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Warum machen Kleinverlage Anthologien?

Begonnen von Sturmbluth, 04. April 2019, 10:41:03

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Sturmbluth

Hallo zusammen,

für eine Kurzgeschichte in einer Anthologie habe ich 50€ Vorschuss bekommen. Jetzt kam eine Abrechnung für 2018 (August - Dezember), in der satte 36 Stück der Anthologie verkauft wurden. Ich gehe nicht davon aus, dass noch mehr verkauft werden und die 50€-Vorschuss sahen bereits zu Beginn attraktiv aus. Für mich ist das also - zumindest finanziell - gut gelaufen.

Vertreten sind in der Anthologie 14 Autorinnen und Autoren. Damit gingen alleine 700€ an Vorschüssen drauf. Bei einem Verkaufspreis von 10€ und 36 verkauften Exemplaren hat der Verlag gerade einmal 360€ eingenommen. Von anderen Positionen wie z.B. Druckkosten will ich gar nicht reden. D.h. der Verlag macht ein ordentliches Minus bei der Sache.

Mir war immer klar, dass sich so Kleinverlagsanthologien nicht sehr gut verkaufen. Ich ging davon aus, dass die Verlage darauf spekulieren, dass die Freunde, Familien und Bekannten der einzelnen Autoren sich das Buch kaufen und sie so ein Plus machen.

Dem scheint aber nicht so zu sein.

Deshalb meine Frage: weshalb macht ein Kleinverlag überhaupt solche Aktionen wie Wettbewerb mit den Gewinnergeschichten in einer Anthologie? Suchen die da eher neue Autoren? Oder möchten die doch Profit mit der Anthologie machen und in meinem Beispiel lief es halt schief?

Aphelion

#1
Ausschreibungen sind (auch) Werbung. Dabei geht es nicht zwingend um neue Autoren, sondern oft nur um Sichtbarkeit für den Verlagsnamen.

Bei manchen Anthologien scheint die Rechnung aufzugehen – vermutlich über Freunde usw., wie du schon sagtest.

Es gibt aber auch Überzeugungstäter. :) Kurzprosa ist in Deutschland nicht sehr weit verbreitet bzw. kaum sichtbar. Kleine und kleinste Verlage werden oft mit der Motivation gegründet, etwas zu machen, das es (so) noch nicht (genug) gibt. Für solche Verleger muss die Rechnung nicht immer finanziell aufgehen, damit sie zufrieden sind. Der Verlag trägt sich dann anderweitig, z.B. durch einige Top-Titel, oder wird als Liebhaber-Projekt geführt.

Letztlich gibt es aber in allen Verlagen Bücher, die andere querfinanzieren.

Abgesehen davon darf man nicht vergessen, dass verdammt viele Verlage wieder verschwinden, weil sie zwar einen Gewinn machen wollten, aber nicht konnten.

Janika

Zum Thema Kurzgeschichten in Deutschland (mit Teilthema Anthologien in Kleinverlagen) gab es gestern auch auf Twitter eine Debatte. Ich verlinke mal den Starttweet von @Lothen dazu: Klick!
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

FeeamPC

#3
Anthologien sind nichts, womit ein Verlag oder ein Autor in Deutschland reich wird. Ich betrachte sie einfach als Herzensprojekte, nach dem Motto: Ich mag dieses Thema, es kommt ansonsten viel zu kurz, also starte ich mal eine Anthologie.
Von dem Dutzend Anthologien, die ich bislang im Verlag habe, haben genau vier bislang ihre Kosten wieder hereingespielt, der Rest sind mehr oder weniger stark Zuschussprojekte.
Da das hier im Thread gesagte aber auch auf Novellen zutrifft (da beklagen die potentieller Käufer auch, dass ihnen die Bücher zu kurz sind), und mindestens die Hälfte meiner sonstigen Titel ebenfalls durch erfolgreichere querfinanziert werden muss, sehe ich das "zu kurz/wird nicht gekauft" nicht unbedingt als spezielles Kurzgeschichtenproblem.

treogen

Ich bin ja ein Verleger, der seit 11 Jahren Anthologien macht - und unseren Verlag gibt es noch. Deswegen mache ich mit Anthos wohl irgendwas richtig  :rofl:

Zitat von: HSB am 04. April 2019, 10:41:03
Mir war immer klar, dass sich so Kleinverlagsanthologien nicht sehr gut verkaufen. Ich ging davon aus, dass die Verlage darauf spekulieren, dass die Freunde, Familien und Bekannten der einzelnen Autoren sich das Buch kaufen und sie so ein Plus machen.

Diese Überlegung kenne ich - so hab ich am Anfang auch gerechnet.
Und ich kann dir eins sagen - das Konzept geht so einfach nicht auf  ::)

Ich dachte auch: 18 Autoren, da wird wohl jeder 10-20 Stück nehmen, haste ziemlich schnell 200 Stück rein.
Pustekuchen. Über die Hälfte hat außer dem kostenlosen Beleg kein weiteres Exemplar haben wollen. Die andere Hälfte wollte 1, vielleicht noch 2 Ex., ein paar wollten auch 5 und ein einziger hat sich zu 10 Stück hinreißen lassen.
Ich hab von meiner ersten Antho an die Autoren nicht mal 50 Stück verkauft.

Zitat von: HSB am 04. April 2019, 10:41:03
Deshalb meine Frage: weshalb macht ein Kleinverlag überhaupt solche Aktionen wie Wettbewerb mit den Gewinnergeschichten in einer Anthologie? Suchen die da eher neue Autoren? Oder möchten die doch Profit mit der Anthologie machen und in meinem Beispiel lief es halt schief?

Bei vielen ist Blauäugigkeit dabei - genau wie bei mir damals.
Nach 3, 4 Anthologien hat der Verlag es spätestens kapiert - die Autoren kaufen nicht oder nur wenig. Viel weniger jedenfalls, als wie der Verleger es gerne möchte.
Und dann steht die Frage, wie sich der Verlag in der Zwischenzeit entwickelt hat. Hat er - abseits der Autoren - ein Konzept zur Vermarktung von Anthos entwickelt mit denen es funktioniert? Oder trennt er sich von den Anthos? Oder - vielleicht geht es ihn ja wirklich nicht ums Geld, sondern nur darum, die Projekte zu machen, die er selbst gerne lesen möchte - auch wenn das bedeutet, dass er Anthologien irgendwie anderweitig gegenfinanzieren muss.

Bei uns hat es sich sehr stark in die erstere Richtung entwickelt - ich hab für mich gelernt, wie ich die Antholeser finde und überzeuge. Viele unserer Kunden sind Stammkunden, Wiederholungstäter. Meine Kalkulation ist so, dass ich ab der 2. Auflage Gewinne einfahre, bzw. Rücklagen bilden kann. Und bei uns geht jede Antho in die Nachauflage ... früher oder später.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Angela

Ich mache ab und zu bei Anthos mit, erwarte da aber keine Bezahlung, eben weil mir ganz klar ist, wie schwer das zu finanzieren ist. Ich bewundere die Verlage/Menschen, die dahinter stehen, die es dennoch regelmäßig machen. Für mich ist das ein Lichtpunkt im ganzen Buchgeschäft.

FeeamPC

Torsten, deine (und ähnlich gemanagte) Anthologien sind ein Spezialfall, jedenfalls aus meiner Sicht, und vermutlich die einzige Version, in der Anthos auch finanziell funktionieren:
Ein enges Marktsegment, eine klar definierte Zielgruppe, und diese Zielgruppe wird gezielt aufgesucht, und das nicht nur einmal, sonder beharrlich immer wieder.
Kann und will nicht jeder. Bei mir z.B. scheitert es an mangelnder Zeit (Hauptberuf mit regelmäßiger Samstagsarbeit) und ungünstigem Standort - alle buchwichtigen Veranstaltungen sind etliche Fahrtstunden weit weg (und ich fahre extrem ungern Auto, aber Buchtransport mit Bahn wäre utopisch).
Also gehe ich eher in die Liebhaber-Ecke.

treogen

Zitat von: FeeamPC am 07. April 2019, 00:42:05
Kann und will nicht jeder. Bei mir z.B. scheitert es an mangelnder Zeit (Hauptberuf mit regelmäßiger Samstagsarbeit) und ungünstigem Standort - alle buchwichtigen Veranstaltungen sind etliche Fahrtstunden weit weg (und ich fahre extrem ungern Auto, aber Buchtransport mit Bahn wäre utopisch).

Das ist richtig. Würde bei uns auch nicht funktionieren, wenn wir nicht so ein verdammt tolles Team wären.
Ich meine, wenn ich sehe, wie wenige Verleger mit kompletter Familie auf Veranstaltung fahren - da sind wir schon echt mit die große Ausnahme. Und dass man gerne fahren muss (auch ein wenig größere Kaliber), ist auch ein Fakt. Bei 30 Veranstaltungen im Jahr in ganz Deutschland und halb Europa geht es ohne übelstes Kilometerschruppen gar nicht.

Wobei auch ziemlich viel Einstellungssache ist.
Als Emily damals geboren wurde, gab es genügend, die hämisch in unsere Richtung gemeint haben: "Na endlich hört das Vagabundenleben auf." Da kam dann bei mir der Sturkopf durch. Ich lass mir nicht gerne von anderen erzählen, was ich angeblich hinbekomme und was nicht. Das probier ich dann schon lieber selber aus. Und wir haben erlebt, dass für ein Kind (auch ein Baby oder Kleinkind) es egal ist, wo es ist - solange die Eltern dabei sind.
Als Emily dann in die Schule ging, hieß es: "Na, nun müsst ihr definitiv zurückfahren. Das Kind muss doch in die Schule." Was soll ich sagen ... Sturkopp eben  :rofl: Wir haben eine Lösung gefunden. Eine dieser Lösung ist Manuel ("Die Hand") und seine Freundin, die für Emily mittlerweile so was wie Zweiteltern geworden sind und es genießen, ein Teilzeitkind zu haben. Zur LBM beispielsweise waren meine Frau und ich vom ersten Tage an dabei, Emily ging noch 3 Tage in die Schule und am Freitag nacht brachte "Die Hand" unsere Emily nach Leipzig und wir machten Übergabe auf dem KFC Parkplatz. Es geht also auch mit Kind.
Klar, es geht nicht unbedingt mit jeden Job und jede Familienkonstellation und in jeder Lebenssituation. Vor 20 Jahren wäre die Situation komplett anders gewesen, da hätte uns das einfach nur aufgerieben.
Aber es funktioniert JETZT für UNS. Für uns war es exakt der richtige Weg (nicht für umsonst haben wir den Titel "Kelly-Family der Literatur-Szene" abbekommen).
Andere müssen dafür halt andere Wege suchen und finden.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Silvia

Jetzt ist mir auch klar, wie die kleine Emily auf der vorvorigen BuchBerlin so völlig versiert und zielsicher durch die Massen gewuselt ist.  :D Ich hab sie ja mal beim Mittagessen kennengelernt.

Grummel

Zitat von: treogen am 07. April 2019, 18:03:50
Zitat von: FeeamPC am 07. April 2019, 00:42:05
Kann und will nicht jeder. Bei mir z.B. scheitert es an mangelnder Zeit (Hauptberuf mit regelmäßiger Samstagsarbeit) und ungünstigem Standort - alle buchwichtigen Veranstaltungen sind etliche Fahrtstunden weit weg (und ich fahre extrem ungern Auto, aber Buchtransport mit Bahn wäre utopisch).

Das ist richtig. Würde bei uns auch nicht funktionieren, wenn wir nicht so ein verdammt tolles Team wären.
Ich meine, wenn ich sehe, wie wenige Verleger mit kompletter Familie auf Veranstaltung fahren - da sind wir schon echt mit die große Ausnahme. Und dass man gerne fahren muss (auch ein wenig größere Kaliber), ist auch ein Fakt. Bei 30 Veranstaltungen im Jahr in ganz Deutschland und halb Europa geht es ohne übelstes Kilometerschruppen gar nicht.

Wobei auch ziemlich viel Einstellungssache ist.
Als Emily damals geboren wurde, gab es genügend, die hämisch in unsere Richtung gemeint haben: "Na endlich hört das Vagabundenleben auf." Da kam dann bei mir der Sturkopf durch. Ich lass mir nicht gerne von anderen erzählen, was ich angeblich hinbekomme und was nicht. Das probier ich dann schon lieber selber aus. Und wir haben erlebt, dass für ein Kind (auch ein Baby oder Kleinkind) es egal ist, wo es ist - solange die Eltern dabei sind.
Als Emily dann in die Schule ging, hieß es: "Na, nun müsst ihr definitiv zurückfahren. Das Kind muss doch in die Schule." Was soll ich sagen ... Sturkopp eben  :rofl: Wir haben eine Lösung gefunden. Eine dieser Lösung ist Manuel ("Die Hand") und seine Freundin, die für Emily mittlerweile so was wie Zweiteltern geworden sind und es genießen, ein Teilzeitkind zu haben. Zur LBM beispielsweise waren meine Frau und ich vom ersten Tage an dabei, Emily ging noch 3 Tage in die Schule und am Freitag nacht brachte "Die Hand" unsere Emily nach Leipzig und wir machten Übergabe auf dem KFC Parkplatz. Es geht also auch mit Kind.
Klar, es geht nicht unbedingt mit jeden Job und jede Familienkonstellation und in jeder Lebenssituation. Vor 20 Jahren wäre die Situation komplett anders gewesen, da hätte uns das einfach nur aufgerieben.
Aber es funktioniert JETZT für UNS. Für uns war es exakt der richtige Weg (nicht für umsonst haben wir den Titel "Kelly-Family der Literatur-Szene" abbekommen).
Andere müssen dafür halt andere Wege suchen und finden.

Viel zitiert um wenig zu sagen. Ohne euch wären wir nie auf die Idee gekommen, Birk zum Teilzeit-Con-Kid zu machen.  :knuddel:
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

treogen

Zitat von: Silvia am 07. April 2019, 18:07:21
Jetzt ist mir auch klar, wie die kleine Emily auf der vorvorigen BuchBerlin so völlig versiert und zielsicher durch die Massen gewuselt ist.  :D Ich hab sie ja mal beim Mittagessen kennengelernt.

Emily hatte genau 2 Monate Schonfrist.
14. Juli geboren, 10. September eine 20.000 Besucher Veranstaltung in Arcen/NL.
Seitdem ist sie mit uns auf Achse. Und jedes Jahr beginnt sie Ende Januar mit den Hufen zu scharren. Sie lauert jedesmal regelrecht darauf, dass die Saison Ende Februar wieder losgeht ist.

@Grummel
Und? Ist doch toll, als Familie auf Con zu gehen, oder?
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Sukie

Warum machen KV Anthologien? Tatsächlich auch aus Spaß an der Sache. Um witzige Themen aufzugreifen. Um neue Autoren kennenzulernen. An Profit liegt es definitiv nicht.
"Impossibility is a kiss away from reality." (Sense8)