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Füllwörter und Adjektive

Begonnen von Ary, 05. Dezember 2007, 16:34:15

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Exilfranke

#135
ZitatIch muss gestehen, dass mir dieses Beispiel persönlich überhaupt nicht zusagt, denn ich empfinde es als überladen, auf mich wirkt es, als wäre mutwillig so viel wie nur irgend möglich in einen einzigen Satz gequetscht worden.

Keine Sorge wegen des Geständnisses. Wie richtig erkannt von dir, habe ich diesen Satz nur entworfen, um das eine Extrem zu verdeutlichen. Der Satz entspricht auch nicht meinem Ideal. Wenn ich wollte, könnte ich zwar so schreiben, aber lesen würde ich es nicht wollen. Es ist einfach ein Overkill an Informationen. Der Autor möchte - ganz hibbelig - seinem Leser am Liebsten so viel wie möglich von seiner Welt zeigen, und verliert sich dabei in Nebensächlichkeiten.

Ich würde gerne noch ein weiteres Beispiel diskutieren, und zwar aus meiner momentanen Abendlektüre, Elric von Melniboné von Michael Moorcock:

ZitatIn einer dunklen Nacht erreichten sie die Grenzen der Stillen Landen markiert durch den Sumpf, und schlugen ihr Lager auf; sie errichteten das Seidenzelt auf einem Hügel, der das nebelverhangene Ödland überschaute.
Die Wolken lagen wie schwarze Kissen vor dem Horizont und wirkten bedrohlich. Der Mond lauerte dahinter und vermochte sie ab und zu soweit zu durchdringen, dass sich ein zögernder, bleicher Finger auf den schimmernden Sumpf oder seinen ungleichmäßigen Grasrand senkte. Einmal spiegelte sich ein Mondstrahl auf Silber und erhellte Elrics dunkle Silhouette, doch als widere ihn der Anblick eines Lebewesens auf dem öden Hügel an, bezog sich der Mond hinter seinem Wolkenschild und ließ Elric tief in Gedanken versunken zurück. Und in Der Dunkelheit, die er sich wünschte.
Donner grollte über fernen Bergen und hörte sich an wie das Lachen entfernter Götter. Elric erschauderte, zog den blauen Mantel enger um sich und starrte über die nebelbedeckte Senke.

Ist das jetzt guter Stil oder schlechte Form? Immerhin hat Michael Moorcock mehr Bücher veröffentlicht, als wir zu träumen wagen. Sein Elric gehört zur Pop-Kultur und er selbst wir als einer der besten und einflussreichsten Fantasy-Autoren gefeiert. Ich komme immer mehr zum Schluss, dass es hier keine Gesetzmäßigkeiten gibt, und alles andere nur scheinbar marktorientiertes Modegewäsch ist. Und selbst mir fällt auf, dass die Doppelung ferne Berge und entfernte Götter nicht gerade glücklich ist. Vielleicht wird um diese Adjektivits einfach ein zu großes Gewäsch gemacht?

Nandriel

Ha, interessant...

Die Adjektive wären mir hier weit weniger aufgefallen als die vielen Personifikationen, Metaphern und Vergleiche, die hier zusätzlich geballt präsentiert werden. Mir kommt es so vor, als wolle der Autor hierdurch eine sehr plastische Beschreibung liefern, wobei er sprachanalytisch gesehen (gibt's das Wort?) tatsächlich wirklich viele Stilmittel auf engstem Raum zusammenpresst. Ich persönlich finde die ein oder andere Umschreibung bzw. das ein oder andere erzeugte Bild dabei wirklich gelungen... nur in dieser Fülle reißt es mich aus dem Lesefluss. Warum? Weil es mir auffällt. Ergo: Für mich zu viel. Für andere aber eben nicht.

Hat aber in diesem speziellen Beispiel wirklich wenig mit den Adjektiven zu tun.

Klecks

Das ist wohl eine der großen Fragen des Schriftstellertums: Wie beschreibt man etwas, das man beschreiben muss, ohne zu viele Adjektive zu verwenden? Ich benutze gerne Adjektive und weiß, dass es manchmal ein paar zu viele sind, weshalb ich sie bei einer Überarbeitung streiche. Es ist die komplizierte Kunst des Schreibens, zu beschreiben, ohne zu beschreiben - sprich, show, don't tell hinzubekommen. Ich schätze, anders als durch Erfahrung wird man das auch nie lernen. Ich schreibe jedenfalls lieber mehr Adjektive als zu wenige, und streiche sie dann bei der Überarbeitung.  :hmmm:

Exilfranke

Aber ist dieses show, don't tell nicht auch eine Modeerscheinung? Die dazu auch noch recht dehnbar interpretiert werden kann? Ich bin nicht so recht zufrieden mit dieser Methodik. Ich habe neulich erst auf Black Gate einen tollen Blog-Eintrag zu unserer Debatte gelesen. Der Autor beschreibt, wie er als Kind das erste mal Conan las und sofort von der farbenfrohen und blumigen Prosa Robert E. Howards fasziniert war:

ZitatWhat enchanted me most throughout these adventures was the prose; it just had its own nature and flavor, its own distinguished way of presenting things. I'd never encountered anything like it before; it was poetic, haunting, powerful. It lent every blow a sort of impact, made every monster tangible. Even the heroes — too powerful, too fast, too smart to ever be real — it made them come alive.

Und dann, bezugnehmend auf moderne Fantasy-Literatur:

ZitatUnfortunately, modern fantasy seems, for the most part, to neglect prose. And that's a shame, because it means all those distinct literary personalities — the whimsy of Leiber, the melancholy of Moorcock, and the fury of Howard — are a thing of the past.
Everyone seems to have adopted the same bland, middle ground style that isn't really anything above functional. That's even the case with recent books I've enjoyed, like James Barclay's Dawnthief and the novels of David Gemmell.
Don't get me wrong — there are a few standouts. I love Jason E. Thummel's prose and I found the Saga of Beowulf by R. Scot Johns (whom no one seems to have heard of but me) really drew me into the fiction.
And don't misunderstand, I love David Gemmell. His characters are excellently done, with believable flaws and sympathetic motivations (yes, even Druss) and I really enjoyed Barclay's Dawnthief.
But I just miss that passion fantasy and prose once shared. For me, at least, that passion is gone.
Now all that's left between them is a bit of fumbling in the dark.

Da ist etwas Wahres dran!

http://www.blackgate.com/2013/09/18/who-took-the-flowers-out-of-my-prose/

Klecks

Ich finde das zweite Zitat toll, Exilfranke, vor allem der letzte Teil, dass die Leidenschaft fehlt. Adererseits müssen weniger Adjektive - wie es gerade der Trend zu sein scheint - nicht gleich weniger Leidenschaft bedeuten.   :hmmm:

Exilfranke

Zitat von: Klecks am 26. März 2014, 18:51:45
Ich finde das zweite Zitat toll, Exilfranke, vor allem der letzte Teil, dass die Leidenschaft fehlt. Adererseits müssen weniger Adjektive - wie es gerade der Trend zu sein scheint - nicht gleich weniger Leidenschaft bedeuten.   :hmmm:

Glaube ich auch nicht, es geht wohl um eine gewisse Blumig- bzw Lebendigkeit der Sprache.

Siara

Zitat von: Exilfranke am 26. März 2014, 20:50:40
Glaube ich auch nicht, es geht wohl um eine gewisse Blumig- bzw Lebendigkeit der Sprache.
Vielleicht gar nicht unbedingt so genau definiert, sondern er könnte schlicht davon sprechen, dass Autoren heute seltener einen eigenen Stil haben. Das ist mir auch schon hin und wieder mal in den Sinn gekommen: Ich habe das Gefühl, als ob ein Stil dann als gut angesehen wird, wenn er unauffällig ist. Und unterscheiden tun sich viele Stile nur noch dadurch, wie gut dieses Unterfangen gelingt. Mich persönlich stört das nicht. Ein unauffälliger Stil ist immer noch besser als einer, bei dem man alle paar Zeilen über eine holprige Formulierung die Stirn kraus zieht. Aber ältere Werke sind oft doch markanter geschrieben, und das auch auf eine Weise, die positiv auffallen kann. Ob die Sprache da blumiger war, ob es mehr Adjektive gab, etc. ist vielleicht nur ein kleiner Aspekt.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.