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Akzeptierte Standards für Fantasywelten

Begonnen von Maubel, 19. April 2016, 09:09:42

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canis lupus niger

Kein wirkliches OT.  ;) Sachbücher oder auch Belletristik-Klassiker stellen eine hervorragende Grundlage für Fantasyromane dar, weil die darin beschriebenen (oder angewendeten) Regeln auch in ein Fantasy-Setting übertragen funktionieren können. Ein großes Vorbild ist darin wieder einmal Sir Terry Pratchett, der in seinen Romanen ganz reale Fragen phantastisch aufbereitet hat. Eines meiner Lieblingsbücher ist der Roman "Fliegende Fetzen" über Sinn und Unsinn des Krieges. Darin wird erstmals ein Feldherr namens "Takticus" erwähnt, der durchaus bei Musashi oder Clausewitz gelernt haben könnte.

Romantisch finde ich Kampfkunst überhaupt nicht. Das Buch der fünf Ringe ist eine knallharte Strategielehre, ebenso, wie Clausewitz´Buch "Vom Kriege", das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zur Ausbildung von Führungskräften verwendet wird.


Churke

Zitat von: canis lupus niger am 23. Mai 2016, 18:35:41
Das Buch der fünf Ringe hab ich auch gelesen, und natürlich die Biografie von Musashi, die einem westlichen Menschen sehr helfen kann, die Philosophie nachzuempfinden.

Aus Kampfkunst eine Philosophie zu machen, ist halt ein ganz anderes Ufer. Bei uns gilt der Philosoph seit jeher als das Gegenteil des Kriegers. Das kann man jetzt spannend finden. Aber das heißt noch nicht, dass man das Konzept wirklich verstanden hat oder dass es beim Leser ankommt.

FeeamPC

Ich bin mehr für handfeste Krieger ohne Philosophie. Gesunder Menschenverstand reicht.

Trippelschritt

Ooops, kaum weg und schon wird es spannend. Ich fang mal von hinten an mit meinem Senf.

@ FeeamPC Das ist völlig o.k. In Deinem Fall empfehle ich historische oder neuzeitliche Kriegsliteratur. Da gibt es spannende Bücher. Aber wenn ich Fantasy lese, dann hätte ich gern etwas jenseits von Realtität und gesundem Menschenverstand.

@ Churke Ganz Deiner Meinung. Es ist schwierig, das zu vermitteln. Aber auch reizvoll. Generell mag ich es, ein wenig Philosophie in der Fantasy zu finden und zwar dann, wen sie in den Handlungen durchscheint oder sich hinter einem Regelwerk versteckt. Wenn sie ausgeführt oder gar erklärt wird, wird sie zu Parmesan. Etwas trocken.

@ Canis lupus niger Das Buch der fünf Ringe eine Strategielehre? Nein, das ist Charakterschulung. Kann es sein, dass Du dieses Buch mit Sun Tse "Die Kunst des Krieges" verwechselst? Und die Biographie von musashi? Meinst du die von Yoshikawa? Das ist ein Roman und fast reine Fiktion. Aber ein großartiger Roman, der immer das Gefühl vermittelt: Ja, so hätte es sein können.

@ Sturmbluth Ja, so ist es und auch wieder nicht. Es sind alte Tugenden, die man beispielsweise beim Militär und den Soldaten nicht wiederfindet. Und bei sportlichen Wettkämpfen? Klar, wenn das zwei Fleischkolosse ineinanderkrachen und der eine den anderen in wenigen Augenblicken aus dem Ring purzeln lässt - aus und vorbei - und die Halle tobt, das ist Fußball Championsleague. Und doch, die Rituale um den Kampf herum sind fest in der Tradition verankert. Ob das Romantisierung ist, weiß ich nicht, aber der Samurai-Ethos war lange Zeit in der Wirtschaftselite ein Teil des Denkens. Ob das bei der jüngeren Generation auch noch so ist, kann ich nicht sagen. Ich war lange nicht mehr da.

Generell finde ich es jedenfalls faszinierend fremdes Gedankengut in die eigenen Geschichten einzuarbeiten. Ich selbst habe den Taoismus, Yin und Yang, das I Ging und die fünf Elemente Lehre in meine Geschichten eingebaut, weil ich mich da etwas auskenne. Aber es geht auch mit griechischer Philosophie, der Natureligion der Indianer oder was es sonst noch so alles gibt. Für mich ist auch das ein Weg, die Welt ein bisschen besser zu verstehen. Und in Fantasy kann man das machen - wenn man möchte.

Liebe Grüße
Trippelschritt

FeeamPC

Oh, glaub mir, meine Fantasy ist durchaus magisch und teilweise irreal. Nur eben nicht die Krieger. Die kämpfen und sterben mit dem Schwert in der Hand, und gehen am liebsten allem, was auch nur entfernt nach Magie aussieht, meilenweit aus dem Weg.

Sipres

Zitat von: Trippelschritt am 24. Mai 2016, 07:40:36@ FeeamPC Das ist völlig o.k. In Deinem Fall empfehle ich historische oder neuzeitliche Kriegsliteratur. Da gibt es spannende Bücher. Aber wenn ich Fantasy lese, dann hätte ich gern etwas jenseits von Realtität und gesundem Menschenverstand.

Die Ausage kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Jenseits der Realität - okay, das geht noch, obwohl sich auch Fantasy an der Realität bedienen kann, wenn auch mit dem einen oder anderen Extra. Jenseits von gesundem Menschenverstand finde ich aber etwas seltsam. Nur weil jemand Magie anwendet, heißt da ja nicht, dass er sich nicht seines Verstandes bedient. In meinen Büchern ist Magie etwas, was zum Alltag gehört. Jeder Mensch verfügt über Magie. Damit werden sämtlich Maschinen betrieben und einige benutzen sie auch als Waffe. Da steckt keinerlei Philosophie hinter, Magie wird nicht etwas als Abstraktes, Wunderbares angesehen. Es ist wie Elektrizität - vorhanden, nutzbar, schon cool, aber eben nichts außergewöhnliches. Deswegen bin ich nicht der Meinung, das man da immer irgendwelche Philosophien mit einbinden muss.

Churke

Zitat von: Trippelschritt am 24. Mai 2016, 07:40:36
Generell finde ich es jedenfalls faszinierend fremdes Gedankengut in die eigenen Geschichten einzuarbeiten. Ich selbst habe den Taoismus, Yin und Yang, das I Ging und die fünf Elemente Lehre in meine Geschichten eingebaut, weil ich mich da etwas auskenne.

Ich denke nicht, dass man eine Philosophie von ihrer Gesellschaft lösen kann. Konfuzianismus und Kalifat geht nur bis zu den ersten Toten gut.  ::)

Nebenbei bemerkt stimme ich Canis zu. Musashis blumige Sprache und geistische Überhöhung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Anleitung zum Schwertkampf handelt. Einiges davon kann übrigens auch bei Johannes Liechtenauer nachlesen. Aber der drückt sich halt anders aus.


AlpakaAlex

Das ist ein interessantes Thema. Nicht nur, weil mein Hass auf den romantisierten Eurozentrismus in High Fantasy ja ein wenig so etwas, wie mein Steckenpferd ist, sondern auch, weil es ja auf dem letzten PAN ein wenig von Berhard Hennen angesprochen wurde. Effektiv sprach er ja davon, dass man, wenn man verkaufen will, am besten bei sehr, sehr, sehr traditioneller Fantasy bleibt. Also: Pseudo-Europäisches Mittelalter, Schwerter, Magie, vielleicht ein paar Zwerge, Elfen, Orks und auf keinen Fall Schwarzpulver!

Zitat von: Maubel am 19. April 2016, 09:09:42
1. Welche Erfahrungen habt ihr mit der Akzeptanz von nicht-europäischem Weltenbau gemacht?
Wie gesagt, für mich ist ein Hauptgrund, warum ich kaum etwas, außer Contemporary Fantasy lese, dass ich den Eurozentrismus beim Weltenbau so furchtbar, furchtbar ätzend finde. Entsprechend bewege ich mich meistens auch in Kreisen, in denen die Leute meine Einstellungen teilen und vor allem eben nicht-eurozentrisches Fantasy eher hypen. Allerdings unter bestimmten Voraussetzungen. (Dazu gleich was.)

Allgemein ist es natürlich so, dass es schwerer ist einen Markt für so etwas zu finden - speziell wenn es wirklich aus dem üblichen ausbricht und nicht eine mehr oder minder eurozentrische Geschichte vor einen exotisierten Backdrop packt.

Selbst bin ich immer noch der Meinung, dass der Grund dafür in der Vergangenheit zu finden ist und welche Geschichten veröffentlicht wurden. Ich denke zentral hat es eben damit zu tun, was zur Zeit von Pulp Geschichten veröffentlicht wurde und auch, was die frühe Nerdszene via Rollenspiel o.ä. geprägt hat. Das hat halt einfach die Erwartungshaltung geschaffen, dass Fantasy mit "Europäisches Mittelalter mit bestimmter Auswahl einiger Arten von Lebewesen" gleichzusetzen ist. Und Gewohnheiten sich halt schwer zu brechen.

Zitat von: Maubel am 19. April 2016, 09:09:42
2. Muss man da mehr recherchieren um die Leser zufrieden zu stellen, als für den akzeptierten Standard?
Nun, wenn ich ehrlich bin: In meinen Augen recherchieren auch viele der eurozentrisch schreibenden Autoren nicht genug, aber das sei einmal auf ein anderes Blatt geschrieben. (Ich habe mich zu oft über die Darstellung von Schwertern und Rüstungen aufgeregt und über Baustile und und und ...) Doch natürlich erfordert es mehr Recherche, wenn man sich an einer Kultur anlehnt, die nicht die eigene ist. Das gebietet einfach der Respekt! Stichwort hier sollte kulturelle Aneignung sein. Man kann meiner Meinung nach nicht einfach hingehen und sich ein paar Elemente aus einer anderen Kultur schnappen, weil sie so cool oder so schön exotisch sind, und den Kontext komplett ignorieren. Schlimmstenfalls unterstützt man damit die Entstehung von Vorurteilen.

Ich gebe deswegen auch offen zu: Auch wenn ich bevorzugt Geschichten aus anderen Kulturen lese, so bin ich immer misstrauisch, wenn sie von jemanden geschrieben wurden, der keine Verbindung zu dieser Kultur hat. Dahingehend bin ich durch jahrelangen Kontakt zur weebo Szene ein wenig geschädigt.

Zitat von: Maubel am 19. April 2016, 09:09:42
3. Oder wie nah darf ich meine Welt an etwas anlehnen, damit diese trotzdem noch als eigenständige Kreation des Autors angesehen wird?
Hier gebe ich offen zu: Ich verstehe die Frage nicht. Weltenbau ist Weltenbau und was ganz eigenes wird man eh nie haben. Selbst wenn man historisches oder contemporary Fantasy schreibt, ist das, was man mit Magie und Co. macht noch Weltenbau.

Zitat von: Maubel am 19. April 2016, 09:09:42
4. Wie sehr achtet ihr beim Lesen darauf, dass die Welt nicht nur in sich logisch ist, sondern auch den realen Gegebenheiten entspricht?
Ziemlich. Mir ist wichtig, dass eine Welt in dem gegebenen Rahmen glaubwürdig ist. Und das heißt, ich erwarte, dass Dinge, bis mir explizit das Gegenteil gesagt wird, etwa so funktionieren, wie in unserer Welt. Das heißt halt: Wenn etwas mit der gegebenen Realität bricht, dann muss es begründet werden. Sei es mit Magie, sei es anders. Und das gilt halt auch für Kulturen.

Nehmen wir mal eine japanische Welt, wie im Eingangspost angesprochen. Das mindeste, was ich erwarte, ist, dass diese Kultur auf einer halbwegs ähnlichen Landschaft spielt, was die Ressourcen und Gefahren angeht. Das heißt: Inselstaat, viel Gebirge, wenig bebaubares Land, starke Monsunregen einmal im Jahr, Hauptnahrungsquellen ähnlich. Weil das sind Aspekte, die Japan zentral als Kultur geprägt haben.
 

Amanita

#53
Zitat von: NelaNequinWie gesagt, für mich ist ein Hauptgrund, warum ich kaum etwas, außer Contemporary Fantasy lese, dass ich den Eurozentrismus beim Weltenbau so furchtbar, furchtbar ätzend finde.

Zitat von: NelaNequinAuch wenn ich bevorzugt Geschichten aus anderen Kulturen lese, so bin ich immer misstrauisch, wenn sie von jemanden geschrieben wurden, der keine Verbindung zu dieser Kultur hat.

Diese beiden Aussagen lese ich so oder so ähnlich öfter, wenn ich Diskussionen zum Thema Vielfalt in der Fantasy verfolge. Ich kann beides durchaus nachvollziehen, aber mir erschließt sich hieraus  für europäische Autor*innen ohne persönliche Verbindung zu einer anderen Kultur keine Möglichkeit es "richtig" zu machen.
Wobei ich auch ehrlich sagen muss, dass für mich die so genannte "mittelalterliche Fantasy" auch wenig mit einer realistischen Darstellung der europäischen Geschichte zu tun hat und sich häufig in wesentlichen Punkten von dieser unterscheidet, was sich ja durch die Existenz von Magie und magischen Wesen auch automatisch ergibt. Eurozentristisch ist hier eher das zugrundeliegende Weltbild, aber ich denke mir, dass so sozialisierte Autoren, da auch nur selten aus ihrer Haut können.

Deswegen tendiere ich hier eher dazu mich deiner zweiten Aussage anzuschließen. Bücher, die stark an andere Kulturen angelehnt sind, aber von Autoren ohne Bezug dazu verfasst, meide ich auch eher. Ich finde aber, dass man den europäischen Autoren dann keinen Vorwurf daraus machen kann, dass sie bevorzugt schreiben, was sie kennen und von eigenen philosophischen und moralischen Prinzipien ausgehen und ihre Geschichten hierauf aufbauen. Auf der viel praktischeren Ebene finde ich es auch wesentlich leichter als deutsche Autorin realistisch und detailgetreu über die kürzer werdenden Tage im Herbst und alles, was sonst mit den Jahreszeiten zusammenhängt, zu schreiben, als beispielsweise über das Warten auf Regen zum Ende der Trockenheit in einer afrikanischen Savannenregion. (Wobei der letzte Sommer ein bisschen dabei geholfen hat, sich das besser vorstellen zu können, aber ich schweife ab.) Man kann solche Dinge noch so viel recherchieren, aber das wird doch nie dasselbe sein, als wenn sie das eigene Leben prägen. weil manche Details dann einfach verlorengehen und diese Dinge auch nie das eigene (Gefühls)leben beeinflusst haben.

Der ersten Aussage stimme ich insofern zu, dass ich es nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch aus persönlichem Interesse sehr begrüßen würde, wenn mehr Fantasybücher, die von Menschen mit anderen kulturellem Hintergrund geschrieben wurden, den Weg in die Regale finden würden.

Fianna

#54
Zitat von: Amanita am 21. Mai 2019, 20:01:37
Deswegen tendiere ich hier eher dazu mich deiner zweiten Aussage anzuschließen. Bücher, die stark an andere Kulturen angelehnt sind, aber von Autoren ohne Bezug dazu verfasst, meide ich auch eher. Ich finde aber, dass man den europäischen Autoren dann keinen Vorwurf daraus machen kann, dass sie bevorzugt schreiben, was sie kennen und von eigenen philosophischen und moralischen Prinzipien ausgehen und ihre Geschichten hierauf aufbauen.
Diese Haltung ist etwas schwierig - wonach beurteilst Du denn [Edit: vor dem Kauf], ob der Autor einen Bezug dazu hat? Wenn er oder sie das nicht unbedingt in seiner Biographie preis gibt, kann man gar nicht beurteilen, wie der Bezug des Autors zu dieser Kultur oder seinem Thema ist.
Auch ein Own Voice Autor ist vor allem deswegen own voice, weil er oder sie sich entschieden hat, soviel von seinem (Privat-)Leben preis gibt. Man kann aber nicht umgekehrt darauf schließen, dass jemand keine own voice ist oder keinen Bezug zu der Kultur hat, nur weil es nicht in der Autorenbiographie hoch gehalten wird, dass jemand queer ist, von einem japanischen Stiefpapa aufgezogen wurde oder was auch immer eben den authentischen Bezug geben würde.

AlpakaAlex

Zitat von: Amanita am 21. Mai 2019, 20:01:37
Wobei ich auch ehrlich sagen muss, dass für mich die so genannte "mittelalterliche Fantasy" auch wenig mit einer realistischen Darstellung der europäischen Geschichte zu tun hat und sich häufig in wesentlichen Punkten von dieser unterscheidet, was sich ja durch die Existenz von Magie und magischen Wesen auch automatisch ergibt.
[Hmm. Eigentlich fast eher ein Thema für eins der Realismus-Topics, eh? Egal, ich antworte mal hier.]
Nun ja, die Sache ist, dass ich bei wenig Fantasywelten, die pseudo europäisches Mittelalter sind, das Gefühl habe, dass sich darüber viele Gedanken gemacht wurde. Das ist genau einer der Gründe, warum ich diese Art von Fantasy halt so sehr ablehne: Sie baut auf einem falschen Mittelalterverständnis auf und ist dabei im eigentlichen Weltenbau oftmals nicht wirklich bedacht.
Was ich damit beispielsweise meine, ist, dass wir ein mehr oder minder europäisches Mittelalter haben (also bzgl. Königreiche, Ritter, Waffen (zumindest dem Namen nach) und dergleichen), aber die Grundlagen nicht. Es geht keine Antike voraus, die ein solches Mittelalter voraussetzen würde, noch wird es anders erklärt, noch gibt es eine Religion, die die Rolle des Christentums vernünftig einnehmen kann. Meist gibt es auch keine historische Entwicklung der Welt was Kultur und Technologie angeht. Das ist einfach seit tausenden Jahren alles so, wie es ist. Historisch passiert allerhöchstens mal was von wegen Krieg oder neuen Königen. Die Welt wurde oft irgendwann von irgendeinem Gott einfach so geschaffen und niemand hat Neugierde oder Erfindungsgeist.
Derweil wird diese ganze "europäisches Mittelalter" Klamotte allerdings wiederum dafür genutzt etwaig eine Stellung der Frau zu begründen oder warum es nur weiße Menschen in dieser Welt gibt.  :nöö:
Auch wie bspw. Waffen oder Rüstungstechnik sich verändert hätte, hätten Menschen in einer Welt mit Drachen und Magie gelebt, sehe ich selten adressiert. Waffen und Rüstungen sind zwar unrealistisch - aber auf eine Art, die eher mit Fehlinformation zu tun hat, als mit Weltenbau.

Und um das klar zu machen: Ich sage nicht, dass es in allen europäisch angehauchten Fantasywelten so ist, sondern, dass ich so viele gelesen habe (gerade bei den großen Serien), dass ich genug davon habe und mich dem Subgenre allgemein abgewandt habe.

Zitat von: Amanita am 21. Mai 2019, 20:01:37
Ich finde aber, dass man den europäischen Autoren dann keinen Vorwurf daraus machen kann, dass sie bevorzugt schreiben, was sie kennen und von eigenen philosophischen und moralischen Prinzipien ausgehen und ihre Geschichten hierauf aufbauen.
Ich finde es halt immer so ein wenig kompliziert. Denn ich sehe es an sich gerade als Autor*in sehr wichtig an, dass man etwas über andere moralische Grundlagen lernt, als die, mit denen man aufgewachsen ist. Das gehört für mich allgemein zu Weltenbau dazu, sich zu überlegen, was am Kontext einer Welt und einer Figur moralisch Sinn macht. Ich meine, meine Vampire, Magier und Werwölfe sind bspw. natürlich von unserer modernen Welt beeinflusst - aber gleichzeitig leben sie halt doch in einer leicht anderen Welt, die ihre Moralvorstellungen und ihre Lebensphilosophie beeinflusst.

Wobei mein größtes Problem halt wirklich immer wieder ist, dass mit anderen Kulturen öfter Mal respektlos umgegangen wird. Für mich gehört dazu halt auch, dass bestimmte Kulturen es ungerne sehen, wenn speziell Weiße über sie schreiben. Beispiel wären hier die Navajo, die halt auch gute Gründe dafür haben. Vor allem sind sie halt auch oft sauer, wenn über die yee naaldlooshii geschrieben wird durch Leute, für die es einfach nur ein "cooles" Monster ist.

Zitat von: Fianna am 21. Mai 2019, 21:33:27
Diese Haltung ist etwas schwierig - wonach beurteilst Du denn [Edit: vor dem Kauf], ob der Autor einen Bezug dazu hat? Wenn er oder sie das nicht unbedingt in seiner Biographie preis gibt, kann man gar nicht beurteilen, wie der Bezug des Autors zu dieser Kultur oder seinem Thema ist.
Recherche. Wer es nicht preisgibt, hat halt Pech gehabt und muss damit leben, aus der Perspektive kritisiert zu werden. Zumal ich sagen muss: Ein japanischer Stiefpapa macht dich nicht zu einem Japaner. Gerade bei Kultur merkt man schon üblicherweise aus welchem Kulturkreis ein Autor kommt. Natürlich kann auch ein japanischer Autor ein historisch japanisches Setting verballhornern - können deutsche Autoren mit europäischen Setting wie gesagt ja auch - aber bestimmte kulturelle Dinge merkt man eben doch.
 

Maubel

Zitat von: NelaNequin am 21. Mai 2019, 23:25:15
Zitat von: Amanita am 21. Mai 2019, 20:01:37
Wobei ich auch ehrlich sagen muss, dass für mich die so genannte "mittelalterliche Fantasy" auch wenig mit einer realistischen Darstellung der europäischen Geschichte zu tun hat und sich häufig in wesentlichen Punkten von dieser unterscheidet, was sich ja durch die Existenz von Magie und magischen Wesen auch automatisch ergibt.
[Hmm. Eigentlich fast eher ein Thema für eins der Realismus-Topics, eh? Egal, ich antworte mal hier.]
Nun ja, die Sache ist, dass ich bei wenig Fantasywelten, die pseudo europäisches Mittelalter sind, das Gefühl habe, dass sich darüber viele Gedanken gemacht wurde. Das ist genau einer der Gründe, warum ich diese Art von Fantasy halt so sehr ablehne: Sie baut auf einem falschen Mittelalterverständnis auf und ist dabei im eigentlichen Weltenbau oftmals nicht wirklich bedacht.
Was ich damit beispielsweise meine, ist, dass wir ein mehr oder minder europäisches Mittelalter haben (also bzgl. Königreiche, Ritter, Waffen (zumindest dem Namen nach) und dergleichen), aber die Grundlagen nicht. Es geht keine Antike voraus, die ein solches Mittelalter voraussetzen würde, noch wird es anders erklärt, noch gibt es eine Religion, die die Rolle des Christentums vernünftig einnehmen kann. Meist gibt es auch keine historische Entwicklung der Welt was Kultur und Technologie angeht. Das ist einfach seit tausenden Jahren alles so, wie es ist. Historisch passiert allerhöchstens mal was von wegen Krieg oder neuen Königen. Die Welt wurde oft irgendwann von irgendeinem Gott einfach so geschaffen und niemand hat Neugierde oder Erfindungsgeist.
Derweil wird diese ganze "europäisches Mittelalter" Klamotte allerdings wiederum dafür genutzt etwaig eine Stellung der Frau zu begründen oder warum es nur weiße Menschen in dieser Welt gibt.  :nöö:
Auch wie bspw. Waffen oder Rüstungstechnik sich verändert hätte, hätten Menschen in einer Welt mit Drachen und Magie gelebt, sehe ich selten adressiert. Waffen und Rüstungen sind zwar unrealistisch - aber auf eine Art, die eher mit Fehlinformation zu tun hat, als mit Weltenbau.

Mein großes Problem ist auch vor allem diese Stasis - gibt ja sogar einen Trope dafür. Die Welt muss sich nicht genauso entwickelt haben, aber wenn dann zum Beispiel Zeitrahmen wie 8000 Jahre im Lied von Eis und Feuer hat und dort seit mehreren Jahrtausenden eine statische Monarchie mit wechselnden Häusern herrscht, ist das schon etwas merkwürdig. Erfinder und Entdecker fehlen mir in den meisten Fantasyromanen, genauso wie kulturelle Sachen wie Theater, Oper oder Literatur (oft gibt es genau ein Werk ...). Wir mögen das Mittelalter zwar als dunkles Zeitalter ansehen, aber tatsächlich hat sich zwischen 800 und 1500 eine Menge getan. (Und ich will immer noch einen Roman schreiben, in dem Flugblätter und erste Zeitungen eine Rolle spielen - aber ich bin auch eher ein Freund der Neuzeit)

Das mit den Waffen und Rüstungen ist auch so ein Punkt, den ich zum Beispiel in meiner Ravenblood-Saga drin habe. Es ist eine hochmagische Welt, jeder einzelne kann Magieformen zumindest rudimentär und je nach ausgiebigem Studium auch expertenmäßig, natürlich kämpfen die nicht in einer normalen Rüstung und Schwert. Die Magie ist sowohl bei der Herstellung, als auch bei der Taktik und den einzelnen Kampfschritten dabei. Die Tatsache, dass es ein Nebelreich gibt, durch das man verkürzte Transportzeiten hat (wenn man nicht vom Weg abkommt und verrückt wird), ist einer der Hauptgründe, warum mein vadisches Reich (nachempfunden dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen) solche Eroberungserfolge hatte. Wie willst du dich dagegen verteidigen, wenn der Feind hinter deiner Frontlinie auftauchen kann etc.? Und dann gibt es tatsächlich zwischen Band 2 und 3 eine bahnbrechende Neuentwicklung. Meine Welt ist also nicht nur vorher unstatisch gewesen, sondern auch währenddessen und das nicht nur auf politischer Ebene.

Was das Schreiben anderer kultureller Kreise angeht, muss ich mich für die Diversität aussprechen. Ich finde es schade, dass fernöstliche Kulturen auch in Fantasyromanen wenn dann nur das fremdartige Land weit weit weg vom Plot sind - ich finde, das ist viel mehr Klischee, als die Geschichte dort spielen zu lassen und vielleicht nicht alle Nuancen zu treffen - wohl auch, weil man sie gar nicht treffen will - denn sonst würde die Geschichte eben in Japan oder China oder sonst wo spielen, statt in einer Fantasywelt. Ich finde es in der Hinsicht nicht logisch, einen anderen Maßstab an diese Vorlagen anzulegen, als an die eurozentrischen, die genauso klischeebelastet sein können und oft sind. Natürlich erwarte ich von einem guten Roman, dass er keine Klischees produziert, aber da gilt mein Maßstab für alle und ich persönlich würde mir mehr diverse Settings im Fantasybereich wünschen. Das gilt auch für vollkommen andere Moralvorstellungen wie die meiner Dämonen. Die sind nun mal einfach nicht menschlich, aber sie machen aus ihrer Geschichte, Wahrnehmung und Kultur heraus absolut Sinn.

Mit meinem Bezug zu Japan bin ich übrigens immer sehr offen umgegangen. Die Grundlage für Tanz der Feuerblüten ist die Geschichte des Prinzen Genji, über deren historischen Kontext ich zum ersten Mal mit 15 gelesen habe und seitdem alles Mögliche zu Japan verschlungen habe. Mittlerweile habe ich auch Genji selbst gelesen, um ein Gefühl für die Atmosphäre zu bekommen, ich war in Japan zum Urlaub (ja viel zu kurz) und habe dort viel abseits der Wege aufgenommen und eingeatmet. Macht mich das zum Experten, definitiv nicht und es ist auch absolut kein own-voice, aber ich bilde mir ein, dass mein Roman sehr nuanciert ist und es mir gelungen ist, die Atmosphäre im Großen und Ganzen einzufangen.

ZitatNehmen wir mal eine japanische Welt, wie im Eingangspost angesprochen. Das mindeste, was ich erwarte, ist, dass diese Kultur auf einer halbwegs ähnlichen Landschaft spielt, was die Ressourcen und Gefahren angeht. Das heißt: Inselstaat, viel Gebirge, wenig bebaubares Land, starke Monsunregen einmal im Jahr, Hauptnahrungsquellen ähnlich. Weil das sind Aspekte, die Japan zentral als Kultur geprägt haben.

Und hier würde ich noch einiges aus dem Wesen der Japaner mit einfließen lassen. Die Dichotomie zwischen Natur und Zivilisation, die Miteinbeziehung von Leerflächen in der Kunst, Shintoismus und Buddhismus

AlpakaAlex

Zitat von: Maubel am 22. Mai 2019, 00:00:13
Wir mögen das Mittelalter zwar als dunkles Zeitalter ansehen, aber tatsächlich hat sich zwischen 800 und 1500 eine Menge getan.
Ja, eben das. Gilt ja auch nicht nur für Song of Ice and Fire (wobei es mich da besonders nervt, weil so vieles an dieser Serie - allen Dingen voran die Gewalt gegen Frauen - mit "Realismus" und "Geschichte" begründet wird, aber der gesamte Weltenbau so furchtbar unrealistisch ist, auch für eine Welt mit Drachen und Eiszombies), sondern bspw. auch für Herr der Ringe, wo sich nicht wirklich viel tut.
Ich hatte dazu mal einen Blog geschrieben und halt versucht darauf einzugehen, dass viele Zeitalter, die wir heute als sehr monolithisch ansehen (auch die Antike) eigentlich enorme Entwicklung kulturell, aber auch technologisch mit sich gebracht haben. Ich fand das ja, bei allen Fehlern, die die Reihe hat, in Assassins Creed Origins mit den Pyramiden schön dargestellt. Ja, das Spiel spielt im "alten Ägypten". Aber die Zeit des Pyramidenbaus ist den Charakteren genau so fremd, wie ihre Kultur uns.

Und ja, ich liebe Erfinder-Charaktere. Ich habe selbst bei mir - und wie gesagt, ich bin contemp - halt eine Magiergruppe eingebaut, die halt forscht, wie man Magie und Wissenschaft in Einklang bringen kann. Denn während bei mir Technologie sich nicht von Magie beirren lässt, wäre es natürlich dennoch cool, könnte man das Handy bspw. mit Magie verbessern.

Zitat von: Maubel am 22. Mai 2019, 00:00:13
Ich finde es in der Hinsicht nicht logisch, einen anderen Maßstab an diese Vorlagen anzulegen, als an die eurozentrischen, die genauso klischeebelastet sein können und oft sind.
Muss man aber, da wir nun einmal leider in einer Welt leben, in der Kolonialismus passiert ist und auf gewisse Weise noch immer passiert. Die europäischen Mächte haben den Rest der Welt besetzt und ausgenommen - jedenfalls zu großen Teilen - und das sind Dinge, die man bis heute bemerkt. Rassismus ist real und sehr wohl lebendig. Deswegen spielt es, wenn man als Autor einfach über eine fremde Kultur schreibt, in dieses Machtgefälle mit hinein.

Das europäische Mittelalter zu verballhornern ist halt nicht schön, aber so gesehen schadet es niemanden so sehr (nun, außer Frauen und queeren Menschen, aber das ist eine andere Geschichte), wie es halt schadet, eine asiatische Welt mit einer Mischung aus Wuxia und Kung Fu Hollywood Tropes zu füllen oder dunkelhäutige, naturverbundene, wilde Baummenschen zu haben (böser Blick zu DSA). Denn das eine ist vorrangig einfach nur uninformiert. Das andere ist eine Form von Rassismus, selbst wenn es nicht als solcher beabsichtigt ist.

Lindsay Ellis hat es in ihrem Video zu Disneys furchtbaren Pocahontas-Film relativ gut erklärt: Wenn jemand aus einer historisch kolonialisierenden Kultur über eine historisch kolonialisierte Kultur schreibt, dann ist es kulturelle Aneignung und hat schnell (wenn man nicht sehr, sehr, sehr gut recherchiert) negative Konsequenzen für die Menschen aus der kolonialisierten Kultur. Schreibt jemand aus einer kolonialisierten Kultur über eine kolonialisierende Kultur und stellt sie falsch dar, dann geschieht dadurch halt kein Schaden - da die kolonialisierende Kultur eben bis heute die Macht hat. Deswegen kann der Herr Khan halt durch ein klischeehaftes New York singen und tanzen und man kann darüber auch als Amerikaner einfach lachen, während ein Film wie Slumdog Millionaire für Inder verdammt verletzend ist.

Allerdings gebe ich auch offen zu, dass genau aus dem Grund Japan auch ein etwas seltsames Ding ist. Denn technisch gesehen ist Japan auch eine Kolonialmacht und wurde nie vom Westen kolonialisiert. Was nicht heißt, dass Japaner nicht immer noch massiven Rassimus ausgesetzt sind, wenn sie sich im Westen aufhalten, aber ... Es ist kompliziert. Gerade da Japan mehr als irgendeine andere üblicherweise betroffene Kultur ihre Kultur tonnenweise bereitwillig exportiert.  Das macht Japan in diesem Kontext so schwer einzuordnen.  ???
 

Yamuri

1. Welche Erfahrungen habt ihr mit der Akzeptanz von nicht-europäischem Weltenbau gemacht?

Auf mich wirkt es so, als würden viele nicht-europäischen Weltenbau ablehnen. Aber ich glaube, das war/ist ein Vorurteil das ich gegenüber den Europäern habe. Denn gerade hier im TiZi fällt mir auf, dass sehr großes Interesse da zu sein scheint und es doch einige gibt, die mehr nicht-europäischen Weltenbau lesen möchten. Mir fällt auch auf, dass Ängste vorherrschen etwas falsch zu machen oder Skeptik, dass andere Autoren es richtig machen.

2. Muss man da mehr recherchieren um die Leser zufrieden zu stellen, als für den akzeptierten Standard?

Da ich jeden Mensch als Unikat und eigenständiges Miniuniversum betrachte, empfinde ich Recherche immer als wichtig. Zu wissen was es gibt, hilft uns Klischés und Vorurteile zu brechen. Wenn ich durch Recherche herausfinde, dass meine Annahmen unberechtigt sind, kann ich das ändern. Falsche Vorstellungen kann man von jeder Kultur haben, auch von der in der man aufgewachsen ist. Recherche und Beobachtung ist daher immer gleich wichtig in meinen Augen.

3. Oder wie nah darf ich meine Welt an etwas anlehnen, damit diese trotzdem noch als eigenständige Kreation des Autors angesehen wird?

Das kommt darauf an, welche Anforderungen ich erfüllen will. Möchte ich eine neue Welt schaffen? Oder will ich eine Geschichte in unserer schreiben? In einer neuen Welt, muss ich mich gar nicht an das anlehnen, was hier ist. Ich kann etwas völlig Neues und Abstraktes schaffen, das nur bedingt an die Gegebenheiten hier angelehnt ist, darf es dann aber auch nicht als europäisch/ostasiatisch/indigen/afrikanisch usw. bezeichnen. Es kann dort auch Menschen mit blauer, grüner, feuerroter, goldener Hautfarbe geben, wenn ich das so möchte. Will ich aber Contemporary schreiben, sollte ich mich so gut wie möglich an realen Gegebenheiten orientieren und mich um eine reale Darstellung bemühen.

4. Wie sehr achtet ihr beim Lesen darauf, dass die Welt nicht nur in sich logisch ist, sondern auch den realen Gegebenheiten entspricht?

Ich achte gar nicht darauf wenn ich lese. Die Geschichte muss in sich stimmig sein und soll mich in eine andere Welt entführen. Wäre dort alles wie hier, wäre ich enttäuscht. Ich erwarte das Ungewöhnliche, das Neue, das noch nicht da Gewesene in Fantasy Geschichten. Ich will überrascht werden und nicht lesen, was alle denken oder für die allgemeingültige Wahrheit halten und daher immer und immer wieder neu reproduzieren. Ich will das Herz dessen fühlen, was der Autor erschaffen hat. Gelingt dem Autor das, hat er alles richtig gemacht, gelingt es nicht, spielt es leider keine Rolle mehr, ob manche Darstellungen noch so "realistisch" (bezogen auf unsere Realität) sind. Und wenn ich Geschichten über unsere reale Welt lesen möchte, lese ich Krimis oder Geschichtsbücher.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Amanita

Zitat von: NelaNequinWas ich damit beispielsweise meine, ist, dass wir ein mehr oder minder europäisches Mittelalter haben (also bzgl. Königreiche, Ritter, Waffen (zumindest dem Namen nach) und dergleichen), aber die Grundlagen nicht. Es geht keine Antike voraus, die ein solches Mittelalter voraussetzen würde, noch wird es anders erklärt, noch gibt es eine Religion, die die Rolle des Christentums vernünftig einnehmen kann. Meist gibt es auch keine historische Entwicklung der Welt was Kultur und Technologie angeht. Das ist einfach seit tausenden Jahren alles so, wie es ist. Historisch passiert allerhöchstens mal was von wegen Krieg oder neuen Königen. Die Welt wurde oft irgendwann von irgendeinem Gott einfach so geschaffen und niemand hat Neugierde oder Erfindungsgeist.
Derweil wird diese ganze "europäisches Mittelalter" Klamotte allerdings wiederum dafür genutzt etwaig eine Stellung der Frau zu begründen oder warum es nur weiße Menschen in dieser Welt gibt.   
Da stimme ich dir völlig zu. Das stört mich auch alles nicht, insbesondere die fundamentale Bedeutung, die unterdrückte Frauen anscheinend in den Augen vieler für eine ,,realistische Darstellung" haben (ist ja auch hier im Thread ein Beispiel), während bei diversen anderen Themen der Realismus auf einmal gar keine so groß Rolle mehr spielt.

Zitat von: NelaNequinIch finde es halt immer so ein wenig kompliziert. Denn ich sehe es an sich gerade als Autor*in sehr wichtig an, dass man etwas über andere moralische Grundlagen lernt, als die, mit denen man aufgewachsen ist. Das gehört für mich allgemein zu Weltenbau dazu, sich zu überlegen, was am Kontext einer Welt und einer Figur moralisch Sinn macht.

Das denke ich auch, aber du hast ja selbst von einem persönlichen Bezug zu einer Kultur gesprochen und das ist für mich mehr als ,,nur" Recherche, wobei ich niemandem, der sich intensiv mit einer anderen Kultur beschäftigt absprechen möchte, dass er auch auf angemessene Art darüber schreiben kann.

Zitat von: NelaNequinSchreibt jemand aus einer kolonialisierten Kultur über eine kolonialisierende Kultur und stellt sie falsch dar, dann geschieht dadurch halt kein Schaden - da die kolonialisierende Kultur eben bis heute die Macht hat.
Ich fürchte so verallgemeinern kann man das auch nicht. Beispielsweise werden weiße Frauen in Bollywoodfilmen gerne mal extrem freizügig und sexuell verfügbar dargestellt, während es dann in Großbritannien teilweise systematische sexuelle Übergriffe durch pakistanische Männer gegen einheimische Frauen gibt. Da würde ich eine solche Darstellung dann durchaus auch als potenziell schädlich bezeichnen.

Zitat von: NelaNequinDas macht Japan in diesem Kontext so schwer einzuordnen.
Das denke ich mir auch. An sich befindet sich Japan ja was die weltpolitische Machtstellung angeht in einer ganz ähnlichen Position wie Deutschland. Aggressor und Verlierer im Zweiten Weltkrieg, seitdem militärisch relativ bedeutungslos, aber wirtschaftlich sehr erfolgreich...

Allgemein finde ich es in diesem Zusammenhang auch immer schwierig, diese ja eigentlich aus den USA stammende, wo sie auch Sinn ergibt Gegenüberstellung ,,Weiße gegen alle anderen" auf die ganze Welt zu übertragen.
Gerade was Japan betrifft ist das Verhältnis zu Deutschland aus offensichtlichen Gründen ein völlig anderes als das Verhältnis zu den USA. Deutschland hatte zwar auch Kolonien in Afrika, aber nie in dem Umfang wie Frankreich oder gar Großbritannien. Im ost-und südostasiatischen Raum hatte Deutschland eigentlich nie eine besondere Machtposition, dafür hat es blutige Eroberungskriege in der näheren Umgebung geführt und wie wir alle wissen den Holocaust zu verantworten, womit andere Länder nicht in Verbindung gebracht werden.
Die tatsächliche weltpolitische Macht von Deutschland heute ist aber in keinster Weise mit der US-amerikanischen zu vergleichen, da muss man sich ja nur anschauen, wie sogar Trump trotz allem in den Allerwertesten gekrochen werden muss.
Dazu kommen muslimische Reiche, die auch kolonialisiert haben, teilweise auch ,,weiße" Regionen von Europa und sich dabei nicht unbedingt ,,netter" verhalten haben als die europäischen Kolonialisten einschließlich Sklaverei.
Ganz so schwarz und weiß wie das alles dargestellt wird, ist es nicht.