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Roman in der echten Welt ansiedeln, trotz schlechten Allgemeinwissens?

Begonnen von Lord Zahnstocher, 06. Mai 2008, 22:35:56

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Shay

ZitatUnd den Witz mit Platon versteh ich auch nach Nachschlagen bei Wikipedia nicht...
Sokrates war der Lehrer Platons und es gibt nur geringe Unterschiede zwischen den beiden. Vor allem aber stammt alles, was wir über Sokrates wissen, von Platon, denn der hat das aufgeschrieben. Selbst der beste Kenner der griechischen Philosophie täte sich schwer mit der Frage, was denn jetzt der Unterschied zwischen Platon und Sokrates sei.

Immortal

Achso ;D Dankeschön, jetzt ist mir das auch einmal mir klar.

Aber genug Off Topic  :wache!:
Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde fliegen.

Abakus

Hi Alex!  :)

Oh ja, ich weiß ganz genau, welche Probleme dabei aufwarten können. Diese Probleme bin ich, bevor ich meinen Plot entwarf, konstruktiv angegangen. D. h. ich habe mir Menschen gesucht, die sich mit den Themen auskennen, die ich für meinen Plot benötige.

Mein erster Plot spielte in einer Fantasy-Welt von der ich nach einigen Tagen Abstand nahm, weil sie mir nicht gefiel. Also modellierte ich den Plot um, damit er in der realen Welt und in der Gegenwart spielt, also heute im Hier und Jetzt. Die Arbeit würde ich mir heute nicht mehr antun und letztendlich bin ich auch von diesem Plot nicht überzeugt gewesen. Plot Nr. 3, der jetzt auch nicht mehr umgeändert wird, spielt zwar auch in der realen Welt, aber im Mittelalter, um das Jahr 1220.

Wie oben bereits beschrieben, suchte ich mir dann Menschen, die sich zu den Themen, die ich im Manuskript ansprechen werde, sehr gut auskennen. Man kann sagen, dass der jetzige Plot ein Mix aus Historien-, Fantasy- und Thriller-Manuskript werden wird.

Fündig wurde ich in meinem Bekanntenkreis. Mein bester Freund hat Geschichte studiert, also wurde er kurzerhand für die Historie im Roman engagiert bzw. auch dafür, wie damals Kriege geführt wurden, welche Waffen es gab und wie diese eingesetzt wurden.
Eine Freundin meiner Freundin studiert Textilarchäologie, wobei ich zuvor nicht wusste, dass es überhaupt solch einen Bereich innerhalb der Archäologie gibt. Sie stand und steht mir zurzeit noch Rede und Antwort dazu, was die Menschen damals getragen, aber auch gegessen bzw. wie sie gelebt haben. Da im Manuskript der Schwerpunkt auf Engel & Dämonen liegt, habe ich zusätzlich noch in einer Klosterbibliothek recherchiert.

Klingt im ersten Moment nach großem Aufwand, aber ist es gar nicht. So habe ich es angegangen. Natürlich hätte ich mir auch Bücher kaufen und das Wissen daraus beziehen können, nur das hätte mir zu lange gedauert.  :) Und da ich wusste, dass es Menschen in meiner Bekanntenkreis gibt, die genau das studieren bzw. studiert haben, was ich benötige, habe ich diese Quellen angezapft.

Natürlich wird nicht jeder in seinem Bekanntenkreis Menschen vorfinden, die genau auf das Thema spezialisiert sind über das man schreibt, aber man sollte auf jeden Fall immer nachfragen. In vielen Menschen schlummern Talente, die man bis dato nicht vermutete. :)

Viele Grüße,
Markus

Shay

@Markus
Für Infos zum Mittelalter und wie die Menschen damals gelebt, gereist, gestorben, was weiß ich sind, kann ich dir die Bücher von Norbert Ohler empfehlen.

Judith

Alex, schlechtes Allgemeinwissen sollte nun wirklich kein Hindernis sein. Ich denke, dass viele Autoren zunächst nicht so viel über das Thema/die Zeit, über das/die sie schreiben, wissen. Aber das kann man mit sorgfältiger Recherche wieder wettmachen.

Ich habe für meinen NaNo-Roman, der zwar in einer Fantasywelt angesiedelt ist, aber in einer Gegend spielt, die mit Nordnorwegen/Island zu vergleichen ist (und kulturell an den Samen orientiert ist), in drei Phasen recherchiert und das hat sehr gut geklappt.
Zuerst, als ich gerade mal die grobe Idee hatte, habe ich angefangen, mich ganz allgemein über Kultur der Samen, Klima, Rentiere usw. zu informieren. Dann hab ich dieses erste Wissen für das Basteln eines glaubwürdigen Hintergrundes genutzt.  Ich gehör halt zu denen, die auch für Fantasy sehr, sehr viel recherchieren.
Die zweite Phase kam dann, als der Plot einigermaßen stand. Zu dem Zeitpunkt wusste ich dann schon, über welche speziellen Themen ich mich noch informieren musste, und in die hab ich mich dann tiefer eingelesen.
Und dann hab ich beim Schreiben natürlich auch immer wieder festgestellt, dass mir Hintergrundwissen fehlt - die dritte Recherche-Phase fand also beim Schreiben selbst statt.
Für mich hat das ganz gut geklappt, dass ich eben wirklich mit allgemeinen Informationen begonnen und mich dann sozusagen anhand des Plots immer tiefer eingelesen habe.
Und da Recherche ungemein spannend und fesselnd sein kann, würde ich dir raten, nicht gleich verzagt davor zurückzuschrecken.  :)

felis

Um eine wirklich stimmige Fantasywelt zu entwerfen ist die Recherche MINDESTENS so aufwendig, wie für einen Roman in der realen Welt, finde ich.
Aber sie macht auch jede Menge Spaß. Ich war z. B. im Wikingerschiffsmuseum in Oslo um was über Schiffsbau meiner Eismeerinsulaner rauszukriegen.
Als Pferde Nerd kenn ich die Wiener Hofreitschule, weils mich sowieso interessiert und habe etwas vergleichbares am Parsischen Hof eingebaut. (Spart Recherchearbeit weil ichs eh schon wusste.)
Aber trotzdem war noch ne ganze Menge Detailarbeit nötig, von der ich nix geahnt habe, als ich die Geschicht entwickelt habe ...
Fazit: da gibts nur eins tu was an Deiner Allgemeinbinldung. Du wirst feststellen, wenn du das mit einem bestimmten Grund tust macht es viel mehr Spaß, als "nur so".
(Ich hätte mir vorher auch nicht träumen lassen, dass Seereisen auf historischen Schiffen ein so spannendes Thema sein können.  ;)

Kolibri

@Markus: Das was du über deinen Roman erzählst, erinnert mich ein wenig an eine Geschichte, die ich nie zuende gebracht habe, eben wegen des Fachwissens.
Vielleicht sollte ich nochmal darüber recherchieren & einen neuen Versuch starten.  :hmmm:

Und Alex,
Ich bin auch kein Geschichtskenner, aber ich hab ein paar echt lesenswerte Bücher über Klöster, Burgen, Schlösser, Menschen im Mittelalter & was sonst noch zu geschichtlichen Romanen (bzw. mittelalter) gebraucht wird.
Fachbücher sind echt nur zu empfehlen, und die Lücken die die offen lassen, kann man mittels Wikipedia o. Ä. füllen.

Lg,
Das Vogelvieh

Maria

Ich habe es mir zum Beispiel in den Kopf gesetzt, einen historischen Roman in der Heian Zeit Japans zu schreiben. Nicht heute oder morgen, sondern in zwei, drei Jahren. Bis dahin habe ich einen Japanurlaub hinter mir (der auch Nara und Kyoto einschließt) und bin sicher klüger als durch Bücher allein.
Es ist recht schwer, etwas über diese Ära herauszufinden, das sich um das alltägliche Leben des Volkes und nicht um Herrscher oder andere wichtige Leute dreht.

Ich nehme an, dass Autoren historischer Romane sich das "Fachwissen" auch erfragen, zumindest haben mir einige das im Montsegur Forum so erzählt. Sie besuchen Universtiätsbibliotheken oder fragen bei Professoren nach Details.

Leider gibt es in Vorarlberg keine Universitäten und ich scheue mich, einfach an mir unbekannte Professoren zu schreiben, um Informationen zu einem Projekt zu erfragen, für das ich weder einen Agenten noch einen Verlag vorweisen kann.

Tenryu

Bei exotischen Ländern wie Japan kommt das Problem der fremden Spache hinzu. Bestimmt gibt es hunderte Bücher über die Heian-Zeit, nur eben auf Japanisch, und die stehen in japanischen Bibliotheken; was die Recherche nicht gerade einfach macht.
Auf der anderen Seite haben exotische Schauplätze den Vorteil, daß der Durchschnittsleser ebenfalls kaum bescheid weiß, und man sich als Autor hier mehr Freiheiten erlauven kann, als in heimischen Gefilden.

TheaEvanda

Maria:
Ich habe mal Japanologie studiert, und ich stimme Tenryu zu - die meiste Literatur wird sich dir erst erschließen, wenn du Japanisch beherrschen würdest. Aber: Es gibt viel übersetzte Primär-Literatur wie das Kopfkissenbuch von Sei Shonagon und "Die Geschichte von Genji" (aka. genji monotgatari) von Murasaki Shikibu. Diese Bücher entstanden in der Heian-Periode. Auch wenn sie von Hochadligen am Hof geschrieben wurden, kannst du daraus sehr viel Lokalkolorit ziehen.
Andere empfehlenswerte Bücher suche ich dir zusammen, wenn du mir eine PN schreibst  :D

Für die Bauern in der Heian-Periode kannst du auch die Bauern in der Tokugawa-Periode heranziehen, die Verwaltungsstrukturen damals waren sich ziemlich ähnlich, genauso die Steuerlast. Die Tokugawa-Periode hat den Vorteil, dass recht viel Sekundärliteratur in Englisch und Deutsch erhältlich ist.

Und ich schließe mich (onTopic) meinen Vorrednern an: "Schlechte Allgemeinbildung" ist heilbar durch das Lesen von Sachbüchern. Die bringen einen dann auch auf wunderbare Ideen und Plotaufhänger, auf die man sonst nie gekommen wäre.
Ein Basis-Buch ist hier der Schwanitz, eine recht brauchbare Allgemeindarstellung von "allem, was man wissen muss", aber jeder Besuch in der Bibliothek im Sachbuch-Bereich, der einen 300-500-Seiten-Wälzer zu einem Themenbereich mitbringt, hilft bei der Verbesserung.
Man weiss ja, über was man schreiben möchte. Wenn es ein Seefahrts-Roman werden soll, dann muss halt etwas "Allgemeinwissen" über Nautik und Segeln her. Dafür muss man ja nicht sofort einen Segelschein machen.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Geli

@Maria:

Professoren oder Fachleute allgemein beißen nicht. Es kommt allerdings auf die Persönlichkeit an. Manche sind völlig erstaunt, dass sich ein Laie für ihr Gebiet interessiert und löchern  erst mal DICH mit Fragen, warum, wieso, wofür. Anders sind richtig glücklich, dass sie endlich mit Wissen glänzen dürfen. Die reden und reden und Du erfährst weit mehr, als Du je geahnt hättest, dass Du fragen wolltest.

Thaliope

Nochmal zu Platon und Sokrates: Es gibt - meine ich mich zu entsinnen - sogar Theorien, dass Sokrates selbst gar nicht existiert hat sondern eine Erfindung von Platon ist. Soviel zu dem Unterschied zwischen den beiden :)

Und ich nehme aus diesem Thread die ermutigende Erkenntnis mit, dass eine schlechte Allgemeinbildung nichts ist, womit man sich abfinden muss :)

LG
Thaliope