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BookTok

Begonnen von Mondfräulein, 07. Februar 2023, 15:42:58

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Mondfräulein

BookTok ist die Buchcommunity auf TikTok. In letzter Zeit wird immer mehr über BookTok diskutiert und ich finde das Thema sowohl aus Autor*innensicht als auch aus Leser*innensicht sehr spannend, gleichzeitig gewinnt BookTok immer mehr an Einfluss, auch in der deutschen Buchbranche. Deshalb interessiert es mich sehr, was ihr so darüber denkt! Ich hoffe, der Thread ist hier richtig, aber sonst verschiebt ihn gerne. :versteck:

Kurz gesagt ist TikTok eine Social Media Plattform, auf der man sich kurze Videos (meist unter eine Minute, teilweise aber auch länger) ansieht. Auf TikTok ganz entscheidend ist der Algorithmus, der erstaunlich gut darin ist, die Inhalte für einen auszuwählen, die einem gefallen könnten. Auf Instagram sieht man im Feed vor allem Posts von Leuten, denen man folgt (ich weiß nicht, wie das bei Reels ist, weil ich nie Reels schaue), auf TikTok ist der Algorithmus meinem Empfinden nach wesentlich einflussreicher als wem man folgt.

Allgemein wird BookTok nachgesagt, besonders im englischsprachigen Bereich gut für die Buchbranche zu sein, weil es Verkäufe fördert. Es gibt einige Titel, die durch BookTok groß geworden sind. The Song of Achilles von Madeline Miller zum Beispiel ist zehn Jahre nach Veröffentlichung nochmal auf die Bestsellerlisten gehüpft, weil das Buch auf einmal ein riesiger BookTok-Hit war. In Deutschland ist das Phänomen auch angekommen. Es gibt viele deutschsprachige BookTok-Accounts und in vielen Buchhandlungen steht inzwischen ein BookTok-Tisch. Was auf BookTok groß ist, wird anscheinend auch hier gekauft. Im deutschsprachigen Bereich habe ich mitbekommen, dass Marie Graßhoff die Verkäufe ihrer Hard Liquor Reihe durch BookTok ordentlich ankurbeln konnte (https://www.tiktok.com/@marie.grasshoff/video/7194019717110140166), I.B. Zimmermann hat durch BookTok ihr Buch aus dem DichtFest-Verlag (also kein Großverlag) bei Thalia und Amazon in die oberen Verkaufsränge befördert (Teil 1: https://www.tiktok.com/@kritzelpixel.de/video/7084935010398063877, Teil 2: https://www.tiktok.com/@kritzelpixel.de/video/7085092550209457414). (Oder zumindest interpretiere ich das so, ich kenne mich mit Verkaufsrängen dann doch nicht so gut aus.) Das sind nur die Beispiele, die ich direkt mitbekommen habe, aber den beiden hat BookTok auf jeden Fall nicht geschadet.

Als Leserin finde ich BookTok in vielerlei Hinsicht spannend. Ich bin nicht viel auf Bookstagram unterwegs, aber ich habe letztens im Hugendubel-Magazin ein Interview mit der deutschen BookTokerin Mallak (auf TikTok @endlessbookworld) gelesen, in dem sie gesagt hat, dass die Genreauswahl auf TikTok im Vergleich zu Instagram diverser ist, aber auch mehr englischsprachige Titel empfohlen werden. Ich merke auch, dass auf BookTok sehr viel mehr debattiert wird und mehr kritische Punkte angesprochen werden, das sehe ich auf Instagram fast gar nicht (das kann aber auch daran liegen, dass ich auf Instagram fast nur deutschen Accounts folge). Das geht jetzt aber sehr in meine ganz subjektiven Erfahrungen, deshalb schreibe ich lieber in einem extra Beitrag nochmal etwas dazu.

Gleichzeitig wird sich auch viel über BookTok beschwert. BookTok wird unter anderem vorgeworfen, dass die Auswahl der Bücher sehr einseitig ist (überspitzt nur Colleen Hoover und spicy Fantasy-Romances), dass die Bücher nach oberflächlichen Kriterien ausgewählt werden, dass es mehr um die Ästhetik des Lesens geht als um das Lesen selbst, die Kommerzialisierung des Lesens selbst, dass die guten alten Klassiker auf BookTok keine Chance haben. Ein weiteres Problem ist, dass sich Orte für Autor*innen und Leser*innen vermischen, was dann problematisch wird, wenn Autor*innen ungehalten auf 1-Sterne-Rezensionen reagieren und ihre ganze Followerschaft auf Leser*innen hetzen, gewollt oder ungewollt (zum Beispiel passiert bei Piper CJ). Es gibt auch eine große Debatte über Antiintellektualismus, aber da bin ich echt nicht drin und kann nicht viel darüber sagen.

Ich will jetzt hier nicht so viel über meine eigenen Meinungen und Erfahrungen reden (das schreibe ich später nochmal auf). Das liegt auch daran, dass Erfahrungen auf TikTok sehr unterschiedlich sind und wenn man überhaupt auf BookTok landet (also Videos über Bücher auf der Startseite angezeigt bekommt, so nennt das die Jugend heute), ist die Erfahrung dort auch nochmal stark durch den Algorithmus beeinflusst. Ich bekommen zum Beispiel fast nie Colleen Hoover empfohlen, aber anscheinend ist sie eine der großen BookTok-Autor*innen. Es gibt also nicht das eine BookTok.

Deshalb interessiert es mich umso mehr, welche Erfahrungen ihr sowohl als Autor*innen als auch als Leser*innen mit BookTok gemacht habt. Habt ihr Videos produziert? Sind eure Bücher auf BookTok beworben worden? Habt ihr als Leser*innen dort Bücher entdeckt oder beworben? Glaubt ihr, dass sich die Branche durch BookTok verändert? Was sind eure Gedanken?

Aylis

#1
Ich bin sehr gern auf Booktok unterwegs. Sicher ist die Kritik allgemein an der App auch angebracht. Ich bin leider schon vom Streamen so platt, dass ich nur kurz auf einige Aspekte eingehen möchte.

1. Fällt mir besonders im Vergleich zu Insta auf, dass Tiktok viel mehr darüber funktioniert, persönliche Inhalte zu teilen. Am besten funktioniert Verzweiflung und sich beschweren. Deshalb ist auch die Diskutierfreude höher, gefühlt zumindest. Bei Insta geht es ja häufig darum, wer das schönere und bessere Leben hat (gefühlt, alles subjektiv betrachten bitte). Bei Tiktok wird sich schon fast am Leid ergötzt. Es lebt auch viel von (teils fiesen, teils sehr supportiven) Kommentaren. Das geht bei Insta ja total unter.

2. Der Algorithmus funktioniert viel besser. Ich kriege ständig Buch interessierte, deutschsprachige Follower, die auch ganz vielen Kolleg*innen folgen. Seit Oktober habe ich 172 neue Follower, Tendenz steigend, pro Video 1-5. Es sei denn es läuft richtig schlecht. Das habe ich auf Instagram nicht. Da mache ich viel mehr Posts und habe 70 Follower weniger. (Vielleicht auch falsch, aber 3 Bildposts, max 2 Reels finde ich eigentlich okay).

3. Ich höre immer wieder, dass viele Tiktok meiden, weil das ja China (?!) gehört und daher man mehr überwacht wird. Dass darum auch der Algorithmus besser funktioniert. Weiß ich nicht. Deine Daten bei Metabusiness zu lassen ist vielleicht auch nicht viel besser (vor allem müssen wir über Facebook als Neue Leute Generierungsfaktor gar nicht anfangen).
Was ich aber auf jeden Fall festgestellt habe: Ich habe vier Videos im gleichen Stil gepostet. Lustiges Voice Over, Pinterest Bilder, Cliffhanger, also so ein bisschen wie die Trailer heute. Man kriegt nur einen ganz knappen Eindruck - danach ist man eigentlich nur verwirrt.
Drei Videos haben über 50 Likes, was für mich dato durchschnittlich bis überdurchschnittlich ist.
Das Vierte Video lief unterirdisch schlecht im Gegensatz zu den anderen - das einzige, was anders war, war, dass es um einen queeren Charakter ging. ich habe keine anderen Hashtags benutzt, nichts. Trotzdem hat Tiktok ausgerechnet das Video floppen lassen.
Das finde ich schon sehr weird, muss ich sagen. Vielleicht ist es ein Zufall, aber ich habe das Gerücht schon öfter gehört, dass Tiktok wegen dem Staat, aus dem es kommt, solche Inhalte filtert.

EDIT: Beim Crowdfunding habe ich übrigens 2 oder 3 Leute nur über Tiktok gewonnen. Das gibt es von keiner anderen Plattform. Weder bei Insta noch bei Facebook habe ich überhaupt Leute, die mich nur über diese Plattform gefunden haben, glaube ich. Auch, wenn das natürlich nicht immer so easy zu erkennen ist.
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Alana

#2
Ich bin da zwiegespalten. Ich mag Tiktok durchaus und ich finde alles gut, was Barrieren öffnet und Marketing demokratisiert. Das tut Tiktok auf jeden Fall. Aber die politische Kritik ist nicht falsch. Leider. Wenn ich mit dem Veröffentlichen wieder anfange, will ich trotzdem wieder mehr Zeit dort investieren und testen, was ich damit erreichen kann, weil es einfach unheimlich viele Möglichkeiten bietet, die man woanders nicht (mehr) hat und ich es mir nicht leisten kann, so eine Gelegenheit ungenutzt zu lassen. Leider hat Meta Instagram ja vollkommen ruiniert, was mich echt ärgert, weil ich da zwischendurch sehr erfolgreich war (ich hatte teilweise 1K Likes organisch auf einem einzigen Post) und es auch richtig viel gebracht hat, aber die ständige Einschränkung der organischen Reichweite in Verbindung mit immer weniger wirksamen Ads hat es mir vollkommen verleidet.

Ein paar Videos habe ich auf Tiktok hochgeladen und dafür, dass ich da null Follower hatte und auch jetzt nicht wirklich viele habe, waren die Views recht ordentlich, vor allem im Vergleich zu Instagram. Was ich mag: man kann wirklich schamlos Werbung für die Bücher machen, weil die Leute genau das suchen. Also, natürlich keine aufdringliche Werbung, aber man muss keinen Eiertanz machen so wie auf Instagram, sondern kann sagen: das passiert in meinem Buch, wenn es euch interessiert, kauft es. (Dazu hat man Page Flips und andere verschiedene Formate.) Das gefällt mir. Auch, dass die Qualität der Videos nicht so shiny und perfekt sein muss, aber ich befürchte auch, dass sich das bald ändern wird. Und ich mag auch, dass man sich Content nicht komplett ausdenken muss, sondern sich easy an Trends dranhängen kann, aber dann eben mit dem eigenen Buch, und das nicht nur okay ist, sondern sogar gewünscht wird.

Was mich derzeit an Tiktok richtig nervt, ist, dass es aus meiner Sicht den Effekt "Buchqualität spielt keine Rolle mehr für Verkaufszahlen" noch mal verstärkt. Eins hab ich gelesen, das war so unterirdisch schlecht - sowas sollte nicht verkauft werden. Und letztens habe ich auf Goodreads ein Buch gesehen, das hatte mehrere Tausend Rezensionen, Durchschnitt 4,7 Sterne - und war noch nicht mal erschienen. In den Reviews stand: Ich folge der Autorin auf Tiktok und das Buch kann ja nur toll sein, weil sie so sympathisch ist.  ::)  Generell habe ich das Gefühl, dass Autor*innen sich darüber an ungerechtfertigten Rezensionen "bereichern" und das ärgert mich, vor allem, weil Goodreads eine Plattform ist, auf der normalerweise schon 3,7 Sterne durch ehrliche (!) Rezensionen eine ordentliche Leistung für ein Buch sind, und diese Praktik zu einem sehr verzerrten Wettbewerb führt.

Es ärgert mich auch deshalb, weil es den Markt immer mehr auf junge, hübsche Menschen verschiebt (Ausnahmen gibt es natürlich!) und der Buchmarkt eigentlich einer der Märkte war, bei denen man in jedem Alter und mit jeden Aussehen gute Chancen hatte, solange die Qualität der Bücher stimmte.

Besonders ärgert es mich, wenn minderwertige Bücher auch noch übersetzt werden, nur, weil sie auf Tiktok gut gelaufen sind. Das ist so unfair gegenüber den Autor*innen, die eine Übersetzung verdient hätten, und gegenüber den Leser*innen, die dann natürlich unzufrieden sind, weil sie ein echt schlechtes Buch gekauft haben. Was mir dabei auch vollkommen unverständlich ist: Wenn ich als Verlag eine "Tiktok-Sensation" einkaufe, warum mache ich dann nicht ein gutes Lektorat und bringe die Qualität auf einen guten Stand? Wenn man sogar mit Übersetzungen rechnen kann, lohnt sich das doch.

Und zu guter Letzt hadere ich sehr damit - obwohl ich Marketing spannend finde und durchaus gerne mache - dass man als Autor*in heute wirklich gar nicht mehr einfach nur schreiben und sich etwas am Marketing beteiligen kann, sondern eigentlich wirklich Marketing-Profi sein und dann auch noch alles selbst produzieren muss, wenn man auch nur ein bisschen Erfolg haben will. Marketing ist ein eigener Job und das aus gutem Grund. Aber viele meiner Freundinnen, die beruflich schreiben, verwenden mittlerweile die Hälfte ihrer Zeit auf Marketing, weil es anders eben nicht geht, und das finde ich einfach nicht richtig. Tiktok verstärkt diesen Effekt noch mal.

Na ja. Aktuell kostet mich allerdings schon der Gedanke zu viel Energie, bei Tiktok voll einzusteigen und bis ich soweit bin, ist der Goldrausch vermutlich schon wieder vorbei und der Algorithmus auch da ruiniert.  :P Dann kommt was neues und ich steige eben damit ein.  ;D
Alhambrana

Coppelia

#3
Danke für eure Beiträge. Ich hatte mir mal TikTok installiert, aber war so extrem genervt davon, dass ich nie mehr damit gemacht habe als einen Account zu erstellen. Ich wurde ständig mit irrelevanten Nachrichten irgendwelcher Videos mir unbekannter Leute zugeballert ("Er hat SCHLUSS GEMACHT :'("  u. ä.)

ZitatEs ärgert mich auch deshalb, weil es den Markt immer mehr auf junge, hübsche Menschen verschiebt (Ausnahmen gibt es natürlich!) und der Buchmarkt eigentlich einer der Märkte war, bei denen man in jedem Alter und mit jeden Aussehen gute Chancen hatte, solange die Qualität der Bücher stimmte.
Das ist eine Sache, die ich auch super kritisch sehe. Ich bin 41 und so sehe ich auch aus. Habe auch schon durchaus die Rückmeldung bekommen, ich wäre zu alt für den Buchmarkt. Und ich verstehe es in gewisser Weise. Warum solltest du mit 26 ein Buch von so einer "alten Schachtel" kaufen, wenn die 25jährige TikTokerin viel hübscher ist? Wie Alana schreibt, um die Qualität geht es dabei null.

Ich mache immer noch Marketing auf Instagram und ja, leider funktioniert es nicht mehr gut. TikTok ist aber für mich aktuell auch keine Alternative

- mein Alter, s. o.
- Videos sind noch mehr Aufwand als Fotos
- ich müsste mich extrem einfuchsen, um die Trends zu kennen
- Was ist eigentlich mit der Musik und den Sounds, die auf TikTok verwendet werden? Kann mir nicht vorstellen, dass die gemeinfrei sind. Und Werbung ist ja sogar noch eine kommerzielle Nutzungsart.

Ich warte auch noch auf etwas Neues.

Cooky

Das Alter könnte ein Hemmfaktor sein, deswegen habe ich auf TikTok bisher nur ein paar Buchtrailer hochgeladen. Mein Gesicht ist nur mal als Standbild aufgetaucht. Muss ja keiner sehen, wie sich die Falten bewegen. ;-) Wobei ich aber genug Formate gesehen habe, die auch von Älteren gemacht werden und durchaus Erfolg haben. Vermutlich ist das dann eher die Frage, ob man sich selbst für zu alt hält.

Wie @Alana sagt, der Algorithmus ist sehr viel freundlicher als auf Insta. Ich lade nicht regelmäßig Videos hoch, habe keinen nennenswerte Followerzahl, dennoch habe ich eine vielfach höhere Reichweite als auf Instagram und bereits meinen Beitrag mit den höchsten Likes auf Instagram geschlagen.
Aber das System läuft auch anders. Alte Beiträge verschwinden nicht automatisch in der Versenkung. Sie können immer mal wieder vom Algorithmus hochgeholt und einer anders aufgebauten Zielgruppe präsentiert werden. Ansonsten: Wenn man in seiner eng festgelegten Sparte bleibt, belohnt das Algorithmus irgendwann. (Etwa nach den ersten fünf Videos evaluiert TikTok, in was für einer Sparte du dich bewegst und wie gut die Videos relativ zur Größe des Publikums abgeschnitten haben).
Und TikTok funktioniert ja nicht nur, wenn man für sich selbst Werbung macht. Ich habe es auf Wattpad schon mehrmals erlebt, dass es ein erhöhtes Leseraufkommen gab, nur weil jemand den Titel einer meiner Geschichten in einem Kommentar genannt hat (ganz ohne meinen Einfluss). Natürlich ist das bei einer kostenlosen Geschichte einfacher, als auch Käufer zu finden. Doch Beispiele, bei denen das funktioniert, wurden hier ja bereits genannt.

@Coppelia und Musikrechte. Alle sozialen Medien, die eine Einbettung von Musik zulassen, haben mit der GEMA pauschalisierte Lizenzvereinbahrungen. Sonst würde das System generell nicht funktionieren. Wenn du allerdings etwas Kommerzielles machst, musst du trotzdem prüfen, unter welcher Lizenz die Musikstücke stehen. Hier gibt es gemeinfreie Stücke, die man kommerziell nutzen kann und Plattformen die sie anbieten oder auch kostenpflichtige Stücke, für die sie das Lizenzierungsverfahren übernehmen und vereinfachen. Aber ja, es ist ein Thema, das wieder zusätzliche Arbeit erfordert.


Sunflower

Ich bin als Leserin auf Booktok, also nur passiv, ich schaue nur Sachen an. Und ich mag es echt gern (ja, ich sehe natürlich die gerechtfertigte Kritik daran, trotzdem). Ich muss dazusagen, ich bin fast nur im englischsprachigen Booktok, weil ich auch fast nur noch auf Englisch lese. Aber da hat es mein Lesen schon sehr verändert - zum Guten insgesamt, ich habe im letzten Jahr mehr neue Bücher gefunden, die mich wirklich begeistern, als in vielen Jahren davor, und zwar durch Booktok.

Allerdings habe ich meinen Algorithmus inzwischen wirklich trainiert - ähnlich wie Mondfräulein bin ich in einem sehr speziellen Teil von Booktok unterwegs. Die Videos, die ich sehe, machen auch mal längere Besprechungen von Büchern, die sehr differenziert sind. Ich bekomme viele Empfehlungen, die sehr divers sind, in vielen Bereichen, nicht nur in LGBTQ-Fragen. Ich sehe auch Videos, wo wiederum Booktok selbst kritisch besprochen wird, z.B. habe ich vor kurzem eins gesehen, wo es darum ging, warum Neil Gaiman so schlecht auf Booktok funktioniert. Das fand ich spannend (die Argumentation kriege ich aber gerade nicht mehr zusammen). Und ich bin auf der Seite von Booktok, die über Colleen Hoover höchstens hatet, das heißt, ich weiß jetzt zwar, wovon ihre Bücher handeln, aber halt auch, dass ich das niemals lesen will  :rofl:

Also ja, aus Leserinnensicht muss ich sagen, ich habe die meisten meiner Lesehighlights des letzten Jahres dank Booktok gefunden. Aber eben auch nur, weil ich den Algorithmus wirklich eine längere Zeit trainiert habe. Also konsequent weitergescrollt, wenn es um Sachen ging, die ich nicht mag, oder auch Darstellungsformen, die nicht mag (z.B. gibt es viele Videos, wo nur die Cover von Büchern gezeigt werden ohne weitere Infos, das hilft mir nicht so wirklich ;)).

Ich muss aber auch sagen, ich folge ziemlich wenigen Autor*innen und eher Booktoker*innen. Meine Kaufentscheidungen richten sich auch eher nach Booktoker*innen und nicht, weil ein*e Autor*in ihr eigenes Buch empfiehlt. Eine Ausnahme ist Xiran Jay Zhao, Iron Widow habe ich erst durch Xirans Tiktokvideos gekauft  :D
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Coppelia

#6
Hmm, das klingt ja leider so, als wäre es tatsächlich unverzichtbar, dort aktiv zu sein. Die Frage ist aber natürlich auch, wie du es schaffst, dass ein Buch von dir auf BookTok landet. Ich habe meine Leser*innen tatsächlich fast alle mit persönlichem Marketing auf Instagram von Hand aufgelesen - natürlich komme ich mit dieser Taktik nicht allzu weit. Ich zweifle auch, ob SP-Titel dort überhaupt eine Chance haben.

Meiner Erfahrung nach ist das Alter bei Männern eher kein Problem, bei Frauen dagegen deutlich mehr.

Wenn ich als Autorin Werbung für meine Bücher mache, nutze ich Musik und Sounds natürlich kommerziell. Ich kenne mich mit dem Thema Creative Common ganz gut aus (habe dazu auch einen Insta-Beitrag gemacht. ;D). Ich fürchte, dass Recherchieren in dem Social Medium selbst wenig bringt, da die Lizensierung dort in der Regel nicht einsehbar ist (oder ist das bei TikTok anders?). Man müsste die Videos extern erstellen, damit man nur solche Dateien verwendet, bei denen es gestattet ist.

Ich fürchte außerdem, wenn es ein neues wichtiges Social Medium gibt, dass es dann noch oberflächlicher, noch glitzeriger, noch jugendorientierter und noch aufwändiger zu bedienen ist und ich als Vollzeitberufstätige in meinem Alter damit noch weniger Chancen habe, als Autorin jemals wahrgenommen zu werden. :versteck:  All diese Umstände tragen natürlich auch dazu bei, dass ich voraussichtlich weiterhin keine Agentur finde und daher weiterhin SP machen muss, was all diese Probleme noch verschärft. Es ist schon irgendwie ein Teufelskreis.

Mondfräulein

Ich will jetzt nochmal meine ganz subjektive Sicht auf die ganze Sache einbringen. Ich bin auf TikTok vor allem als Leserin unterwegs und als Leserin finde ich BookTok wahnsinnig spannend. TikTok macht mir Lust aufs Lesen und Lust auf Bücher. Ich würde schon sagen, dass ich durch TikTok mehr lese. 

Es gibt ein paar Accounts, die Bücher ausführlicher besprechen, aber meistens sind die Empfehlungen auf BookTok sehr kurz und komprimiert. Es wird viel Fokus auf Tropes gelegt. Ich bin nicht sicher, ob das vorher über TikTok hinaus schon eine große Sache war, aber mittlerweile werben Autor*innen und Verlage selbst auf diese Art für ihre Bücher (z.B. hier bei Gina Chen: https://www.instagram.com/p/CYkBifvvNbB). Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich spannend. In diesem Beispiel habe ich das Buch unter anderem deshalb gelesen, weil es so beworben wurde und ich dachte ,,Oh, das klingt spannend, das könnte ich mögen!". Es erinnert mich auch sehr an Fanfiction-Tags. Das Buch hätte ich sonst vielleicht nicht gelesen und es hat mir sehr gut gefallen. Ansonsten sind die Empfehlungen auf BookTok eben meistens sehr kurz und knapp, aufs Wesentliche beschränkt, selbst wenn es nicht um Tropes geht. In diesem Video zum Beispiel gibt es zu jedem Buch nur ein paar wenige Stichwörter, aber ich werde bei manchen trotzdem neugierig: https://www.tiktok.com/@maddiesmartinez/video/7196023346759290158 Für mich ist so ein Video selten ausschlaggebend für eine Kaufentscheidung, aber es macht mich neugierig genug, um mir die Bücher genauer anzusehen.

TikTok ist auch sonst recht kreativ darin, wie Bücher beworben werden. Es gibt zum Beispiel Videos wie "Convincing you to read this book based on its aesthetic" (Beispiel: https://www.tiktok.com/@aliyahmariebooks/video/6934752032624479493), "Wenn du diesen Ghibli-Film mochtest, dann lies dieses Buch", ,,Wenn du dieses Buch möchtest, dann versuch eines dieser Bücher", ,,Fantasy-Bücher für jedes Sternzeichen". Teilweise wird über die Bücher geredet, teilweise werden sie einfach in die Kamera gehalten und das ganze wird mit einem passenden Lied oder Sound hinterlegt (Beispiel: https://www.tiktok.com/@bookedwithcoffee/video/7181915048347045125). Manchmal kann ich mit solchen Büchern durchaus etwas anfangen. Wenn unter den Empfehlungen zum Beispiel Bücher sind, die ich sehr mochte, schaue ich mir die anderen nochmal genauer an. Meine Goodreads-Leseliste war noch nie so überfüllt wie jetzt nach einiger Zeit auf BookTok. Manche Empfehlungen sind sehr spezifisch, aber manchmal braucht man gerade das. Nicht ,,Die 10 besten Fantasybücher" sondern ,,10 Fantasybücher mit wenig Romance und weiblicher Hauptfigur, in denen es um Drachen geht".

Die Empfehlungen sind meiner Meinung nach teilweise auch sehr viel subjektiver und emotionaler. Meinem Empfinden nach geht es oft viel mehr um die Gefühle, die ein Buch auslöst. Ich weiß nicht wieso es mich dazu bringt, ein Buch zu lesen, wenn es jemand heulend in die Kamera hält, aber so etwas sagt manchmal doch mehr als 1000 Worte (Beispiel: https://www.tiktok.com/@amandamariedarling/video/6940025648861728006 oder https://www.tiktok.com/@aymansbooks/video/6927732409303665925). Ich lese aber ehrlich gesagt auch gerne Bücher, die mich zum Weinen bringen. Was mich sehr oft dazu bringt, mir ein Buch näher anzusehen, ist wenn eine Person darüber redet und man die Leidenschaft für das Buch richtig heraushört. Diese Begeisterung fühle ich in schriftlichen Rezensionen selten. Ich habe oft weniger das Gefühl, durchdachte Rezensionen zu lesen, die auf unterschiedliche Aspekte eingehen, sondern dass mir jemand persönlich erzählt, warum er*sie dieses Buch so großartig fand und um mich neugierig zu machen funktioniert das tatsächlich sehr viel besser. Ich lasse mich so viel eher von der Begeisterung anstecken. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich durch TikTok mehr Genres kennenlerne. Cozy Fantasy ist gerade ein großes Thema (mit Debatte darüber, was das eigentlich ist). Ich habe Tomorrow, and Tomorrow, and Tomorrow von Gabrielle Zevin gelesen, obwohl das ein Genre ist, das ich sonst eigentlich nicht lese.

Interessant finde ich Legends & Lattes von Travis Baldree. Das Buch sehe ich sehr oft und es klingt total interessant, gelesen habe ich es aber noch nicht. Vor allem aber kommt es im Mai bei dtv auf Deutsch raus und ich glaube schon, dass man das BookTok zu verdanken hat. Travis Baldree selbst hat zwar TikTok, aber sein Account ist gar nicht mal so groß und ich glaube nicht, dass er selbst für den Erfolg eines Buches verantwortlich ist. Das Buch scheint einfach einen Nerv getroffen zu haben. Aber vor allem hätte ich auf dem deutschen Buchmarkt nie ein queeres Cozy Fantasy Buch erwartet, in dem ehemalige Abenteuer*innen einen Coffee Shop führen. Insofern finde ich die Frage interessant, ob es diese Entwicklung so oder so gegeben hätte, oder ob sich BookTok schon darauf auswirkt, welche Genres man auf dem deutschen Buchmarkt findet.

Teilweise werden schon schlechte Bücher durch BookTok übersetzt, aber ehrlich gesagt wurden auch vorher viele schlechte Bücher übersetzt und andere Bücher, die es mehr verdient hätten, haben die Chance nicht bekommen. Das ist schon ein Problem, solange ich bewusst über den deutschen und englischsprachigen Buchmarkt nachdenke und war das vor BookTok wirklich so anders? Denn manche Bücher, die ihre Chance durch BookTok bekommen haben, sind dafür aber auch solche, die auf dem deutschen Buchmarkt sonst vielleicht keine Chance gehabt hätten. Genauso waren auch vor BookTok schon schlechte Bücher wahnsinnig erfolgreich (z.B. 50 Shades of Grey). Genauso sind manche schlechte Bücher auf Instagram wahnsinnig erfolgreich (z.B. A Touch of Darkness). Colleen Hoover ist groß auf BookTok, aber sie war schon vor 10 Jahren erfolgreich und ihre Bücher wurden damals auch in Deutschland erfolgreich verkauft (auf BookTube hat gefühlt jede*r Weil ich Layken liebe gelesen), bei Sarah J. Maas genauso. Insofern bin ich nicht sicher, ob sich da durch BookTok wirklich etwas zum Schlechten verändert hat oder ob das nicht generell ein Problem der Branche, das sich hier genauso zeigt wie anderswo.

Aber hier ist glaube ich auch wichtig zu sagen, dass BookTok groß und divers ist. Die Bücher, die ich durch BookTok kennengelernt habe, sind größtenteils wirklich gut geschrieben und ich würde mich da überhaupt nicht über fehlende Qualität beschweren. Meine Empfehlungen sind auch sehr divers. Gleichzeitig sind aber auch A Court of Thorns and Roses von Sarah J. Maas und Colleen Hoover groß auf BookTok und beide sind einfach wirklich nicht gut geschrieben. Was ich auch erwähnen will, ist dass es Bücher wie Legends & Lattes gibt, die im Selfpublishing erschienen sind, dann auf BookTok groß geworden sind und erst dadurch einen Verlag gefunden haben. Da bin ich nicht sicher, ob vom Verlag da noch ein großes Lektorat möglich ist. Ich weiß, dass The Atlas Six von Olivia Blake definitiv eins hatte, als es neu im Verlag erschienen ist, weil ich ein Video gesehen habe, in dem beide Versionen miteinander verglichen wurden.

Ich sehe aber auch Probleme mit BookTok. Piper CJ ist so ein Fall. Sie ist jung und hübsch (Hat ihr das geholfen, ihre Bücher zu verkaufen? Ja, bestimmt. Hätte sie sonst auch eine Chance gehabt? Ehrlich gesagt, keine Ahnung.), was bestimmt auch hilft, und sie hat ihr Buch vor allem deshalb verkauft, weil ein Video viral ging, in dem sie darüber geweint hat, dass ihre Familie sie nach ihrem Outing nicht mehr akzeptiert. Das ist alles tragisch und schlimm, aber das Buch ist einfach nicht gut, hat vor der Veröffentlichung kaum ein Korrektorat oder Lektorat gesehen und ist im Prinzip eine ziemlich problematische Witcher-Fanfiction. Aber es hat sich wirklich gut verkauft, bevor Piper CJ auf eine Rezension losgegangen ist, in der kritisiert wurde, dass das Buch voller Fehler steckt. Dann hat sich BookTok gegen sie gewendet, aber ihre Fans auch wiederum gegen Leute, die sie kritisiert haben. Ich bin kein so großer Fan davon, ein Buch durch die tragische persönliche Geschichte der Autor*innen zu verkaufen (außer, es geht im Buch darum). Ein Problem ist aber auch, dass sich Orte für Rezensent*innen und Leser*innen sehr mit Orten für Autor*innen vermischen. Obwohl sich Piper CJ nicht mehr zu Rezensionen ihrer Bücher äußert, bekommen einige, die ihre Bücher kritisieren, immer noch viel Hass ab.

Die meisten BookToker, die ich so sehe, passen schon irgendwie ins Bild ,,jung und hübsch" (zumindest jünger als 45), aber die Autor*innen der Bücher, die ich empfohlen bekomme, passen nicht alle in dieses Schema. Auf der anderen Seite ist Colleen Hoover auch keine 20 mehr und ist auf TikTok erfolgreich, genauso wie Hank Green. Ich bin auch nicht sicher, ob Aussehen und Alter so entscheidend für Erfolg auf TikTok sind oder ob die jüngere Generation einfach empfänglicher für TikTok ist. Ich halte ehrlich gesagt beides für plausibel und kann nicht sagen, was jetzt stimmt. Ich sehe zumindest bei mir durchaus Frauen über 40, die auch nicht wie 20 aussehen und durchaus erfolgreich und beliebt sind. Auf der anderen Seite ist es leider sehr plausibel, dass BookTok genauso junge, hübsche Menschen bevorzugt, bei Frauen wie Coppelia schon sagt nochmal stärker als bei Männern. Ehrlich, keine Ahnung, was davon jetzt stimmt.

Das sind auf jeden Fall meine persönlichen Erfahrungen und Gedanken. Aber ich finde eure Sichtweisen bisher wirklich spannend!

@Sunflower: Das Video über Neil Gaiman habe ich glaube ich auch gesehen (falls wir dasselbe meinen). Ich finde das für die Diskussion hier total interessant, deshalb habe ich es mal rausgesucht: https://www.tiktok.com/@pagemelt/video/7195676771575139630

Sunflower

#8
Zitat von: Mondfräulein am 08. Februar 2023, 14:55:02@Sunflower: Das Video über Neil Gaiman habe ich glaube ich auch gesehen (falls wir dasselbe meinen). Ich finde das für die Diskussion hier total interessant, deshalb habe ich es mal rausgesucht: https://www.tiktok.com/@pagemelt/video/7195676771575139630

Ja, das war es, danke! Den Kanal mag ich auch insgesamt sehr gern, weil da oft Sachen sehr differenziert betrachtet werden. Das finde ich sehr spannend :vibes:
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Coppelia

#9
Differenzierte Betrachtung fände ich wiederum recht interessant, und es wäre für mich ein Kriterium, es genauer anzusehen. Instagram hat ja auch den Ruf, extrem oberflächlich zu sein, ist es auf den zweiten Blick aber nicht zwangsläufig überall.
Wäre natürlich die Frage, ob ich selbst bzw. meine Bücher auch in den Genuss kämen, differenziert betrachtet zu werden. ;D
Und ja, ich habe ein Problem mit meinem Alter, und noch mehr, seit von "professioneller" Seite diese Aussage mir gegenüber kam. Ich finde halt, ich darf auch mit über 40 noch ein gutes Buch schreiben, das durchaus seine Chance verdient. Als ich angefangen habe und mit Anfang 20 ein Buch veröffentlicht habe, hieß es bei Verlagen und Agenturen noch "gute Bücher schreibt der Mensch erst ab 30", was so natürlich auch nicht stimmt.
Offenbar hat meine Geburt kein buchmarktkompatibles Timing. :P Oder ich muss mal über meinen Schatten springen. Aktuell habe ich aber definitiv keine Zeit und Energie für TikTop - es ist für mich schon sehr schwierig, jeden Tag Zeit zum Schreiben zu finden. Und ohne entstehen halt keine Bücher.

ZitatUnd zu guter Letzt hadere ich sehr damit - obwohl ich Marketing spannend finde und durchaus gerne mache - dass man als Autor*in heute wirklich gar nicht mehr einfach nur schreiben und sich etwas am Marketing beteiligen kann, sondern eigentlich wirklich Marketing-Profi sein und dann auch noch alles selbst produzieren muss, wenn man auch nur ein bisschen Erfolg haben will.
Ich denke, die Frage wär einen eigenen Thread wert.
Das ist auch eine Sache, die mich extrem beschäftigt. Ich weiß zwar nicht, ob ich ohne Agentur und mit Vollzeitjob überhaupt als richtige Autorin zähle. Auf jeden Fall ist mir kaum etwas so wichtig wie meine Bücher, und ich wünsche mir Erfolg für sie und tue dafür alles, was ich kann. Allerdings habe ich schlichtweg keine Zeit, so viel Marketing zu machen, weil ich außerdem meinen Job machen und noch schreiben muss. Selbst für das Schreiben Zeit zu finden, ist schon oft schwer. Es ist also für mich unmöglich, jemals "mitzuhalten", ganz egal, wie sehr ich mich anstrenge. Das macht mir oft sehr zu schaffen, und in letzter Zeit fühle ich auch oft, dass ich überlastet bin. Aber ich weiß nicht recht, wie ich da wieder rauskommen soll. Aufgeben ist halt auch keine Option.

Leann

@Coppelia:
ZitatIch weiß zwar nicht, ob ich ohne Agentur und mit Vollzeitjob überhaupt als richtige Autorin zähle.
Das meinst du hoffentlich nicht ernst. Ich als agenturlose Person mit Fast-Vollzeitjob sehe mich durchaus als richtige Autorin an, oder würdest du behaupten, dass ich dann logischerweise auch keine bin? Natürlich sind wir richtige Autorinnen!

Zurück zum Thema.

Seit Mitte Oktober 2022 bin ich bei TikTok aktiv.
Die Argumente, die Alana genannt hat, sind auch die, die mich hauptsächlich daran stören. Also die Verlagerung auf die Optik zu Lasten der Qualität und die Tatsache, dass man als Autorin mittlerweile eher Marketinggenie sein muss, als gut schreiben zu können, um überhaupt die Chance auf Erfolg zu haben. Allerdings trifft das wohl eher auf den Buchmarkt allgemein zu und wird eben bei Formaten wie BookTok besonders deutlich.

Hier mal meine persönlichen Erfahrungen (ich hoffe, die gehören auch in diesen Thread, ich versuche, es allgemein zu halten):

Vorab: Ich bin 52 und mein Alter hat mich noch nie daran gehindert, etwas zu tun. Wenn jemand bei TikTok keine alten Frauen sehen will - mir egal. Man kann ja weiterscrollen.
Ich probiere gerne Neues aus, habe Spaß daran und ja, TikTok fand ich auf den ersten Blick schrecklich, aber ich habe der Sache eine Chance gegeben und obwohl es viel gibt, was mich daran nervt (ich habe eine Abneigung gegen häufige Wiederholungen und Lipsync, was TikTok leider ausmacht), habe ich für mich einen Weg gefunden, Freude daran zu haben.

- Mit Booktok Bücher verkaufen funktioniert.
Ich habe mit wenigen Followern und geringer Reichweite erwiesenermaßen Bücher verkauft, weil sie bei TikTok gesehen wurden. Diesen Effekt hatte ich bei Instagram nie. Oft kann ich auch direkt sehen, wenn ich Beiträge von einem bestimmten Buch poste, dass sich das wenige Stunden später besser verkauft oder zumindest häufiger über KU gelesen wird. Eine Leserin hat auf TikTok sogar ein Unpacking mit Büchern von mir gemacht. Also ja, es bringt etwas, auch mit geringem Aufwand.

- Zu Anfang wurden mir viele Beiträge angezeigt, die mich nicht interessiert haben, doch mittlerweile kennt TikTok meine Vorlieben. Also, Bücher und Wasserschweine.

- Ich nutze TikTok schamlos als Recherchequelle. Wo sonst bekomme ich so leicht Einblicke in das Alltagsleben anderer Menschen? Für einen Roman habe ich z.B. die Berichte einer Housesitterin verwertet.

- Erstaunlicherweise hat sich dank der TikTok Videos meine Fähigkeit, frei vor Menschen zu sprechen, erheblich verbessert. Ich konnte es auch zuerst nicht glauben. Außerdem konnte ich mein Kindheitstrauma wegen meiner Sprachstörungen überwinden. Es hat mich anfangs unglaubliche Überwindung gekostet, mich vor der Kamera zu zeigen und auch noch zu reden, aber nachdem ich das vier Wochen durchgezogen habe, ging es und jetzt macht es mir Spaß. Ich nehme das allerdings auch nicht allzu ernst und muss da auch oft über mich lachen.

- Ich folge vielen Selfpublishing-Autorinnen aus dem englischsprachigen Raum, die sehr offen mit Zahlen und Strategien und Erfahrungen umgehen. Daraus kann ich was lernen und unterhaltsam ist es auch.

- Als Leserin finde ich, BookTok ist eine gute Möglichkeit, Bücher zu finden, die mir gefallen. Dieses ganze Hoover/Maas/Acotar-Zeug kann ich ja weiterscrollen.

Coppelia

#11
@Leann Wenn ich dich damit gekränkt haben sollte, tut es mir aufrichtig leid, und ich entschuldige mich!
Allerdings bist doch eigentlich du diejenige, die immer wieder betont (oder damit spielt?), keine "richtige Autorin" zu sein. Z. B. auf Instagram habe ich das immer und immer wieder von dir gelesen, und auch hier im Forum hast du es oft geschrieben. Ist das denn alles nur Ironie? Ehrlich gesagt kam das bei mir dann häufig falsch rüber. Mich hat das sogar schon oft verwirrt, weil du in meinen Augen mega erfolgreich bist. Also ich sehe dich definitiv als "richtige" Autorin. Auch im Gegensatz zu mir.
Ob sich jemand als "richtige*r Autor*in" empfindet oder nicht, ist sicher subjektiv. Ich fühle mich leider oft nicht so aus verschiedenen Gründen, und das belastet mich sehr. Trotzdem versuche ich, auch die positiven Aspekte zu sehen und das Beste draus zu machen.

Zurück zum Thema.

Was du über TikTok schreibst, klingt ganz interessant und so, als sollte ich es wenigstens mal versuchen. Respekt vor dir, dass du das durchgezogen hast. Aber ich bewundere dich auch generell sehr dafür, vieles einfach zu machen!
Ich finde das Medium allerdings noch immer wirklich schlimm, super unsympathisch und abschreckend, muss ich gestehen. Aber das war bei Insta früher auch so, und jetzt mag ich es ganz gern.

Darf ich fragen, wann und wie du deine Videos machst, wieviel Aufwand du reinsteckst und wie lange es so dauert pro Video? Bei mir ist Zeitmangel jetzt schon ein extremes Problem, und dein Job scheint wesentlich härter zu sein als meiner. Außerdem schreibst du viel mehr und schneller als ich. Du müsstest also eigentlich noch weniger Zeit haben als ich ...
Aber ich habe wohl auch einfach wenig Energie im Vergleich zu anderen. Das merke ich oft.

Cooky

Leanns Videos sind übrigens auch ein gutes Beispiel dafür, dass man auf TikTok ohne Musik auskommt. Wenn man über Autorenthemen oder Bücher redet, würde die nur stören.

Leann

@Coppelia: Nee, du hast mich nicht gekränkt, ich fand es nur traurig, dass du dich nicht als richtige Autorin sehen kannst. Was diese Sache mit der "richtigen Autorin" angeht
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Meine Videos mache ich ganz spontan mit dem Smartphone. Wenn mir z.B. beim Laufen etwas einfällt, was ich loswerden will, stelle ich mich zu Hause einfach in Laufklamotten hin und labere spontan in die Kamera. Ab und zu auch direkt von der Laufstrecke, dann habe ich auch noch einen schönen Hintergrund. Das dauert dann maximal 3 Minuten, denn länger ist so ein Video nicht, evtl. noch plus eine Minute zum Erstellen und Kontrollieren der Untertitel (da ich undeutlich spreche, untertitele ich meine Beiträge). Wenn mir zwischendurch was einfällt, was ich bei TikTok und/oder Instagram verwenden möchte, schreibe ich es auf eine Liste. Einige Themen kann ich gleich für beides nutzen, wenn auch in unterschiedlichen Ausfertigungen. Also meine Laberbeiträge erfordern tatsächlich wenig Zeit.

Die Buchbeiträge, z.B. Slideshows, dauern ca. 15 Minuten, weil ich erst Fotos raussuchen muss. Die speichere ich aber sofort in einem Ordner und wenn ich das nächste Buchvideo mache spare ich mir die Suche, dann geht es schneller. Texte, die ich auf die Bilder lege, speichere ich auch und muss die nur reinkopieren. Auf TikTok wird viel wiederholt, das ist so üblich und spart Zeit. Man weiß auch nie, ob man gerade Glück hat und den Leuten angezeigt wird, also besser öfter posten (eine Slideshow hatte im ersten Versuch nur um die 200 Views, im zweiten über 1000 und im dritten 20  ;D ).

Bei mir ist also alles sehr unprofessionell und wird zügig in den Alltag integriert. Das Schwierigste war bei mir, die Hemmschwelle zu überwinden. Nicht lange nachdenken, aufnehmen, posten, fertig.

Kommerziell verwendbare Musik kann man sich da übrigens direkt bei der Suche anzeigen lassen.

@Cooky: Musik ist wohl eher wichtig, wenn man Tanz-Trends mitmachen will oder auf Lipsync steht. Und natürlich für Buchfilmchen, also diese Slideshows.

Alana

#14
@Leann Wow, 15 Minuten! Ich brauche gefühlt für jedes Video 2 Stunden und für diese Slideshows bräuchte ich schon 3 Stunden, um Fotos auszusuchen. Das ist auch mein großes Problem, dass ich so lange brauche und mich das so viel Kraft kostet. Ich denke, es würde mir auch viel mehr Spaß machen, wenn das nicht so wäre. Aber ich weiß nicht, wie ich es schneller hinkriegen soll.

@Musik Die Musik ist für die Views wichtig. Man sollte immer Musik benutzen. Man kann die sogar auf stumm stellen, aber man sollte immer eine auswählen, die gerade besonders populär ist, weil der Algorithmus Videos mit beliebten Liedern bevorzugt ausspielt.
Alhambrana