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[Adelstitel] Der Earl und seine Heimat

Begonnen von Cailyn, 26. April 2016, 17:12:36

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Cailyn

Ich wusle mich gerade durch den britischen Adel, mit dem Fokus auf den peer. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen.  ;)

Jedenfalls ist eine Figur in meinem Roman ein Earl. Und Earls tragen meistens einen Namen, z.B. Earl Sandighram, oder Earl of Nothumbria. Da meine Figur aber fiktiv ist, fällt Letzteres schon mal weg. Also heisst er Earl + Name. Soweit so gut. Aber dennoch muss dieser ja irgendwo seinen Familiensitz haben. Und da fängt mein Problem auch schon an. Da dieser Earl fiktiv ist, die Geschichte aber in einer real existierenden Vergangenheit spielt, kann ich ihn nicht einfach irgendwo hineinsetzen, weil da vielleicht schon ein anderer Earl zu Hause ist.

Im Internet habe ich natürlich viele Seiten durchgewälzt und nach Earls gesucht. Aber ich habe keine Information gefunden, welche Earls oder anderen Adligen es im Jahre 1804 gab und wo sie zu Hause waren. Ich habe lediglich diesen Hinweis gefunden: "The title of Earl sits smack dab in the middle in both terms of power and had 212 titles in 1818. Likewise, Earldoms are typically territorial, but a few of the titles do not use the form "Earl of ____" and instead use "Earl _____" using the surname." Also ist mein fiktiver Earl schon mal eine Ausnahme, da er sich nicht Earl of____ nennt, sondern Earl____. Und immer weiss ich noch nicht, wo ich diesen Earl beheimaten kann. Er darf nicht länger als eine Tagesreise entfernt von London wohnen.

Hat jemand Rechercheideen? Weiss jemand mehr darüber?

Alana

#1
Normalerweise wird in Romanen, die in dieser Zeit spielen, die aber keine realen Persönlichkeiten aufgreifen, einfach etwas neues erfunden. Auch für Dukes etc. Der Name wird dann als Name für den Stammsitz der Familie benutzt. Der Familienname des Earls ist ja noch mal ein anderer, der Kerl hieße dann zum Beispiel James Loveinterest, Earl of Armcandy. Wobei Loveinterest sein Nachname wäre und Armcandy der Familienstammsitz, auf dem meist auch ein Teil der Geschichte spielt. Du könntest also einfach irgendwas erfinden oder Namensteile kombinieren, die dir gefallen.
Alhambrana

Cailyn

Hallo Alana

Ja, das mit dem Familiennamen und dem Namen aufgrund der Ortschaft ist mir klar.

Ich möchte halt schon, dass es so realistisch wie möglich wird. Daher möchte ich keine Fantasienamen verwenden. Am liebsten wäre es mir, so zu tun, als ob ein beendetes "earldom" weitergeführt wurde. Im Wiki ([url]https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_earldoms#Earldoms_in_the_Peerage_of_England.2C_1066.E2.80.931707/url] findet man eine Seite mit allen Earls zu allen Zeiten. Man könnte meinen, das sei jetzt genau das, was ich suche. Aber bei genauerer Betrachtung habe ich gemerkt, dass viele Ortschaften dann später anderen Adligen zugesprochen wurden. Diese sind aber in der Liste nicht vollständig aufgeführt. Leider.

Nun, vermutlich werde ich schon was erfinden müssen, bzw. so-tun-als-ob, wenn auch nicht gerade einen Namen erfinden.

Alana

#3
Ich kann deinen Wunsch verstehen, aber ich persönlich finde das nicht sinnvoll, wenn du sowieso nicht über eine Person schreibst, die es wirklich gegeben hat, oder die tatsächliche Familiengeschichte einer bestimmten Familie verwenden möchtest. (Zum Beispiel gibt es ja Bücher, die sich genau damit beschäftigen, warum eine Familie erloschen ist oder man lässt einen tot geglaubten letzen Erben plötzlich auftauchen.) Es ist ja etwas anderes, ob man reale Ortschaften verwendet (wofür ich durchaus auch bin) oder reale Personen. Ich hatte tatsächlich ein sehr ähnliches Problem bei meiner Seelenmagiereihe, ich habe sehr lange nach einem Schloss und einer Grafschaft gesucht, deren Blutlinie erloschen und die sozusagen verwaist war. Irgendwann habe ich mich dann dagegen entschieden und etwas erfunden, einfach weil es mir merkwürdig vorkam, ohne besonderen Grund die Geschichte einer real existierenden Familie fiktiv weiterzuspinnen. Ist natürlich nur meine Meinung und deine Entscheidung. :) Was die Recherche angeht, kann ich dir da leider nicht weiterhelfen, ich habe mich damals auch bei Wikipedia durchgekämpft.
Alhambrana

Maubel

Ich denke mal, dass die Liste nicht vollständig ist, hat sehr viel damit zu tun, dass die Quellen einfach nicht vorhanden sind. Das sind ja immerhin 1000 Jahre Geschichte und "nur" Earls. Die meisten Quellen sind zwar Kirchenregister aber da sind auch viele verbrannt etc., und so kennt man manche nur aus Erwähnungen, speziellen Fällen etc. Ich würde sagen, du suchst dir einfach genau so eine Lücke aus und packst da deinen Earl rein. Ansonsten nimmst du dir einfach einen echten, über den wirklich nicht mehr als der Name bekannt ist in der Zeit, die du beschreiben willst.

Maja

#5
Earl ist keine Anrede. Man ist Lord So-und-so [Familienname], Earl of Hassenusen [Ort]. Aber nicht Earl Hassenusen. Ich empfehle: http://www.debretts.com/forms-address/titles/earl-and-countess (gerade knapp an Zeit, später ausführlicher, so gewünscht). Ich weiß nicht, was für eine Quelle du da hast, aber das klingt definitiv falsch. Würde ich in einem Roman dem Autor sofort um die Ohren hauen. ;) Selbst wenn es heute Earls gibt, die das anders handhaben - im frühen 19. Jahrhundert war Standesbewusstsein ALLES und Titel wurden in jedem Fall korrekt gebraucht.


Bezüglich realexistierende Earls im Jahr 1804: Versuch, ob du (über Fernleihe) an eine entsprechend alte Ausgabe von "Burke's Peerage" kommst. Das ist das britische Adelsverzeichnis. Es scheint erst seit 1826 zu existieren, wenn ich der Webseite (http://www.burkespeerage.com) glaube, aber so viel wird sich in den 20 Jahren nicht geändert haben.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Fianna

Ich wäre auf den gleichen Zug aufgesprungen wie Maja, und hätte vermutet,.dass die Quellen der Wikipedia-Community nicht vorlagen ;)

Wie sehr hängst Du denn an der Idee mit der realen Ortschaft? Im Prinzip.KANNST Du da nur Fehler machen: wenn Du eine passende Ortschaft findest, setzt Du da ein Gasthaus/Fluss/sonstwas rein, was aber (vielleicht auch nur genau in der Dekade der Handlung) nicht vorhanden war...
Wenn Du jetzt einen rein historischen Roman schreibst, kann man sich diese Arbeit machen. Wenn Du aber ein Cross-Genre schreibst oder ein Historical, wird kaum jemand diese Mühe würdigen, und die richtigen Geschichtsfans, die darüber stolpern, finden auch noch Dutzende Fehler, die sie im schlimmsten Fall öffentlich (Rezension) bemängeln.

Wenn Du also nicht planst, so detailreich in die Recherche einzusteigen, dass Du genau weisdt, wann welches Gasthaus oder Brücke gebaut wurde - nimm einen Fantasienamen.
Aber einen, der glaubwürdig ist (wie z.b. St. Mary Mead), such Dir eine reale Ortschaft/Adelssitz aus, der als Vorbild dient, und Du bist auf der sicheren Seite.
Detailreiche Recherche wird gewürdigt, historische Fehler gibt es nicht da fiktiv und falls die Handlung es erfordert, kannst Du nochwas in die Landschaft setzen, was es dort nicht gab (Steinbruch oder was auch immer).


Recherche ja, aber dann präsentiert als "Fantasie-Ort wurde nachempfunden Adelssitz So-hiess-er", das erscheint mir der beste Weg.
Denn wenn Du schon im Adelsnamen so anspruchsvoll bist, dann ist dasselbe Niveau an Authenzität etwas, was Du nicht durchziehen willst, soviel kannst Du nicht recherchieren, bevor Dir der Spass am Projekt vergeht.

Cailyn

Maubel
Das mit der Lücke entpuppt sich als schwierig, weil es noch zig andere Adlige gab, die irgendwann dort ansässig waren und regiert hatten.

Maja
Danke für die Links. Die kann ich schon mal sehr gut gebrauchen. Gebrauchte Bücher von Burke's Peerage habe ich bislang nicht gefunden. Bei Amazon zahlt man grad schlappe 1100 Dollar  :rofl: , aber ich habe morgen mehr Zeit zum gründlicher suchen.

Fianna
Cross-Genre ist es nicht, sondern ein Historiendrama. Im Grunde hast du schon Recht mit den potenziellen Fehlerquellen. Wenn ich aber die Grafschaft erfinde, dann ist das irgendwie auch ulkig. Das ist ja nicht das gleiche, wie wenn ich ein kleines, unscheinbares Dorf erfinde. Dann käme ich wieder zurück zur Möglichkeit, dass ich nicht Earl + Ort betitle, sondern Earl of + Name. Somit könnte ich die genaue Grafschaft im Unklaren lassen und nur erwähnen, dass sich diese in der Nähe von London befindet. Aber würde das dann nicht zu wischi-waschi wirken?

Wisst ihr, wie das bei anderen Historienromanen gehandhabt wird? Ich habe eher Bücher gelesen, in welchen die Adligen alle real waren und die fiktiven POVs keine Adligen. Daher kann ich das jetzt schwer ableiten.

Maja

#8
Ich habe bei Kettlewood auch lange am Namen gehangen, bis ich etwas hatte, was passend klingt, fiktiv ist, aber als echt durchgeht. Eine einfache Methode, an einen total authentisch klingenden Earl zu kommen: Man übersetze eine passende Ortsbezeichnung in Französische. Aus "Hilltop Castle" wird dann "château perché". Und jetzt kommt der Spaß an der Sache: Das Französische verballhornen wir, damit es klingt, als wäre der ursprüngliche normannisch-französische Ortname in sechshundert Jahren von britischen Zungen zurechtgebogen worden. Aus "château perché" kann man z.B. "Chatterperch" machen. Oder, noch ein bisschen verfremdeter, "Chiterpear". Voilà, der Earl hat seinen Landsitz. Auftritt Reginald Arnold, Earl of Chiterpear. Die Möglichkeiten sind endlos, und als Autor kann man im Zweifelsfall sein Haus bis zu Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen.


EDIT
Weil sich das gerade überschnitten hat: Du musst immer die Grafschaft erwähnen, alles andere wäre, britisches Verhalten voraussetzend, unwahrscheinlich. Man lebt nicht bei London, sondern in Buckinghamshire. Dort ein fiktives Kaff hinsetzen, ist aber unproblematisch. Kettlewood liegt in Essex, so dass ich die Landschaft eins-zu-eins beschreiben konnte.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Maubel

Zitat von: Cailyn am 26. April 2016, 21:38:44
Wisst ihr, wie das bei anderen Historienromanen gehandhabt wird? Ich habe eher Bücher gelesen, in welchen die Adligen alle real waren und die fiktiven POVs keine Adligen. Daher kann ich das jetzt schwer ableiten.

Also ich kenne da jetzt hauptsächlich nur Gablés Waringham-Saga und die hat ihre doch recht lange Familiengeschichte auch komplett erfunden. Die haben das Earldom of Waringham irgendwo in Kent. Sie erfindet dann auch einige andere Adlige und lässt die dann wiederum mit historischen Persönlichkeiten interagieren. Insgesamt sind etwa 30-40% eigene Kreation und 60-70% historisch. Und wenn nicht vorne stehen würde, wer echt und wer nicht echt ist, würde ich keinen Unterschied bemerken. Waringham hat sich prima in den Süden integriert und sie hat nie so wirklich genau beschrieben wo genau und wie denn die Ausmaße sind oder es an echte konkret grenzen lassen. Wenn man wie ich, nun nicht die Grafschaften Englands im Wandel der Zeiten auswendig gelernt hat, fällt das gut beschrieben einfach gar nicht auf.

Zitat von: Cailyn am 26. April 2016, 21:38:44
Maubel
Das mit der Lücke entpuppt sich als schwierig, weil es noch zig andere Adlige gab, die irgendwann dort ansässig waren und regiert hatten.

Ja sicher, aber du suchst doch so oder so nach einem fiktiven CHarakter und da bieten sich doch solche Lücken, in denen nicht überliefert wurde, wer denn nun ansässig war dafür an, wenn du unbedingt eine reale Grafschaft möchtest.

Tigermöhre

Soweit ich weiß hat Ken Follett für "Die Säulen der Erde" die komplette Grafschaft Shiring erfunden.

Maja

Zitat von: Tigermöhre am 26. April 2016, 21:58:35
Soweit ich weiß hat Ken Follett für "Die Säulen der Erde" die komplette Grafschaft Shiring erfunden.
Das würde ich aber nicht als Vorbild nehmen. Der hat noch ganz andere Sachen erfunden - historisch akurat war das nicht.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Cailyn

Maja
Danke für den Namenbastel-Crash-Kurs  :jau: Da wäre ich jetzt wohl wirklich nicht von selbst drauf gekommen.
Gut an dieser Herangehensweise ist, dass man weniger Gefahr läuft, etwas zu erfinden, was es schon gibt. Ich probiere das mal so und freue mich grad drauf.

Maubel
Danke für das Beispiel. Da habe ich jetzt aber noch eine Frage: Wenn das Earldom Waringham ist, dies wiederum in Kent, was ist dann Waringham? Weil Kent ist ja bereits die Grafschaft. Dann kann Waringham ja nicht auch eine Grafschaft sein. Sonst wäre es eine Grafschaft in der Grafschaft.

Tigermöhre
Shiring kommt mir doch irgendwie von ganz anderswo bekannt vor. The shire.... Hobbits...  ;D

Maubel

Oh je, dazu müsste ich jetzt das Buch nochmal lesen. Es gab aber auch einen Earl of Kent laut Personenverzeichnis. Vielleicht habe ich das auch falsch in Erinnerung und es liegt eigentlich zwischen zwei realen. Wobei es ja auch unter den Earls durchaus Lehnsbeziehungen gab und Robin wird eindeutig als unbedeutender Landadel bezeichnet - warum sie ihn dann nicht zum Viscount oder so gemacht hat, keine Ahnung.

Cailyn

Danke trotzdem, Maubel  ;)

Ich habe jetzt mal ein paar Versuche gemacht, und hier ist meine Favoritenauswahl:

Lavendorne

Lambaldon

Reigndorne

Westbonshire

Marmondshire

Straffolk

Chesianbury

Klingt das nach echten Grafschaften? Ich favorisiere derzeit Marmondshire.