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Hütet euch vor Orks oder war Tolkien ein Rassist?

Begonnen von Maria, 10. September 2019, 13:20:56

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Judith

Zitat von: Anjana am 19. September 2019, 09:21:41
Was ich aber hier beobachte, ist zunehmend tatsächlich ein Druck von Seiten derer, die für sich und Literatur in Anspruch nehmen, dass diese -ismen aufdecken und überwinden müsse. Ich finde es druchaus erstrebenswert das zu tun, aber es von allen anderen auch zu fordern, ist nach meiner Beobachtung genau das, wogegen Trippelschritt und FeeamPC sich wehren.
Da stimme ich dir einerseits zu, aber andererseits muss ich sagen, dass ich so allgemeingültige Formulierungen wie "den meisten Autoren ist es egal, welche Wirkungen ihre Geschichten auf andere haben" (dann sind wir also alle hier, denen das nicht egal ist, die seltsamen Ausnahmen?) und "Leser mögen keine Botschaften" (es gibt, wie wir wissen, nicht DIE Leser als homogene Gruppe; abgesehen davon gibt es sehr viele Bestseller mit Botschaften) für diese Diskussion auch nicht hilfreich finde. Dann geht es nämlich über ein "Ich persönlich mache es so und will das auch so beibehalten" hinaus und will ebenso eine Überzeugung verbreiten - und das führt logischerweise zu Widerspruch.

AlpakaAlex

Zitat von: Anjana am 19. September 2019, 09:21:41
Meiner Ansicht nach ist meist ausschließlich der eigene moralische Maßstab der Kompass anhand dessen derselbe Effekt mal gefordert und mal verteufelt wird.
Ist es wirklich eine Lösung eine Art von Gleichmachung zu fordern? Wäre es nicht respektvoller jedem gegenüber ihm die eigenen Überzeugungen zwar als Information oder Beispiel anzubieten, ihm aber die eigene Wahl zuzugestehen?
Es tut mir leid, aber hierzu fallen mir gleich zwei Sachen ein.

Zum ersten: Eins der zentralen Probleme dieser Diskussion kommt letzten Endes daraus, wie gleich Fantasy als Genre doch ist. Um genau zu sein geht es hier nicht ums Gleichmachen, sondern ums Diversifizieren. Denn zentral ist nun einmal: Das Wort würde nicht "Orcing" heißen, wären Orks nicht so Prävalent in Fantasy. Fantasy würde weniger in der Kritik stehen, wäre das Standard-Fantasy-Setting nicht ein unrealistisch weißes, unrealistisch patriarchales und unrealistisch cisheteronormatives Mittelalter in dem die Orks oftmals das "Böse" darstellen, bzw. die Diener des Bösen sind. Gäbe es nur vereinzelte Bücher in einem diversen Genre, die diese Darstellung nutzen, würden vielleicht diese Bücher, aber nicht das Genre per se kritisiert werden. (Dasselbe gilt übrigens auch für Science Fiction und die "Kolonialismus"-Geschichte.) Viele der Kritikpunkte stammen daraus, dass es eben eine Standard-Fantasy gibt, die auch soweit noch oft von Verlagen bevorzugt wird, und diese nun einmal voller -Ismen ist. Gilt übrigens so gesehen auch für andere Fantasy-Subgenre, nur dass die -Ismen halt andere Formen annehmen.

Zum zweiten: Ich gehe hier davon aus, dass in diesem Forum die meisten Schreibenden weiß sind oder zumindest von der Gesellschaft als weiß gelesen werden - unabhängig davon, ob sie es sind. Und wenn man weiß ist, ist man eigentlich nicht im Recht zu sagen: "Also mich stört das nicht ...", weil man damit nun einmal nicht die betroffene Gruppe ist, die am Ende unter den Konsequenzen zu leiden hat. Für uns ist es eine vornehmlich intellektuelle Diskussion - aber Konsequenzen gibt es für uns nicht. Derweil müssen aber Schwarze oder bei Orks auch asiatische Menschen mit den Konsequenzen davon leben, dass Orcing in Geschichten hilft, Stereotype beim Endkonsumenten zu verfestigen. Und ja, das passiert. Egal ob es Autor*in jetzt beabsichtigt hat oder nicht. (Oder sollte ich vielleicht Autor sagen? Ich komme ja nicht umher den Eindruck zu haben, dass wir nur über Männer reden, so wie das generische Maskulinum durch die Gegend geworfen wird.) Auch egal, ob Leser*in oder Autor*in sich überhaupt dessen bewusst sind, dass es eine Form von Rassismus ist.

Ich wurde letztens von jemanden angesprochen nach einem Vortrag, der zu mir meinte: "Also ich bin ja auch gegen Rassismus, aber ich finde es unerhört, dass die aus Pippi Langstrumpf jetzt alles rausgepackt haben, nur weil [das N-Wort] darin vorkam. Wenn ich das meinen Enkeln vorlese, habe ich ihnen halt erklärt, dass das so nicht okay ist. Das muss doch reichen!" Aber es reicht eben nicht. Weil egal ob wir den Enkel*innen sagen, dass es falsch ist: Sie lernen dadurch dennoch Rassismus. Weil das eben ein unterbewusster Prozess ist, kein bewusster. Davon abgesehen, dass ich mich eh frage, warum man mit den Kindern noch alte Kinderbücher lesen muss ... Aber das ist eh eine Sache, die ich nie verstehen werde.
 

Anj

Zitat von: Judith am 19. September 2019, 09:56:58
Da stimme ich dir einerseits zu, aber andererseits muss ich sagen, dass ich so allgemeingültige Formulierungen wie "den meisten Autoren ist es egal, welche Wirkungen ihre Geschichten auf andere haben" (dann sind wir also alle hier, denen das nicht egal ist, die seltsamen Ausnahmen?) und "Leser mögen keine Botschaften" (es gibt, wie wir wissen, nicht DIE Leser als homogene Gruppe; abgesehen davon gibt es sehr viele Bestseller mit Botschaften) für diese Diskussion auch nicht hilfreich finde. Dann geht es nämlich über ein "Ich persönlich mache es so und will das auch so beibehalten" hinaus und will ebenso eine Überzeugung verbreiten - und das führt logischerweise zu Widerspruch.
Okay, da gebe ich dir Recht, das wäre eine weniger allgemeine Formulierung weniger konfrontativ und vermutlich konstruktiver gewesen. Darauf bin ich vermutlich nicht so angesprungen, weil ich mich zurzeit nicht als Autor in dem Sinne angesprochen gefühlt habe.


@NelaNequin Ich habe mich hier ganz bewusst als Frau in die Berufsbezeichnung Autor eingegliedert. Ja, ich stimme dir zu, Sprache ist wichtig, ja gendern ist wichtig. Tue ich auch immer wieder. Aber nicht immer. Ganz bewusst. Ich als Betroffene (nämlich Frau in Bezug auf generischen Maskulin bei Berufsbezeichnungen) probiere immer wieder verschiedenes aus. ich bezeichen mich auch weiterhin als die Coach. Ich werde mich nicht als die Coachin bezeichnen, so als könne ich nicht gleichwertig zu einem Coach sein, sondern müsste gesondert (zusätzlich zum Artikel) bezeichnet werden. Ist mir auch schurzegal was der Duden dazu sagt. Andere Frauen werden das anders empfinden. Ein Empfinden ist aber nicht richtiger oder falscher als ein anderes.
Zitat
Um genau zu sein geht es hier nicht ums Gleichmachen, sondern ums Diversifizieren.
Und das sehe ich anders. Es geht zwar darum, dass in den Geschichten selbst mehr diversifiziert wird. Da bin ich ganz deiner Meinung. Und halte das persönlich für ein erstrebenswertes Ziel. Aber der Anspruch an den Inhalt der Geschichten wird gleichgeschaltet, wenn gefordert wird, dass ALLE Geschichten diesem Anspruch genügen müssen. Und diese Forderung lese ich hier auch immer wieder, wenn es darum geht, dass Autoren sich dahin entwickeln müssten.
Es sind aus meiner Sicht zwei Ebenen, die hier betrachtet werden. Diversität auf der Ebene des übergeordneten Anspruchs würde bedeuten, dass es sowohl diverse, als auch rassistische, als auch gedankenlose, als auch sexistische und klischeebehaftete Geschichten und Inhalte geben muss. Ansonsten wird aus meiner Sicht unter dem Deckmantel der Diversität tatsächlich eine Gleichschaltung gefordert. Vielleicht siehst du diese Forderung auf Fantasy beschränkt. Dann wäre es nur eine teilweise Gleichschaltung. Aber es bleibt eine Forderung nach Gleichschaltung bestimmer Dinge. Ob diese Gleichschaltung als gut oder schlecht empfunden wird, ist wieder eher eine moralische, bzw. persönliche Frage aufgrund der eigenen Lebensbiografie.
Wenn du das tatsächlich anders siehst, dann empfinden wir Dinge ggf. so unterschiedlich, dass wir an der Stelle einfach auf unterschiedlichen Positionen stehen. Das ist möglich. Für eine fruchtbare Diskussion in der Horizonte erweitert werden können, vielleicht sogar hilfreich. ;-)
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Grey

#108
Zitat von: Anjana am 19. September 2019, 09:21:41
Und ehrlicherweise finde ich es sowohl legitim zu sagen, ich will nur unterhalten als auch zu sagen, ich will meine Leser aufrütteln als auch zu sagen, ich will ein Beitrag zu Repräsentation leisten als auch, ich will meine eigenen, unbewussten -ismen aufdecken und überwinden.

Was ich aber hier beobachte, ist zunehmend tatsächlich ein Druck von Seiten derer, die für sich und Literatur in Anspruch nehmen, dass diese -ismen aufdecken und überwinden müsse. Ich finde es druchaus erstrebenswert das zu tun, aber es von allen anderen auch zu fordern, ist nach meiner Beobachtung genau das, wogegen Trippelschritt und FeeamPC sich wehren.

Ich fürchte, genau das ist ein Missverständnis, das oft aufkommt - zumindest von meiner Seite erlebe ich das immer wieder. Ich bin weit entfernt davon, eine militante Vertreterin irgendwelcher -ismen-Bekämpfungen zu sein, und ich glaube, das geht auch vielen anderen so. (Ich bestreite nicht, dass es Menschen gibt, die so denken, und dass die Diskussionen darum, wer am marginalisiertesten ist, hin und wieder recht schwierig sind, aber das sind zumeist eben betroffene, die das Thema auf einer ganz anderen emotionalen Ebene betrachten müssen.) Tatsächlich sind auch die allermeisten meiner eigenen Geschichten "nur" dazu gedacht, zu unterhalten, und auch mir geht es in erster Linie darum, gute Geschichten zu erzählen - und ich will ganz sicher niemandem verbieten, genau das zu tun. Ich will auch nicht missionieren oder anderen sagen, wie sie etwas zu schreiben haben. ABER ich finde dennoch, dass es zum Handwerk eine*r Autor*in gehören sollte, sich darüber Gedanken zu machen, was die geschriebene Geschichte transportiert. Im Grunde ist das doch auch nur ein Werkzeug, um noch bessere (damit meine ich nach den eigenen Maßstäben gemessen) Geschichten schreiben zu können. Wirkung durch Worte, das ist es doch, was wir tun, oder? Unsere Superkraft? Macht es nicht absolut Sinn, diese so bewusst und gezielt wie möglich einsetzen zu wollen?

Und deshalb verstehe ich in solchen Diskussionen immer nicht, warum sich so vehement dagegen gewehrt wird, über die Wirkung der eigenen Geschichte nachzudenken. Wie gesagt, man kann dann immer noch entscheiden, dass es einem egal ist. Wäre nicht mein Weg, aber man kann das tun. Man kann den ersten Teil einer Dilogie mit dem Selbstmordversuch der Protagonistin enden lassen und es als einen mutigen Schritt darstellen und damit auf der Bestsellerliste landen und enorm gefeiert werden. Man muss dann aber auch mit der Kritik real suizidgefährdeter Leser*innen leben, die das Thema sehr unsensibel und zum Teil gefährlich dargestellt finden. Das muss wirklich jeder selbst wissen. Nur würde ich für mich persönlich es immer vorziehen, diese Entscheidung vor Veröffentlichung selbst treffen zu können, damit nicht im schlimmsten Fall das Internet ein Urteil über mich fällt, das ich nie wieder ganz loswerde. Dafür ist diese Reflektion in meinen Augen unverzichtbar, und ich finde es enorm schade, dass ein so potentes Werkzeug so harsch abgelehnt wird, weil es manchen das Gefühl gibt, sie dürften etwas nicht schreiben. Aber zu wissen, was man geschrieben hat, ist für mich eine ganz andere Sache, und eine Grundvoraussetzung, überhaupt eine Entscheidungsgewalt jenseits des Bauchgefühls für meine Texte zu haben. Wie gesagt, der eigenen Integrität ist nicht immer zu trauen, weil das Gehirn nunmal so gemacht ist, dass es gewohnte Muster energiesparend reproduziert. Ein bisschen Reflektion schadet da also nie, auch fernab von allen -ismen.

Ärgern tun mich in solchen Diskussionen lediglich Verallgemeinerungen, die mich einschließen (Autoren machen das so und so), mit denen ich mich aber nicht identifizieren kann, oder wenn ich das Gefühl habe, die vorgebrachten Argumente interessieren den Diskussionspartner eigentlich gar nicht und können nur abgewunken werden, oder wenn Totschlagargumente wie "Man darf ja gar nichts mehr schreiben" kommen, obwohl diese schon 100fach verneint und erklärt worden sind.

Zitat von: Anjana am 19. September 2019, 09:21:41
Und übrigens @Grey , in einem Autorenforum die Diskussion um die Definition eines Wortes in negativer Form als Wortklauberei zu deklarieren finde ich schon irgendwie auch bemerkenswert. Gemeinsame Begriffsdefinitionen sind doch eine Grundlage, wenn Missverständnisse vermieden werden sollen. ? Zumal, wenn unterschiedliche Definitionen verbreitet sind oder sein könnten.
Und zumindest mir hat es oft schon viele Aha-Erlebnisse gebracht, diese Wortklaubereien zu betreiben.

Ja, grundsätzlich sehe ich das auch so. Ich bin eine große Wortklauberin. Andererseits wurde der Begriff Botschaft auf den letzten Seiten schon ausführlich besprochen, und wenn nun ein ausführliches Argument allein dadurch entkräftet werden soll, dass ein anderer Begriff darin positioniert wird (der für mich in dem Kontext jetzt nicht total naheliegt), und es schon das zweite Mal ist, dass das in dieser Diskussion passiert (nicht mir), dann habe ich nicht das Gefühl, dass es hier um eine gemeinsame Begriffsdefinition geht. Es wäre eine Möglichkeit gewesen zu sagen: "Aha, wenn du Botschaft so siehst, finde ich, dass du rechthast - ich mache diesen Schritt immer, wenn ich über die Prämisse nachdenke." Dann wären wir vielleicht darüber ins Gespräch gekommen, wie wir diese Begriffe in dem Kontext zueinanderbringen. So klingt es für mich nur nach "Ich bin nicht bereit, über Botschaften in dem Sinne, wie es hier in der laufenden Diskussion gebraucht wird, zu reden. Worüber du redest, das ist keine Botschaft sondern eine Prämisse und somit für mich in der Diskussion irrelevant." Und das empfinde ich als nicht eben diskussionsfördernde Wortklauberei.

Mondfräulein

Ich glaube, die einzigen Botschaften, die wir hier wirklich offen ablehnen sind solche, die rassistisch, homophob und sexistisch sind und da bin ich wirklich ganz entschieden dagegen. Sie aus versehen einzubauen kann passieren, das ging mir früher auch so und geht mir manchmal bestimmt auch noch so, ich bin nicht frei von Fehlern, aber sie bewusst einzubauen oder sie bewusst nicht auszumerzen widerstrebt mir. Geschichten können immer noch viele verschiedene Botschaften haben, aber wenn eine Botschaft lautet, dass Frauen schwächer sind als Männer, dann wehre ich mich ganz entschieden dagegen. Es geht keinesfalls darum, dass jede Geschichte eine Botschaft gegen Rassismus enthalten muss.

Vielleicht sind die Fronten hier so verhärtet, weil es für einige in dieses Diskussion nur um die Aussage "Lasst uns keine rassistischen Bücher schreiben, Leute, ja?" geht und wir würden eigentlich erwarten, dass die meisten zustimmen, aber dann kommen einige und sagen "Also eigentlich..." und das schockiert schon ein wenig. Für mich ist das auch erstmal unabhängig von Diversität in Romanen, weil ich da noch einige Gründe akzeptieren würde, warum man sie nicht einbaut (viele Autor*innen trauen sich nicht, weil sie es nicht falsch machen wollen und die würde ich eher sanft ermutigen als es zu fordern, außerdem kann ich das mit einigen Gruppen nachvollziehen). Ich finde Diversität sehr wichtig, würde aber sagen, dass das eine ganz andere Diskussion ist (die wir hier auch schon sehr konstruktiv geführt haben).

Meinungsfreiheit bedeutet nur, dass die Regierung Menschen nicht für ihre Meinung juristisch verfolgen darf. Ich als Person kann und werde ganz entschieden gegen Rechte vorgehen, denn ich finde nicht, dass ich ihre Meinung akzeptieren muss und werde alles tun, damit sie in unserer Gesellschaft keine Plattform bekommt. Das sehe ich als meine Verantwortung. Die Akzeptanz solcher Meinungen als "nicht meine Meinung, aber legitim" halte ich sogar für gefährlich. In dieser Diskussion geht es für mich um "Lasst uns keine rassistischen Bücher schreiben" und ich sehe nicht ein, warum das eine übertriebene Forderung ist. Das hat nichts mit Gleichschaltung zu tun und dieser Begriff macht mir hier wirklich Bauchschmerzen. Ist es denn etwa schlecht, wenn wir uns als Gesellschaft gegen Rassismus entscheiden? Brauchen wir da wirklich unbedingt eine Gegenmeinung? Es geht ja auch nicht darum, dass Sexismus nirgendwo mehr vorkommen darf, aber die Serie The Handmaid's Tale (das Buch wahrscheinlich auch, aber das habe ich nicht gelesen) spielt in einer sehr, sehr sexistischen Gesellschaft und hat doch eine starke Botschaft gegen Sexismus.

Ich sehe Autor*innen klar in der Verantwortung für das, was sie schreiben. Viele hier möchten auch nicht, dass ihre Geschichten Botschaften enthalten, die Leute diskriminieren und für diese Gruppe, zu der ich mich selbst zähle, ist so eine Diskussion wirklich hilfreich. Ich halte auch nichts davon, Autor*innen grundsätzlich für solche Dinge in ihren Romanen zu verurteilen, denn ich weiß auch vieles noch nicht besser und habe früher vieles noch nicht besser gewusst. Viele meiner älteren Geschichten enthalten Dinge, die ich nun harsch kritisieren würde und ich glaube, dass viele Autor*innen Dinge nicht mit böser Absicht schreiben sondern einfach, weil sie sich nicht bewusst sind, welche Konsequenzen es haben kann. Ich weise lieber freundlich darauf hin. Aber Geschichten haben eine bestimmte Wirkung auf Leser*innen und (professionelle) Autor*innen haben meiner Meinung nach die Pflicht, sich damit auseinander zu setzen. Einfach nur zu schreiben, was einem Spaß macht, ist meiner Meinung nach nicht mehr in Ordnung, sobald man veröffentlicht. Als Hobby kann ich schreiben was ich will, aber wenn ich veröffentliche, dann habe ich eine Leserschaft und trage Verantwortung für die Botschaften meiner Geschichten.

Zitat von: Grey am 19. September 2019, 11:41:40
ABER ich finde dennoch, dass es zum Handwerk eine*r Autor*in gehören sollte, sich darüber Gedanken zu machen, was die geschriebene Geschichte transportiert. Im Grunde ist das doch auch nur ein Werkzeug, um noch bessere (damit meine ich nach den eigenen Maßstäben gemessen) Geschichten schreiben zu können. Wirkung durch Worte, das ist es doch, was wir tun, oder? Unsere Superkraft? Macht es nicht absolut Sinn, diese so bewusst und gezielt wie möglich einsetzen zu wollen?

Dem hier kann ich mich nur anschließen. Autor*innen beschäftigen sich doch unablässig damit, wie ihre Geschichten auf Leser*innen wirken. Wir schreiben sie auf eine bestimmte Art und Weise, damit sie so oder so auf Leser*innen wirken und diese Diskussion hier gehört für mich auch einfach dazu.

Anj

ZitatDie Akzeptanz solcher Meinungen als "nicht meine Meinung, aber legitim" halte ich sogar für gefährlich. In dieser Diskussion geht es für mich um "Lasst uns keine rassistischen Bücher schreiben" und ich sehe nicht ein, warum das eine übertriebene Forderung ist. Das hat nichts mit Gleichschaltung zu tun und dieser Begriff macht mir hier wirklich Bauchschmerzen. Ist es denn etwa schlecht, wenn wir uns als Gesellschaft gegen Rassismus entscheiden? Brauchen wir da wirklich unbedingt eine Gegenmeinung?
Natürlich wäre es wünschenswert wenn wir uns alw Gesellschaft gegen Rassismus stellen. Füf mich ist der Knackpunkt, dass es vollkommen egal ist, was die Front oder die Linie, die die gesamte Gesellschaft einhellig vertreten soll inhaltlich ausmacht. Es ist doch jetzt schon zu beobachten, dass in all diesen Diskussionen immer wieder die Unterschiede betrachtet werden. Wer sich nicht 100% in die Linie einsortiert wird plötzlich als jemand gesehen der uns fassungslos macht.
Wenn man nur diese Effekte betrachtet, dann kann ich verstehen, dass Menschen Angst davor haben, was aus diesen starken Wir gegen die Anderen- Gefühlen entstehen kann.
Was unter dem Deckmantel guter Ideen und Ansätze geschehen kann.
Natürlich muss das nicht so sein, dass es geschieht, aber ich persönlich sehe Dynamiken, die ich als gefährljcher einstufe als klar im Blick zu haben, dass es unterschiedliche Stimmen gibt. Und sehr dezidiert zu schauen, wo diese Stimmen auf Gefahren, wo auf Schwächen aufmerksam machen.
Deswegen darf ich aus meiner Sucht trotzdem jederzeit sagen: ich finde deine Herangehensweise bedenklich oder sogar gefährlich. Ich darf sagen, ich stelle mich dir/deinem Werk lautstark entgegen oder ich boykottieren dich/dein Werk.
Was ich aber eben schon bedenklich finde ist zu sagen: Du darfst das nicht so machen, denn Autoren*innen (also ALLE!) haben die Verantwortung das zu reflektieren und in ihren Büchern so umzusetzen wie ich es ethisch vertretbar finde.
Legitim ist für mich zu sagen, wenn du aus meiner Sicht bessere Bücher schreiben willst, fang an deine Perspektive zu wechseln und die Empfindungen von Betroffenen zu berücksichtigen. Wenn du weiterhin festgefahrene Strukturen zementieren willst, mach weiter wie bisher.


Oder anders gesagt: es für legitim zu halten, dass andere andere Meinungen/Vorurteile haben, bedeutet nicht, diese inhaltlich okay zu finden.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Rosentinte

ZitatLegitim ist für mich zu sagen, wenn du aus meiner Sicht bessere Bücher schreiben willst, fang an deine Perspektive zu wechseln und die Empfindungen von Betroffenen zu berücksichtigen. Wenn du weiterhin festgefahrene Strukturen zementieren willst, mach weiter wie bisher.
Ich glaube, das ist der Punkt, an der die Meinungen auseinander gehen. Denn ja, ich halte es für die Verantwortung von jede*r*m diese Strukturen zu überdenken, hinterfragen und ggf. widerlegen. Das gehört für mich insbesondere für Kulturschaffende, die Meinungen bilden und als Multiplikator*innen agieren, dazu.
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Anj

Zitat von: Rosentinte am 19. September 2019, 15:13:15
ZitatLegitim ist für mich zu sagen, wenn du aus meiner Sicht bessere Bücher schreiben willst, fang an deine Perspektive zu wechseln und die Empfindungen von Betroffenen zu berücksichtigen. Wenn du weiterhin festgefahrene Strukturen zementieren willst, mach weiter wie bisher.
Ich glaube, das ist der Punkt, an der die Meinungen auseinander gehen. Denn ja, ich halte es für die Verantwortung von jede*r*m diese Strukturen zu überdenken, hinterfragen und ggf. widerlegen. Das gehört für mich insbesondere für Kulturschaffende, die Meinungen bilden und als Multiplikator*innen agieren, dazu.
Jepp, ich glaube auch^^  ;)
Im Grunde genommen finde ich das auch insofern gut, als das solche Kontroversen die Themen immer wieder präsent machen/halten.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Zit

#113
Zitat von: NelaNequin am 19. September 2019, 10:02:39Zum zweiten: Ich gehe hier davon aus, dass in diesem Forum die meisten Schreibenden weiß sind oder zumindest von der Gesellschaft als weiß gelesen werden - unabhängig davon, ob sie es sind.

Du tust uns keinen Gefallen, wenn du alle über einen Kamm scherst und ihnen ihre Meinung versagst, weil du für dich selbst festgelegt hast, dass wir alle weiß sind/ weiß aussehen. Woran machst du das fest, kennst du jeden persönlich? Aber vor allem: Was gibt dir das Recht, anderen ihre Meinung abzustreiten und zu sagen, dass sie in entsprechenden Diskussionen um Marginalisierte den Mund zu halten haben, wenn du null Anhaltspunkte hast wie betroffen jemand ist? Aber vor allem: Muss ich ein Hund sein, der mal in der Pfanne lag, um meine Meinung über Hunde in Pfannen ausdrücken zu können – um dann die Möglichkeit zu haben, im Diskurs über Hunde in Pfannen mit anderen meine Meinung und mein Wissen zu erweitern?

@Anjana

Du findest die Worte für etwas, das unterbwusst an mir nagte und ich nicht greifen konnte. Unabhängig vom diesem Thread kann man bei bestimmten Themen bestimmte Tendenzen zu Diskussionsstilen erkennen, die es nicht immer einfach machen, wirklich fruchtbar miteinander zu diskutieren. Um es sanft auszudrücken. Das gibt mir auch zu denken wie man besser diskutieren könnte. :hmmm:
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Angela

ZitatIch wurde letztens von jemanden angesprochen nach einem Vortrag, der zu mir meinte: "Also ich bin ja auch gegen Rassismus, aber ich finde es unerhört, dass die aus Pippi Langstrumpf jetzt alles rausgepackt haben, nur weil [das N-Wort] darin vorkam. Wenn ich das meinen Enkeln vorlese, habe ich ihnen halt erklärt, dass das so nicht okay ist. Das muss doch reichen!" Aber es reicht eben nicht. Weil egal ob wir den Enkel*innen sagen, dass es falsch ist: Sie lernen dadurch dennoch Rassismus. Weil das eben ein unterbewusster Prozess ist, kein bewusster.
Ich sehe das genau anders herum. Das ist ein prima Beispiel, einem Kind klarzumachen, wie sich die Welt verändert und das früher eben Dinge anders waren/gewertet wurden. Es ist gleich ein wenig Geschichtsunterricht. Kinder selbst sind nicht rassistisch, die haben ein feines Gefühl für das, was gut und böse ist, die verstehen das alles sehr gut. Ich bin noch mit den '10 kleinen N****rlein' aufgewachsen, das war früher das Standartbilderbuch überhaupt. Ich fand das immer seltsam unangenehm und befremdlich, auch als Kleinkind schon, aber ich weiß nicht, ob einer der Erwachsenen das je mir gegenüber mal problematisiert hat. Eher nicht, fürchte ich.

Tintenteufel

Unabhängig von der Hautfarbe* gibt es da eine Sache, die mich etwas störty die aber mehr zur Diskussion über die Diskussion passt, die hier geführt wird.

Und zwar wird hier ein Diskurs um Macht und Hoheit geführt - die Macht, gewisse Personen zu objektifizieren, stereotypisieren, die Hoheit über den Literatur- und Kulturkanon - die bislang hauptsächlich beim weißen männlichen Establishment liegt. Rein diskursstrategisch ist es da nicht so effektiv, dieses Establishment (soll heißen: alte, weise Männer, die die Gremien besetzen, die Preise vergeben und sich bei diesen Themen störrisch geben) moralisch in die Verantwortung zu nehmen. Ich glaube auch hier in der Diskussion wird zu wenig auf die Vorteile einer breiteren und diverseren Perspektive eingegangen - und das ist hinderlich, weil von Leuten verlangt wird, Macht ohne Gegenleistung aufzugeben. Selbst ohne ästhetische Gegenleistung.
Neulich kam erst eine Studie einer Prof. Atwater heraus, laut der sich nach #MeToo ein enormer Rückschlag im Umgang mit Frauen am Arbeitsplatz breit macht. Ich habe die Sorge, dass sich das bei diesem Thema ähnlich verhalten wird: Das Establishment wird nicht gezwungen, diese Themen ernst zu nehmen, sondern an es wird moralisch appeliert.

*Ich für meinen Teil bin so weiß und 'alt' und männlich, mich hat neulich ein lieber Freund für meine "preußische Natur" komplementiert und ich sehe weder das noch meine Liebe zu klassischer Literatur, Bildung und Kultur (die primär europäisch und alt, weiß oder männlich ist) als Beleidigung. Ich denke ein kritischer, reflektierter und aggressiver Umgang damit ist wertvoller als Bilderstürmerei.

Mondfräulein

@Tintenteufel mir wird nicht so ganz klar was genau du vorschlägst. Revolution statt friedlich bitten? Den alten, weißen cishetero Männern die Literatur zu entreißen statt zu versuchen, sie mit ihnen zu ändern?

Tintenteufel

Zitat von: Mondfräulein am 19. September 2019, 18:00:33
@Tintenteufel mir wird nicht so ganz klar was genau du vorschlägst. Revolution statt friedlich bitten? Den alten, weißen cishetero Männern die Literatur zu entreißen statt zu versuchen, sie mit ihnen zu ändern?
Beweisen, dass mit mehr Diversität tatsächlich bessere Kunst rauskommt.

AlpakaAlex

#118
[ALANA]
Diskriminierendes Vokabular gesternt.
[/ALANA]

Zitat von: Zitkalasa am 19. September 2019, 17:05:09
Du tust uns keinen Gefallen, wenn du alle über einen Kamm scherst und ihnen ihre Meinung versagst, weil du für dich selbst festgelegt hast, dass wir alle weiß sind/ weiß aussehen. Woran machst du das fest, kennst du jeden persönlich? Aber vor allem: Was gibt dir das Recht, anderen ihre Meinung abzustreiten und zu sagen, dass sie in entsprechenden Diskussionen um Marginalisierte den Mund zu halten haben, wenn du null Anhaltspunkte hast wie betroffen jemand ist? Aber vor allem: Muss ich ein Hund sein, der mal in der Pfanne lag, um meine Meinung über Hunde in Pfannen ausdrücken zu können – um dann die Möglichkeit zu haben, im Diskurs über Hunde in Pfannen mit anderen meine Meinung und mein Wissen zu erweitern?
Ich frage mich, ob du mir gerade absichtlich die Worte im Mund verdrehst oder nicht.

Es geht darum, auf Betroffene zu hören und auf Betroffene Rücksicht zu nehmen. Das ist es, was mich an der Diskussion immer so stört. Denn wenn hier weiße Menschen diskutieren, dass sie Orks nicht rassistisch finden, dann ist das am Ende doch egal, solange nicht-weiße Menschen durch die Darstellung von Orks auf diese Art zu leiden haben.

Man muss kein Hund in der Pfanne sein, um zu sehen, dass es einem Hund in der Pfanne scheiße geht. Das sagt auch niemand. Was ich sage ist: Sprecht dem Hund in der Pfanne verdammt noch mal nicht ab, dass es ihm dort mies geht. Und das passiert hier nun einmal, wenn gesagt wird "Ich finde das nicht rassistisch" oder "Ich finde das nicht schlimm". In einigen Fällen geht es halt soweit, dass offenbar gesagt wird: "Oh, da war ein Hund in der Pfanne? Na ja, das habe ich nicht gewollt, aber hauptsache das hat am Ende gut geschmeckt."

Mir geht es darum, dass einige hier nicht-weißen Menschen absprechen, dass sie unter bestimmten Darstellungen in der Fantasy-Literatur leiden, nur um sich selbst aus der Verantwortung nehmen zu können, über das Selbstgeschriebene zu reflektieren. Weil sie ja angeblich keine Botschaft hätten und sie ja angeblich nichts dafür können, was andere in ihren Büchern lesen.

Und ja, wenn nicht-weiße etwas rassistisch empfinden, dann hat ein weißer Mensch das zu akzeptieren, anstatt zu sagen "Stell dich nicht so an" oder "Sehe ich aber nicht so". Das ist das mindestmaß an Respekt. Die Kritik an Orks kommt von Nicht-Weißen. Der Begriff Orcing wurde spezifisch durch eine schwarze Autorin geprägt. Intention sind dabei letzten Endes egal. Die Auswirkungen sind was zählen. (Das gilt für andere marginalisierte Gruppen natürlich genau so!) Mishell Baker hat gestern einen dazu wunderbar passenden Tweet geschrieben.

Zitat von: Angela am 19. September 2019, 17:32:24
Ich sehe das genau anders herum. Das ist ein prima Beispiel, einem Kind klarzumachen, wie sich die Welt verändert und das früher eben Dinge anders waren/gewertet wurden. Es ist gleich ein wenig Geschichtsunterricht. Kinder selbst sind nicht rassistisch, die haben ein feines Gefühl für das, was gut und böse ist, die verstehen das alles sehr gut. Ich bin noch mit den '10 kleinen N*****' aufgewachsen, das war früher das Standartbilderbuch überhaupt. Ich fand das immer seltsam unangenehm und befremdlich, auch als Kleinkind schon, aber ich weiß nicht, ob einer der Erwachsenen das je mir gegenüber mal problematisiert hat. Eher nicht, fürchte ich.
Das Problem ist aber, dass dadurch das Wort weiter und weiter am Leben gehalten wird und weiter und weiter Schwarzen Menschen schaden kann. Bei ein so einer Diskussion ist ein schwarzer Freund von mir halt mal aus der Haut gefahren: "Es geht nicht darum, was dein Kind davon lernt, sondern das mein Kind anfängt zu weinen, wenn es das Wort hört, weil es ihm täglich nachgerufen wird." Und genau das ist der Punkt.

Die Sache ist dazu auch (dazu hatten @Guddy oder @Mondfräulein glaube ich schon gepostet), dass wir nun einmal Sachen aus Geschichten unbewusst mit aufnehmen und daraus unser Weltbild formen. Wir lernen besser, wenn Informationen in eine Narrative eingebunden sind, wenn die Informationen emotional besetzt sind. Und wenn da bspw. Pippi Langstrumpf oder diverse Orks mit stereotypen Darstellungen schwarzer Menschen (oder auch beliebiger anderer Gruppen) kommen, dann verankert sich das eher, als wenn ein Elternteil dazu sagt: "Aber das N-Wort sagen ist übrigens böse und das machen wir heute nicht mehr."

Zitat von: Tintenteufel am 19. September 2019, 18:12:57
Beweisen, dass mit mehr Diversität tatsächlich bessere Kunst rauskommt.
Ich sehe da nur ein Problem: Wer bewertet am Ende, was "besser" ist?

Ich meine, böse gesagt: Green Book hat auch DEN Oscar gewonnen - als locker schlechtester nominierter Film letztes Jahr.
 

Anj

@Zitkalasa Ich habe das Diskutieren mit den vielen Anwälten in meiner Familie gelernt. Solange ich versucht habe, andere zu überzeugen, habe ich nicht nur immer verloren, sondern am Ende gar nicht mehr gewusst, was ich eigentlich gesagt habe. Seit mein Ziel war, meinen eigenen Horizont zu erweitern (die Argumente der anderen aufnehmen und aus allen möglichen perspektiven betrachten, probedenken, szenarien denken und das alles im Dialog mit den anderen, die dasselbe mit meinem Input getan haben), habe ich deutlich konstruktiver diskutiert.
Was nicht heißt, dass ich bei Emotionalität nicht wieder in alte Verhaltensweisen rutschen kann und dann auch nicht mehr konstruktiv bin. Aber es wird immer seltener der Fall. Eine Diskussion hat für mich also keine Lösung mehr zum Ziel, sondern ist an sich schon das Ziel.

ZitatUnd ja, wenn nicht-weiße etwas rassistisch empfinden, dann hat ein weißer Mensch das zu akzeptieren, anstatt zu sagen "Stell dich nicht so an" oder "Sehe ich aber nicht so". Das ist das mindestmaß an Respekt.
Es ist wünschenswert nach einer solchen Aussage durch Betroffene zu reflektieren. Aber deine Aussage halte ich für absolut untragbar und gefährlich. Nicht nur aus Kommunikationswissenschaftlicher Sicht (Stichwort "4 Seiten einer Nachricht" und "Den Inhalt einer Botschaft definiert ausschließlich der Empfänger, der sie autonom verarbeitet", was bedeutet, dass die Verantwortung dafür, dass die richtige Botschaft ankommt bei beiden liegt. Das nur auf den Weißen abzuschieben ist einfach nicht zielführend oder hilfreich. Zumindest nicht pauschalisiert. Sonst muss ich in Zukunft bevor ich mit irgendwem der andere ethnische Wurzeln hat, erstmal seinen spezifischen Verhaltenskatalog erfragen, bevor ich mich ihm gegenüber überhaupt verhalte) sondern auch aus Sicht der Traumaforschung und den Grundlagen beispielsweise der Gestalttherapie, die in der Praxis immer wieder bestätigen, dass nicht Situationen sondern unser Umgang und unsere Bewertungen ausschlaggebend dafür sind, ob und wie stark wir durch etwas traumatisiert sind. Bei weniger starken Empfindungen (wobei anhaltende Rassismusserfahrungen durchaus traumatisierende Wirkungen haben können - nur psycho-physiologisch betrachtet nicht so einfach wie der Satz es vermuten lässt.)
Dazu kommt der Fokus, der dafür sorgt, dass auch Betroffene einen Tunnelblick bekommen. Hier genauso wie bei allem anderen worauf ich meinen Fokus lenke. Was ich wahrnehmen und wie ich das ganze Interpretiere (Hier ein tolles Konzept "Leiter der Schlussfolgerungen oder Leiter der Abstraktion"), die verdeutlichen, dass es eben nicht so einfach ist.

Genauso wenig wie man sagen etwas war nicht rassistisch, weil ich es nicht so gemeint habe, kann man sagen, das war rassistisch, weil ich das so empfunden habe. Das sind schlicht unsinnige Kriterien, wenn man lösungsorientiert darauf schauen will.

Mir können auch tausend menschen sagen, wenn ich mich an der Nase kratze, finden sie es rassistisch, weil ich damit siganlisiere, sie würden stinken. Mich juckt bloß meine verdammte Nase. Und ich lasse mir ganz bestimmt nicht verbieten, mich zu kratzen, wenn es mich juckt, nur weil sich irgendjemand dadurch beleidigt oder ausgegrenzt fühlen könnte. (Und ja, das ist ein reales Beispiel, das ich so erlebt habe. Und nicht nur das.)
Ich setze mich aber gerne hin und schaue, woher kommt diese starke Emotion, die meine Aussagen nicht glaubt. Was steckt dahinter und wo kann man ansetzen, ohne dass wir anfangen für individuelle Wahrnehmungen vorsorgliche Verhaltenskodexe zu entwickeln und sobald jemand sich auf die Füße getreten fühlt, muss der andere sich ändern.
Es ist sehr gut möglich, dass literarische Darstellungen häufiger tatsächlich unterschwellige Botschaften transportieren als mein Nase kratzen. Aber pauschalisiert halte ich die Forderung jeder Weiße habe sich/seinen Text gemäß den Wünschen der PoC des Asiaten und wem auch immer, der sich gerade rassistisch beleidigt fühlt zu verhalten/zu schreiben, weil er selbst nicht einschätzen kann, wie sein Verhalten wirkt, für wirklich bedenklich. Insbesondere bzgl. des Wunsches, unbewusste rassistische Tendenzen abzubauen.
Aber ich fürchte, da kommen wir nicht auf einen Nenner, NelaNequin und deswegen folge ich den anderen, die inzwischen schweigen. Meine Ansichten habe ich in die Runde geworfen. Wer was wie damit machen will oder auch nicht, muss jeder für sich entscheiden, das will ich niemandem vorschreiben.^^
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.