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Namensnennung vs. Er, Sie, Es etc.

Begonnen von Roede Baer, 22. August 2008, 01:04:30

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Roede Baer

Und schon wieder eine neue Frage. Langsam wird mir das ja selbst ein bisschen peinlich...

Es geht um das Thema der Charakterbezeichnung, genaugenommen darum, wann bzw. wie häufig man eine Figur mit ihrem Namen beschreibt, und wann bzw. wie häufig man die Nennung bei einem "er" oder "sie" belässt.

Ich habe das bisher immer nach Gefühl gemacht. Also bei der ersten Nennung mit Namen, dann in den nächsten paar Sätzen auf Er und Sie zurückgegriffen, bis ich empfand, dann nun doch mal wieder der Name angebracht wäre. Spätestens, wenn eine weitere Figur dazukommt, greife ich zunächst wieder auf den Namen zurück und benutze anschließend wieder Er und Sie, bis der zweite Charakter handlungsmäßig "dazwischenfunkt".

Kleines Beispiel:

Elvyan musste unwillkürlich Lächeln. Der lange Strohhalm, auf dem sie herum gekaut hatte, glitt ihr aus dem Mund und fiel auf den weichen Erdboden, auf dem sie sich lang ausgestreckt und verträumt die Wolken am Himmel beobachtet hatte. Müde reckte sie ihre langen Beine und genoss das Kribbeln der warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Wohlig schloss sie die Augen.
,,Mama?" Elvyan öffnete widerwillig ein Auge und blinzelte direkt in die warme Herbstsonne.
,,Maamaa!" Sie wandte den Blick. Einige Schritte entfernt kam ihre beinahe zehnjährige Tochter mit hochrotem Gesicht den Hügel hinaufgeklettert, auf dem Elvyan beinahe den gesamten Vormittag müßig verbummelt hatte. Seufzend stützte sie die Ellenbogen auf und erhob sich. Ihre Ruhe schien vorerst vorbei.


Gibt es hierfür eventuell sogar eine Regel, wie oft bzw. wann man die Figur bei ihrem Namen nennt und wann ein schlichtes "sie" ausreicht?


Ratlose Grüße
Roede

Artemis

#1
Zitat von: Roede Baer am 22. August 2008, 01:04:30
Gibt es hierfür eventuell sogar eine Regel, wie oft bzw. wann man die Figur bei ihrem Namen nennt und wann ein schlichtes "sie" ausreicht?

Regeln gibts da wohl nicht - das muss man ins Gefühl kriegen.
Die Nennung des Namens ist spätestens dann angebracht, wenn aus dem Text nicht mehr klar zu erkennen ist, wer gerade handelt. Besonders häufig ist das der Fall, wenn man eine größere Gruppe in der Szene hat. Da kommt man um die Namensnennung nicht herum. Nur wenn man zB in Diskussionen eine Figur hat, die man durch einen besonderen Sprachstil oder Sprechfehler erkennt, könnte man durchaus auf den Namen verzichten.

Bei einer Mann-Frau-Kombi könnte man sogar so weit gehen und die Namen in manchen Szenen komplett weglassen - das "er" und "sie" weisen da eindeutig darauf hin, wer gerade gemeint ist.

Auch bei Gesprächen zwischen zwei Personen sind Namen nicht immer notwendig - sie bremsen oftmals sogar das Tempo, da bei solchen Zwiegesprächen immer abgewechselt wird und bei raschen verbalen Schlagwechseln die Argumente dicht an dicht geflogen kommen.


Ich kenne Bücher, in denen auf Wörtchen wie "sie" und "er" komplett verzichtet wurde, und sie lesen sich ganz grauenhaft. Wenn der Name des Protas in jedem Satz vorkommt, wird es mit der Zeit nur noch lästig, weil man glaubt, der Autor halte einen für zu blöd, die gerade agierende Person zu erkennen  :nöö:


Um noch kurz auf dein Textbeispiel zurückzukommen:
Zitat
,,Mama?" Elvyan öffnete widerwillig ein Auge und blinzelte direkt in die warme Herbstsonne.
,,Maamaa!" Sie wandte den Blick.

Das liest sich merkwürdig. Normal nehme ich immer an, dass das Gesprochene von der Person stammt, die im direkt daran anschließenden Satz erwähnt wird. In deinem Fall klingt das also für mich, als würde dieses "Mama" von Elvyan stammen, nicht von ihrer Tochter.

Zitat
,,Mama?"
Elvyan öffnete widerwillig ein Auge und blinzelte direkt in die warme Herbstsonne.
,,Maamaa!"
Sie wandte den Blick.

So würde ich eher begreifen, dass das "Mama!" aus dem Hintergrund kommt - immerhin muss die Protagonistin auch erst einmal erkennen, wer da überhaupt spricht  ;)

Lavendel

Zitat von: Artemis am 22. August 2008, 07:44:28
Die Nennung des Namens ist spätestens dann angebracht, wenn aus dem Text nicht mehr klar zu erkennen ist, wer gerade handelt.

Richtig. Nur fällt einem das manchmal erst nach einer Weile auf, weil der eigene Kopf ja weiß, auf wen sich das Pronomen bezieht. Besonders witzig ist es, wenn Bezugsfehler zu Gegenständen auftreten.

"Melchior starrte in den Topf. Er kochte vor Wut."

Ja, das kann man jetzt so und so lesen ;).

Roede Baer

#3
Zitat von: Artemis am 22. August 2008, 07:44:28
Um noch kurz auf dein Textbeispiel zurückzukommen:

Zitat,,Mama?" Elvyan öffnete widerwillig ein Auge und blinzelte direkt in die warme Herbstsonne.
,,Maamaa!" Sie wandte den Blick.

Das liest sich merkwürdig. Normal nehme ich immer an, dass das Gesprochene von der Person stammt, die im direkt daran anschließenden Satz erwähnt wird. In deinem Fall klingt das also für mich, als würde dieses "Mama" von Elvyan stammen, nicht von ihrer Tochter.

Zitat,,Mama?"
Elvyan öffnete widerwillig ein Auge und blinzelte direkt in die warme Herbstsonne.
,,Maamaa!"
Sie wandte den Blick.

So würde ich eher begreifen, dass das "Mama!" aus dem Hintergrund kommt - immerhin muss die Protagonistin auch erst einmal erkennen, wer da überhaupt spricht  ;)

Wahh, da hast Du natürlich vollkommen recht! Peinlicher Patzer meinerseits :pfanne:

Obwohl... Ich habe eben gleich mal einige Romane durchgeblättert, um mir das mal bei anderen Schreiberlingen anzuschauen und habe festgestellt, dass es hier wohl keine allgemeingültige Norm gibt. Tatsächlich habe ich zwei Werke gefunden, in denen der gleiche Patzer vorkommt, wie ich ihn eben verbrochen habe.

Da drängt sich mir doch schon die nächste Frage auf: Gibt es hierfür eine Art Faustregel? Beispielsweise nie zwei verschiedene Personen im gleichen Absatz sprechen zu lassen? Oder die Handlung einer anderen Person im gleichen Absatz mit wörtlicher Rede nur dann zu bringen, wenn explizit der Name genannt wird?

Beispiel:

Susanne und Peter starrten sich lange in die Augen. Endlich erhob sie die Stimme. "Ich werde dich noch heute verlassen!" Er blinzelte kurz und nickte dann trocken. "Das wird wohl das Beste sein."
"Wie, Du lässt mich einfach so ziehen?"


oder

Susanne und Peter starrten sich lange in die Augen. Endlich erhob sie die Stimme. "Ich werde dich noch heute verlassen!" Peter blinzelte kurz und nickte dann trocken.
"Das wird wohl das Beste sein."
"Wie, Du lässt mich einfach so ziehen!"


oder konsequenter

Susanne und Peter starrten sich lange in die Augen. Endlich erhob sie die Stimme.
"Ich werde dich noch heute verlassen!"
Peter blinzelte kurz und nickte dann trocken.
"Das wird wohl das Beste sein."
"Wie, Du lässt mich einfach so ziehen?"


Hach, Fragen über Fragen...

caity

#4
Das hat jetzt aber nicht mehr viel mit deiner eigentlichen Frage zu tun ;)

Richtige Absätze:
– wenn der Sprecher wechselt
– wenn die Perspektive wechselt
– vor und nach Rückblenden
– wenn eine Beschreibung endet und die Handlung einsetzt
– wenn eine neue Person die Bühne betritt

Edit: Sorry, zu früh auf absenden gedrückt, das kommt davon, wenn man nebenher telefoniert.
In deinem speziellen Fall:
Susanne und Peter starrten sich lange in die Augen. Endlich erhob sie die Stimme. "Ich werde dich noch heute verlassen!"
Peter blinzelte kurz und nickte dann trocken. "Das wird wohl das Beste sein."
"Wie, Du lässt mich einfach so ziehen?"


Zu deiner eigentlichen Frage:
Dafür gibt es keine Regel. Was ich auch gerne mache, ist am Anfang einer Szene keine Namen zu nennen und den Leser anhand der Eindrücke, der Sprache und dem Verhalten einer PErson diese zu erkennen - oder kennen zu lernen. Denn das kann durch den Namen schon verfälscht werden ;)
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Roede Baer

Zitat von: caity am 22. August 2008, 10:17:32
Das hat jetzt aber nicht mehr viel mit deiner eigentlichen Frage zu tun ;)
Ich weiß... Ich muss immer höllisch aufpassen, dass ich nicht vom Hundertsten ins Tausendste komme  :-X
Aber danke, für Deine Antwort, das hilft mir schon viel weiter. Vielleicht sollte ich doch mal einen Kurs für kreatives Schreiben besuchen, dann muss ich Euch nicht mehr so viele Löcher in den Bauch fragen. Ist mir ja schon langsam peinlich.


Erleuchtete Grüße  :winke:
Roede

caity

Ich habe nie einen solchen Kurs besucht, sondern alles von anderen Menschen gelernt, die so hilfsbereit waren wie die Tintenzirkler hier. Aber  :psssst: - jetzt kommen wir arg vom Thema ab. Wenn du willst kann ich dir mal ein paar Dokumente schicken, meine gesammelten Tipps und Tricks ^^" Schick mir dazu am besten eine PN
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Julia

Zitat von: Roede Baer am 22. August 2008, 01:04:30
Ich habe das bisher immer nach Gefühl gemacht. Also bei der ersten Nennung mit Namen, dann in den nächsten paar Sätzen auf Er und Sie zurückgegriffen, bis ich empfand, dann nun doch mal wieder der Name angebracht wäre. Spätestens, wenn eine weitere Figur dazukommt, greife ich zunächst wieder auf den Namen zurück und benutze anschließend wieder Er und Sie, bis der zweite Charakter handlungsmäßig "dazwischenfunkt".

So mache ich es auch (eine "Regel" kenne ich dafür übrigens auch nicht - es muss sich einfach schön flüssig lesen lassen).
Was mir bei Deinem ersten  Beispiel aber vor allem auffällt: nach meinem Empfinden tauchen in diesem ganzen Abschnitt relativ viele Personalpronomen auf. Vermutlich läßt sich das darauf zurückführen, dass Du ziemlich viele Detail beschreibst und das Verhältnis / die Positon des Protas dazu. Würde man dass Eine oder Andere zusammennehmen, könnten auch einige Personalpronomen wegfallen (ein paar Adjektive habe ich jetzt ebenfalls mal rausgenommen):

Elvyan musste lächeln. Der Strohhalm, auf dem sie herumgekaut hatte, glitt aus ihrem Mund und fiel auf den weichen Erdboden, auf dem sie lang ausgestreckt lag und die Wolken beobachtete. Müde reckte sie ihre Beine, schloss wohlig die Augen und genoss das Kribbeln der warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut.
,,Mama?"
Elvyan öffnete widerwillig ein Auge und blinzelte in die warme Herbstsonne.
,,Maamaa!"
Sie wandte den Blick. Einige Schritte entfernt kam ihre neunjährige Tochter mit hochrotem Gesicht den Hügel hinaufgeklettert, auf dem Elvyan beinahe den gesamten Vormittag verbummelt hatte. Seufzend stützte sie die Ellenbogen auf und erhob sich. Mit der Ruhe war es vorerst vorbei.


Wäre das vielleicht eine Anregung?

Liebe Grüße,

Julia

Roede Baer

#8
Caity, das wäre wirklich klasse. Ich werde Dir gleich mal eine PN schicken. Genau so eine Sammlung von Tipps & Tricks versuche ich mir nämlich gerade selbst zu erstellen ;)

@Julia: Menno! Das klingt gleich viel besser und liest sich auch viel flüssiger als mein ursprünglicher Text. :o
Wenn Du sowas nochmal machst, schicke ich Dir zur Strafe meine komplette Kurzgeschichte zwecks Überarbeitung zu!  :vibes:


Neidische, aber hochgradig inspirierte Grüße
Roede

Julia

@ Roede Baer: Keine Sorge, dass lernt sich mit der Zeit (ich habe dabei auch ganz viel Hilfe bekommen und bekomme sie immer noch  ;) - schön, dass es den Tintenzirkel gibt ); außerdem fällt einem das Überarbeiten sowieso immer leichter, wenn es sich nicht um die eigene Geschichte handelt.

Auf die Kurzgeschichte kannst Du übrigens gern noch mal zurückkommen - obwohl ich selbst noch lange nicht ausgelernt habe (was das Überarbeiten betrifft), würde ich sie gern einmal lesen. Allerdings müsste ich das noch ein wenig in die Zukunft schieben, da ich im Moment meinen eigenen Roman erst fertig überarbeiten muss (zum zehnten oder elften Mal - mir fällt das leider auch nicht zu ... *seufz*).

Liebe Grüße,

Julia

Melchior

Natürlich ist es in erster Linie wichtig, dass es zu keinen Verwechslungen kommt, gerade bei der wörtlichen Rede. Das kann den Lesefluss meines Erachtens nach wesentlich mehr stören als eine Namensnennung zu viel. Allerdings empfinde ich mich bei einem personalen Erzähler durch die Namensnennung oft »aus dem Inneren des Charakters in die Außenwelt gerissen«. Das er bzw. sie vermittelt oft eine größere Nähe zum Protagonisten.

@Julia: Du hast es dir aber nicht nehmen lassen, die Tochter um ein Jahr zu verjüngen  ;D.

@Lavendel:
Zitat"Melchior starrte in den Topf. Er kochte vor Wut."
Was finde ich denn an dem Topf so toll? Das würde mich einmal interessieren  :hmmm:

Julia

Zitat von: Melchior am 22. August 2008, 21:06:58
@Julia: Du hast es dir aber nicht nehmen lassen, die Tochter um ein Jahr zu verjüngen  ;D.

;D Nö! Die Tochter ist "beinah zehn". Das das Wort "beinah" im nächsten Satz aber noch einmal auftaucht, habe ich mir erlaubt, ein wenig krativ zu sein ...  ;)

Liebe Grüße,

Julia