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Hütet euch vor Orks oder war Tolkien ein Rassist?

Begonnen von Maria, 10. September 2019, 13:20:56

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AlpakaAlex

Zitat von: Alana am 02. Oktober 2019, 23:52:36
Laut Erfahrungsberichten von Lektoren, mit denen ich persönlich gesprochen habe, wurde das von verschiedenen Verlagen versucht und ging schief, woraufhin nun eben Experimente zwar gemacht werden, aber dann eher mit C-Titeln, wo es nicht so wehtut, wenn es schiefgeht. Ich würde aber natürlich ganz stark befürworten, es immer mal wieder zu versuchen und zu hoffen, dass sich auch hierzulande langsam was ändert.
Also eine Freundin von mir ist mehrfach bei größeren Verlagen herausgekommen (ich sage mal nicht wer und bei welchen) und hat leider immer wieder festgestellt, dass dahingehend nicht der entsprechende Marketing-Push dahinter ist. Am liebsten schweigt man auch im Marketing dann tot, dass da Diversity eine Rolle spielt und sie bekommt halt beim selben Verlag bei weitem nicht die Unterstützung, wie andere Autoren - wobei sie halt auch sagt, dass ihr Eindruck ist, dass die eine Hälfte es ist, dass es diverse Bücher sind, die andere aber auch, dass sie als Frau SciFi und Fantasy schreibt. Und die männlichen Kollegen kriegen halt deutlich mehr Marketing, egal was sie machen.
 

Alana

#166
Ja, ich fürchte, in der SF haben es Frauen leider immer noch sehr schwer. Sowohl schreibende und auch lesende wie ich, die SF lieben, aber mit der gängigen, meist von Männern geschriebenen SF einfach nichts anfangen können. Abgesehen davon kriegen leider einfach sehr wenige Autoren großes Marketing und es tut immer weh, wenn man das Gefühl hat, dass ein Buch einfach untergegangen ist, obwohl es großes Potential gehabt hätte.
Alhambrana

FeeamPC

#167
Den letzten Satz unterschreibe ich doppelt und dreifach.

Trippelschritt

Zitat von: NelaNequin am 03. Oktober 2019, 00:09:22
Also eine Freundin von mir ist mehrfach bei größeren Verlagen herausgekommen (ich sage mal nicht wer und bei welchen) und hat leider immer wieder festgestellt, dass dahingehend nicht der entsprechende Marketing-Push dahinter ist. Am liebsten schweigt man auch im Marketing dann tot, dass da Diversity eine Rolle spielt und sie bekommt halt beim selben Verlag bei weitem nicht die Unterstützung, wie andere Autoren - wobei sie halt auch sagt, dass ihr Eindruck ist, dass die eine Hälfte es ist, dass es diverse Bücher sind, die andere aber auch, dass sie als Frau SciFi und Fantasy schreibt. Und die männlichen Kollegen kriegen halt deutlich mehr Marketing, egal was sie machen.

Diese Aussage kann ich in dieser Verallgemeinerung nicht bestätigen. Ich bin ja noch in einem anderen Forum, in dem Fantasy und SF nur ein Thema unter vielen ist und sich vorwiegend Autoren tummeln, die bei etablierten Verlagen schreiben. Der allgemeine Tenor ist, dass niemand versteht, welche Titel ein Verlag mit den knappen Mitteln für Marketing puscht und welche nicht, bis auf wenige Ausnahmen, wenn der Verlag einer aktuellen Modeströmung folgt. Erfolgsautoren bekommen mehr Unterstützung als Newcomer, aber auch Erfolgsautoren werden schnell fallen gelassen, wenn sie es nicht bringen. Umsatzmäßig meine ich. Verlage schaffen es auch durchaus jemanden erst zu hypen und dann fallen zu lassen.

Eines aber kann ich bestätigen: Fantasy und SF geöhren nicht unbedingt zu den Burnern im Verlagsgeschäft, obwohl es immer mal Ausnahmen gibt.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Evanesca Feuerblut

Zum ursprünglichen Thema:

Ich finde es wahnsinnig wichtig, internalisierte -ismen anzusprechen. Vielleicht hierzu ein kleiner Exkurs über mich selbst, die atheistische, jüdisch-russisch sozialisierte Frau mit Migrationshintergrund, cis, queer, Ende zwanzig.
Mt 14/15 habe ich das Buch "Armand, der Vampir" von Anne Rice abgebrochen. Warum? "Das ist mir zu schwul". Woher kam diese internalisierte Homofeindlichkeit? Weder kannte ich zum damaligen Zeitpunkt Menschen, die homosexuell waren, noch hatten sie mir je was getan. Aber ich brach als Teenager ein Buch mit der Begründung "Zu schwul" ab.
Inzwischen ist das einer meiner liebsten Titel aus der Reihe.
Als Jugendliche war ich der festen Meinung, ich könne als Jüdin/Migrantin unmöglich rassistisch sein - oder gar antisemitisch. Aber jetzt stelle ich fest: Doch. Schon. Sehr viele internalisierte Vorurteile gegen jüdische Menschen, sehr viele rassistische Verhaltensmuster, über die ich mir schlicht keine Gedanken gemacht habe, weil ich in einer Welt gelebt habe, in der das nicht hinterfragt wird (Stichwort Cultural Appropriation beispielsweise mit Traumfängern, "chinesischen" Stimmungsarmbändern, einer heiß geliebten Lederhalskette mit "Adlerfedern" dran, als kleines Kind öfter mal Braids tragen ... Puh, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr SEHR fragwürdige Dinge fallen mir ein, die ich einfach mitgemacht habe, weil ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, dass das nicht okay ist. Oder gar rassistisch.)
Ich habe als Kind/Jugendliche Leute ableistisch und saneistisch beleidigt, weil ich nicht wusste, dass das nicht okay ist und war heute Jahre alt, als ich gelernt habe, dass "Klappspaten" ein Naziwort ist und ich es nicht als harmlosen Ersatz für andere Beleidigungen verwenden darf, die ich mir mühsam abtrainiert habe.
Man lernt täglich dazu, das ist mühsam, das ist anstrengend und ich kann Leute verstehen, die irgendwo aussteigen und sagen "Okay, ich habe nicht die Energie, mich auch noch damit zu beschäftigen, wenn ich schreibe". Wir haben alle nicht unendlich viel Kraft, Hauptsache, alle tun zumindest so weit es ihnen jeweils möglich ist an sich arbeiten.

Entsprechend ist es so, dass Menschen zu jedem Zeitalter einen Haufen internalisierter Ismen mit sich herumschleppen, von denen sie meist nicht mal wissen, dass es welche sind, weil es das Normverhalten ist. Würde Tolkien noch leben und hätte somit die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, wäre er vielleicht ziemlich erschrocken über einige Dinge, die er da unbewusst in seine Bücher gepackt hat. (Ob er ohne Gesichtsverlust dazu stehen könnte, wäre die andere Sache, das ist immer auch noch ein anderes Problem)

Das ist für viele einfach der schwerste Schritt. Man empfindet sich als guten Menschen, als gute*n Autor*in und stellt dann fest - nein, doch nicht. Und das tut verdammt weh. Da kommt dann erst einmal eine Abwehrhaltung, die ich zu 100% nachvollziehen kann. "Nein, ich bin nicht rassistisch!"
Als ich in einem Unikurs gesagt habe, dass ich keine Farben sehe, habe ich nicht verstanden, warum mein Dozent explodiert ist. Jetzt verstehe ich es sehr wohl und könnte mein damaliges Ich ohrfeigen. Weil "Ich sehe keine Farben" bedeutet, dass man das Machtgefälle hinter Rassismus ignoriert.

Was hat das nun für Konsequenzen fürs eigene Schreiben?

Ich schreibe nicht bewusst divers, weil "es sich jetzt so gehört", sondern weil die Geschichten, die mir einfallen, zwangsläufig divers sind. Meine Charaktere sind nicht oft nicht weiß, nicht einheimisch, nicht heterosexuell und/oder nicht cis.
Es stimmt übrigens nicht, dass bei Geschichten, in denen Beziehungen nicht im Vordergrund stehen, die sexuelle Orientierung keine Rolle spielt. Eigenes Beispiel:
Ich bin auf dem asexuellen Spektrum. Für mich bedeutet das, dass ich als Teenager teilweise andere Erfahrungen gemacht habe als meine Mitmenschen. Wo besonders für die afab aus meiner Klasse auf einmal größtenteils Beziehungen, "der Schwarm", Knutschen und sexuelle Fantasien im Vordergrund standen und ich mit meinen besten Freundinnen kaum ein Gespräch führen konnte, in dem es nicht darum geht, dass irgendjemand "wahnsinnig süß" ist und später als junge Frau öfter mal hören musste "Den/die würde ich nicht von der Bettkante stoßen", habe ich immer sehr verwirrt geschaut.
Ich kann dieses Gefühl der instant Anziehung nicht verstehen. Bis heute nicht, obwohl ich seit Jahren glücklich in einer auch sexuellen Beziehung bin. Aber meine Orientierung prägt durchaus meinen Blick auf die Welt.
Ebenso, wie meine Mehrsprachlichkeit und Migrationserfahrung teilweise dazu führt, dass ich meine Welt schlicht anders wahrnehme oder interpretiere, als meine Mitmenschen. Wir haben in der zehnten Klasse in einer Prüfung (wir haben sie am Gymnasium einfach Mittelschulprüfung genannt) eine Kurzgeschichte über eine Frau interpretieren müssen, die teils deutsche, teils afrikanische Wurzeln hat und dann auf einer Bahnhoftoilette drei Afrikanerinnen begegnet, als sie sich mit ihrem Haar abmüht. Sie geben ihr einen Kamm und zeigen ihr, wie sie ihre Locken pflegen kann.
Für mich als Mensch mit Fremdheitserfahrung steckte ganz anderes in der Geschichte, als für den auf nicht eingewanderte Menschen ausgerichteten Korrekturschlüssel, ich habe also "aus Kulanz" eine vier bekommen, weil ich gut begründet habe, obwohl ich nichts von dem hingeschrieben habe, was reingehören würde. Laut meiner Lehrerin.
Und solche Erlebnisse prägen Romancharaktere. Selbst wenn sie nie innerhalb des Plots sexuell aktiv werden oder es keine Liebesgeschichte gibt, wird es Unterschiede geben, worauf sie achten und worauf sie nicht achten. Welche Dinge sie zusammenzucken lassen und welche nicht. Oder ob sie eher Menschen nachgucken, die sie als männlich oder als weiblich lesen. Oder beiden. Oder gar keinen.

Und zum Thema: "Warum schreibt ihr dann nicht ..."
Tun wir ja. Kommt aber bei den meisten Großverlagen im deutschsprachigen Raum nicht an.

Silvia

#170
Klappspaten ist ein Naziwort?  ???
Ein Beleg dafür wäre jetzt interessant. Ich verbinde den mit Camping, Spaten, vielleicht noch Bundeswehr - und einem alternativen Begriff für "Idiot" oder jemanden, der schnell "zusammenklappt", wenn es ernst wird. Wie so ein klappbarer Spaten halt.

Zitat
sehr viele rassistische Verhaltensmuster, über die ich mir schlicht keine Gedanken gemacht habe, weil ich in einer Welt gelebt habe, in der das nicht hinterfragt wird (Stichwort Cultural Appropriation beispielsweise mit Traumfängern, "chinesischen" Stimmungsarmbändern, einer heiß geliebten Lederhalskette mit "Adlerfedern" dran, als kleines Kind öfter mal Braids tragen ... Puh, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr SEHR fragwürdige Dinge fallen mir ein, die ich einfach mitgemacht habe, weil ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, dass das nicht okay ist. Oder gar rassistisch.)
Ich habe als Kind/Jugendliche Leute ableistisch und saneistisch beleidigt, weil ich nicht wusste, dass das nicht okay ist u

Ich versteh leider die Hälfte davon gar nicht. Kannst Du bitte erklären, was ableistisch und saneistisch ist? Und was an Traumfängern, Stimmungsarmbändern, Lederhalsketten etc. (was sind Braids?) verwerflich oder gar rassistisch sein soll?

Evanesca Feuerblut

Scheinbar - ich kriege den Beleg gerade nicht gegoogelt - war das auch die abfällige Bezeichnung für Menschen, die ihr eigenes Grab schaufeln mussten, bevor sie erschossen wurden. Also ein sehr problematisches Konzept.

Ableismus: Strukturelle Benachteiligung von Menschen mit Behinderung, was sich auch durch die Sprache/Ausdrucksweise auswirkt (wenn beispielsweise Jugendliche einander mit einem Wort bewerfen, das eigentlich für eine bestimmte Behinderung steht).
Saneismus: Strukturelle Diskriminierung von Menschen, die neurologisch abweichen. Beispielsweise, weil sie als psychisch krank diagnostiziert werden. Dadurch, dass es als umgangssprachlich in Ordnung gilt, beispielsweise Dinge wie "Der ist ja völlig irre!" zu sagen, werden Vorurteile gegenüber Menschen mit tatsächlichen psychischen Problemen weitertransportiert und gefestigt.

Beide Konzepte gehen vom "gesunden" Menschen als Norm aus. Und genauso, wie es in Geschichten oft "Quoten-Schwarze" gibt, gibt es gelegentlich auch "Quoten-Rollifahrer*innen", beispielsweise.

Braids sind diese kleinen Zöpfchen, die man meist mit "Afrika" (auch wieder ein problematisches Konzept an sich, da dort viele verschiedene Völker mit sehr unterschiedlichen Kulturen leben) verbindet. Während BI_POC (black, indigenous, persons of color) für das Tragen dieser Frisuren vor allem in den USA oft diskriminiert werden, werden als weiß gelesene Personen dafür oft gefeiert, da gilt es als modisches Statement.
Zu den anderen Sachen ist das Stichwort "Kulturelle Aneignung" - traditionelle Gegenstände unterdrückter Kulturen, die einfach als Modekram oder weil es besonders "spirituell" ist, getragen/erworben werden. So wie die ganzen Kitsch-Buddas, die man in Österreich bei diversen Möbelhäusern kaufen und dann in den eigenen Garten stellen kann. Im Prinzip kann man das zusammenfassen mit "Anderswo werden Leute dafür getötet oder diskriminiert, dass sie ihren Glauben ausüben/ihren traditionellen Schmuck tragen, aber andere Leute nutzen genau das unreflektiert als Accessoire".

AlpakaAlex

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 03. Oktober 2019, 15:33:01
Zu den anderen Sachen ist das Stichwort "Kulturelle Aneignung" - traditionelle Gegenstände unterdrückter Kulturen, die einfach als Modekram oder weil es besonders "spirituell" ist, getragen/erworben werden. So wie die ganzen Kitsch-Buddas, die man in Österreich bei diversen Möbelhäusern kaufen und dann in den eigenen Garten stellen kann. Im Prinzip kann man das zusammenfassen mit "Anderswo werden Leute dafür getötet oder diskriminiert, dass sie ihren Glauben ausüben/ihren traditionellen Schmuck tragen, aber andere Leute nutzen genau das unreflektiert als Accessoire".
Ich möchte dazu vielleicht ergänzen, dass kulturelle Aneignung halt auch mit kultureller Macht zu tun hat. Weil kulturelle Aneignung per se erst einmal ein neutrales Wort ist. Es haben sich durch normalen, nicht kolonialistischen kulturellen Austausch auch Aspekte kultureller Aneignung ergeben, die nicht problematisch sind. Problem ist halt eben, dass kolonialisierende Kulturen die kolonialisierten Kulturen als minderwertig dargestellt haben und noch immer darstellen, sich dabei aber eben Aspekte davon zu eigen machen und vollkommen losgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext wiedergeben. (Oft, aber nicht immer, während die ursprünglichen Mitglieder der Kultur diese Aspekte eben nicht nutzen dürfen, ohne dafür diskriminiert zu werden. Also bspw. Asiat*innen werden eher selten für ihre Kleidung diskriminiert, weil positive Diskriminierung und so, aber dennoch ist es nicht okay, diese ohne den entsprechenden Kontext zu tragen.)
 

Evanesca Feuerblut

Danke für die Ergänzung, ich bin recht schlecht darin, sowas vernünftig zu erklären @NelaNequin :).

(Und ich hoffe, mein Posting kommt nicht explosiv oder unsachlich rüber, ich glaube, ich habe Fieber.)

Trippelschritt

@ Evanesca
Ich teile bei den von Dir genannten Beispiele nicht jede Deutung, aber das macht nichts, denn das, was Du ansprichst, ist für mich deutlich genug und ein grundlegendes Charakteristikum der menschlichen Gesellschaft. Die Frage ist nur, wie wir selbst damit umgehen. Ich will einmal versuchen, meine Gedanken in einer etwas abstrakten und generalisierten Form zu formulieren. Wenn es an Dir vorbeiläuft, korrigier mich bitte.

Der Mensch ist ein Gruppentier, dessen Herz für die eigene Gruppe schlägt. Jeder, der nicht zur eigenen Gruppe ist gehört, ist im günstigsten Fall zu beargwöhnen. Er kann auch nicht so gut sein, wie man selbst, da ja die eigene Gruppe das Maß aller Dinge ist. Der "zivilisierte" Mensch ist in der Lage in Gruppenbündnissen zu denken, aber seine grundsätzliche Einstellung gilt für alle Maßstabsebenen.

Die eigene Gruppe ist normal, alle anderen unnormal. Da ist es nur ein kleiner Schritt, unnormal durch etwas zu ersetzen, das noch negativer besetzt ist. Denn je schlechter der Fremde ist, deto besser fühle ich mich und meine Gruppe. (Wie oft konnte ich beobachten, dass Leute glaubten sich selbst dadurch zu erhöhen, dass sie einen anderen schlecht machten, was in der Gesellschaft von Menschen mit klassisch bürgerlicher Erziehung dann gar nicht gut ankam.) Diese Prägung scheint tief zu sitzen.

Einige der anderen in den Fremdgruppen reagierten darauf mit Trotz und deutlichen "Stammeszeichen". So kannte ich in der ersten Hälfte meines Lebens Tatoos nur bei Tiefbauarbeitern (nicht beim Hochbau), bei einigen wenigen Gefängnisinsassen, aber vor allem bei Seeleuten und Prostistuierten. Heute ist es ein allgemein anerkannter Modetrend.

Heute wird der Umgang miteinander ein wenig komplizierter, weil viele Regeln von früher nicht mehr gelten. Zwar würde ich mir einen geschenkten Buddha ins Regal stellen, aber niemals in den Vorgarten. Früher wäre das egal gewesen, denn Buddhisten schauten sich keine bundesdeutschen Vorgärten an. Aber heute, wo jeder jeden besucht, ist das eine andere Sache. Und völlig durcheinander geht es bei der Bedeutung von Zöpfchen. Die gab es in Deutschland schon immer. Mehr bei kleinen Mädchen als bei Frauen, länger in Holland als in Deutschland, früher mal als Einzelzopf auch bei den Seeleuten, dort aber gern geteert.

Ich lasse das mal ohne weitere Bewertung so stehen. Zwar habe ich meine eigene Meinung, wie man damit umgehen kann, aber aus einer solchen Diskussion halte ich mich heraus.

Danke für Deinen Beitrag, Evanesca

Liebe Grüße
Trippelschritt

FeeamPC

#175
[ROSENTINTE]
Rassistisches Vokabular entfernt
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Hm. Bei so Sachen wie Dekor, Kleidung und Schmuck sehe ich kein Problem, da Mernschen über alle Zeiten das, was sie schön fanden, ohne zu fragen von anderen übernommen haben. Ein Problem ist es für mich höchstens da, wo diese Dinge für die andere Seite kein Alltag sind, sondern z.B. eine starke spirituelle Bedeutung haben (wie die Federhauben der nordamerikanischen [Ersetzung: rassistische Fremdbezeichnung für indigene Völker]). Wo ich also dadurch, dass ich diese Dinge in den Alltag hole, sie entweihe, oder sie gar in das Gegenteil verkehre (was zum Beispiel die Nazis mit der Swastika perfekt geschafft haben). Ich wäre ja umgekehrt auch pikiert, wenn andere Kulturen katholische Heiligenbilder als Wurffiguren auf der Kirmes nutzen würden.
Aber ganz allgemein liegt für mich in der Übernahme aus anderen Kulturen auch eine Chance. Die nämlich, zu sehen, dass wir tatsächlich alle zu einer Menschheit gehören und gar nicht so verschieden sind. Schließlich gefallen uns die gleichen Dinge. Und je mehr die Welt zusammenwächst, desto häufiger kommt das vor.
Was allerdings wiederum einigen Menschen Angst macht, weil die sich in ihrer selbst in ihrer eigenen Welt unsicher sind und sich deswegen krampfhaft gegen außen abgrenzen müssen.

Alana

#176
Zitat von: FeeamPC am 03. Oktober 2019, 16:45:05
Bei so Sachen wie Dekor, Kleidung und Schmuck sehe ich kein Problem,

Das dachte ich früher auch. Aber so einfach ist es leider nicht. Wenn ich als Deutsche einen Sari trage, dann wird das, wenn ich es in Indien auf einer Hochzeit tue, mit Freude aufgenommen. Wenn ich es aber zum Beispiel hier auf einer Faschingsparty tue, wo es vielleicht Menschen gibt, die ihr Leben lang für ihre ethnische Kleidung gemobbt wurden und diese trotzdem tragen mussten, weil ihre Eltern das so verlangt haben, kann das für diese Menschen sehr verletzend sein, diese Kleidung so als Faschingsverkleidung präsentiert zu bekommen. Ohne Rücksicht und Verständnis für die Bedeutung.

Oder auch nicht. Das andere große Problem an dieser Sache ist, dass jeder Mensch ganz eigene Erfahrungen gemacht hat und entsprechend können die Reaktionen eben auch total auseinander gehen. Der Punkt ist: es ist verdammt schwer, es allen recht zu machen.

Aber wichtig ist, dass man solche Dinge reflektiert, denn ich denke schon, dass die Absicht, mit der man etwas tut, wichtig ist. (Disclaimer: Natürlich gibt es gerade in dem Bereich, über den wir hier sprechen, viele Fälle, wo die Absicht dahinter unerheblich ist, weil das Ergebnis unheimlich verletzend ist.) Aber oft spiegelt sich ja durch die Absicht auch wider, wie man etwas tut. Wenn man sich einen Buddha in den Garten stellt, weil man von der Lehre überzeugt ist und sich das evtl. auch im Design des Ortes widerspiegelt, dann könnte sich ein Buddhist, der einen darauf anspricht, darüber freuen. Wenn man es macht, weil man es schick findet, eher nicht. Oder vielleicht doch, weil es eine Chance für ein Gespräch ist. Aber auch diese Chance kann dann nur genutzt werden, wenn man eben offen für andere Sichtweisen ist.

Deswegen: man muss es nicht perfekt machen. Man darf Fehler machen. Aber man sollte nachdenken, sich schlau machen und offen dafür sein, dass Dinge ganz anders sind, als man denkt. Denn Gedankenlosigkeit ist oft das, was am meisten verletzt.
Alhambrana

Amanita

Eine Frage, die ich hier auch noch in den Raum werfen möchte: Bedeutet "anders als weiß-westlich" (falls man "weiß-westlich" überhaupt als homogene Masse sehen will, aber das ist wieder ein anderes Thema) denn automatisch immer unterdrückt? Diese Gleichsetzung finde ich durchaus problematisch und auch selbst von einer gewissen Arroganz geprägt. Da sollte doch durchaus noch eine Differenzierung möglich sein zwischen tatsächlich unterdrückten Gruppen, deren Kultur systematisch zerstört wurde, wie beispielsweise bei den amerikanischen Ureinwohnern und anderen, die mächtige eigene Staaten haben und Deutschland gegenüber in der internationalen Politik auf Augenhöhe auftreten, oder eher überlegen sind wie Japan, China und Indien. Wenn Japan wegen des Ausgangs des Zweiten Weltkriegs und der Folgen "unterdrückt" ist, dann ist Deutschland das auch. (Hier unterscheiden sich die Dynamiken zwischen Japan und Deutschland und Japan und den USA sehr stark.)
Japaner, Chinesen und Inder können sich zwar zurecht darüber aufregen, wenn Elemente ihrer Kultur aus dem Zusammenhang gerissen für irgendwas genutzt werden, aber das ist ja nicht gleichbedeutend mit der Verstärkung einer potenziell lebensbedrohlichen Unterdrückungsdynamik. Und zumindest in japanischen Mangas werden ja auch gerne mal alle möglichen Elemente europäischer Kultur und Geschichte auf teilweise recht seltsame Art verwurstet. Das ist also auch kein rein "europäisch-weißes" Phänomen. Andererseits gibt es auch Beispiele wie die japanische Heidi-Zeichentrickserie, die wir als Kinder immer angeschaut haben und wo ich auch aus heutiger Perspektive sage, dass die Botschaft des Buches über die kulturellen Grenzen hinweg sehr gut getroffen wurde.
So ein Austausch, mal in gelungener und mal in weniger gelungener Form gehört auch zu einer im Austausch befindlichen Welt dazu und ist nicht automatisch ein Zeichen von Aneignung und Rassismus.

Alana

Das Beispiel mit dem Sari habe ich mir nicht ausgedacht, das stammt aus einem Blogbeitrag. Und zu behaupten, dass Indien bezüglich ethnischer Verfolgung aus einer starken Position herauskommt, finde ich recht gewagt, wenn man sich die ganze Kolonialgeschichte und die damit verbundenen grausamen geschichtlichen Ereignisse anschaut. Die britische Kolonialherrschaft hat die indische Kultur und die Menschen dort auf eine Art und Weise verletzt, die sich wahrscheinlich nie wieder gut machen lässt.

Und zum Thema Austausch: Austausch findet auf Augenhöhe statt, er findet im Gespräch statt. Aber sich etwas von einer anderen Kultur unreflektiert zu nehmen, ist kein Austausch.

Alhambrana

Amanita

Beim Thema Indien ist es insgesamt wirklich ein bisschen schwieriger. Zumindest aus militärischer Sicht ist aber eine Überlegenheit gegenüber Deutschland sicherlich gegeben.
Was man unter "Austausch" versteht, kann man sicherlich lang diskutieren. Für mich gehört es durchaus dazu, wenn Aspekte der einen Kultur in der Kunst der anderen verbaut werden und umgekehrt.