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An die Frauen und Non Binarys: Warum schreibt ihr SF? Und warum nicht?

Begonnen von Wildfee, 09. September 2021, 13:39:00

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Wildfee

Ich frage mich schon seit einiger Zeit, warum es so wenige sichtbare (deutschsprachige) SF Autorinnen/Non Binarys (ist das ok, wenn ich den Begriff verwende?) gibt. In Facebook und Co. gibt es immer wieder Diskussionen, dass die Preisträger diverser deutscher SF Preise in den wenigsten Fällen Frauen/NBs sind und dass ihre Sichtbarkeit geringer ist als die der männlichen Autoren. (Stichwort Kurt Laßwitz Preis z.B.)

Wenn ich mir den Romanbereich des letztjährigen Nanos ansehe, ist dort verhältnismässig wenig SF zu finden und ich vermute, das dies in den vergangenen Jahren ähnlich war.
An der mangelnden Vielfalt des Genres kann es ja eigentlich nicht liegen, oder etwa doch?

Also, woran liegt es eurer Meinung nach, dass Frauen/NBs augenscheinlich weniger SF schreiben?
Was treibt euch an oder hält euch ab?

Ich freue mich auf eine vielfältige Diskussion  :vibes:





Mondfräulein

Interessantes Thema!

Science Fiction ist ein Genre, das mich unter anderem deshalb weder als Autorin noch als Leserin anspricht, weil ich das Gefühl habe, die Bücher werden nicht für Frauen geschrieben. Mit High Fantasy hatte ich lange dasselbe Problem. Jetzt gibt es mehr High Fantasy, die auch für Frauen geschrieben wird. Dadurch interessiere ich mich auf einmal viel mehr für das Genre und will auch in diesem Genre schreiben.

Es gibt in der Literaturbranche glaube ich bestimmte Vorstellungen davon, wie man Bücher für Frauen schreibt, die alle wahnsinnig sexistisch sind. Große Gefühle, Herzschmerz, Männer zum anschmachten. Was ich meine ist aber, dass ich einem Buch anmerke, was für ein Frauenbild der*die Autor*in hat. Ich merke, ob Frauenfiguren geschrieben sind, damit sich irgendjemand vielleicht mit ihnen identifizieren kann, oder ob sie geschrieben sind, damit sie irgendeinen Zweck in der Fantasie eines Mannes erfüllen können.

Das beste Beispiel, das mir dazu einfällt, sind die Peter-Grant-Reihe von Ben Aaronovitch und die Alex-Verus-Bücher von Benedict Jacka. Beide Bücher ähneln sich vom Genre her stark und sind deshalb finde ich gut vergleichbar, aber die Frauenfiguren unterscheiden sich stark. Ben Aaronovitch schreibt Frauenfiguren, die sich wie Menschen anfühlen. Sie haben ein Leben und Ziele, die mit der Hauptfigur nichts zu tun haben. Bei Benedict Jacka habe ich die ganze Zeit das Gefühl, die Bücher wären 40 Jahre alt. Die Frauen dienen alle nur dazu, die Hauptfigur cool wirken zu lassen und sind dermaßen klischeehaft geschrieben, dass es die Bücher wirklich für mich ruiniert. Eine ist typisch Damsel in Distress und Love Interest, eine ist die böse Verführerin, eine ist vollkommen durchgedreht. Das alles gibt mir das Gefühl, dass die Bücher nur für Männer geschrieben sind, nicht für Frauen.

Science Fiction macht als Genre den Eindruck auf mich, dass Frauen dort auch nur als Männerfantasien geschrieben werden, nicht als Menschen. Ein paar Bücher habe ich mal gelesen und die haben diesen Eindruck gemacht. Teilweise durch die Filme und Serien, die ich sehe, die häufig auch keine guten Frauenfiguren haben. Vielleicht liege ich da auch falsch, denn deshalb lese ich ja auch nicht viel in diesem Genre, aber es schreckt mich ab. Und weil ich nichts in diesem Genre lese, schreibe ich auch nichts in diesem Genre, ganz einfach.

Wahrscheinlich würden mir viele Bücher sogar gefallen. Ich bin mit Science Fiction aufgewachsen und liebe Science Fiction Filme, warum sollte ich dann keine Bücher lieben? Aber das Genre gibt mir einfach nicht das Gefühl, dass es mich als Leserin haben will, nur weil ich eine Frau bin. Vielleicht hängt das auch mit dem Gatekeeping zusammen, das in der Community sowieso schon herrscht. Es gibt auch bei Filmen und Serien viel Sexismus, einerseits in den Filmen und andererseits im Fandom. Das schreckt sehr ab.

Wildfee

Ich finde deine Antwort interessant, weil ich persönlich einen ganze andere Leseerfahrung habe, die (vermutlich) an meinem Alter liegt bzw. an der Sichtbarkeit der betreffenden Autorinnen.
Ich habe vor allem in den 80er und 90er Jahren sehr viel bzw. alles von Marion Zimmer Bradley und Anne McCaffrey gelesen und dann auch u.a. einige andere Autorinnen entdeckt wie Margaret Atwood, Barbara G. Walker und Ursula K. le Guin.
Das was ich dort gelesen habe, war eben nicht von einer rein männlichen Sichtweise geprägt.

In den 90ern waren es dann die diversen SF Serien, die starke Frauenfiguren hatten wie Star Trek, Babylon 5, Stargate oder Farscape etc.

Vielleicht liegt es daran, dass ich nach wie vor gerne SF lese und schreibe.


Antennenwels

#3
Eine gute Frage, und ich habe nicht wirklich eine Antwort. Nicht, dass ich bereits besonders viel geschrieben hatte, aber das war bisher immer (einschliesslich Kurzgeschichten) Fantasy.
Ich lese hin und wieder Sci-Fantasy, aber eigentlich wenig 'harte' Science Fiction (das letzte war Project Hail Mary von Andy Weir) und das obwohl ich Naturwissenschaftlerin bin... oder vielleicht deswegen.  ;) Irgendwie reizt mich moderne Technologie einfach nicht so sehr beim Schreiben, obwohl ich sie im Alltag sehr gerne und oft nutze und mich auch für neue Entwicklungen interessiere. Aber in meine Geschichten bleibe ich lieber in der Vorindustriellen Zeit, oder im Übergang dazu.
Vielleicht ist es aber auch schlicht eine Sache der Gewohnheit. Ich denke wenn ich wieder mal eine KG schreibe, werde ich vielleicht probehalber mal einen Abstecher in die Science Fiction machen, nur um sehen wie es sich anfühlt.

Zitat von: Mondfräulein am 09. September 2021, 14:14:02
Das beste Beispiel, das mir dazu einfällt, sind die Peter-Grant-Reihe von Ben Aaronovitch und die Alex-Verus-Bücher von Benedict Jacka. Beide Bücher ähneln sich vom Genre her stark und sind deshalb finde ich gut vergleichbar, aber die Frauenfiguren unterscheiden sich stark. Ben Aaronovitch schreibt Frauenfiguren, die sich wie Menschen anfühlen. Sie haben ein Leben und Ziele, die mit der Hauptfigur nichts zu tun haben. Bei Benedict Jacka habe ich die ganze Zeit das Gefühl, die Bücher wären 40 Jahre alt. Die Frauen dienen alle nur dazu, die Hauptfigur cool wirken zu lassen und sind dermaßen klischeehaft geschrieben, dass es die Bücher wirklich für mich ruiniert. Eine ist typisch Damsel in Distress und Love Interest, eine ist die böse Verführerin, eine ist vollkommen durchgedreht. Das alles gibt mir das Gefühl, dass die Bücher nur für Männer geschrieben sind, nicht für Frauen.

Das geht jetzt zwar am Thema vorbei, aber ich finde es interessant, wie unterschiedlich man Dinge sehen/lesen kann. Ich kenne beide Reihen und ich mag die meisten Frauenfiguren in der Alex Verus Reihe mehr, als bei Ben Aaronovitch (mit Ausnahme von Lesley, die ich wirklich sehr interessant fand). Ich würde definitiv nicht sagen, dass die Figuren bei Benedict Jacka nur dazu dienen den Protagonisten voranzutreiben. Allenfalls in den ersten ein, oder zwei Bänden. Aber Luna, Anne, Arachne oder auch die vielen weiblichen Nebenfiguren haben durchaus Motive und Ziele, die sie verfolgen. Hingen fand ich die Frauenfiguren in der Rivers of London Reihe teils ein wenig übersexualisiert. Ein wirklich negatives Beispiel in dieser Hinsicht waren für mich die Dresden Files um in der Urban Fantasy zu bleiben, da habe ich nach dem zweiten Buch aufgegeben.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Mondfräulein

@Wildfee Ja, das ist wahrscheinlich eher meine subjektive Erfahrung des Genres, aus der Perspektive von jemandem, der nicht drinsteckt. Ich habe nicht viel gelesen und vielleicht bin ich an die falschen Bücher geraten, aber so wirkt das Genre von außen auf mich. Ich habe auch mal überlegt, ob ich mal einem Buch eine Chance geben soll, aber ich weiß da nie, wo ich anfangen und woher ich gute Empfehlungen bekommen soll. Kai Meyer hat vor ein paar Jahren mal Science Fiction geschrieben, das ist immer das erste, was mir einfällt, aber bei dem finde ich die Frauenfiguren auch oft sehr meh.

Zitat von: Antennenwels am 09. September 2021, 14:53:56
Das geht jetzt zwar am Thema vorbei, aber ich finde es interessant, wie unterschiedlich man Dinge sehen/lesen kann. Ich kenne beide Reihen und ich mag die meisten Frauenfiguren in der Alex Verus Reihe mehr, als bei Ben Aaronovitch (mit Ausnahme von Lesley, die ich wirklich sehr interessant fand). Ich würde definitiv nicht sagen, dass die Figuren bei Benedict Jacka nur dazu dienen den Protagonisten voranzutreiben. Allenfalls in den ersten ein, oder zwei Bänden. Aber Luna, Anne, Arachne oder auch die vielen weiblichen Nebenfiguren haben durchaus Motive und Ziele, die sie verfolgen. Hingen fand ich die Frauenfiguren in der Rivers of London Reihe teils ein wenig übersexualisiert. Ein wirklich negatives Beispiel in dieser Hinsicht waren für mich die Dresden Files um in der Urban Fantasy zu bleiben, da habe ich nach dem zweiten Buch aufgegeben.

Das kann vielleicht genau daran liegen. Ich habe von Benedict Jacka nur zwei Bände gelesen. Die Frauenfiguren bei Ben Aaronovitch werden finde ich mit der Zeit auch immer besser und da habe ich wirklich alle Bände gelesen, mittlerweile gibt es ja einige. Ich weiß nicht, ob ich Alex Verus nochmal eine Chance geben werde, bisher hat es mich nicht so überzeugt.

Evanesca Feuerblut

Sozialisierung und Perspektive machen enorm viel aus. Ich wurde bei einem meiner letzten kleinen Interviews genau das gefragt, wie ich zu Science-Fiction gekommen bin und der Punkt ist, für ein Kind der Post-Sowkjetunion war sie halt einfach da.
Selbstzitat:
ZitatIch bin da irgendwie reingerutscht. Als ich angefangen habe regelmäßig mit Veröffentlichungsabsicht zu schreiben, wollte ich eigentlich in die Fantasy, die Fantasy und nichts als die Fantasy. Trotzdem war Science-Fiction für mich schon seit meiner Kindheit einfach ... da. Ich bin da mit Geschichten aus der Sowjetunion aufgewachsen – in der ,,Zauberer der Smaragdenstadt"-Reihe, die eigentlich als Fantasygeschichte für Kinder (und noch eigentlicher als sowjetische Neuerzählung von ,,Der Zauberer von Oz") anfing, landen in einem späten Band Aliens und mir wurde die Geschichte ,,Il pianeta degli alberi di Natale" (Planet der Weihnachtsbäume) auf Russisch vorgelesen. Ich bin mit dem Genre praktisch aufgewachsen.
Daher war für mich dieses "Das ist kein Genre für dich" nicht in dem Maße präsent. Das kam erst auf, als ich mich in die Szene gewagt habe und irgendwie das Gefühl hatte, nicht so recht reinzupassen. Aber da ich das Gefühl so ziemlich immer und überall erst einmal habe, dachte ich nicht, dass es dieses eine Mal tatsächlich sogar einen Grund haben könnte und dass Gatekeeping dieser Grund sein könnte. Das Bewusstsein dafür kam erst später und da schrieb ich meine Science-Fiction schon längst.

Ryadne

Der Anteil an nicht-männlichen SF-Schreibenden ist gar nicht mehr so gering (bei Twitter ging gestern etwas mit ca. 25 % Frauenanteil im deutschsprachigen Raum um). Am Wochenende halte ich z. B. in Wetzlar einen Vortrag über deutschsprachige Cyberpunk-Autorinnen - da kommen einige Namen zusammen, aber viele veröffentlichen eher im Jugendbuchbereich oder in Romance-affinen Verlagen, die in der traditionellen SF-Szene einen schweren Stand haben. Dass dem so ist, liegt wiederum an weitreichenden strukturellen Problemen, die Frauen generell eher den Jugend- oder Romancebereich als die SF zugestehen. Und bei SF denken viele vornehmlich an Hard SF, wo der prozentuale Anteil nicht-männlicher Schreibender gegenüber Dystopien oder Space Opera deutlich sinkt.

Trotzdem ist der Gap sicher da, bedingt durch Inhalte, Klischees (wie Mondfräulein sie angesprochen hat) und Vorurteile. Ich musste mir damals z. B. gut zureden lassen, damit ich mich an die D9E-Reihe (=Space Opera) gewagt habe. Ich hatte Angst, nicht genug physikalisches Wissen dafür zu haben, was rückblickend Quatsch war. Die Science in der Fiction hat viele Facetten und man muss sich nicht im Detail Gedanken darüber machen, wie ein Raumschiff nun genau funktioniert, um Genrematerial schreiben zu können. Allerdings mache ich als SF-Autorin auch die Erfahrung, dass meine Werke noch mal kritischer betrachtet werden als die von Kollegen. Ich spüre in der SF insofern mehr Druck, Fehler zu vermeiden als in der Fantasy. (Natürlich will ich Fehler generell vermeiden, aber ihr versteht schon ;)) Noch mehr gilt das aber für sekundärliterarische Texte. Wenn mir hier ein Fehler passiert, kann ich mich drauf verlassen, dass manches SF-Forum ihn genüsslich seziert. Das hat in den letzten Jahren stark zugenommen, früher habe ich mich deutlich willkommener im SF-Fandom gefühlt. Aber momentan bestehen da glaube ich viele Widerstände und Ängste durch die Szene-Veränderungen.


Wildfee

@Evanesca Feuerblut
Das erinnert mich an meine Kindheit und Jugend. Ich komme aus einem Haushalt, in dem Bücher immer präsent waren und in dem ich alles gelesen habe, was mir in die Finger kam. Da war zwar keine SF dabei, aber dank eines großen Bruders bin ich mit Star Trek und Star Wars großgeworden. Vor der Schule wurde die Star Wars Hörspielkassette rauf- und runtergenudelt und meine Haare mussten so aussehen wie die von Prinzessin Leia, nachmittags wurde Enterprise geschaut.

@Ryadne
Was meinst du mit "Szene Veränderung"? Hast du Lust, das näher zu erläutern? (würde mich brennend interessieren, da ich mich derzeit nicht in SF Foren herumtreibe)

Ryadne

Zitat von: Wildfee am 09. September 2021, 15:51:20
@Ryadne
Was meinst du mit "Szene Veränderung"? Hast du Lust, das näher zu erläutern? (würde mich brennend interessieren, da ich mich derzeit nicht in SF Foren herumtreibe)

Nun, die Szene wird aufgebrochen durch neue Akteur*innen, Verlage und Movements wie Progressive Phantastik, Hope- oder Solarpunk. Oder allgemeiner gesprochen auch durch die Kritik an tropes und mangelnder Diversität. Sicher gab es immer schon Gegenbewegungen - es gab da wohl mal einen legendären Heidelberger Con in den 1970ern, auf dem sich die verschiedenen Seiten in die Haare gekriegt haben ;) -, aber aktuell ist wieder einiges im Umbruch. Und durch Diskussionen wie die um die Wikipedia-Liste deutschsprachiger SF-Autorinnen oder um das "Nova"-Magazin sind Meinungsfronten entstanden, zwischen denen zu vermitteln nicht ganz einfach ist, um es höflich auszudrücken.

Barra

Warum ich SF schreibe?
Während meines Studiums (lang ist's her) habe ich mal eine Hausaufgabe abgegeben mit dem Thema: "Deutschsprachige SF Autorinnen". Sie war sehr schmal. Es war eine Zeit in der es keine Wikipediaseite gab. Eine Zeit, in der ich in die Buchhandlung ging, meine Frage stellte und ein: "Uff, da muss ich mal überlegen", bekam.
Klar Anne McCaffrey war und ist eine der Namen, die ich sofort schmettere in dem Zusammenhang, gerade wegen ihres Romans: "Die Wiedergeborene", in der sie im Vorwort schreibt, dass sie dieses Buch nur aus dem Grund geschrieben hat, weil es ein männliches dominiertes Feld ist, in dem Frauen allenfalls dummes, zu rettendes, schmückendes Beiwerk sind.
Dazu kam dann noch der Tipp: Wenn du SF veröffentlichen willst, mach's unter einem männlichen Pseudonym, verkauft sich besser. Da war bei mir das Fass übergelaufen vor Frust.
Seitdem ist das so tief in mir drin, ein Bedürfnis SF zu schreiben. Wenn wir das ändern wollen, können nur wir das ändern. Generell hatte ich aber schon immer das Gefühl, dass die SF ein Stiefkind der Fantasy ist. Was sich aber schon geändert hat, über all die Jahre, finde ich. Gerade was auch den 'Dystopie' Sektor betrifft, findet sich doch einiges.
Dass ich das nicht immer mache, ist auch klar. Mein T12 hat sich dies Jahr immer mal wieder im dem Genre umgetrieben und auch in Prompts schreib ich es öfter. Mein diesjähriger T12 spielt "irgendwo auf einem Planeten" (nicht der Erde), was mir persönlich aber noch keine Einstufung als SF rechtfertigt, weil ich noch nicht weiß wie weit ich da gehen werde.
Ich wünsch mir für die Zukunft mehr Frauen und Nonbinary in der SF. Wir müssen uns nur trauen, denn es ist gar nicht so abschreckend.

Alana

Ich mag extrem wissenschaftlich basierte SF, aber nichts mit militärischen Strukturen. Ich mag keinen Schmuggel, keine Space Politics, keine Intrigen. Damit fällt fast alles an SF für mich raus. Die meiste SF spricht mich einfach überhaupt nicht an, dabei liebe ich SF und vor allem auch Science Fantasy. Ich glaube, für extrem wissenschaftlich basierte Fantasy so wie Andy Weir sie schreibt (ich liebe seine Bücher, abgesehen von Artemis) oder auch Andreas Eschbach, müsste ich Themen recherchieren, die ich gern spanennd und ausführlich präsentiert bekomme, wo ich mich aber nicht reinknien will. Und für Science Fantasy fehlt mir bisher noch die zündende Idee. Ich habe tatsächlich ein Projekt in Arbeit, aber wenn ich sowas mache, dann soll es natürlich so genial sein wie Star Wars oder Doctor Who  8) und soweit bin ich noch nicht. Letzendlich muss ich als Berufsautorin aber auch wirtschaftlich denken. Ich kann es mir schlicht nicht leisten, SF zu schreiben, wenn ich für Romantasy oder Romance die vierfachen Vorschüsse bekomme.

Kurz um: ich fühle mich von durchschnittlicher SF nicht repräsentiert und habe das Gefühl, dass die SF, die ich mag, keine guten Chancen auf dem deutschen Markt hätte.
Alhambrana

Maja

Ich bin nichtbinär, und ich würde sagen, die Sichtbarkeit nichtbinärer Autor*innen liegt, egal in welchem Genre man sich bewegt, bei Null. Deswegen finde ich die Fragestellung etwas unglücklich - gerade weil ich mich nicht als Frau fühle oder definiere, bin ich mit "Frauen/NB" als homogener Außenseitergruppe nicht so glücklich.

Interessanter wird es aber dadurch, dass ich erst, nachdem ich angefangen habe, meine eigene nicht-weibliche Identität zu verstehen, mich sciencefiction-lastigeren Themen zugewandt habe - nicht ausschließlich, ich werde immer auch High Fantasy machen, aber ich traue mich jetzt auch an dystopische oder post-apocalyptische Settings heran, um die ich früher einen Bogen gemacht hätte. Das kann aber einfach sein, dass da einfach in einem allgemeinen Prozess des Reifens und über-den-Tellerrand-Schauens mehrere Dinge zusammengefallen sind - ich schreibe, seit ich über vierzig bin, einfach tendenziell andere Sachen als in meinen zwanzigern oder dreißigern.

Klassische Science Fiction, Space Opera, etc. ist mein Ding nicht, da fehlt mir einfach das Interesse und die Ideen. Ich habe auch in all meinen Geschichten phantastische, nicht mit Technik oder Wissenschaft erklärbare Elemente, weswegen ich mich weiterhin als Fantasyautor*in sehe. Grundsätzlich ist die Sichtbarkeit von Autorinnen (ohne Sternchen, weil ausdrücklich der weibliche Teil gemeint ist) auch in der High Fantasy schlecht. Das ist nicht nur eine Science Fiction-Sache. Das ist, wenn Frauen etwas anderes machen als typische Frauenthemen - in unserem Genre also alles mit dem Zusatz "Romance". Und wenn man sich dann hier im Forum umschaut, gibt es viele Frauen, die querbeet alles schreiben, mit und ohne Romanzen. Sie sind ja da, die Autorinnen. Nur an der Sichtbarkeit hapert es.

Das PAN-Stipendium in der Kategorie Science Fiction ist übrigens an die Autorin einer Space Opera gegangen. Ich hoffe, da kommt langsam Bewegung rein. Oder schnell.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Klecks

Mir stößt die Fragestellung ein bisschen auf, weil es in meinem Fall nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Ich habe darauf nur eine Antwort: Ich habe keine Ahnung von Technik, Physik und dergleichen, deshalb ist Hard SciFi automatisch raus und macht mir, weil ich kaum etwas verstehe, auch beim Lesen keinen Spaß. Viele SciFi-Autoren sind meinem Eindruck nach auch Experten auf den Gebieten, die sie da beschreiben. Ich habe Soft SciFi-Ideen in der Schublade liegen, aber dass es soft ist, hat ebenfalls nichts mit meinem Geschlecht zu tun, sondern schlicht mit meinem Unwissen. Aneignen könnte ich mir dieses Wissens natürlich - aber auch das nicht besser oder schlechter als ein Mann.

Die Frage müsste meiner Meinung nach eher lauten, warum Frauen und NBs unterrepräsentiert in diesem Genre sind, nicht, warum sie es schreiben oder nicht. Ich gehe stark davon aus, dass viel mehr Frauen und NBs SciFi in all seinen Schattierungen schreiben, als man denkt. Und viel mehr männliche Autoren Liebesromane. Ect. pp.  ;)

Wildfee

Zitat von: Maja am 09. September 2021, 17:27:00
Ich bin nichtbinär, und ich würde sagen, die Sichtbarkeit nichtbinärer Autor*innen liegt, egal in welchem Genre man sich bewegt, bei Null. Deswegen finde ich die Fragestellung etwas unglücklich - gerade weil ich mich nicht als Frau fühle oder definiere, bin ich mit "Frauen/NB" als homogener Außenseitergruppe nicht so glücklich.
Wie hätte ich mich ausdrücken sollen, damit du dich inkludiert fühlst? Ich bin da (noch) etwas ratlos und mir fehlt eine Hilfestellung um solche unbeabsichtigten Fettnäpfchen zu vermeiden. Danke!

Unabhängig von den bisher genannten Aspekten (vielen, vielen Dank dafür!) habe ich die These, dass ein Grund für einen geringeren Autorinnenanteil in der SF in der Schulbildung liegen könnte.
Mädchen wird bewußt oder unbewußt weniger Technikverständnis zugestanden und sie werden weniger offensiv in den MINT Fächern gefördert. Projekte wie das Ada Lovelace Projekt (https://ada-lovelace.de/) sind da leider noch zu wenig bekannt.
Würdet ihr da zustimmen oder seht ihr das ganz anders?

Edit: hat sich mit Klecks überschnitten



Maja

Zitat von: Wildfee am 09. September 2021, 20:15:38
Zitat von: Maja am 09. September 2021, 17:27:00
Ich bin nichtbinär, und ich würde sagen, die Sichtbarkeit nichtbinärer Autor*innen liegt, egal in welchem Genre man sich bewegt, bei Null. Deswegen finde ich die Fragestellung etwas unglücklich - gerade weil ich mich nicht als Frau fühle oder definiere, bin ich mit "Frauen/NB" als homogener Außenseitergruppe nicht so glücklich.
Wie hätte ich mich ausdrücken sollen, damit du dich inkludiert fühlst? Ich bin da (noch) etwas ratlos und mir fehlt eine Hilfestellung um solche unbeabsichtigten Fettnäpfchen zu vermeiden. Danke!
Wenn es gezielt um die Frage geht, warum die Wahrnehmung von Frauen in der Science Fiction so niedrig ist, möchte ich mich gar nicht inkludiert fühlen. :) Ist nicht bös gemeint, aber das sind einfach Äpfel und Birnen - das eine betrifft grob die Hälfte der Bevölkerung, das andere eine doch ziemlich kleine Minderheit, die auch in keinem anderen Bereich des Lebens, geschweige denn der Literatur, wahrgenommen wird. Da verwässert es die Fragestellung, wenn man um jeden Preis die Nichtbinären in die Fragestellung miteinbeziehen muss.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt