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Frühzeitige Überarbeitung

Begonnen von Servana, 27. April 2018, 12:03:25

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Servana

Hallo liebe Tintenzirkler!
Mit der SuFu hab ich zu meiner Frage nichts gefunden, daher mache ich mal einen neuen Thread auf. Sollte jemand einen anderen kennen, in dem es um dasselbe Thema geht, wäre ich dankbar über einen Link! :) Oh und, auch wenn ich den Thread an meinem eigenen Problem aufhänge, schreibe ich ihn in den Workshop, weil mich allgemein die Meinungen der Zirkler zum Thema interessieren. Ich will hier keine spezifische Hilfe zu meinem Problem, denn ich bin schon dabei, es zu lösen :D

So, damit zu meinem Anliegen:
Ich arbeite jetzt seit geraumer Zeit, wie ein paar bereits mitbekommen haben dürften, an meinem - hoffentlich - Debütroman.  Hab mir im Vorfeld Gedanken gemacht, was in der Geschichte passieren soll, wo es hingeht, was das Ende ist und was ich sagen möchte. Inzwischen bin ich mit dem Ersten Entwurf auch über die Hälfte, aber nun ist mir eine Sache aufgefallen: Es wird langweilig :( Im Plotentwurf klang alles super und interessant, aber wenn ich es jetzt schreibe ... gähn. Ich mag nicht mal mehr weitertippen.
Daher habe ich angefangen, mir den gesammten Plot, sowie Nebenstränge und Hauptfiguren nocheinmal anzusehen. Nun bin ich soweit, dass mir klar ist, dass zum Einen Nebenstränge fehlen, die ich eigentlich geplant hatte, zum Anderen sind meine Figurn inkonsistent. Gerade über meine Protagonistin weiß ich weniger, als ich dachte, was besonders kritisch ist, weil ich aus der Ich-Perspektive schreibe.

Nun aber zur Frage: Ich bin die ganze Zeit am hadern, ob ich den ersten Entwurf noch zu Ende schreiben, oder doch lieber gleich mit der Überarbeitung beginnen soll. Denn vorraussichtlich wird sowieso alles, was ich jetzt noch schreibe, komplett geändert. Das Ziel/Ende des Romans ist noch dasselbe, der Weg wird nur gänzlich anders sein. Was meint ihr dazu? Sollte man, wenn man merkt, dass der ursprüngliche Plot zu langweilig ist und man bereits weiß, was alles wie geändert werden muss/sollte, bereits mit der Überarbeitung anfangen, obwohl der Erste Entwurf noch nicht fertig ist? Oder doch lieber erst das *Ende* drunter setzen?

Nachdenkliche Grüße,
Servana

Maubel

Das kommt sehr darauf an. Ich bin ein ziemlich großer Befürworter der Methode "erst einmal zu Ende zu schreiben" und ändere teilweise Sachen während des Schreibens. Wobei ich jetzt nicht meine, dass ich den geschriebenen Text ändere, sondern eine große Änderung vornehme und damit weiterschreibe und dabei quasi so tue, als hätte ich das schon im Bisher Geschriebenen geändert. Wenn man einen vollständigen Text hat, selbst, wenn da noch gewollte Plotslöcher sind, überarbeitet es sich deutlich einfacher.

ABER wenn das Schreiben sich immer mehr wie ein Sumpf anfühlt und man merkt, dass das nicht funktioniert, lohnt es sich, nach dem Punkt zu suchen, bis zu dem alles gut lief und von dort noch mal neu anzufangen. Wohlgemerkt neuschreiben, nicht überarbeiten, denn beim Überarbeiten hält man sich viel zu oft auf und kommt dann meist gar nicht mehr da raus. Ich habe dann gerne den "Original"text daneben offen. Manchmal übernehme ich etwas oder orientiere mich dran, meistens brauche ich ihn gar nicht.

Servana

Danke für deinen Beitrag Maubel :)

Wie du es beschreibst, habe ich es tatsächlich bisher gehalten. Also ich tue derzeit so, asl hätte ich einiges anderes geschrieben, als ich es wirklich habe. Aber es ist tatsächlich so ziemlich der gesamte Plot, der dazu führt, dass die zweite Hälfte langweilig wird. Er bietet nicht genügend Möglichkeiten, das Drama noch weiter zu steigern. Ich müsste wirklich alles noch einmal ändern.

Ich habe jetzt überarbeiten geschrieben, weil es meiner Meinung nach noch immer dasselbe Projekt ist, aber eigentlich hast du schon recht, man müsste es neu schreiben, in ein neues Dokument. Das ist es auch, weshalb ich mir denke, dass direkt damit anzufangen besser sein könnte. Sonst schreibt man nur immer weiter an einem Text, der von vorneherein komplett für die Tonne ist. Klar, man schreibt immer mit dem Gedanken, dass der Erste Entwurf sehr stark überarbeitet und geändert werden muss später, aber das ist nochmal etwas anderes, wenn man weiß, dass nichts so bleibt wie man es derzeit schreibt.

Maubel

Deshalb würde ich an den Punkt zurückgehen, wo du quasi falsch abgebogen bist, zum Beispiel das Ende der ersten Hälfte, und von dort noch mal neu schreiben.

Servana

Wenn der sich aber nicht so klar gestaltet?

canis lupus niger

#5
Zitat von: Servana am 27. April 2018, 12:33:21
Ich habe jetzt überarbeiten geschrieben, weil es meiner Meinung nach noch immer dasselbe Projekt ist, aber eigentlich hast du schon recht, man müsste es neu schreiben, in ein neues Dokument.
Meine Ideen und Rohtexte schreibe ich (wegen der besseren Spontaneität) meist von Hand. Beim Übertragen in den Rechner erfolgt schon mal der erste Korrektur-Durchgang. Und jedesmal, wenn ich die Textdatei wieder vornehme, um sie weiter zu ergänzen oder zu überarbeiten, erstelle ich mir erstmal eine neue Arbeitskopie. Die vorherige Version bleibt archiviert, so dass ich immer darauf zurückgreifen kann, wenn ich das Gefühl habe, ich sei auf einen Irrweg geraten. Vielleicht ist das auch für Dich eine Option? Es erspart einem, Änderungen mühsam wieder rückgängig machen zu müssen.

Aber das ist nur Systmatik.

Wenn Du inhaltlich Bedenken hast, dass Dein Plot, bzw. dessen Realisierung nicht (mehr) für Dich funktionieren, dann mach doch mal eine Pause beim Schreiben. Geh in die Kreativphase zurück, lass Dir Deine Ideen genüsslich auf der Zunge zergehen (sinnbildlich), fantasiere Dich in Situationen mit Deinen Protagonisten hinein, begleite sie in ihrem Alltag und bei ihren Problemen. Spinne Szenen zusammen, die vielleicht nie in Deinem Buch Eingang finden werden, nur um auszuprobieren, ob sich Deine Protagonisten tatsächlich so verhalten würden, wie Dein Plot es vorsieht. Sind sie eventuell charakterlich gar nicht dazu in der Lage? Fehlen ihnen bestimmte Eigenschaften oder Fähigkeiten? Oder haben sie welche zuviel (zuviel Temperament oder Intelligenz für ein dämliches, klischeehaftes Verhalten)? Spiele mit Deinen Ideen und erkenne, welche Geschichte Du tatsächlich erzählen willst.

Und dann richte Dich brutal nach den Notwendigkeiten (vielleicht ruhig erstmal nur als Denkspiel). Ändere entweder Deinen Plot oder Deine Charaktere so sehr, wie es notwendig ist. Möglicherweise gefällt Dir diese andere Version sogar so sehr, dass Du völlig neue Motivativationsschübe bekommst.

Mir hat mal ein Betaleser gesagt, das Ende meines Romans wäre zu rosarot und harmonisch, ich sollte doch möglichst jemanden sterben lassen. Fand ich erst nicht so klasse, weil nur einer dafür in Frage kam, und mit dem hatte sich mein Prota gerade erst einigermaßen ausgesöhnt (bis dahin hatten sie sich die Hälfte des Romans über angefeindet). Dann hab ich ihn aber trotzdem abgemurkst, und es hat der Geschichte wahnsinnig gut getan.  :darth: Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen.



Servana

Ob ich von Hand oder am PC schreibe, gestaltet sich tatsächlich nach meiner Stimmung. Mal kommt es vor, dass ich kein Wort tippen kann, mit Stift und Papier aber nur so am kritzeln bin und umgekehrt. Da kann ich mich nur schwer festlegen. Aber für jedes neue Angehen der Textdatei eine neue Abeitskopie zu erstellen ... das könnte eine Idee sein.

Da bin ich tatsächlich dabei. Ich spiele gerade verschiedene Möglichkeiten durch, wie der Plot anders funktionieren könnte, welche Passagen ich kürzer, welche länger gestalten kann und wie ich dann Neues einfügen könnte. Das ist grad ein großes Rumprobieren. Parallel bastel ich nochmal an meiner Hauptfigur, schaue mir ihren Charakter und ihre Vergangeheit näher an. Die anderen Figuren kommen später. Gerade ist meine Prota kooperativ, das muss ich nutzen :D

Der Tod kommt tatsächlich vor ... allerdings glaubt sie nur, ihre Freunde seien tot. Ich habe schon überlegt, sie wirklich sterben zu lassen, aber damit habe ich ein Problem. Zwei davon sollen später eigentlich mal ihre eigenen Bücher bekommen (ja ich weiß, sehr weit vorgeplant, aber ich mag die Idee), der dritte ist ihr Love Interest. Die kann ich alle nur schwerlich umbringen :D vllt fällt mir noch was anderes ein.

Danke für die Anregungen!

Gizmo

Ich habe zu diesem Thema schon mit mehreren Leuten gesprochen, und die meisten halten es so wie Maubel. Die Vorteile daran sehe ich durchaus. Überarbeiten und das erste Schreiben sind (nach meiner Empfindung) zwei verschiedene Prozesse, die unterschiedliche Denkweisen erfordern. Außerdem kann man leicht in eine 'Überarbeitungs-Spirale' zu geraten, sodass man dieselbe Stelle immer wieder überarbeitet und mit der eigentlichen Geschichte gar nicht weiterkommt. Und genau das kann letztlich auch dazu führen, dass man die Motivation verliert. Einige meiner Projekte sind an diesem Punkt gescheitert.

Allerdings komme ich mit der strikten Trennung von Schreiben und Überarbeiten nicht zurecht. Ich kann einfach nicht weiterschreiben, wenn ich weiß, dass weiter vorne etwas überhaupt nicht stimmt. Und so tun, als hätte ich es bereits geändert, funktioniert auch nicht. Mittlerweile halte ich es so, dass ich mir ein bis zwei Tage in der Woche zum Überarbeiten nehme, während an den anderen weitergeschrieben wird. Um die oben erwähnte Spirale zu vermeiden, werden außerdem nur große Änderungen umgesetzt. Für Kleinigkeiten mache ich mir an der entsprechenden Stelle eine Notiz. Bis jetzt fahre ich damit ganz gut, und es verschafft mir auch immer ein wenig Abwechslung. Es dauert aber auch viel länger, bis ein Entwurf fertig ist.

Noch ein Wort zur Hälfte des Manuskripts: Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber auf der Hälfte des Manuskripts wird mir immer langweilig. Die Aufregung des Anfangs ist weg, und bis zum Finale - auf das ich mich freue - dauert es noch. Zudem geht es in diesem Teil oft eher ruhiger zu, mit mehr Interaktionen zwischen den Figuren. Inzwischen glaube ich, dass ich mich da einfach durchquälen muss. Am Ende fanden meine Testleser einige der Stellen, die mir beim Schreiben am ödesten vorkamen, am interessantesten zu lesen. Es ist also eine rein gefühlsmäßige Sache  :)
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Linda

#8
Ich kenne diese Probleme tatsächlich nicht (bin eh ein ungewöhnlicher Autor) aber ich sehe da 2 Lösungen.
Gib den Roman jemandem, der viel, viel Leseerfahrung hat (am besten mehreren) und frage ihn nach der Lektüre aus. Wie Gizmo schon andeutet, sind deine Probleme möglicherweise einfach subjektiv bzw hängen mit dem Schreibprozess zusammen. Also weitermachen.
Entscheide dann, welchen Pfad du einschlägst.
Schreib es fertig! Immer, wenn du eine größere Abweichung zum Anfang machst, geh gleich nach der Session in die Datei und ändere genau das, damit der Anschluss passt. Bei mehreren Änderungen lege Notizen an. (Da ich Bauchschreiber mit Plan bin, kommen mir viele gute Ideen direkt im Schreibprozess - und so füge ich Änderungen dann ein.)
Überarbeite danach noch mal sehr gründlich auf dem Papier, und überprüfe per Testleser ob alles rund ist.

Topaz

#9
Hallo @Servana,

ich habe bisher erst einen Roman fertig und ein paar Kurzgeschichten.
Das Phänomen, dass sich beim Schreiben plötzlich alles langweilig und doof anfühlt kenne ich trotzdem.
Meine bisherige Lösung, bei den Projekten, die es bis zum Wort "ENDE" geschafft haben, war weiter schreiben. Lustigerweise wurde es nach ein paar Seiten wieder spaßig und spannend. Und dann kam der nächste Hänger und dann das nächste Hoch.

Manchmal hilft es mir, ein paar Tage etwas anderes zu schreiben und dann zu dem "langweiligen Projekt, dass einfach keine Spannung entwickelt" zurück zu kehren. Dann habe ich "darüber geschlafen", es sieht besser aus und die Lust zum Weiterschreiben ist wieder da.

Oft, wenn ich an einer Stelle bin wo ich alles blöd finde, dann nehme ich mir ein neues Dokument, und motze da los, was am Projekt doof ist, warum alles langweilig ist, was geändert werden müsste, damit es wieder spannend wird, warum der Tag doof war.
Nach dreihundert bis fünfhundert Wörter fällt mir oft ein, wie ich weiter schreiben kann und habe wieder Lust auf das, gerade noch so langweilige, spannungslose Projekt, und kann mit viel Spaß weiter schreiben.

Bei den Projekten, bei denen ich angefangen habe von vorne zu überarbeiten und zu ändern hatte ich am Ende wieder irgendwann den Punkt "langweilig" erreicht.
Es gibt ein Projekt, von dem habe ich inzwischen elf Anfänge und alle bis zum Punkt "bäh langweilig, alles doof, keine Spannung".

Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Projekt.

Herzliche Grüße,
Topaz

Servana

@Gizmo
Hm, sich bewusst Zeit zu nehmen, schon beim Schreiben zu überarbeiten ist natürlich auch eine gute Idee. Könnte ich auch einmal ausprobieren. Dass man für den ersten Entwurf dann länger braucht, ist glaube ich kein Problem, ich hänge jetzt ja auch schon ewig an meinem Jetzigen :D

@Linda
An Testleser möchte ich das halbfertige Projekt eigentlich nicht geben ... aber eine Überlegung wäre es natürlich einmal wert.
Deinen zweiten Vorschlag habe ich auch schon in Erwägung gezogen. Aber es sind viele gravierende Änderungen, wodurch ich quasi direkt das ganze bisherige Manuskript überarbeiten müsste. Unter anderem wird eine Figur wegfallen, deren Szenen ich dann alle auf andere Charaktere umschreiben muss. Was der Grund ist, wieso sie weg kommt. Alles, was sie sagt/macht können andere Figuren auch übernehmen, weil es auch zu denen passt.
Mir kommen tatsächlich auch viele Ideen beim Schreiben, das ist bei meinem jetzigen Projekt gerade der Fall. Ich habe einige schöne Sachen dadurch eingefügt, von denen ich mich gefragt habe, wieso sie mir nicht eher gekommen sind, weil sie passen wie die Faust auf's Auge.

@Topaz
Das ist etwas, vor dem ich ein wenig zurückschrecke ... ich habe zwar ein anderes Projekt im Kopf, dass sich kaum auf die Wartebank schieben lässt, aber richtig aktiv daran zu arbeiten, während mein angestrebtes Erstlingswerk ruht und nicht vorankommt? Ich habe da Angst, nie fertig zu werden ... mir mangelt es ja sowieso schon ein wenig an Selbstdisziplin.
Drüber schlafen funktioniert bei mir auch öfters allerdings, oder mal ein paar Tage ganz Abstand vom Schreiben gewinnen und etwas völlig anderes machen. Im Moment habe ich tatsächlich größtenteils das Problem, dass ich nicht weiß, wie ich bei der aktuellen Stelle genau weiterschreibe ^^ was passieren soll/was sie unternehmen ist klar, aber wie ich das umsetze ... daran hapert es :P

Danke an alle für die Beiträge und liebe Grüße,
Servana :)

Trippelschritt

Ich befürchte, dass sich die Ausgangsfrage nicht allgemein beantworten lässt, weil das etwas damit zu tun hat, wie man als Schreiber selber tickt. Ich versuche einmal eine enfache und schematische Antwort:

Ein Schreiber, der ein klassischer Planschreiber ist, braucht einen Plan, den er später ausfüllt. Für ihn wäre es besser, zuende zu schreiben, dann seinen Plan zu überarbeiten oder überdenken und dann womöglich von vorn anzufangen.

Ein Schreiber, der ein klassischer Bauchschreiber ist und sich intuitiv vorfühlt, sollte in dem Augenblick, wenn er merkt, dass seine Geschichte an kraft verliert, schleunigst zurückkehren zu dem, was er bereits geschrieben hat, damit er sich nicht noch weiter verirrt.

Leider ist die Praxis nicht so einfach, weil es viele Übergangstypen gibt. Aber vielleicht hilft das als erste Orientierung.
Ich selber breche sofort ab, wenn ich merke, dass ich meine Qualität ncht halte.

Jetzt kommt noch dazu, dass Du, Servana, an einem Debütroman bastelst. Gerade beim Debütroman ist es extrem wichtig, ihn erst einmal zuende zu schreiben, weil man das Gefühl braucht: Ich kann es. Ich kann eine Geschichte schreiben. Von vorn bis hinten mit Anfang Mitte und Schluss. Ohne diese Gewissheit besteht die gefahr, dass man niemals etwas beendet, weil man immer etwas findet, das man besser schreiben kann. Und unbeendete Debütromane gibt es zu Hauf. Also mach feddich.

Trippelschritt

Adiga

#12
Ich bin der Verirr-Schreib-Typ... doch wie Trippelschritt davor geschrieben hat - Debüt-Geschichte - erst mal Fokus auf Fertig-Schreiben - Schaun was kann ich.

Sollte man beherzigen - finde ich - hab ich auch so gemacht (von 1991 - 2002) - Trotzdem hab ich eigentlich nie mehr als 4 Kapitel im Voraus den Plot vorangetrieben und erst die älteren Kapitel gründlich überarbeitet bevor ich Nr 5, 6 usw  angelegt habe. Aber Überarbeiten führt, wenn man es zu intensiv macht immer dazu, dass man sich beim Schreiben verirrt - doch ohne Überarbeiten komme ich nicht zu der Qaulität, die ich anstrebe, und ich bin auch der Typ der eben gerne die Kapitel in einem Zustand verlässt, dass ich beim Durchlesen das Gefühl habe... das der Text bereits stimmig ist (Urteil: es funktioniert). Dazu kommt dass ich lieber an Details feile - als etwas grundsätzlich voranzutreiben.

Das Erklärt dann auch, dass ich immer das letzte Kapitel einer Geschichte oder eines Zwischenhöhepunkts/Wendepunkts zuerst schreibe und noch bevor ich die Figuren entwickle.

Ich lege also noch bevor ich den ersten Satz aufschriebe fest: Das ist das Ende von etwas (einer Figur oder einer Abfolge von Handlungen) - dann gehe ich zurück.

Danach lege ich den Wendepunkt fest, dem Entwicklungsstand von dem die Figur geradlinig aufs Ende zusteuern kann - ohne sich groß entwickeln zu müssen. - Wenn ich den kenne, überlege ich mir wie war die Figur vor dem Wendepunkt , welches waren ihre früheren Handlungsmotive _ ich überleg mir diese Schritte immer Rückwirkend - also von hinten nach vorn.
Kenne ich den Aspekt, der am Wendepunkt zerstört wurde, und die Figur zwang andere Wege einzuschlagen - geh ich den nächsten Schritt zurück. Und stelle mir die Frage, wo startete die Figur denn eigentlich. Ich überlege mir gezielt wie hoch der Kontrast zwischen früher und später sein soll. Denn dieser Kontrast zwischen dem früheren und späteren Momenten einer Figur sind für mich der Anreiz etwas überhaupt erzählen zu wollen.
Das Ende der Geschichte kenne ich ja schon, das Ende muss natürlich erstmal grundsätzlich lohnenswert sein. Aber wichitger ist die Entwicklung der Hauptfiguren - nur wenn diese (das Kontrastverhältnis - sozusagen) Interessant ist - will ich das Ende später noch wissen.

Leider kenne ich die Figuren immer erst nach einer Weile, und oft verändert sich das, was sich mir als Konstrast zwischen früher und später vorgenommen habe, und genau in diesen Dingen liegt mein ewiges Verirren beim Schreiben. (Das und das und das will ich ihr oder ihnen auch noch zu fügen.. - Davon erholt sich mein Held nie...(damit beschäftige ich mich am allerliebsten) der Wendepunkt ist mir dramaturisch oft so wichtig, dass ich immer mehr Szenen überlege, die einer/meinen Figur(en) das Vorankommen unmöglich machen .... bis schließlich die Geschichte auch nicht mehr vorankommt. Weil ich gar nicht zum Wendepunkt komme.

(Weil) Die Handlung kommt mir oft zu dünn vor oder zuwenig einzigartig, wenn ich zu schnell auf jene Punkte hinsteuere, wie ich es eigentlich geplant hatte.

Als Verirr-Schreiber sollte ich eigentlich niemlas Tipps für andere Schreibende abgeben - weil sie vermutlich dazu verleiten sich zu verirren... (weshalb ich - mich aus den meisten Diskussionen im Forum raushalte - das erklärt auch meinen inaktiven Status) - 110[/size]

Servana

@Trippelschritt
damit, gerade den Debütroman auf jeden Fall erstmal fertigzuschreben, sagst du natürlich etwas Fundamentales. Das muss ich mir immer wieder ins Gedächnis rufen tatsächlich, damit ich nicht abdrifte. Ich kenne mich, sonst wird nichts fertig. Ich bin inzwischen auch an einem Punkt, wo ich wieder sage, ich merke/notiere mir die Änderungen die gemacht werden müssen und schreibe erst einmal weiter. Dafür werde ich einen Teil des Geschriebenen wohl erstmal wieder löschen müssen, bis zu dem Punkt, an dem ich - wie Maubel so schön formuleirt hat - falsch abgebogen bin. Dadurch wird die eigentlich zweite Hälfte erst einmal kürzer ausfallen, als geplant, dafür werde ich aber später am Anfang etwas ausführen, dass ich für meinen Geschmack zu flach angeschnitten habe, weil es ja sonst "zu lang" geworden wäre. Ich habe quasi den halben Roman in den ersten Akt gequetscht und stelle jetzt fest, dass ich hinten rauszus zu wenig Story hab, um das Niveau zu halten. Ich muss also den Fokus verschieben, dann stimmt die Spannungskurve wieder.

@Adiga
Also ich finde deinen Beitrag nun wirklich nicht verwirrend :) im Gegenteil! Ich mische das ja ein wenig, mal weiß ich den Ausgangspunkt und muss gucken wo es hingehen soll, wann anders weiß ich, wo ich ankommen will und arbeite mich dann entsprechend vor oder zurück. Für mich funktioniert beides gut, denn beides bietet andere Herausforderungen bei der Entwicklung meiner Figuren. Ich möchte ja, dass nicht nur meine Prota eine Entwicklung durchläuft, sonder alle wichtigen Charaktere, wenn auch deren nicht so drastisch sein wird. Dabei versuche ich aber auch, mit möglichst großen Gegensätzen zu arbeiten.
Ich kenne aber das Problem, sich ewig an einem wichtigen Punkt festzubeißen. Das habe ich auch gerade hinter mir, mit der Stelle bin ich jetzt zum Glück weitestgehend zufrieden (vorerst). Aber alles was danach kommt muss nochmal geändert werden ^^
Und ich finde eigentlich, dass man auch von Verirr-Schreibern gute Tipps bekommen kann. Du schreibst ja selbst, dass dein Verirren in der Regel beim Wendepunkt stattfindet, weil du ihn immer noch ein wenig besser/stressiger/schwieriger machen willst. Wenn man sich darin nicht verrennt, ist der Ansatz, diesen vorher zu planen, ja dennoch sehr gut, wie ich finde. Das kann man sich durchaus abgucken. :)

Cailyn

Hallo Servana

Ich würde mal eine Weile über den Plot sinnieren und überlegen, ob du vielleicht gute Konflikte hast, diese aber
a) zu wenig eskalieren lässt
b) sie zu wenig aufbaust (z.B. mit Suspense)
oder
c) die Konflikte zu wenig ineinander überfließen.

Ich habe bei jedem Buch immer das Problem, dass ich nach dem Erstentwurf feststelle wie langweilig das erste Drittel ist. Und meistens liegt es an einem dieser drei Punkte. Dan ändere ich aber nicht den ganzen Plot, sondern arbeite einfach an der Art und Weise, wie die Konflikte aufgebaut werden, wie sie sich steigern und schließlich eskalieren.

Die Protagonistin würde ich auf jeden Fall noch konkreter ausbauen, denn die Konflikte ergeben sich ja aus den inneren Konflikten der Prota und den äußeren Konflikten. Wenn sie nicht klar charakterisiert ist, kann da ja gar keine Wechselwirkung zustande kommen.