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Agenturbetrug USA

Begonnen von Topaz, 11. Juni 2018, 20:13:22

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Topaz

Ich dachte ja bisher, Agenturen sind nur dazu da, mir zu helfen mein Manuskript aufzuhübschen.

Ähnlich wie Headhunter bei der Stellensuche. Die stellen den Kontakt her und ich mach das Vorstellungsgespräch und den Vertrag. Der Vorteil einen Headhunter zu nehmen, ist, dass der von dem Unternehmen mehr Infos hat als in der Stellenanzeige stehen und mir sagen kann worauf ich mehr achten soll. Bezahlt wird der, nach meiner Erfahrung vom Unternehmen, und auch nur im Erfolgsfall wenn ein neuer Mitarbeiter dank seiner Vermittlung angestellt wurde.

Scheint, als lag ich da komplett falsch.
Nach allem was ich lese, macht die Agentur die Verträge und bekommt alles Geld und überweist mir dann - vielleicht irgendwann oder auch nicht - was davon und wird von mir bezahlt.
Ich muss wohl nochmal von vorne anfangen mit lernen, wozu eine Agentur so gut ist und was die alles macht.

Hier die Links zu dem Agenturbetrug, die mir diese Fortbildung verschafft haben. Die in den Artikeln verlinkten Artikel verlinke ich jetzt nicht extra.

Accountant embezzled 3.4m from famed literary agency
An agent nightmare revealed
The big secret why behind everything so far Das war der Autor  von "Fight Club".

Ich frage mich nur, ob die Agenturen in Deutschland genauso arbeiten wie die in den USA das zu tun scheinen. Also was ihre Aufgaben und das gesamte Handling betrifft. Nicht was den Betrug betrifft.

Maja

Nein, Agenturen hübschen nicht dein Manuskript auf. Manche tun es, aber es ist nicht ihre Hauptaufgabe. (Und wirklich, so lang schon im Tizi und weiß nicht, was Agenten machen - tsetsetse! ;-) ). Was du meinst, sind Lektoratsdienstleister. Gibt es auch, andere Sache.

Agenturen  schaffen - das ist ihre Hauptaufgabe - Verlagsverträge ran. Und danach sorgen sie dafür, dass der Verlag sich auch an seinen Vertrag hält - dazu gehört auch, das Geld zu überweisen. Es ist also nicht nur in den USA, sondern auch im deutschsprachigen Bereich so, dass die Verlage an die Agenturen überweisen, die dann mit den Autoren abrechnen. Ja, das öffnet Missbrauch Tür und Tor, ebenfalls nicht nur in den USA. Wir hatten mehrere Fälle von Tintenzirklern, deren ehemalige Agenturen Zahlungen zurückbehalten oder unterschlagen haben - ob aus Überforderung oder betrügerischer Absicht.

Betrügerische Literaturagenturen sind in Amerika ein größeres Thema als hierzulande - es gibt mehr Autoren, schon deutlich länger Agenturen, und es werden große Summen umgesetzt. Das Blog "Writer Beware" dokumentiert seit Jahren Fälle betrügerischer Verlage und Agenturen. In Deutschland treten betrügerische "Agenten" eher dadurch in Erscheinung, dass sie den Autoren Geld für Bearbeitung, Lektorat etc. berechnen und sich überhaupt nie an die Vermittlung der Manuskripte machen - warum auch, der Autor spült ja schon Geld in die Kassen. Der bekannteste Fall war der Pseudo-Agent Rodja Smolny, der nach einem kritischen NDR-Bericht erst von der Bildfläche verschwand, dann unter falschem Namen wieder auftauchte (mit der gleichen Masche), nach erneutem Auffliegen wieder verschwand, und heute unter richtigem Namen einen pompös auftretenden Zuschussverlag betreibt.

Fälle, in denen Agenten mit der Kasse durchbrennen, sind hierzulande seltener - hier hat der Agent ja erstmal seine Arbeit getan, das Buch vermittelt, und eigentlich ein Interesse daran, dass es genau so weitergeht, mit Autoren, die ihm vertrauen, und Verlagen, die ihn für einen kompetenten Vermittler halten. Aber wenn die Agentur sowieso den Bach runtergeht, der Autor schon gekündigt hat, dann ist oft der gute Ruf weniger interessant als das Geld, das schon auf dem Konto liegt (und gebraucht wird, um die Löcher zu flicken). Daher haben in den Fällen, wo sich Tintenzirkler Anwälte nehmen mussten, um Agenten und ihrem Geld hinterherzurennen, die Agenten erstmal ganz normal und durchaus seriös gearbeitet. Sie sind nicht auf den Markt gekommen, um Autoren Geld aus der Tasche zu ziehen.

Sollte man als Autor deswegen auf einen Agenten verzichten und lieber direkt in die eigene Tasche wirtschaften? An der Stelle darf man nicht vergessen, dass auch viele Verlage eine schlechte Zahlungsmoral haben (in dem Fall kenne ich mehr Beispiele als bei den Agenturen), und die Agenten ihrerseits gut darin sind, diese Gelder dann reinzuholen, deutlich besser als normalsterbliche Autoren. Das, sowie die Tatsache, dass man inzwischen auch hierzulande ohne Agentur im Rücken praktisch keine Chance hat, in einem größeren Verlag zu landen, machen für Autoren, die nicht den Weg eines Selfpublishers gehen wollen oder sich auf Kleinverlage beschränken, Agenturen unerlässlich - es ist nur um so wichtiger, auch hier vor den schwarzen Schafen zu warnen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Sturmbluth

Erschreckend.

In der Musikszene ist es ein offenes Geheimnis, dass man als Band von allen abgezockt wird. Veranstalter, Booker, Plattenfirmen. Die Bands, die von ihrem Einkommen leben können, sind meist die, die alles selbst kontrollieren. Rechte, Merchandise.

Auf die Buchszene übertragen, könnte dies bedeuten, dass man als Selfpublisher sicherer fährt, wenn es um den Geldfluss geht, eben, weil er weniger (weniger, nicht "überhaupt nicht") über Dritte führt.

Slenderella

In der Regel bekommst DU das Geld aber bei Vertragsabschluss und zahlst DAVON dann Prozente an deine Agentur. Du musst denen also gar nicht hinterherrennen. Eher sie dir, weil du ja erst Mal das Geld bekommst, wovon ihnen ein Teil zusteht. Ich meine ... wie sollst du da unsicher fahren, wenn es zu einem Abschluss kommt? Es geht erst über dich, dann zur Agentur.
Ich brauch noch eine Katze
Und ein Beil wär nicht verkehrt
Denn ich gehe heute abend
Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Malinche

Zitat von: Slenderella am 12. Juni 2018, 10:29:12
In der Regel bekommst DU das Geld aber bei Vertragsabschluss und zahlst DAVON dann Prozente an deine Agentur. Du musst denen also gar nicht hinterherrennen. Eher sie dir, weil du ja erst Mal das Geld bekommst, wovon ihnen ein Teil zusteht. Ich meine ... wie sollst du da unsicher fahren, wenn es zu einem Abschluss kommt? Es geht erst über dich, dann zur Agentur.

Das stimmt meines Wissens so nicht. Das Geld geht erst an die Agentur, und die leitet es abzüglich der Provision an dich als Autor weiter. So steht es auch in den Agenturverträgen.

Bei mir ist es tatsächlich mal passiert, dass der Verlag das Geld zuerst an mich überwiesen hat, was aber ein Versehen war und die Agentur auch total verblüfft hat, daraufhin mussten sie mir eine Rechnung schreiben, damit ich ihre Provision überweise. Der Standard ist aber wirklich andersherum - erst Agentur, dann abzüglich der Provision zum Autor.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Topaz

Danke für deine Ausführungen @Maja. :)
Bestimmt kann ich noch Jahre im Form sein und vieles nicht wissen. Da ist es gut, dass es dich und andere hier gibt, mit mehr Erfahrung. Nochmal danke dir.


caity

Zitat von: Malinche am 12. Juni 2018, 10:40:58
Zitat von: Slenderella am 12. Juni 2018, 10:29:12
In der Regel bekommst DU das Geld aber bei Vertragsabschluss und zahlst DAVON dann Prozente an deine Agentur. Du musst denen also gar nicht hinterherrennen. Eher sie dir, weil du ja erst Mal das Geld bekommst, wovon ihnen ein Teil zusteht. Ich meine ... wie sollst du da unsicher fahren, wenn es zu einem Abschluss kommt? Es geht erst über dich, dann zur Agentur.

Das stimmt meines Wissens so nicht. Das Geld geht erst an die Agentur, und die leitet es abzüglich der Provision an dich als Autor weiter. So steht es auch in den Agenturverträgen.

Bei mir ist es tatsächlich mal passiert, dass der Verlag das Geld zuerst an mich überwiesen hat, was aber ein Versehen war und die Agentur auch total verblüfft hat, daraufhin mussten sie mir eine Rechnung schreiben, damit ich ihre Provision überweise. Der Standard ist aber wirklich andersherum - erst Agentur, dann abzüglich der Provision zum Autor.

So kenne ich das auch.
Worauf basiert denn deine Version @Slenderella? Kennst du eine Agentur, die das wie von dir beschrieben handhabt?
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Maja

#7
Zu dem gestern von mir genannten Beispiel Rodja Smolny sind hier nun ein paar weiterführende Links für diejenigen, die sich für den Fall interessieren:
https://www.literaturcafe.de/rodja-smolny-lindbergh-well-bauernfaengerei/
https://www.literaturcafe.de/rodja-smolny-lindbergh-well-ndr-bericht/
https://www.literaturcafe.de/literaturagentur-von-werneke-serioes-oder-nicht/

Heute betreibt Smolny neben seinen Zuschussverlagen auch die hübsch aussehende Webseite Autorenberater.de, wo er über alles, was Autoren interessieren kann, vom Manuskriptaufpolieren bis zur Leserunde, informiert. Nur zum Stichwort "Agentur" gibt es auf der Seite keinen einzigen Treffer. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...


Zur Lage in den USA:
Writer Beware beobachtet seit Jahren den Verlags- und Agenturmarkt. Während betrügerische Verlage immer noch wie Pilze aus dem Boden schießen, geht der Agenturbetrug dort seit Jahren zurück - was auch am Erstarken der Selbpublisherszene liegen kann, aber auch daran, dass es sehr aufwendig ist, erst einen Ruf aufzubauen, Verträge zu vermitteln, und erst dann mit der Kohle durchzubrennen, wenn man es auch einfacher haben kann und den Autor direkt für Pseudodienstleistungen zur Kasse zu bitten.
https://accrispin.blogspot.com/2012/08/literary-agent-scams-still-around-but.html
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Slenderella

Zitat von: caity am 12. Juni 2018, 15:16:24
Zitat von: Malinche am 12. Juni 2018, 10:40:58
Zitat von: Slenderella am 12. Juni 2018, 10:29:12
In der Regel bekommst DU das Geld aber bei Vertragsabschluss und zahlst DAVON dann Prozente an deine Agentur. Du musst denen also gar nicht hinterherrennen. Eher sie dir, weil du ja erst Mal das Geld bekommst, wovon ihnen ein Teil zusteht. Ich meine ... wie sollst du da unsicher fahren, wenn es zu einem Abschluss kommt? Es geht erst über dich, dann zur Agentur.

Das stimmt meines Wissens so nicht. Das Geld geht erst an die Agentur, und die leitet es abzüglich der Provision an dich als Autor weiter. So steht es auch in den Agenturverträgen.

Bei mir ist es tatsächlich mal passiert, dass der Verlag das Geld zuerst an mich überwiesen hat, was aber ein Versehen war und die Agentur auch total verblüfft hat, daraufhin mussten sie mir eine Rechnung schreiben, damit ich ihre Provision überweise. Der Standard ist aber wirklich andersherum - erst Agentur, dann abzüglich der Provision zum Autor.

So kenne ich das auch.
Worauf basiert denn deine Version @Slenderella? Kennst du eine Agentur, die das wie von dir beschrieben handhabt?

Ja, meine. ConnAct. Das war ein Punkt, der mich damals gewundert hat, als ich den Vertrag bekam. Ich hab den entsprechenden Passus gerade nicht hier, weil ich den Vertrag nur zuhause hab, ich kann ihn aber gerne mal raussuchen.
Ich brauch noch eine Katze
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Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Alana

Das ist echt merkwürdig, davon habe ich noch nie gehört. Interessant.
Alhambrana

Maja

Ich finde es vor allem mutig. Der Zahlungsmoral von Autoren traue ich deutlich weniger als der von Agenturen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Slenderella

Ich weiß nicht, ob jeder Autor einen solchen Passus hat. Aber bei mir steht er halt drin. Mit soll das recht sein, die können in 40 Minuten mit dem Baseballschläger vor meiner Tür stehen, wenn ich nicht bezahle  :rofl:
Ich brauch noch eine Katze
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Auf ein Splatter-Pop-Konzert

FeeamPC

Ist es nicht üblich, dass die Verlage ihre Abrechnungen ( nicht das Geld, nur die Aufstellung dessen, was sie tatsächlich zahlen) sowohl an die Autoren als auch an die Agenten schicken? Ich frage nur, weil ich das nicht weiß.
Falls beide Parteien die Aufstellung bekommen, könnte der Autor leicht kontrollieren, was er zu kriegen hat.

Maja

Ich wüsste von keinem Verlag, der das täte. Üblicherweise besteht zwischen Autor und Agent ja ein Vertrauensverhältnis. Meine Verlage schicken der Agentur eine Abrechnung, und die Agentur leitet diese an mich weiter mit dem Vermerk "Geld ist schon da, Klaus weist es heute noch an" oder "Geld kommt hoffentlich bald".

Das ist auch an dem von Topaz genannten Fall das, was mich am meisten wundert. Chuck Palahnuick bloggt darüber, wie ihm die Einnahmen wegbrachen und er davon ausging, dass offenbar keine Buchverkäufe drastisch zurückgegangen sein müssten - aber bekommen Autoren in den USA keine Absatzzahlen weitergeleitet? Damit eine Agentur (oder auch nur der betrügerische Buchhalter) über Jahre hinweg Tantiemen unterschlagen kann, muss der Autor völlig im Dunkeln über seine eigentlivhen Ansprüche gelassen werden - und wenn ich, wie Chuck Palahnuick, seit 1994 bei meiner Agentur wäre, würde ich trotzdem noch solche Abrechnungen erwarten und nicht nur vage Aussagen, dass irgendwas jetzt angewiesen oder nicht angewiesen würde.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

FeeamPC

Klar besteht ein Vertrauensverhältnis (sollte es besser). Aber trotzdem sollte der Autor seine Zahlen komplett zu sehen kriegen. Also nicht nur die Nachricht vom Agenten,  der Verlag hat x gezahlt, ich leite y an dich weiter.
Geben die deutschen Agenturen diese Zahlen ( und die Anzahl verkaufter Bücher) an die Autoren weiter?