• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Blicken, gucken, schauen, starren

Begonnen von Falckensteyn, 10. Juli 2008, 10:45:50

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Falckensteyn

Hallo zusammen

Wieder mal was von mir: Eure Meinungen interessieren mich mal wieder brennend.

Oft blicken sich meine Charaktere gegenseitig an, das kennt Ihr bestimmt. Aber ich kann nicht immerzu nur das Verb "blicken" verwenden, etwas Abwechslung gehört dazu. Als Schweizer verwenden wir im Dialekt meist nur ein Verb, das man im deutschen (vermutlich) nicht kennt und das ich beim Schreiben nicht verwenden kann: "Luege". Deshalb fehlt mir wohl das sprachliche Feingefühl...

Kann ich "Gucken" ohne weiteres verwenden? Oder gibt es hier etwas Besonderes zu beachten?

Kann ich "Schauen" ebenfalls verwenden, wenn eine Person eine andere Person "anschaut"? Oder wird damit eher der Blick ins Weite oder auf einen Gegenstand gemeint?

Danke für Eure "five cents".

Liebe Grüsse

Falckensteyn

Cailin

Hmmm ... für mich hat gucken etwas sehr 'umgangssprachliches' bzw. passt für mich eher in ein Kinderbuch (von wegen 'kindlicherem' Wortschatz).

Mit schauen hätte ich persönlich aber keinerlei Probleme.

Wie sagt Rick doch so schön in Casablanca: "Ich schau dir in die Augen, Kleines." ;)

Lisande

"Gucken" würde ich persönlich nicht nehmen, das klingt zu umgangssprachlich - außer in wörtlicher Rede, wenn es zur allgemeinen Wortwahl und Ausdrucksart des Charakters passt.

"Schauen" - ja, aber nicht zu oft.

Es gibt da natürlich auch noch das schöne und völlig neutrale Verb "ansehen".

Lavendel

Es gibt ja auch noch andere Verben.
Mustern, betrachten, beobachten, ansehen, anblinzeln, jmd. fixieren, starren, stieren, glotzen, mit Blicken durchbohren etc.
Gucken ist klingt für die meisten Zusammenhänge eher zu blöd (im Sinne von blöd gucken) oder zu kindlich, jedefalls finde ich das.

Falckensteyn

Danke für Eure Antworten.

"Blicken" verwende ich gefühlsmässig eigentlich am Meisten.

"Gucken" als einfacherer Begriff? Da ich dieses Wort aus dem alltäglichen Sprachgebrauch nicht kenne, verwende ich es beim Schreiben eigentlich nicht.

Wegen "Schauen" bin ich noch immer unsicher. Würde das denn so gehen, Eurer Meinung nach: "Er schaute sein Gegenüber schweigend an"? Da bin ich eher skeptisch. Vom Gefühl her würde das Verb besser hierhin passen: "Er betrat das Zimmer und schaute sich interessiert um."

@Lavendel
Danke für die weiteren Verben. Die meisten davon kommen bei mir zur Anwendung, wenn sie passen. "Stieren" hingegen eher nicht. Besteht zwischen "Anstarren" und "Anstieren" ein Unterschied?


Churke

Kohl über das Gucken

"...ich gucke schon ins Programm und sage etwa zu Hause, am Wochenende mit meiner Frau und meinen Söhnen, das gucken wir uns an, oder die sagen, das gucken wir uns an, was übrigens nicht bedeuten muss, dass wir es dann gemeinsam angucken (...) Bei den Westen gucke ich eher eigentlich die alten an... (...) Da gibt es Magazine, die gucke ich weniger an. Und ich mache jetzt keine Wertung, die gucke ich weniger an."

aus: "Bahnbrechende Worte von Kanzler Kohl"

Zitat"Er schaute sein Gegenüber schweigend an"?
Mit dem Adverb ist der Satz stilistisch nicht so gelungen, aber semantisch völlig in Ordnung. 

"starren" bedeutet starr blicken; "stieren" heißt starr und ausdruckslos [ins Leere] blicken - stieren ist also stärker als starren.

FeeamPC

Klitzekleine Korrektur:
Stieren ist, denke ich, keineswegs stärker als starren, nur anders.

Starren ist etwas, was man bewusst macht, jemanden oder etwas anstarren, stieren (mit stierem Blick) bedeutet eher, dass der  Betreffende seine fünf Sinne nicht mehr ganz beieinander hat und entweder besoffen, geistig weggetreten, wahnsinnig, high oder sonstwie total abgelenkt ist.  Eher als unkoordiniert zu bewerten, aber in Richtung allgemein feindselig, gefährlich. Starren dagegen bedeutet meistens Aggression, Drohung, die sich speziell gegen jemanden richtet.

Und was  Falckensteyns Luege angeht, so erinnert mich das stark an das Verb lugen, herauslugen, (bedeutet sehen, heraussehen), ist aber ziemlich altertümlich. (Dürfte wiederum mit dem englischen look=sehen verbandelt sein).

Lavendel

Zitat von: FeeamPC am 11. Juli 2008, 01:22:56

Starren dagegen bedeutet meistens Aggression, Drohung, die sich speziell gegen jemanden richtet.


Oder Fassungslosigkeit, würde ich sagen.

Falckensteyn

Zitat von: Churke am 10. Juli 2008, 17:47:25
Mit dem Adverb ist der Satz stilistisch nicht so gelungen, aber semantisch völlig in Ordnung. 

Danke. Einer meiner "Stilblüten", über die ich so oft stolpere und selbst (noch) nicht bemerke.
Darf ich Dir den Ball zurückgeben? Wie liest es sich besser?

@FeeamPC: Ja, das deckt sich mit meinen Vorstellungen von diesen Wörtern. Danke für die Klarstellung *zwinkert*

Churke

Der Ausgangssatz war: "Er schaute sein Gegenüber schweigend an."

Ich würde schon das umständliche "sein Gegenüber" weg lassen und durch "ihn" ersetzen, also: "Er schaute ihn schweigend an."

Ansonsten ist der Ausgangssatz "...schaute sein Gegenüber schweigend" überfrachtet, ich würde hier: "Er schaute sein Gegenüber an und schwieg" vorschlagen. Oder "er schwieg und schaute sein Gegenüber an". Im Deutschen wirken Partizipien schnell schwerfällig.


Luisa

Ehrlich gesagt finde ich die Formulierung "Er schaute ihn schweigend an." zwar besser als "Er schaute ihn sein Gegenüber schweigend an.", aber der Unterschied erscheint mir minimal.
Vielleicht beweise ich damit meine Unprofessionalität  :schuldig:, aber mein Sprachgefühl würde mir sagen, dass man den Ausgangssatz problemlos gebrauchen kann...

Außerdem fällt mir auf, dass das gut alte "Sehen" fast vergessen wurde. Es ist genauso neutral wie blicken oder gucken, aber um ein bisschen Abwechslung in einen Text zu bringen, kann man es doch benutzen.  :hmhm?:

Ich muss auch gestehen, dass ich "Luege" noch nie zuvor gehört habe und nicht einmal weiß, wie man es aussprechen sollte.  :-[
Ich würde es in einem Text bestimmt als falsch geschriebenes "Lüge" identifizieren, denn in Norddeutschland ist es überhaupt nicht bekannt...
Es ist wahrscheinlich wirklich besser, es wegzulassen.

Churke

ZitatVielleicht beweise ich damit meine Unprofessionalität  Schuldig, aber mein Sprachgefühl würde mir sagen, dass man den Ausgangssatz problemlos gebrauchen kann...

Einzeln geht vieles. Doch ein Text ist ein Ensemble aus vielen Sätzen. Winzige Holprigkeiten addieren sich.

Nachdem ich noch mal nachgedacht habe, ist mir auch eingefallen, was mir an "er schaute sein Gegenüber schweigend an" so überhaupt nicht gefällt: Der Satz ist ohne jede Emotion, rein deskriptiv, fast schon Amtsdeutsch, wie in einem Gerichtsprotokoll. Wenn der Zeuge sagt: "Da hat er nichts mehr gesagt und nur dumm geguckt", dann diktiert der Richter ins Protokoll: "Dann schaute er sein Gegenüber schweigend an."
Okay, ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben  ::), aber irgendwie muss man seinen Standpunkt ja deutlich machen.



Falckensteyn

#12
Ach, Du meintest es bezogen auf "sein Gegenüber"? Und ich dachte, das "schweigend" wäre unangebracht. Die Zeile habe ich nebenbei formuliert als Beispiel für das Verb "schauen". Hier zuviel hinein zu interpretieren, ist eigentlich unnötig. Aber danke für die Klarstellung, Churke. *zwinkert*

Edit meint @Kiira: "Luege" ist vermutlich ein alemannischer Ausdruck. Ich würde diesen Ausdruck niemals verwenden, bei uns in der Schweiz ist es "Mundart", d.h. Dialekt. Und Dialekt würde ich niemals verwenden.

Luisa

#13
Zitat...bei uns in der Schweiz ist es "Mundart", d.h. Dialekt. Und Dialekt würde ich niemals verwenden.
Was "Mundart" ist weiß ich, keine Sorge.  ;) Ich war mir nur nicht im Klaren darüber, welchen Status dieses Wort in der Schweiz hat, also danke für die Erklärung.

ZitatEinzeln geht vieles. Doch ein Text ist ein Ensemble aus vielen Sätzen. Winzige Holprigkeiten addieren sich.
Hm, gut verstehe ich. Aber wenn man davon ausgeht, dass der Rest des Textes zum Beispiel die fehlenden Emotionen ergänzt, ist dieser Satz doch nicht mehr unbrauchbar.  :hmmm:

Churke

ZitatHm, gut verstehe ich. Aber wenn man davon ausgeht, dass der Rest des Textes zum Beispiel die fehlenden Emotionen ergänzt, ist dieser Satz doch nicht mehr ganz so unbrauchbar.

Dann bleibt es dabei, dass du die Emotionen im folgenden Satz nachschiebst. Kann man machen. Ich find's aber grundsätzlich keine gute Lösung und außerdem lädt es zum Labern ein.