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Plot Twists

Begonnen von Guddy, 14. Juli 2024, 22:41:37

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Guddy

Huhu zusammen!

In letzter Zeit habe ich gehäuft auf Social Media gelesen, dass Twists unabdingbar seien - zumindest habe ich es so aufgefasst.(Rein subjektiv)
Und natürlich finde auch ich unvorhergesehene Geschehnisse super spannend! Aber gehört es zu einer "guten Geschichte" dazu? Und wie schreibt ihr selbst gute Twists?

Mir selbst fallen noch nichtmal gute Plot Twist ein, wenn es um bekannte 'ordinäre Fantasy' geht. Ist "Gandalf kehrt als weißer Magus zurück" ein guter Twist? Eh, I don't think so.

Und dann das Handwerkliche: Wir schreibt ihr gute Twists?
Aktuell schreibe ich intuitiv. Natürlich habe ich einen Plot. Aber puh, ist da ein Plot Twist unabdingbar?

Ich hadere gerade einfach bezüglich Plot Twists. Braucht man einen für eine gute Story? Und wenn ja, wie handhabt ihr das?
Wenn ihr da Gedanken zu habt, gern eher damit.  :)


Sparks

Zitat von: Guddy am 14. Juli 2024, 22:41:37Und dann das Handwerkliche: Wir schreibt ihr gute Twists?

Wenn mir kein Twist einfällt, gibts halt keinen.

Ja, es ist denkbar, mit halb systematischem Vorgehen Twists zu konstruieren. Indem man mit viel Erfahrung *)
bestimmte "Schwachstellen", ok, eher "Schlüsselstellen" in der Handlung sucht, und sich überlegt, was alles sonst passieren könnte, wenn dort ein Ereignis eintritt, das die Verhältnisse durcheinander bringt.

Zitat von: Guddy am 14. Juli 2024, 22:41:37Ich hadere gerade einfach bezüglich Plot Twists. Braucht man einen für eine gute Story? Und wenn ja, wie handhabt ihr das?
Wenn ihr da Gedanken zu habt, gern eher damit.  :)

Was eine Geschichte auf jeden Fall braucht, ist einen "Spannungsbogen", ohne den geht halt nichts sinnvolles zu schreiben (ausser Fachberichten für Spezialisten).
Besser ist es, wenn zusätzlich zum Spannungsbogen noch eine Pointe existiert.
Ob jetzt ein Plot Twist eine spezielle Art von Pointe ist, oder was eigenes, darüber zanken vermutlich Philosophen....aber es geht definitiv auch ohne Plot Twist.

*) Mit Erfahrung meine ich speziell schlechte Erfahrung, wo man überraschend auf die Nase gefallen ist. Die Wahrscheinlichkeit, das dort ein "real life" Plot Twist hintersteckt, ist recht groß.
Zum Glück müssen es nicht immer die eigenen schlechten Erfahrungen sein, die Untersuchungen von öffentlichen Organen zu Unfällen können auch lehrreich sein.

Beispiel:
Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchungen: https://www.bsu-bund.de/DE/Aktuelles/Aktuelles_node.html
Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen:
https://www.bsu-bund.de/DE/Aktuelles/neueVeroeffentlichungen/neueUnfallberichte_node.html;jsessionid=CA93836F0C81CC3C1916E51817A8B89C.live21302
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Yamuri

#2
Es gehört für mich eher zu bestimmten Inhalts-Genres. Bei einem Krimi oder Thriller würde ich mir Twists erwarten, einfach weil ich sie als wichtiges Element dieser Genres wahrnehme. Bei anderen Genres würde ich sagen, sind Plot-Twists vernachlässigbar. Mir gefallen sie zwar immer, aber ich würde sie nicht erwarten bei andren Genres.

Bei mir passiert das aber bisher auch eher intuitiv. Ich habe durch die Masterclasses aber einige gute Schreibübungen entdeckt, die dabei helfen könnten. Wer sich dafür interessiert, kann mich gern anschreiben und ich schicke euch meine Notizen oder ich könnte auch Plot-Twists bezogenes rauskopieren aus meinen Notizen und hier reinpacken, wenn ihr mögt? Hab' sie bisher nur im T12 und in meinen zwei TiZi externen Mini-Gruppen geteilt. Hier ist es mir aber auch aufgefallen, Plot-Twists wurden nur in den Masterclasses zu Thriller/Crime explizit erwähnt und genauer darauf eingegangen. In Masterclasses zu andren Genren nicht. Daher meine Theorie - wichtig sind sie nur dann, wenn ihr Krimi/Thriller und vergleichbares schreibt.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Fluide

Ich finde, das hängt auch ein bisschen davon ab, was du mit Plot Twist meinst. Zum einen wird es ja als wirklich überraschende Wendung bezeichnet, etwas das alles vorher Gelesene/Gesehene in ein neues Licht rückt, wie bei Fight Club zb oder dem Film The Game mit Michael Douglas. Vielleicht sind das aber auch eher Pointen-Geschichten. Jedenfalls im Rahmen dieser Definition finde ich nicht, dass es unbedingt Twists braucht, aber klar, wenn die gut gemacht sind, ist es natürlich auch nett und wie @Yamuri schrieb, braucht es die in bestimmten Genres eher ...

Andererseits ist Plot Twist ja nur ein anderes Wort für Plot Point, also eine Wendung der Handlung. Und wenn man sich die Theorie von story structure betrachtet, dann gelten Plot Points in der Tat als unabdingbar, damit Leser bei der Stange bleiben. Du kannst doch mal selbst deine Lesevorlieben analysieren, ob es dort Plot Points gibt bzw. braucht.
Ich denke schon und glaube, dass (auch weil wir natürlich so darauf trainiert sind mittlerweile) niemand Lust hat an nem geraden Fluss durch die immergleiche Landschaft zu latschen, es ist doch viel kurzweiliger, wenn der Fluss auch Mal ne Biegung macht und etwas Neues auftaucht. Da stirbt dann plötzlich jemand (sehr dramatisch) oder es stellt sich heraus, dass ein Baum umgestürzt ist und die Weiterreise behindert (immer noch dramatisch) oder es taucht einfach ein Berg am Horizont auf, der die Landschaft verändert und ein bisschen Abwechslung bringt (deutlich weniger dramatisch). Ganz egal, Hauptsache es ist nicht immerzu das Gleiche. Ich wette, du schreibst auch Plot Points in deinen Geschichten, spätestens dann, wenn dir langweilig wird beim Schreiben  ;D Je nach Genre darf sich der Plot eher organisch entwickeln (entspricht zb eher meinen Lesevorlieben, ich folge lieber so ruhig vor sich hin mäandernden Bächen und mag es weniger dramatisch) oder eben auch krass spannend durchkonstruiert sein (eine Reise auf einem dramatisch, wilden Fluss).

Intuitives Schreiben verbinde ich mit weniger krassen Plot Points und sich eher organisch entwickelnden Geschichten (aber das ist nur eine statistische Aussage, keine 100%). Guck dir doch mal deine letzte Geschichte(n) in Bezug auf den Verlauf der Ereignisse an ... gibt ganz sicher Wendungen, oder? Zack, da ist doch dein Plot Twist ... Oder hab ich dich total falsch verstanden?
Do I contradict myself?
Very well then I contradict myself,
(I am large, I contain multitudes.)
Walt Whitman

Yamuri

#4
Ich hätte jetzt auch Plot Twists eher im Sinne von "überraschende Wendung", die alles in ein neues Licht rückt wahrgenommen.

Jede Geschichte hat Veränderungen, aber diese müssen nicht total unerwartet sein, sondern es kann sich um Veränderungen handeln, auf die Lesende sogar warten. Bei einer Liebesgeschichte z.B. in der zwei Figuren als Singles starten und es erstmal noch keine Berührungspunkte gibt, erwarten Lesende, dass eine Wendung geschieht, die die Figuren zusammenbringt.

Plot Twist aber im Sinne einer unerwarteten Wendung wiederum, können hervorgerufen werden, indem man a) bewusst falsche Fährten legt, b) Fragen und Geheimnisse offen lässt, so dass verschiedene Interpretationen und Schlussfolgerungen möglich sind. Indem ich Unsicherheit beim Lesenden erzeuge, was die Lösung ist und bewusst verschiedene Möglichkeiten anbiete, kann ich Unerwartbarkeit und Überraschung erzeugen. Insbesondere dann, wenn die Lösung am Ende etwas ist, womit man am Wenigsten gerechnet hätte, weil die Hinweise in eine andere Richtung gedeutet haben. Manchmal kann das Lesende dann aber auch enttäuschen, wenn sie eine bestimmte Lösung lieber gehabt hätten.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Coppelia

#5
@Yamuri Mich würde das auf jeden Fall interessieren.

Ich arbeite sehr viel mit starken Plottwists. Die gehören auch oft zu den ersten Dingen, die ich entwickle, wenn ich an einem neuen Plot arbeite bzw. oft inspiriert mich eine Plottwist-Idee erst zu einem Plot. Ich liebe es, wenn die Protagonist*innen das Gefühl haben "Alles, woran ich geglaubt habe, war eine Lüge!". Für mich ist ein Twist weitgehend das: Etwas entpuppt sich als etwas anderes, und dadurch fällt ein neues Licht auf alles, was bisher passiert ist. Ich entwickle daher beim Plotten weniger den Twist, sondern die Handlung, die nötig ist, um die Wahrheit eine Weile zu verbergen, bevor sie sich dann dramatisch Bahn bricht und die Progagonist*innen im ungünstigsten Moment in die mieseste Lage bringt. ;D
Ich persönlich glaube, Leser*innen, die mitdenken, sollten Plottwists begrenzt voraussehen können (ich gebe auch entsprechende leise Hinweise), wer nicht mitdenkt, sollte davon völlig überrascht werden.

Allerdings könnte ich für mein momentanes Projekt noch einen guten Twist brauchen.  :omn:

Yamuri

@Coppelia

Dan Brown hat jetzt keine Übungen, hab' ich gesehen, die spezifisch für den Aufbau von Spannung und Plot-Twists sind. Aber er sagt, es sei generell wichtig, früh große Versprechungen zu machen, Rätsel und Fragen einzuführen, auf die man nicht sofort eine Antwort bekommt oder eben offene Antworten, die Raum zur Spekulation lassen. Es geht also darum bei den Lesenden Unsicherheit aufzubauen. Sie wissen nicht, ob die Schlussfolgerungen, die sie ziehen, korrekt sind. Sie wissen nicht, ob die Hauptfigur rechtzeitig herausfinden wird, was die Wahrheit ist. Das erzeugt das Gefühl von Bedrohung. Wir wissen nicht, aber gleichzeitig wird ein Gefühl der Dringlichkeit aufgebaut. Wichtig für Plot-Twists ist dabei halt immer das Nicht Wissen, das mehrdeutige Hinweise streuen, das falsche Fährten legen.

David Baldacci erzählt im Prinzip nur in eigenen Worten dasselbe. Die Kernaspekte sind einfach: mehdeutige Hinweise, nie alle Informationen über jemand/etwas preisgeben (sondern nach und nach) und auch falsche Hinweise streuen. David Baldacci hat eine Übung, bei der es darum geht, sich eine Figure oder eine Situation vorzunehmen. In Spalte 1 benennt man Figur/Ereignis. In Spalte 2 schreibt man das Offensichtliche, das Sichtbare, was man über die Figure/Ereignis weiß. Was ist der äußere Schein? Spalte 3 dient dem Brainstorming zur Frage "was wäre wenn der Schein trügt?". Dort lässt man seiner Fantasie freien Lauf und schriebt einfach alles rein, was einem einfällt. Dann schaut man sich an, wie man auf realistische Weise eine der Möglichkeiten der Figur andichten kann. Welche Mittel und Wege findet die Figur das dunkle Geheimnis zu vertuschen?

Wichtig ist, wenn man Geheimnisse auflösen will in einer Geschichte. Die Perspektive der Person mit Geheimnis, kann dann eher kontraproduktiv sein. Es kan klüger sein bewusst Perspektiven zu wählen, die eben nichts wissen, die nur den Außenblick haben. Dadurch kann man Überraschung besser aufbauen.

Übung, um Leser auf eine falsche Fährte zu führen: Wähle eine Szene aus deiner Geschichte. Fokussiere dich darauf subtile Annahmen und Fragen einzustreuen. Schritt 1: Erzeuge Unsicherheit indem manche Informationen nicht vollständig erklärt werden. Schritt 2: Schlag dem Leser nur eine mögliche Interpretation vor. Versuche subtil zu bleiben. Lass deine Figuren stattdessen falsche oder halbe Rückschlüsse ziehen. Schritt 3: Präsentiere die Lösung erst am Ende.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Amanita

#7
Interessantes Thema.
Aus Leserinnensicht bin ich auch der Meinung, dass manche Bücher von Plost Twists deutlich profitieren können, aber dass sie nicht überall erforderlich sind. Gerade bei romantischen Geschichten finde ich es eher nervig, wenn da ständig künstliche Verwicklungen aufgebaut werden, damit die beiden doch (noch) nicht zusammenkommen. Bei Büchern, in denen es darum geht, irgendetwas aufzuklären, finde ich es aber sehr hilfreich, auch wenn es sich nicht explizit um Krimi/Thriller handelt, sondern um Fantasy.
Unabhängig davon wie man jetzt zur Person der Autorin steht, finde ich, dass Harry Potter ein schönes Beispiel dafür ist, wie Plot Twists und Situationen, wo mehr oder etwas anderes hinter den Dingen steckt als erwartet, den Reiz einer Geschichte wesentlich erhöhen können und wo ihr Fehlen die Geschichte deutlich schlechter wirken lässt.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Das war für mich ein nicht unwichtiger Grund, warum mir die letzten Bände weniger gut gefallen haben, obwohl es ja auch in den ersten schon einige objektive Schwächen gab. Deswegen würde ich definitiv sagen, dass solche überraschenden Wenungen eine Geschichte aufwerten und den Leser mehr fesseln können.

Jen

Ich arbeite auch sehr gerne mit Plot Twists und entsprechendem Foreshadowing, weil ich finde, dass das sehr erfüllende Elemente sein können – manche Lesende wundern sich über gewisse Details, entwickeln Theorien, lesen zwischen den Zeilen und andere eben nicht. Manche werden belohnt, andere komplett überrascht.

Natürlich ist jedes "das ist ein Muss" Unfug, aber ich kann grundsätzlich verstehen, dass Plot Twists beliebt sind. Wenn ich von vorneherein genau weiß, wie ein Buch endet (wer bekommt wen, wer hat gemordet, blabla) brauche ich persönlich schon einen guten Grund, überhaupt weiterzulesen – in aller Regel ist es dann ein "HOW?!?" wie bei "Der Marsianer". Andere Lesende wollen hingegen überhaupt nicht überrascht werden, suchen z.B. comfort, da sind Plot Twists vermutlich sogar hinderlich.
Guilty feet have got no rhythm.

Fianna

In meinen Projekten verwende ich eigentlich immer Twists, auf ähnliche Weise wie @Coppelia es beschrieben hat.

Abgesehen von einem meiner ersten Projekte (unbeendet), indem der Twist-Grund einfach nie zur Sprache kommt, ist es immer für die Handlungstragenden eine neue Information, die dazu führt, dass der Grund für ihr Handeln nicht mehr existiert oder ihre moralische Richtschnur, nach der sie leben, auf einer Lüge basiert o.ä..


Bei meinem ersten großen Projekt würde ich den Twist aber nicht unbedingt ändern, da es vollkommen natürlich ist, dass es unter den Figuren nie zur Sprache kommt - sonst hätte es etwas von "You know Bob"-Anschein...  :hmmm:

(Aber da es Low Fantasy ist, was ich gerade nicht schreibe, kann das Ptojekt weiter ruhen.)

Gizmo

Ich glaube nicht, dass Twists für eine gute Geschichte unabdingbar sind (je nach Story sind sie auch gar nicht nötig). Aber natürlich ist ein guter Twist eine tolle Sache, nicht nur, weil er die Leser überrascht, sondern auch die Wiederlesbarkeit der Geschichte erhöht. Ich habe schon manche Geschichten häufiger gelesen, um zu sehen, wie sich der Kontext der Ereignisse ändert, jetzt, da ich alle Informationen habe.

Wenn ich schreibe, konstruiere ich allerdings so gut wie nie Twists. Es ist keine meiner Stärken, und wenn ich mal einen Twist habe, entsteht er meistens eher von sich aus. Auf Teufel komm raus einen Twist in eine Geschichte einbauen zu wollen, weil man eben einen haben muss, halte ich auch für den falschen Weg. Wenn ich als Leser das Gefühl habe, die Überraschung ist nur entstanden, weil der Autor/die Autorin mich angelogen hat, behalte ich die Geschichte nicht in guter Erinnerung. Damit meine ich natürlich nicht das Zurückhalten von Informationen. Eher z.B., dass die Gedanken eines Charakters oder die Timeline so "frisiert" sind, dass Informationen versteckt werden - à la "Ich bin der Verräter, aber immer wenn aus meiner Perspektive erzählt wird, denke ich da gerade nicht drüber nach" ;D
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Mondfräulein

Ein Plot Twist an sich ist für eine Geschichte meiner Meinung nach unabdingbar, zumindest in den Genres, über die wir hier im Forum sprechen. Viele haben hier aber glaube ich extreme Beispiele im Kopf. Geschichten wie The Sixth Sense oder Fight Club bleiben vor allem wegen ihren großen Plot Twists in Erinnerung, aber so groß muss ein Plot Twist nicht zwangsläufig sein. Mir fällt ehrlich gesagt keine Geschichte ohne Plot Twist ein, weil der teilweise wirklich mit einem Plot Point gleichgesetzt wird. Die Geschichte nimmt an diesem Punkt einen anderen Verlauf, neue Informationen werden enthüllt, wir erhalten mehr Klarheit über den Kernkonflikt, ein neuer Konflikt kommt auf oder ein vorhandener Konflikt spitzt sich zu. Der Vermieter des kleinen Buchladens an der schottischen Küste stirbt und jetzt weiß die Protagonistin nicht, ob der Erbe ihren Mietvertrag verlängert. Der schnuckelige Meerschweinchenzüchter entpuppt sich als der Erbe des Vermieters und hat nicht genug Geld, um das Gebäude zu behalten. Im Buchladen findet sich ein Originalmanuskript des berühmten Autors Brimbleby Bromblebay und der Erlös rettet den Buchladen. Das sind alles Plot Twists.

Ich kann entweder Plot Twists benutzen, um eine Geschichte spannender und interessanter zu gestalten, oder die Geschichte um Plot Twists herum bauen. Beides kann super gut funktionieren. Es muss nur gut gemacht sein. Ich bin da total bei @Coppelia: Zu einem gewissen Maß darf ein Plot Twist vorhersehbar sein. Besonders Lesende, die viel in einem Genre lesen, werden irgendwann einige Plot Twists kommen sehen. Wenn ich zu sehr versuche, das zu vermeiden, ende ich oft mit Plot Twists, die niemand kommen sieht, weil sie nicht zur Geschichte passen. Ein guter Plot Twist lässt mich nicht denken "Das habe ich nie kommen sehen! Wie sind wir denn jetzt hier gelandet?" sondern "Das habe ich nicht kommen sehen, aber jetzt ergibt alles auf einmal Sinn!".

Ein gutes Negativbeispiel sind die Bücher von Jodi Piccoult. Da macht der große Plot Twist am Ende oft das komplette Buch kaputt, weil auf einmal alle Konflikte und Entwicklungen, die ich 300 Seiten lang verfolgt habe, null und nichtig geworden sind. Das ganze Buch für einen einzigen Plot Twist kaputt zu machen, egal wie überraschend und schockierend der sein mag, ist es am Ende einfach nicht wert. Ein Plot Twist muss zur Geschichte passen und zur Geschichte oder den Figuren oder zum Thema des Buches beitragen, nicht alles, was ich aufgebaut habe, kaputt machen.

Ich würde also weniger darüber nachdenken, ob ich Plot Twists brauche, weil das tue ich auf jeden Fall, sondern welche ich brauche und wie groß und überraschend sie sein sollen.

Ich plane Plot Twists meistens lange im Voraus, damit sie sich gut in die Geschichte einfügen. Meiner Erfahrung nach haben sie die beste Wirkung, wenn sie mit emotionaler Wucht oder Fallhöhe einhergehen oder das Thema der Geschichte erweitern. Wenn ich möchte, dass meine Lesenden auf Seite 450 emotional mitgenommen sind, weil die Protagonistin erfährt, dass ihre Mutter die böse Königin ist, die sie die ganze Zeit bekämpft, dann muss ich vorher etablieren, warum das gerade für sie so schmerzhaft wäre. Vielleicht klammert sie sich immer schon mit aller Macht an die Lüge über ihre Herkunft, die sie ihr ganzes Leben lang geglaubt hat? Vielleicht ist diese Lüge ihre größte Motivation, weil sie in die Stapfen der herzlosen Mutter treten will, von der ihr immer erzählt wurde? Und dann muss der Twist im Moment natürlich Sinn ergeben. Wenn ich erst einmal zwei Seiten lang erklären muss, warum das jetzt doch Sinn ergibt, dann bin ich emotional schon ausgestiegen.

Zitat von: Jen am 15. Juli 2024, 11:25:53Andere Lesende wollen hingegen überhaupt nicht überrascht werden, suchen z.B. comfort, da sind Plot Twists vermutlich sogar hinderlich.

Ich lese ja unheimlich gerne Romance als Comfort Read. Da muss man wirklich mehr aufpassen als in anderen Genres. Romance-Lesende wollen nicht überrascht werden, ob das Paar am Ende zusammenkommt. Romance braucht immer ein Happy End sowohl für die Protagonist*innen und die Liebesgeschichte. Einen Plot Twist einzubauen, der darin besteht, dass das Pärchen sich am Ende trennt, ohne wieder zusammenzukommen, ist keine gute Idee, auch wenn es überraschend ist. Aber ich könnte natürlich überraschende und auch tragische Plot Twists in eine Nebenhandlung einbauen. Auch in der Liebesgeschichte darf es Plot Twists geben, solange ich am Ende mein Happy End bekomme. Romance lese ich eben, wenn ich gerade nicht überrascht werden will, wie die Geschichte ausgeht.

Insofern sind die Anforderungen an Plot Twists eben auch sehr genreabhängig. In Thrillern und Krimis müssen sie tendenziell überraschender sein. In Romances dürfen sie das Happy End nicht gefährden.

Guddy

Danke für eure Gedanken dazu, sehr spannend!

Ich hatte gewöhnliche Plot Points (Geschichte nimmt anderen Verlauf, neue Personen oder Orte werden eingeführt, dies das) gar nicht als Plot Twist gezählt. Aber wenn das die offizielle Definition ist, habe ich "Plot Twist" wohl einfach immer falsch genutzt. Für mich sind das wirklich Twists, die die ganze bisherige Handlung unter einem neuen Licht erscheinen lassen, wirkliche Überraschungen wie eben in Sixth Sense oder Harry Potter. Vielleicht sind die Grenzen auch fließend.

In dem Sinne habe ich einige Plot Twists in meinem aktuelle Projekt. Dann bin ich dahingehend etwas beruhigt.  ;D Vieles macht man ja offenbar auch intuitiv richtig.

Zitat von: YamuriWer sich dafür interessiert, kann mich gern anschreiben und ich schicke euch meine Notizen oder ich könnte auch Plot-Twists bezogenes rauskopieren aus meinen Notizen und hier reinpacken, wenn ihr mögt?
Fänd ich interessant!

Valentina

Wenn ich an Harry Potter denke, ist eigentlich jedes Buch (vlt. die letzten nicht ganz) darum aufgebaut, dass eine bestimmte Person das ganze Buch über als schlecht/gut dargestellt wird und dann kommt raus, dass die Person das Gegenteil war. Andere Franchises benutzen Plot Twists, um eher Geheimnisse zu enthüllen, die in der Welt verborgen waren.
Auf welcher Ebene findet ihr Plot Twists besser/wie macht ihr das?
Ich glaube, wenn es auf der persönlichen Ebene ist, reißt es mich emotional mehr mit, auf der Geheimnis Ebene intellektuell.
Auf jeden Fall ist die Herangehensweise, den Twist von vorneherein mitzuplanen super hilfreich (wenn er denn sehr groß ist, die kleineren brauchen zwar dieselbe, aber nicht so ausufernde Vorbereitung), dann spart man sich einiges an Zeit und Nerven  ;D 
"Selbst die Dunkelheit muss vergehen. Ein neuer Tag wird kommen. Und wenn die Sonne wieder scheint, wird sie umso heller strahlen." - J.R.R. Tolkien

Yamuri

@Guddy Hier habe ich was dazu gepostet :) War doch nicht so viel, wie ich dachte. Die andren Übungen betrafen weniger Plot-Twists als Solche. Falls du dich generell für meine Notizen von Dan Brown und David Baldacci interessierst, kann ich sie dir aber auch gern komplett schicken.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman