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Präsens-Trend

Begonnen von Cailyn, 04. März 2016, 09:48:44

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Cailyn

Mir ist aufgefallen, dass es immer mehr Bücher gibt, die im Präsens geschrieben sind. Ich habe mich deshalb gefragt, ob das die Zukunft sein wird.

Was denkt ihr? Ist das nur ein Modetrend, der bald wieder versiegen wird oder setzt sich das immer mehr durch?

HauntingWitch

Ja, das ist mir auch aufgefallen! Ich hoffe sehr, dass es nur ein Trend ist, denn ich kann das ehrlich gesagt nicht haben. Und es gibt ja auch nach wie vor viele erfolgreiche Bücher, die im Präteritum geschrieben sind, von dem her denke ich, dass das schon wieder vorbeigehen wird. Oder es gibt dann eine Art Parallelexistenz.  ;D

Alana

#2
Ist der nicht schon wieder vorbei? Es gibt halt Genres, in denen Ich und Präsens sehr gefragt ist. (z.B. New Adult, YA Dystopie) Ich mag das total gerne. Was ich gar nicht mehr mag, weil es sich für mich meistens unnatürlich liest, ist Ich und Präteritum. Habe zwar selbst zwei Bücher damit geschrieben, die ich auch sehr mag, aber in Zukunft schreibe ich nur noch Ich und Präsens oder 3. Person Präteritum. Ich glaube nicht, dass sich das Präsens Genreübergreifend durchsetzt. In letzter Zeit gibt es auch in den typischen Ich und Präsens Genres immer mehr Bücher in 3. Person Präteritum.
Alhambrana

Ary

Inzwischen mag ich Erzählungen im Präsenz und habe auch schon ein bisschen mit Präsenz als Stilmittel in Traumszenen gespielt - ich dachte, ich könnte das nie schreiben, aber am Ende fiel es mir immer richtig schwer, aus den Präsenz-Szenen wieder in den normalen Präteritumsschreibfluss zu kommen. Lesen mag ich inzwischen auch beides gern.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Rakso

Mir ist auch schon das ein oder andere Buch im Präsens untergekommen (jedoch noch nicht so häufig, dass es mir als Trend aufgefallen wäre).

Ich nutze es auch manchmal als Stilmittel, dann meist in Kombination in der 1. Person, etwa um Träume oder Gedankengänge einer Figur wiederzugeben. Das erzeugt, finde ich zumindest, eine gewisse Nähe und Intimität. Meist sind das aber nur wenige Szenen, der Rest ist dann meist 3. Person Präteritum.

Ich glaube, dass es schwer zu beurteilen ist, ob es nur ein Trend ist und in fünf/zehn Jahren wieder vorbei ist oder nicht. Wahrscheinlich wird es ähnlich wie die Frage ob 3. oder 1. Person, ein enstprechendes Stilmittel bleiben, dass Autoren je nach persönlicher Präferenz und/oder Möglichkeiten, die eine Geschichte bietet, nutzen werden.

Edit: Hat sich mit Aryana überschnitten

Christian

Ich dachte auch, das sei schon wieder durch. Ich mag es nicht, lese es nicht. Ebenso Geschichten in der 1. Person. Der sicherste Weg, mich dazu zu bringen, ein Buch zuzuschlagen, ist 1. Person in Kombination mit Präsens. Das sind ganz wenige Bücher, die ich da noch lesen mag. Aber gut, das ist zum einen eine Genresache und zum anderen Geschmackssache.

Mogylein

Ich finde Präsens ist nur in Verbindung mit Ich-Perspektive wirklich haltbar. Aus 3rd person limited oder gar auktorial funktioniert es (für mich als Leser) einfach nicht.

Allgemein bin ich kein allzu großer Freund des Präsens, deshalb wäre ich froh, wenn es nur ein vorrübergehender Trend ist. Allerdings kann ich seine Wirkung, gerade wenn es spärlich eingesetzt wird (z.B. die von @Aryana angesprochenen Traumszenen), nicht leugnen. Es macht das ganze noch etwas dichter, näher dran am eigenen Kopfkino. Aber manche Verben, die man vielleicht im eigenen Sprachgebrauch nicht verwendet, die man aber öfter in Büchern liest, reißen einem dann im Präsens aus dem Lesefluss.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Leann

Ich lese überhaupt nicht gerne Romane im Präsens. Kurzgeschichte gehen zur Not. Warum kann ich gar nicht objektiv begründen, ich mag es einfach nicht, vielleicht, weil es meinen üblichen Lesegewohnheiten nicht entspricht und ich mein ganzes Leben lang Präteritum-Romane gelesen habe, also Gewohnheit. Evtl. erinnert mich die Ich-Perspektive-Präsens auch zu sehr an schlechte Fan-Fiction. Sehr viel lese ich zwar nicht in dem Bereich, habe aber den Eindruck, dass diese Perspektive dort überwiegt. Noch weniger gern lese ich die "Du-Perspektive", die finde ich ganz gruselig und hoffe, dass der Trend bald vorbei ist.

Denamio

Zitat von: Leann am 04. März 2016, 11:30:19
Noch weniger gern lese ich die "Du-Perspektive", die finde ich ganz gruselig und hoffe, dass der Trend bald vorbei ist.

Die Du-Perspektive ist für mich eng mit CYOA Büchern und Rollenspiel verbunden und hat da durchaus ihren sinnvollen Platz. Allerdings habe ich es außerhalb dieser beschränkten Anwendungen noch kein Buch in der besagten Perspektive gefunden. Hast du zufällig ein Beispiel für diesen Trend, der an mir vorübergegangen ist?

Alana

#9
Ich glaube, das ist alles eine Gewöhnungsfrage, wenn man sich mal daran gewöhnt hat und ein paar richtig gute Bücher gelesen hat, die in Ich und Präsens geschrieben sind, dann mag man fast nichts anderes mehr und die 3. Person fühlt sich distanziert und unnatürlich an. Gleiches gilt beim Schreiben. Mittlerweile kann ich zum Glück sehr gut switchen, sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben. Bei der Fantasy habe ich mich übrigens, nachdem ich lange überlegt hatte und es auch für die Story eine gute Lösung fand, unter anderem auch deswegen gegen die 1. Person Präsens für meinen neuen Fantasyroman entschieden, weil gerade Fantasyleser diese Perspektive zu hassen scheinen und Verlage deswegen in den letzten Jahren (laut meiner Info) nach einigen gescheiterten Versuchen keine Fantasyromane mit Ich und Präsens mehr kaufen. (Bestseller aus den USA wie immer ausgenommen. :P ) Angeblich gibt es viele Lektoren, die sich solche Projekte nicht mal anschauen. Wäre es nun für meine Geschichte unbedingt nötig gewesen, hätte ich es trotzdem gemacht, aber so war es für die Geschichte und den Markt meiner Meinung nach die richtige Entscheidung. :)
Alhambrana

Blaurot

Ich muss gestehen, dass ich sehr gerne mit den verschiedenen Perspektiven spiele. In einer Kurzgeschichte, die ich letztens geschrieben habe, verwende ich beispielsweise die "Du-Perspektive", um zu verdeutlichen, wie gehetzt und getrieben der Prota im Inneren ist, wechsele dann zur wörtlichen Rede in Form eines Interviews, um zu zeigen, wie das Verhalten des Protas auf die Außenwelt wirkte, um danach in der 3. Form teils personal, teils auktorial die Geschichte rund zu klopfen.

Sämtliche Perspektiven gehören in mein Repertoire, und mit jeder lässt sich irgendetwas anderes verdeutlichen bzw. ausdrücken.

Cailyn

Ich mache mich ähnliche Gedanken wie Alana. Ist es nicht nur Gewöhnungssache? Wenn etwas noch fremd ist, fühlt es sich häufig erst unnatürlich an. Aber würden wir jetzt 2 Jahre nur noch im Präsens lesen, wäre es wohl plötzlich vertraut und somit sympathischer. Praktisch ist es ja auch, wenn man Dinge aus der Vergangenheit beschreibt. Dann muss man nicht immer dieses Plusquamperfekt anwenden, was ja immer etwas knorzig und schwer daher kommt.

Wenn der Trend aber schon wieder am abklingen ist, dann auch gut.

Fynja

Ich denke auch, dass es Gewöhnungssache ist und stark darauf ankommt, ob man wie Leann meinte, bisher nur schlecht geschriebene Geschichten im Präsens kannte, oder bereits einige gut geschriebene Romane und dann eher die damit assoziiert. Am Anfang habe ich Geschichten im Präsens auch gar nicht gemocht und gemieden, aber irgendwann habe ich Bücher gelesen, in die ich eintauchen konnte, und mittlerweile stört es mich nicht mehr und fällt mir oft auch gar nicht auf - ich könnte im Nachhinein gar nicht mehr sagen, welche Bücher es waren, die meine Meinung geändert haben und welche Bücher in welcher Perspektive und Zeit geschrieben sind. Mir ist aber bei all den Diskussionen über Perspektiven und Tempus hier aufgefallen, dass es mir wohl insgesamt gleichgültiger ist und ich weniger große Unterschiede darin sehe, was nun verwendet wird. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich mittlerweile Romane fast nur noch in der Originalfassung lese, was meistens Englisch ist, und dieser Tempus-Wechsel mir im Englischen noch weniger auffällt als im Deutschen.

Nichtsdestotrotz bevorzuge ich dennoch das Präteritum, vor allem für mein eigenes Geschreibsel, weil ich zu faul bin, mich da umzugewöhnen. :P Deswegen hoffe ich auch, dass der Trend sich einfach zu einer von vielen Möglichkeiten, aber nicht zu einer Notwendigkeit ausweitet.

Evanesca Feuerblut

Für mich ist "Präsens, erste Person", wenn es gut gemacht ist, unglaublich suggestiv. Fast so suggestiv wie eine Geschichte in der Du-Perspektive (da kenne ich einfach keine längeren Bücher, in denen das durchgehalten wird), aber auch Du-Perspektive funktioniert fast nur im Präsens.
Für mich ist Präsens weniger ein Trend, sondern ein (teilweise sehr starkes) Stilmittel, wie jedes andere auch. Man vergleiche einfach mal, von der Nähe her von oben nach unten:

Paul ging durch einen dunklen Gang. Der schwache Strahl seiner Taschenlampe beleuchtete teilweise vom Moos überwuchertes Mauerwerk, von jahrhundertealtem Moder durchsetzt und stinkend.

Paul geht durch einen dunklen Gang. Der schwache Strahl seiner Taschenlampe beleuchtet teilweise vom Moos überwuchertes Mauerwerk, von jahrhundertealtem Moder durchsetzt und stinkend.

Ich ging durch einen dunklen Gang. Der schwache Strahl seiner Taschenlampe beleuchtete teilweise vom Moos überwuchertes Mauerwerk, von jahrhundertealtem Moder durchsetzt und stinkend.

Ich gehe durch einen dunklen Gang. Der schwache Strahl meiner Taschenlampe beleuchtet teilweise vom Moos überwuchertes Mauerwerk, von jahrhundertealtem Moder durchsetzt und stinkend.

Du gehst durch einen dunklen Gang. Der schwache Strahl deiner Taschenlampe beleuchtet teilweise vom Moos überwuchertes Mauerwerk, von jahrhundertealtem Moder durchsetzt und stinkend.

Das ist vielleicht nicht der beste Beispielsatz dafür, aber mir wollte auf die Schnelle nichts Besseres einfallen. Was ich damit sagen will, ist, dass die Wahl der Zeitform genauso wie die Wahl der Perspektive (ich, er/sie, du, auktorial, personell, sonstwas) auch eine Frage von Nähe und Distanz ist.
Präsens ist näher am Leser dran bzw. lässt die Distanz zwischen Leser und Erzähler stärker verschwimmen. Das führt dann z.B. bei den "Tributen" zu so tollen Sätzen:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Wer sich nicht spoilern lassen will/es noch lesen möchte: Damit meine ich Sätze die den Leser emotional regelrecht ohrfeigen.
Für mich ist das also weniger ein Trend, vielmehr ein "Oh, eine Bestsellerautorin schreibt das so. Ich teste mal, ob meine Texte damit auch besser klingen". Manche tun es dann... und manche nicht :)

Waldhex

Also ich hoffe auch, dass das nur ein Trend ist. Wie auch andere hier mag ich 1. Person generell nicht und Präsens auch nicht.
Ich könnte jetzt auch nicht sagen, an was es genau liegt, aber auch bei Evanescas Beispielsätze kommt die 1. Person und insbesondere die 1. Person Präsens nicht gut an.