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Schreib-Bar, der Quasselthread für Tippjunkies

Begonnen von gbwolf, 07. April 2008, 09:22:21

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Lothen

Zitat von: Jenny am 15. Dezember 2014, 21:07:39
Nicht zu vergessen der obligatorische Blick in den Spiegel, um dabei über das eigene Aussehen nachzusinnen.  ;D
Ähm, ja. :versteck: Aber das ist so schön einfach. :rofl:

Lucien

*flüster* Ich habe das auch schon gemacht.  :psssst:

heroine

#19022
Ich denke es kommt sehr stark darauf an was man machen und erreichen will.

Vorteile von intakten Familien sind: sie liefern Anreize für den Prota (Familie beschützen / alles wieder gut werden lassen / nach vollzogener Arbeit zurückkommen). Sie erklären auch Ansichten eines Protas, z.B. Moral, Hoffnung und liefern Sympathiepunkte. Ein Charakter der gut zu seiner Familie ist, kann ja kein so schlechter Mensch sein.

Familien, selbst wenn sie nicht intakt sind, können viel über einen Prota aussagen (Gespräche mit Geschwistern und Eltern, sind in den meisten Fällen sehr viel anders als selbst mit besten Freunden).

Familien, die nicht intakt aber trotzdem vorhanden sind, bringen ebenfalls Hintergrund. Sie können ebenfalls starke Motivation darstellen (sich beweisen / Rebellion / Rache). So oder so: Familie bringt einen starken emotionalen Anreiz in eine Geschichte und vertieft einen Charakter unweigerlich, weil damit soziale Aspekte eingebracht werden.

Das Fehlen einer Familie ist ebenfalls interessant, wenn es um die Verwurzelung (bzw. Entwurzelung) eines Charakters geht. Welche Aspekte seines Lebens ersetzen die Familie? Gibt es Figuren, die Mutter/Vater/Geschwisterrolle übernehmen? Sucht er sich bewusst einen Ersatz (starke Fokusierung auf Freunde oder Kameraden) oder eher unterbewusst z.B. in Religion oder Reichtstreue? Wie geht er damit um?

Ich denke es kommt also ganz darauf an welche Entwicklung man aufzeigen will und aus allem kann etwas interessantes entstehen. Wobei ich die kaputten Charaktere mit der intakten Familie echt vermisse. *g* Ich glaube sie sind ein wenig unterrepräsentiert.

Christopher

Ich denke auch nicht, dass eine "kaputte" Familie oder Umfeld sein müssen. Der Charakter kann ja völlig normal sein und dennoch in ungewöhnliche Umstände und Geschehnisse verwickelt werden. Eines von beiden muss aber nun mal zwingend gegeben sein: ungewöhnlicher Charakter oder ungewöhnliche Umstände. Sonst wäre es ja keine Geschichte, die es wert ist erzählt zu werden ;)
Die Kombination aus beidem ist - im Gegensatz vom Fehlen beider Dinge - durchaus möglich, aber nicht zwingend notwendig. Ich denke es tut der Dramatik keinen Abbruch, wenn nur eines der beiden zutrifft.
Be brave, dont tryhard.

DodyLuNatic

Ich habe gerade auch ein Problem mit meinem Charakter, der aus einer heilen Familie kommt. Ich habe die Sorge, dass er auf den Leser zu langweilig wirkt. Er wird zwar im Laufe der Geschichte dann damit konfrontiert, dass andere Leute sich nicht an seine eigenen Wertvorstellungen halten, die für ihn selbstverständlich sind, und kommt dann ins Grübeln, aber bis dahin soll er dem Leser ja interessant sein.

Tatsächlich habe ich dem dann einen Charakter an die Seite gestellt, der aus ganz "kaputten" Verhältnissen kommt, und tatächlich war der meinen Freunden, die die Geschichte gelesen haben, sympathischer.

Zu Klischeeszenen: Ich habe nach dem zweiten Durchgang gestrichen, dass mein Antagonist mit einem Glas Wein in seinem Sessel vor einem Kamin sitzt.   :prost: Das war mir dann doch etwas zu albern. Fehlte nur noch die weiße Katze auf dem Schoß, die er abwesend krault.


Klecks

Zitat von: DodyLuNatic am 15. Dezember 2014, 22:32:39
Tatsächlich habe ich dem dann einen Charakter an die Seite gestellt, der aus ganz "kaputten" Verhältnissen kommt, und tatächlich war der meinen Freunden, die die Geschichte gelesen haben, sympathischer.

Das ist ein Phänomen, das ich in vielen Büchern, die ich lese, bemerke: Dass mir die Nebenfiguren sympathischer sind als die Hauptfigur. Ich frage mich schon lange, woran das liegt, ob das vom Autor immer beabsichtigt ist, was Hauptfigur und Nebenfigur unterscheidet, dass ich sie so ganz anders wahrnehme, und solche Dinge. Irgendwie empfinde ich die Nebenfiguren in meinen eigenen Romanen auch als das, was der Geschichte - und letztendlich dem Hauptcharakter - eine Richtung gibt. Mit ihnen interagiert die Hauptfigur, mit ihnen muss er zurecht kommen, und anhand dessen, wie er mit ihnen in Interaktion tritt, bildet man sich eine Meinung von ihm.  :hmmm:

Lucien

Zitat von: DodyLuNatic am 15. Dezember 2014, 22:32:39
Zu Klischeeszenen: Ich habe nach dem zweiten Durchgang gestrichen, dass mein Antagonist mit einem Glas Wein in seinem Sessel vor einem Kamin sitzt.   :prost:
:rofl: Ohne Witz, genau so eine Szene habe ich auch geschrieben, wenn auch nicht mit dem Antagonist. Ist sogar noch gar nicht so lange her. Ich liebe zwilichte, Wein trinkende Gestalten in einem Sessel am Kamin.  :vibes:

@Klecks: Ich bezweifle ein wenig, dass es wirklich beabsichtigt ist, dass die Nebenfiguren so viel sympathischer sind. Immerhin ist doch der Protagonist die wichtigste Figur in einer Geschichte. Derjenige, dessen Schicksal die Leser verfolgen.  :hmmm:

Lothen

Zitat von: Jenny am 16. Dezember 2014, 17:50:39Ich bezweifle ein wenig, dass es wirklich beabsichtigt ist, dass die Nebenfiguren so viel sympathischer sind. Immerhin ist doch der Protagonist die wichtigste Figur in einer Geschichte. Derjenige, dessen Schicksal die Leser verfolgen.  :hmmm:

Ich glaube, das Problem ist, dass man den Protagonisten als Leser einfach zu gut kennt, weil aus seiner Sicht erzählt wird. Sein Innenleben und seine Emotionen sind dem Leser sehr vertraut und auch seine Motivation wird man früher oder später durchschauen. Dadurch erscheinen die Nebenpersonen vielleicht spannender, weil sie irgendwie ... rätselhafter sind. ;)

Guddy

#19028
Dass mir die Hauptfiguren sympathischer sind, erlebe ich in erster Linie bei Bücher, bei denen der Protagonist gleichzeitig ein Spiegel des Lesers sein soll und daher bewusst(?) blass gehalten wird.
Ansonsten ist es ganz unterschiedlich. Mal finde ich die Haupt- und manchmal die Nebenperson spannender, je nachdem, wer von beiden die meisten mir sympathischen Charaktereigenschaften verkörpert oder ein generell tolles Gesamtbild ergibt eben ;) Außerdem neigen viele Autoren dazu, ihrem Protagonisten herausragende Fähigkeiten zu geben. Ich mag es nicht, wenn Charaktere "alles" können oder als besonders großartig dargestellt werden. (Jeder mag ja Patrick Rothfuss' Kvothe aus "Der Name des Windes"- ich nicht. Ich finde ihn schrecklich.)

DodyLuNatic

Zitat von: Lothen am 16. Dezember 2014, 20:50:05
Ich glaube, das Problem ist, dass man den Protagonisten als Leser einfach zu gut kennt, weil aus seiner Sicht erzählt wird. Sein Innenleben und seine Emotionen sind dem Leser sehr vertraut und auch seine Motivation wird man früher oder später durchschauen. Dadurch erscheinen die Nebenpersonen vielleicht spannender, weil sie irgendwie ... rätselhafter sind. ;)

Also das ist eine gute Erklärung! Klingt total logisch. Ja, von einem Nebencharakter kann ein plötzlicher Plottwist ausgehen, weil er sich vielleicht die ganze Zeit über verstellt hat. Wenn der Hauptcharakter sich plötzlich ganz anders verhält (ohne dass es ein bestimmtes, traumatisierendes Ereignis gab), ist das unglaubwürdig. Und wenn ihm so etwas widerfährt, bekommt man als Leser trotzdem mit, wie er dieses Ereignis verarbeitet. Das macht die weitere Entwicklung dieses Charakters etwas vorhersehbarer.

Klecks

@Jenny: Da hast du auch wieder Recht.  :jau:  Du musst dir darüber jedenfalls keine Sorgen machen. Bei dir sind alle Charaktere mitreißend, egal ob Hauptfigur oder nicht.  :vibes: 

Lothens Erklärung finde ich auch stimmig. Das ist, wie mir aufgefallen ist, oft einer der Gründe, warum ich jemanden nicht zum Perspektivträger mache - ich brauche denjenigen noch in einer anderen Position, in der er freier agieren kann, unvorhergesehener, weniger an die Identifikation mit dem Leser gebundener.  :hmmm:

Christopher

Zitat von: Guddy am 16. Dezember 2014, 21:41:47
(Jeder mag ja Patrick Rothfuß' Kvothe aus "Der Name des Windes"- ich nicht. Ich finde ihn schrecklich.)

Er ist mir nicht der unsympatischste - es wird ja auch oft genug dargestellt, dass er eben nicht so toll und unfehlbar ist, aber sich selbst durch Gerüchte etc. diesen Ruf verpasst. Aber ein bisschen abgehoben ist er schon ;)

Deutlich unsympatischer war mir da Havald aus der Askir Reihe. Das musste ich sogar abbrechen, weil er mir so unsympatisch war  ::)
Be brave, dont tryhard.

Siara

#19032
Lothens Erklärung halte ich auch für wahrscheinlich, wenn es darum geht, warum Protagonisten oft nicht so interessant sind wie die Nebencharaktere. Ich mag es allerdings total gerne, wenn man als Leser (obwohl man die Geschichte durch die Augen des Perspektivträger sieht) noch dazu kommt, diesen zu hinterfragen. Kvothe ist dafür ein gutes Beispiel oder - überspitzt - Jezal dan Luthar aus der Klingen-Saga von Abercrombie. Beides Charaktere, die sich streckenweise für ziemlich toll halten. Die Frage ist immer, wie es dargestellt ist. Und ob der Autor seine Figur beim Schreiben für genauso unfassbar toll hält, wie sie sich selbst. Protagonisten, die tatsächlich in allem die Besten und unglaublich talentiert sind, finde ich fade. Aber wenn man hin und wieder über ihre Verblendung schmunzeln kann, werden sie wieder sympathisch.

Das ist auch ein Aspekt, der Protagonisten für mich interessant macht: Zwar sieht man die Welt durch ihre Augen und kennt ihren Charakter gut, aber es sollte trotzdem noch Platz für Vermutungen und Erkenntnisse bleiben. Wie zum Beispiel eben die Erkenntnis, dass der Protagonist nicht so ein toller Hecht ist, wie er selbst denkt - auch wenn er es immer wieder schafft, sich genau das einzureden. ;D
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Guddy

#19033
Zitat von: Christopher am 16. Dezember 2014, 22:26:56
Er ist mir nicht der unsympatischste - es wird ja auch oft genug dargestellt, dass er eben nicht so toll und unfehlbar ist, aber sich selbst durch Gerüchte etc. diesen Ruf verpasst.
Kam bei mir nicht so rüber, es wirkte "Pseudo" und gestellt auf mich (unfreiwillig durch den Autor, nicht durch den Prota). Rothfuss und ich werden nie die dicksten Freunde ;) Müssen wir ja auch nicht, gibt genug andere, tolle Autoren, die mich begeistern :) Und er ist ja zum Glück auch längst nicht auf mich angewiesen *g*

Um die Askir-Reihe mache ich dann mal einen großen Bogen, danke! ;)

HauntingWitch

Zitat von: Lothen am 16. Dezember 2014, 20:50:05
Ich glaube, das Problem ist, dass man den Protagonisten als Leser einfach zu gut kennt, weil aus seiner Sicht erzählt wird. Sein Innenleben und seine Emotionen sind dem Leser sehr vertraut und auch seine Motivation wird man früher oder später durchschauen. Dadurch erscheinen die Nebenpersonen vielleicht spannender, weil sie irgendwie ... rätselhafter sind. ;)

Sehe ich auch so. Oft liegt der Reiz im Unbekannten. Es ist ja auch beim Schreiben so - Warum drängen sich so viele Nebencharaktere nach vorne und wollen ihre eigene Geschichte? Weil wir sie doch genauso tiefgehend ergründen wollen wie unsere Protas, wenn wir ehrlich sind, oder?  ;) Zumindest geht es mir so. Ich habe schon einige Nebencharaktere in eigene Geschichten ausgelagert deswegen.

Zitat von: Siara am 16. Dezember 2014, 22:42:26
Das ist auch ein Aspekt, der Protagonisten für mich interessant macht: Zwar sieht man die Welt durch ihre Augen und kennt ihren Charakter gut, aber es sollte trotzdem noch Platz für Vermutungen und Erkenntnisse bleiben. Wie zum Beispiel eben die Erkenntnis, dass der Protagonist nicht so ein toller Hecht ist, wie er selbst denkt - auch wenn er es immer wieder schafft, sich genau das einzureden. ;D

Du bringst es wieder einmal wunderschön auf den Punkt. Das ist natürlich der Optimalfall. Ich finde so etwas aber sehr schwierig zu schreiben. Man weiss ja nie, ob der eigene Prota zu durchschaubar oder eben undurchsichtig ist. Wenn er zu verschlossen ist, wird er unsympathisch, wenn man alles über ihn weiss, wird er langweilig... Aber da als Autor das Mass zu finden und genau dazwischen zu sein... Man nimmt ja den Charakter selber auch anders war, als Aussenstehende, gerade weil für einen selbst alles klar ist. Das ist etwas, das auch über die Charaktere hinausgeht und sich durch die ganze Geschichte zieht: Wie viel Information kann/muss ich geben? Darüber zerbreche ich mir den Kopf.  ;D