzlich immer mehr auf sie konzentriert. aber das war noch während der planungsphase - ich schreibe die geschichte jetzt also von anfang an um sie herum. wenn das aber während dem schreiben passiert, sprich man mit einer hauptperson anfängt und die dann plötzlich aus dem scheinwerferlicht rückt und ne neue reinkommt, ist das für den leser doch eher verwirrend...

ich hab in der schule (englishcunterricht ^^) mal einer gute einteilung nach haupt- und nebenfigur gelernt. im englischen spricht man von "round characters" und "flat characters". "runde" figuren sind hauptfiguren, sie sind ausgearbeitet und haben feiner definierte charakterzüge. ein "flacher" nebenchara dagegen lässt sich in wenigen sätzen definieren und geht z.b. auch im verlauf der geschichte keine veränderung durch, was hauptfiguren aber tun sollten. wenn man das berücksichtigt lässt es sich meiner meinung nach ganz gut einteilen.

@ maggi: das mit harry potter ist mir auch aufgefallen. deshalb hab ich irgendwann aufgehört die bücher zu lesen - weil mir die hauptperson dann dermaßen fremd und unsympathisch war, dass es kaum noch auszuhalten war... =(

Ryadne

Auch mir passiert es häufig, dass eine Nebenfigur, die ich als vergleichsweise unwichtig eingestuft habe, in der Figurenhierarchie einige Plätze hinter sich lässt - sei es, weil sie mir so sympathisch ist, ich sie aus anderen Gründen interessant finde oder sich ihre Rolle gut für die Lösung eines Plotlochs eignet. Einmal ist aus einer solchen Nebenfigur sogar eine Hauptfigur geworden und rückblickend kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie die Erstversion eigentlich ohne sie auskam.
Zudem finde ich meine Lieblinge auch häufig unter den Nebenfiguren, sowohl in meinen Geschichten als auch in denen anderer Autoren. Ich könnte mir vorstellen, dass man gerade bei einer personalen Erzählweise vielleicht schon wieder zu viel von den Hauptfiguren erfährt und die Nebenfiguren durch die im Grunde ja einseitige Sicht des Protagonisten auf diese so sympathisch werden. Obwohl das eigentlich meiner Theorie widerspricht, dass vielschichtige Figuren interessanter sind.  :hmmm:

Ein bekanntes Parade-Beispiel, bei dem eine Nebenfigur die Herzen der Leserschaft so sehr erobert hat, dass sie in Folgebänden zur Hauptfigur avanciert ist, soll ja Drizzt Do'Urden aus den Forgotten Realms-Romanen sein. Anfangs war er nur der Schwertkumpel von Bruenor, im Verlaufe der Reihe ist der Fokus dann aber klar zu ihm hin gewandert.
In einem Interview meinte Wolfgang Hohlbein auch mal, dass es ihm bei Abu Dun aus Die Chronik der Unsterblichen ähnlich ergangen sei. Ursprünglich sollte der wohl nur als tragisches Kanonenfutter herhalten, aber dann kam die Andrej/Abu Dun-Kombi so gut an, dass er als Hauptfigur bleiben durfte. Und ehrlich, ohne Abu Dun würde die Chronik doch auch schon lange (oder noch länger  :P) nicht mehr funktionieren...