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Kritik am deutschen Verlagspreis

Begonnen von Lino, 10. Juni 2020, 12:51:21

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Lino

Mein Verleger Gunnar Schedel hat eine Kritik am deutschen Verlagspreis formuliert, in der er fordert, es wäre besser und gerechter den Preis durch Lotterie zu vergeben, als so wie bisher und im Großen und Ganzen bin ich dazu geneigt, dem zuzustimmen.

Der Preis wird seit 2019 vergeben, um ,,die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit kleiner, unabhängiger Verlage in Deutschland" zu stärken. Ein gutes Anliegen, gerade in der jetzigen Krise, das in der Umsetzung aber leider nicht so erfreulich funktioniert. Gunnars Kritik im Detail findet ihr auf seinem Blog.

http://www.alibri-blog.de/?p=2222

edit: Mich hätte es aber auch interessiert, dazu noch mehr Meinungen zu haben. Wie steht ihr zum deutschen Verlagspreis? Ich bin auch leicht zu überzeugen, weil ich mich damit noch nicht so auseinander gesetzt habe...

Zit

#1
Der ganze Preis ist von vornherein dazu verdammt, ziemlich schnell ziemlich viele Verlage doppelt zu begünstigen. Die IG Unabhängige Verlage im Börsenverein zählt Stand Februar 2020 400 Mitglieder. Ob jetzt jeder Kleinverlag Teil der IG ist, weiß ich nicht, steht aber zu bezweifeln, weil nicht grundsätzlich jeder Aktive am Buchmarkt Teil des Börsenvereins sein muss. Aber selbst wenn es 600 Kleinverlage geben würde (so wie es vor ein paar Jahren noch Mitglieder in der IG waren) ist der Pool an Verlagen, die den Preis bekommen könnten doch sehr klein gesät. (Mich würde mal interessieren wie dein Verleger auf 300 Verlage kommt?) Das wird besonders bei den Vergabekriterien deutlich:

Zitat von: Deutscher Verlagspreis1. Spitzenpreis: Gütesiegel verbunden mit einer Prämie in Höhe von jeweils 60.000 Euro für drei besonders herausragende Verlage
2. Gütesiegel verbunden mit einer Prämie in Höhe von jeweils 20.000 Euro für bis zu 60 herausragende Verlage
3. Zusätzlich wird ein undotiertes Gütesiegel vergeben an bis zu drei Verlage, die über der zugelassenen Umsatzschwelle liegen

Quelle

Das macht pro Vergabejahr 63 Preisträger, die Geld erhalten — von aktuell 400 Verlagen. Natürlich ist der Preis da eine verkappte Förderung. Im Gegensatz zu deinem Verleger denke ich jedoch, dass man den Preis auch anders gestalten könnte: Gleiches Geld für alle (warum kriegen drei 60k, wenn man 60 Verlage mit 20k abspeisen will?), weniger Preisträger, Kategorien wie Belletristik, Poesie, Sachbuch, etc. und eine Sperre, dass die Preisträger aus dem Vorjahr/ den Vorjahren Anzahl X im aktuellen Jahr nicht nominiert werden dürfen.
Naja, und vielleicht könnte man an der Jury noch schrauben ...
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

FeeamPC

Der Verleger kommt vermutlich auf 300 Verlage, weil das in etwa die Anzahl der Kleinverlage ist, die überhaupt teilnehmen können. Viele ganz neue und ganz kleine Verlage fallen nämlich schon deshalb durch das Raster, weil man eine bestimmte Anzahl von Veröffentlichungen pro Jahr vorweisen muss, um sich überhaupt bewerben zu dürfen.

Zit

Ah, guter Einwand, das Kriterium hatte ich zwar gelesen, aber nicht weiter beachtet.
Das Problem des Preises ist einfach, dass der Pool zu klein ist, um den wirklich sustainable über mehrere Jahre halten zu können. Ist ja nicht dasselbe wie Preise für Schriftsteller, von denen es tausende in Deutschland gibt und genauso viele kommen und gehen jedes Jahr. Bei den unabhängigen Verlagen ist eher zu befürchten, dass der Trend der Schließungen noch weitergeht.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Waldhex

Zitat von: FeeamPC am 18. Juni 2020, 16:22:45
Der Verleger kommt vermutlich auf 300 Verlage, weil das in etwa die Anzahl der Kleinverlage ist, die überhaupt teilnehmen können. Viele ganz neue und ganz kleine Verlage fallen nämlich schon deshalb durch das Raster, weil man eine bestimmte Anzahl von Veröffentlichungen pro Jahr vorweisen muss, um sich überhaupt bewerben zu dürfen.

ich hatte mit einem Kleinverleger über den Preis gesprochen. Der meinte auch nur, dass sein Verlag die Kriterien nicht erfüllt. Von daher gehe ich auch davon aus, dass die Anzahl 300 daher kommt, dass einige Kleinverlage von vornherein ausgeschlossen sind, weil sie eben die Kriterien nicht erfüllen.
Das allein sehe ich schon als Kritikpunkt, da es sich hierbei ja offensichtlich nicht nur um 1 oder 2 "Neulinge" handelt.

FeeamPC

Ich rechne sogar ziemlich fest damit, dass dieses Jahr für mehrere Kleinverlage das Aus bedeutet.
Besser als ein Verlagspreis, den eh nur wenige kriegen können, wäre eine korrekte Kennzeichnung der Bücher in den Großhandelskatalogen als lieferbar, nur gerade nicht an Lager. Stattdessen suggeriert die Schreibweise in den Katalogen
ZitatDerzeit nicht verfügbar.
Ob und wann dieser Artikel wieder vorrätig sein wird, ist unbekannt.
dass es die Bücher derzeit nicht gibt, und natürlich bestellt sie dann auch kein Leser. Und keine Buchhandlung.

FeeamPC

Die bisherigen Gewinner des Verlagspreises haben Ende dletzten Jahres mal eben so und ohne weiteren Anlass noch mal je 5000 Euro bekommen (pro Verlag).
Das Geld hätten einige der bisher leer ausgegangenen, engagierten Kleinverlage dringender gebraucht. Dieses Jahr ist erst 6 Tage alt, und ich habe schon von zwei Kleinverlagen gehört, dass sie dank unzureichender Corona-Hilfen und ausgefallener Verkaufsgelegenheiten im letzten Jahr jetzt endgültig schließen. Mindestens einer davon versucht gerade, für seine Autoren Übernahmen durch andere Verlage zu organisieren, was ich sehr anständig finde.
Namen gibt es nicht, da die Mitteilung nicht öffentlich war.
Für alle Verlage, die keine eigenen Reserven oder anderweitig gut genug verdienende Verleger haben, dass sie sich Zuschüsse in den eigenen Betrieb selbst erlauben können, wird dieses Jahr vermutlich über das Überleben entscheiden. Ich rechne damit, dass noch mehr Kleinverlage verschwinden.

Wildfee

Der Preis wird dieses Jahr wieder verliehen. "Fun" Fakt: Von der Bewerbung ausgeschlossen sind Verlage, die sich derzeit in Insolvenz befinden...
ZitatNicht zur Teilnahme berechtigt sind ferner Verlage, die im jeweiligen Vorjahr mit einem Spitzenpreis des Deutschen Verlagspreises (Prämie in Höhe von 60.000 Euro) ausgezeichnet wurden sowie Verlage, die in den letzten zwei aufeinander folgenden Jahren mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurden. Von der Teilnahme ausgeschlossen ist darüber hinaus ein Verlag, wenn über das betriebliche Vermögen oder das private Vermögen der Inhaberin oder des Inhabers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
https://www.deutscher-verlagspreis.de/files/deutscher-verlagspreis-2019/download/pdf-dokument-teilnahmebedingungen-und-verfahrensregeln.pdf