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Was ist "tragisch"?

Begonnen von Ary, 28. Januar 2008, 17:04:00

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Ary

Hallo Mit-Zirkler,
angeregt durch die Kontroversen im Heath-Ledger-Thread möchte ich es nun ganz genau wissen:
Was ist denn nun tragisch und was nicht?

Wenn ich aus purer Dämlichkeit beim Pflaumenklauen vom Baum falle und mir den Hals breche, ist das ein tragischer oder ein dussliger Unfall?
Wenn ich beim Pflaumenklauen vom Baum falle und dabei so bescheuert auf einem Mitmenschen lande, dass der dabei  zu Tode kommt, war dann das ein tragischer Unfall, weil ja der Mitmensch nichts dafür kann, das ich zu doof bin, um auf Bäume zu klettern?


Was ist tragisch, was ist traurig, wo ist die Grenze?

Macht mich schlau!

Aryana
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Lord Bane

Tragisch ist natürlich der Inhalt der klassischen Tragödien und Sagen wie zum Beispiel "Ödipus" oder Shakespeares "Hamlet". Im ursprünglichen Sinne ist dieser Begriff immer auf eine hochgestellte Person bezogen, die durch Schicksalsschläge nach unten sinkt. So wird Ödipus zum blinden Bettler und Hamlet stirb zusammen mit der restlichen Besetzung des Theaterstücks.

Wie Tragik in moderner Genreliteratur aussieht, weiß ich nicht, da die Begriffe hier nicht so scharf definiert sind. Für mich ist eine Heldenfigur dann tragisch, wenn alle ihre Bemühungen trotz bester Absichten und guter Ausführung zum Scheitern verurteilt sind, entweder weil ihnen der Zufall einen Strich durch die Rechnung macht oder weil das Schicksal gegen sie ist.

Hm, wenn ich es mir richtig überlege, dann ist mein Prota nach dieser Definition kein tragischer Held, hat er doch weder die besten Absichten, noch stellt er sich besonders geschickt an. Das fällt dann wohl eher in den Bereich der Tragikomik  ;).

Als traurig kann man eben die üblichen traurigen Ereignisse ansehen. Tod eines nahestehenden Menschen, schwere Krankheit, schon wieder beim Rasieren geschnitten usw. usf. . Ein normaler Todesfall, ohne besondere Begleitumstände, ist demnach einfach nur traurig, aber keineswegs tragisch.

Coppelia

#2
Ich kenne vor allem das "tragische Dilemma" aus den Tragödien, die Lord Bane schon angesprochen hat: Eine Person gerät in eine Situation, in der sie mehrere (meist zwei) Entscheidungsmöglichkeiten hat. Aber egal, wie sie sich entscheidet, die Folgen sind immer schrecklich, was die Person auch normalerweise absehen kann. Sie muss sich aber trotzdem entscheiden. Daher scheitert sie auf jeden Fall, auch wenn sie sich noch so anstrengt. Das ist Tragik im engeren Sinn, glaube ich. ;)

Lomax

Zitat von: Coppelia am 28. Januar 2008, 18:51:02Eine Person gerät in eine Situation, in der sie mehrere (meist zwei) Entscheidungsmöglichkeiten hat. Aber egal, wie sie sich entscheidet, die Folgen sind immer schrecklich, was die Person auch normalerweise absehen kann.
Ja, das ist das klassische Szenario für den "tragischen Helden". Ich liebe dieses Erzählmuster :)
  Eine allgemeine Definition von Tragisch (nach dem Fremdwörter-Duden) habe ich ja schon im anderen Thread zitiert. In den Details dürfte es je nach Wörterbuch Abweichungen geben, aber ich denke, eines kann man schon festhalten: Ein und derselbe Fall kann unterschiedlich bewertet werden, je nach Perspektive und Umfeld.
  Der "Pflaumenfall" für sich genommen ist sicher nicht tragisch. Auch wenn dabei ein unbeteiligter Passant getötet wird, macht das den Fall eher "skurril" als "tragisch". Trotzdem können Einzelheiten, die nichts mit dem eigentlichen Ereignis zu tun haben, den Vorfall tragisch machen - indem sie ihm eine gewisse Größe verleihen. Hat das Pflaumenopfer beispielsweise eine glückliche Familie, die dadurch in außergewöhnliches Unglück gestürzt wird, dann wird auch der Todesfall tragisch - und zwar nicht für den Toten selbst, sondern eben für die unschuldig betroffene Familie. Oder wurde der unschuldige Passant gerade im letzten Augenblick von einer allgemein als tödlich angesehen Krankheit geheilt - dann würde das seinem sinnlosen Tod auch eine tragische Note verleihen.
  Also, "Größe", "Schicksalhaftigkeit", "Außergewöhnlich", "unverdient", "erschütternd" ... diese Dinge gehören zur Tragik schon zwangsläufig dazu. Aber mitunter ergeben sie sich auch durch das Umfeld eines Ereignisses, nicht durch die nüchterne Fallbeschreibung selbst. Und je nach Perspektive mag man dann bei ein und demselben Fall die Grenze überschritten sehen, oder auch nicht.
  Für Literatur würde ich sagen: Die Tragik ist eine Frage der Aufbereitung, nicht des Geschehens selbst.

Nitewolf

Ich würde sagen, Tragik ist nicht selbst verschuldetes, also unverdientes Leid, das somit als ungerecht empfunden wird.

Lilott

#5
Das Ende von 'Romeo und Julia' ist gutes Beispiel. Ihr kennt es sicher alle, aber trotzdem:

Julia simuliert ihren Tod und soll nach ihrer Beerdigung von Romeo in eine gemeinsame Zukunft geführt werden.
Eine gerissene Idee die, wäre das Stück keine Tragödie, zu einem astreinen Happy End führen würde.
Lorenzo schafft es allerdings nicht Romeo von diesem Plan zu berichten. Folglich ist Romeo, nachdem er durch seinen Diener von Julias Tod erfahren hat, zutiefst bestürzt und fasst den Entschluss seinem Leben eine Ende zu bereiten. Er geht in die Gruft der Capulets und trinkt ein Gift und haucht sein Leben aus kurz bevor Julia aus ihrem Scheintod erwacht.


ich breche es runter: zwei menschen kämpfen für sich und gegen jeden Widerstand, ein guter Plan wird entwickelt, der alles zum guten wenden könnte und dann wird durch eine winzigkleine Begebenheit alles zunichte gemacht.

DAS IST TRAGISCH!

Ein TRAURIGES Ende wäre es, wenn Julia sich ihrer Familie beugen würde, den Graf Paris heiratet und Romeo anschließend an gebrochenem Herz stirbt.

Versteht ihr was ich meine?