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Figuren mit Persönlichkeit statt langweilig oder platt

Begonnen von Cailyn, 24. Februar 2016, 09:43:06

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Araluen

Zitat von: Churke am 05. Juli 2016, 14:14:17
Ich weiß nicht, ob man das vergleichen kann, schließlich muss der Rollenspieler keine Sanktionen fürchten, wenn er die Vorgaben missachtet.
Das kommt auf den Spielleiter an. Ich ahnde so etwas, wenn es mir zu bunt wird. Aber das führt vom Thema ab.

Siara

Zum Thema Rollenspiele kann ich nichts beitragen. Was aber noch zu den Charakteren zu sagen ist: Meiner Meinung nach können flache Charaktere durchaus funktionieren und unterhaltend sein - aber eben in vielen Untergenres der Fantasy nicht. Stereotypen sind für mich vor allem etwas für abgedrehte und so gar nicht stereotype Handlungen, die der Natur nach immer ein wenig ins Komische tendieren. Wenn man Richtung Humoristik schreibt, können flache Charaktere sogar von Vorteil sein, weil sie Klischees widerspiegeln. Auf jeden Fall aber stehlen sie der Handlung nicht die Show.

Wenn es aber um eine spannende Geschichte geht, in der mitgefiebert werden soll, finde ich es schwieriger. Das hat den einfachen Grund, dass mich persönlich der Verlauf des Geschehens nur interessiert, wenn das Schicksal der Charaktere mir nahegeht. Es muss wichtig sein, ob sie leiden oder ihr Ziel erreichen. Zu eindimensionalen Charakteren finde ich keine Verbindung, weil ich kein eindimensionaler Mensch bin. Das ist das eine Problem. Das andere liegt in der Vorhersehbarkeit der Handlung. Eindimensionalität bedeutet für mich, dass die Figuren auf den ersten Blick zu durchschauen sind, sich nicht groß wandeln und auch keinen inneren Zwiespalt kennen. Wenn dann ein Problem auf sie zukommt, ist keine Frage, wie sie handeln oder wie ihr Antagonist darauf reagiert. Aber dieser Punkt wurde ja von anderen bereits angesprochen, darauf gehe ich jetzt nicht weiter ein.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Feuertraum

Zitat von: Araluen am 05. Juli 2016, 06:53:55
Optik des Avatars im Spiel entspricht Ausarbeitung einer Figur in einer Geschichte.

Nada. Das Aussehen einer Figur hat nichts mit ihrer Persönlichkeit zu tun.

ZitatEs hat auch niemand behautpete, dass ein Held ständig bitterliche Tränen weinen muss, weil sein Leben bisher ach so tragisch war.

Zitat von: SiaraEs muss wichtig sein, ob sie leiden

Ich habe jetzt einmal Siaras Satz bewusst gekürzt. Es zeigt genau das, was ich bei anderen Zirklern lese: Ja: Der Held muss Seelenqual und innere Konflikte haben. Er muss eine Leidensgeschichte in sich tragen, alles andere wäre sonst eindimensional.

ZitatDein Leben besteht hoffentlich auch nicht nur aus Tränen.

Dazu bekommen Sie noch eine PM von mir.

ZitatAber du hast eines. Es hat dich geprägt und aus dir das gemacht, was du jetzt bist. Darumg eht es auch bei der Gestaltung der Figuren. Ihnen muss Leben eingehaucht werden, nicht überdimensionierte Pseudomelodramatik.

Natürlich. Da bin ich mit Ihnen konform, was aber auch bei eindimensionalen Figuren wunderbar funktioniert. Einer Figur Leben einhauchen ist eine Sache. Ob sie dann aber eine Persönlichkeit ist, ist eine vollkommen andere Sache. Es mag durchaus sein, dass ich eine vollkommen andere Sicht auf den Begriff Persönlichkeit habe. Für mich sind Persönlichkeiten Menschen, denen etwas Besonderes anhaftet, die Menschen beeindrucken durch ihre Taten, die so anders sind als man erwartet.
Nehmen wir nur mal Ghandi, der gewaltlosen Widerstand gegen die britische Kolonialisierung und Armee anstrebte und damit sogar Erfolge erzielte (auch wenn sein "Kampf" sehr viele Menschenleben forderte).
Deshalb sehe ich es so: Einer Figur Leben einhauchen ist eine vollkommen andere Geschichte als sie zu einer Persönlichkeit zu machen.

ZitatNatürlich kann eine Geschichte mit einer 0815-Schablone funktionieren. Ich sage aber, dass sie mit etwas mehr in die Figur investierte Mühe, die nicht zwangsläufig 100 Seiten Melodrama Biografie beinhalten muss, nochbesser funktioniert hätte.

Wie gesagt: Das sehe ich anders. Allerdings gehöre ich auch eher zu den Autoren, die Wert auf die Geschichte, auf die Handlung legen, nicht auf das Seelenleben der Charaktere.


Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Siara

Zitat von: Feuertraum am 05. Juli 2016, 23:45:40
Zitat von: SiaraEs muss wichtig sein, ob sie leiden

Ich habe jetzt einmal Siaras Satz bewusst gekürzt. Es zeigt genau das, was ich bei anderen Zirklern lese: Ja: Der Held muss Seelenqual und innere Konflikte haben. Er muss eine Leidensgeschichte in sich tragen, alles andere wäre sonst eindimensional.
Stimmt. Alles andere wäre eindimensional. "Leid" muss (Wie auch Araluen schrieb) nicht bedeuten, dass die Figur schreiend und mit gebrochenem Herzen in ihren Tränen versinkt. Genauso wenig halte ich es für nötig, dass alle Protagonisten als hungernde Waisen aufwuchsen. Aber damit eine Handlung zustande kommt, braucht es eine Motivation, einen Antrieb. Die Figur muss ein Ziel haben, die ihre Lage verbessert oder zumindest verhindert, dass sie sich verschlechtert. Das ist es, was ich mit "Leid" meinte. Wenn nichts auf dem Spiel steht, ist mir auch egal, wohin die Handlung führt. Und wenn die Figur nicht vielschichtig genug ist, ist mir ebenso egal, ob es am Ende für sie schlecht ausgeht. (Ob sie "leidet" ;)).
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Trippelschritt

Ich sehe es ähnlich wie Siara und sie hat es wunderschön formuliert und erklärt, warum Eindimensionalität meistens langweilt. Ob der Held aber immer  unbedingt leiden muss, weiß ich nicht so genau. Es kann auch sein, dass er zweifelt, einfach nur verärgert ist, oder aber von Veränderungen überrascht wird, worauf er sein Leben oder seine Werte überdenken muss. Auf jeden Fall passiert etwas in ihm und er verändert sich oder kurz ausgedrückt: er lernt. Immer dicke Tränen zu weinen kann auch langweilig werden.

Liebe Grüße
Trippelschritt

FeeamPC

Ich gebe Feuertraum teilweise Recht. Mit der passenden Handlung braucht der Held keine ausgefeilte Persönlichkeit, siehe Terminator-Filme.
Er braucht nur einen Grund für seine Handlungen.
Aber mit dem Grund entwickelt sich in den meisten Geschichten dann eben doch eine Persönlichkeit, selbst wenn sie, wie bei Schwarzenegger, oberflächlich bleibt. Sie braucht dabei noch nicht einmal ausführlich beschrieben zu werden, Mini-Andeutungen reichen schon.

ZitatVerblüfft sah sie ihren Kommandanten an. War das der gleiche Mann, der bei den Ba-Kan um ihrer aller Leben gewettet hatte, ohne eine Miene zu verziehen? Aber vermutlich ging der Tod eines Sohnes nicht einmal an einem wie Eisenfaust spurlos vorbei.

In diesem letzten Satz liegt genug Persönlichkeit, um dem Leser einen emotionalen Anknüpfungspunkt zu bieten, und eine sehr actionreiche Handlung könnte vermutlich damit alleine schon bestehen.

Cailyn

Zitat von: Feuertraum am 04. Juli 2016, 17:25:38
Für mich zum Beispiel ist es eher wichtig, was die (bzw. meine) Protas erleben, in welche abstruse/skurille/absurde Situationen sie geraten und wie sie da wieder herauskommen. Darauf liegt zumindest mein Fokus, und ich finde es ehrlich gesagt nicht sonderlich prickelnd, wenn ich die Figur noch mit einem Charakter voller Stärken und Schwächen ausstatten muss...

Es ist natürlich Geschmackssache, ob man den Fokus stark auf den Plot ausrichtet, auf die Figuren oder beides. Aber ein Plot ohne dreidimensionale Figuren, halte ich für langweilig. Deshalb, weil auf der Plotebene ist ja sicher schon alles irgendwann einmal geschrieben worden. Alle Varianten von Abenteuern, Naturereignissen, Monstern, Magie, alle Konflikte der Welt hat es schon zig Mal gegeben. Es gibt nicht mehr viel Neues an Plot, was man noch erfinden könnte. Wenn ich also eine Geschichte lese, die zwar spannend ist, aber die Figuren quasi austauschbar sind, dann interessiert mich diese Geschichte nicht die Bohne. Da können Blitze einschlagen, ganze Dörfer verwüstet werden, Schlangen zu Drachen mutieren und Kriege entstehen - interessiert mich nicht. Alles schon gelesen, gehört, gesehen. Das Interessante ist für mich aber, wenn ich diese wiederkehrenden Themen durch eine Figur erlebe, die sich in irgend einer Weise von anderen unterscheidet.

Also, sagen wir mal, ein mutiger Krieger ohne Schwächen zieht in den Krieg und muss dort viele Kämpfe ausfechten. Langweilig. Was geschieht aber, wenn es kein Krieger ist, sondern ein Bettler mit Hinkebein und Platzangst? Da erhöht sich doch das Konfliktpotential massiv. Da möchte ich als Leserin viel eher wissen, wie es dieser Kerl es schafft, heil aus diesem Krieg wieder rauszukommen als der Krieger mit seiner blossen Manneskraft und dem Mut.

Das hat mit Sympathie, Identifikation und Empathie oder auch dem Gegenteil, mit Antipathie zu tun. Wenn mir jemand sympathisch oder unsympathisch ist, dann kommt da Dynamik rein zwischen mit als Leser und dem, was ich lese. Ich werde neugierig, die Spannung erhöht sich, es gibt mehr Konflikte, solche, die ich noch nicht kannte. Wenn der Konflikt nur darin besteht, dass sich ein x-Beliebiger aus einer Fesselung befreien muss, dann ist mir das echt wurst, ob der freikommt oder nicht. Ich hab ja keine Beziehung zu dem. Der kann mir total gestohlen bleiben. Wenn ich aber eine Persönlichkeit vor mir habe - auch wenn diese ganz anders tickt als ich -, dann fiebere ich mit, will weiterlesen und schauen, welche Lösung es für genau diese Person gibt, um sich aus den Fesseln zu befreien. Ein Sherlock Holmes löst sich sicher anders aus den Fesseln als ein McGyver oder eine Jeanne D'Arc. Und das ist es, was die Geschichte unverwechselbar und interessant macht.

Feuertraum

Zitat von: Cailyn am 06. Juli 2016, 10:59:11

Es ist natürlich Geschmackssache, ob man den Fokus stark auf den Plot ausrichtet, auf die Figuren oder beides. Aber ein Plot ohne dreidimensionale Figuren, halte ich für langweilig. Deshalb, weil auf der Plotebene ist ja sicher schon alles irgendwann einmal geschrieben worden. Alle Varianten von Abenteuern, Naturereignissen, Monstern, Magie, alle Konflikte der Welt hat es schon zig Mal gegeben. Es gibt nicht mehr viel Neues an Plot, was man noch erfinden könnte. Wenn ich also eine Geschichte lese, die zwar spannend ist, aber die Figuren quasi austauschbar sind, dann interessiert mich diese Geschichte nicht die Bohne. Da können Blitze einschlagen, ganze Dörfer verwüstet werden, Schlangen zu Drachen mutieren und Kriege entstehen - interessiert mich nicht. Alles schon gelesen, gehört, gesehen. Das Interessante ist für mich aber, wenn ich diese wiederkehrenden Themen durch eine Figur erlebe, die sich in irgend einer Weise von anderen unterscheidet.

Also, sagen wir mal, ein mutiger Krieger ohne Schwächen zieht in den Krieg und muss dort viele Kämpfe ausfechten. Langweilig. Was geschieht aber, wenn es kein Krieger ist, sondern ein Bettler mit Hinkebein und Platzangst? Da erhöht sich doch das Konfliktpotential massiv. Da möchte ich als Leserin viel eher wissen, wie es dieser Kerl es schafft, heil aus diesem Krieg wieder rauszukommen als der Krieger mit seiner blossen Manneskraft und dem Mut.

Das ist mbMn. ein Widerspruch in sich. Klar gibt es auf der Plotebene kaum noch etwas, was wirklich neu ist. Wirklich viele neue Ideen sind heutzutage auch Mangelware. Im Prinzip gibt es irgendwo einen riesigen Topf mit den ganzen Ideen, und man braucht sich nur noch die passendste herauszusuchen. Davon abgesehen werden neue Ideen teilweise extremst scharf kritisiert und/oder sich darüber lustig gemacht (nehmen wir nur mal die glitzernden Vampire aus Twilight).
Um bei ihrem Beispiel zu bleiben: Nehmen wir den Bettler mit Hinkebein und Platzangst, von dem Sie wissen wollen, wie er aus der Geschichte wieder mit heiler Haut (oder zumindest ein paar maximal kleinen Blessuren) wieder herauskommt.
Greifen Sie in den Topf.
Irgendwo gab es seine Gedanken, seine Gefühle, seine Ideen. Und sie ändern ja nichts wirklich am Plot.

ZitatWenn ich aber eine Persönlichkeit vor mir habe - auch wenn diese ganz anders tickt als ich -, dann fiebere ich mit, will weiterlesen und schauen, welche Lösung es für genau diese Person gibt, um sich aus den Fesseln zu befreien.

Und genau das ist es ja: Weder der Held ohne Schwäche als auch der mit Hinkebein und Platzangst sind - zumindest für mich - keine Persönlichkeiten. Sie machen - zumindest für mich - nichts Herausragendes, für das ich sie bewundern kann.


ZitatEin Sherlock Holmes löst sich sicher anders aus den Fesseln als ein McGyver oder eine Jeanne D'Arc. Und das ist es, was die Geschichte unverwechselbar und interessant macht.

Das finde ich nun dahingehend interessant, dass Sie gerade McGyver erwähnen. Er ist es nämlich, den Sie (und so manch anderer) als eindimensionale Figur ansehen. Und die Ideen, die er hat, um aus einer misslichen Lage herauszukommen, sind ja nun wieder Plot und Idee, kein Gefühl.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Cailyn

#68
Nun, aber die Persönlichkeit eines Menschen festigt sich ja über die Erlebnisse seines Lebens. Wenn ich z.B. im Rollstuhl sässe, bin ich überzeugt, wäre ich nun jemand ganz anders geworden. Ich hätte eine andere Sicht auf die Welt, würde vielleicht anders handeln und mich für andere Sachen interessieren. Daruk ist unser Hinkebein mit bestimmtheit ein anderer als er es ohne Hinkebein wäre. Zunächst einmal aus praktischer Sicht, aber auch von der Psyche her. Nehmen wir an, Hinkebein hatte einen schweren Reitunfall in seiner Jugend. Er wollte Reiter werden, musste aber diesen Traum aufgeben. Was löst das in ihm aus? Vielleicht wurde er neidisch auf die anderen. Vielleicht fühlt er sich wertloser als andere. Vielleicht musste er lernen, auch mit seiner Behinderung anders klar zu kommen. Da gibt es zig Möglichkeiten. Aber alle formen letzten Endes seinen Charakter. Und ich behaupte mal, dass diese Vorgeschichte ihn gerade interessant macht, um herauszufinden, ob er sich im Krieg behaupten kann. Da steht viel mehr für ihn auf dem Spiel als "bloss" das Überleben. Womöglich will er sich etwas beweisen, sich wetvoller fühlen, wenn er lebend aus diesem Kampf herauskommt. Das hat sehr wohl mit dem Plot zu tun, weil der Plot damit spannender wird. Je mehr auf dem Spiel steht, desto mehr Spannung kommt rein.

Ich behaupte mal fech, dass das Hinkebein für 90% der Leser interessanter ist als ein x-beliebiger Krieger, dessen einzige Funktion es ist zu kriegen. Und ich vermute Mal, dass Ihre persönlichen Präferenzen anders liegen als bei der Mehrheit der Leser. Dass Sie Hinkebein nicht bewundern können, finde ich deshalb schade. Wenn ein solcher Held - trotz seiner Behinderung - es schafft, am Leben zu bleiben und vielleicht sogar einen entscheidenden Beitrag zu leisten, finde ich das viel bemerkenswerter.

Zu McGyver: ja, der ist schon eindimensional. Aber er stellt einen Typus dar, der viele anspricht und doch auch sehr viel Eigenes hat. McGyver mag als Persönlichkeit nicht viele Ecken und Kanten haben. Aber er hat eine extrem ausgeprägte Eigrnschaft: er löst die Probleme auf wundersame Weise mit oft total banalen Werkzeugen, die er sich selber bastelt. Das ist schon cool. Aber lesenswert wäre er für mich auf Dauer nicht. Ich habe ihn nur deshalb aufgeführt, um zu zeigen, wie unterschiedlich Personen auf einen Plot einwirken.  McGyver wäre für mich typisch für einen Heftroman.

Grundsätzlich kann man schon auch plotrelevant schreiben. Die Figuren müssen nicht im absoluten Mittelpunkt stehen. Aber nur Plot mit austauschbaren Figuren ist auch für den Plot selbst schädlich. Spannende Figuren teiben einen Plot voran, erhöhen die Spannung. Wer will das nicht?

Was ich nicht so verstanden habe: Was meinen Sie mit Gefühl?
Mir den mehrdimensionalen Charakteren geht es nicht per se darum, dass Figuren ihre Konflikte mit Gefühlen lösen müsse. Aber das Gefühl soll beim Leser entfacht werden (Sympathie, Antipathie etc.).

Warum probieren Sie es nicht mal aus und schreiben eine Szene aus Ihren Texten figurenbetont um? Geben Sie jeder Ihrer Figuren eine Schwäche und schauen Sie, was passiert? Würde mich sehr interessieren, was dabei rauskommt.


Araluen

#69
@Cailyn: Wirklich schön gesagt. Dem kann ich mich nur anschließen.

Edit:
Zitat von: Feuertraum am 05. Juli 2016, 23:45:40
Nada. Das Aussehen einer Figur hat nichts mit ihrer Persönlichkeit zu tun.
Vermutlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Es war ein vergleichendes Beispiel aus einem völlig anderem Bereich. Natürlich verhält es sich damit wie mit Äpfeln und Birnen. Es sollte der Veranschaulichung dienen. Anscheinend hatte es den Effekt nicht. Kein Problem.

Trippelschritt

Es ist immer schwierig, mit Beispielen zu argumentieren. So sind die Protagonisten im ersten Terminatorfilm alles andere als eindimensional. Es sind Menschen, die plötzlich und unerwartet mit einer anderen Zeitebene konfrontiert werden. Der Terminator selbst ist nur eine Maschine. Im Film geht das ein wenig unter, weil Arnie in schwarzer Lederjacke höchst effektiv herumballert. Aber er ist nicht der Protagonist. Und bei den Folgefilmen passiert das, was immer passiert, wenn man einem Erfolgsfilm Forstsetzungen nachschiebt. Sie werden schlechter, klischeehafter und betonen das, was für den ersten Verkaufserfolg gesorgt hat. Nicht das, was gut war.
Ich glaube niemand hat gesagt, dass eindimensionale Figuren und ausrechenbare Plots sich nicht verkaufen lassen. Sie haben ihr Publikum. Aber das sind nicht unbedingt andere Autoren oder Liebhaber qualitativ guter Geschichten.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Siara

Zitat von: FeuertraumUm bei ihrem Beispiel zu bleiben: Nehmen wir den Bettler mit Hinkebein und Platzangst, von dem Sie wissen wollen, wie er aus der Geschichte wieder mit heiler Haut (oder zumindest ein paar maximal kleinen Blessuren) wieder herauskommt.
Greifen Sie in den Topf.
Irgendwo gab es seine Gedanken, seine Gefühle, seine Ideen. Und sie ändern ja nichts wirklich am Plot.
Für mich ändert es sehr wohl etwas am Plot. Zum einen wirken sich ihre Gedanken und Erfahrungen natürlich auf ihre Handlungsweisen aus, die den Plot bestimmten. Aber gut, sicher könnte man sie auch schlicht auf die gewünschte Weise handeln lassen, ohne dafür eine tiefgreifendere Erklärung zu liefern. Wichtiger ist mir aber etwas anderes: Das Geschehen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Durch die Augen eines anderen. Der Plot ist das Grundgerüst, der Rahmen der Geschichte. Gefüllt wird er mit den Menschen, die sich mittendrin befinden. Ihre Gefühle und Gedanken (soweit ich sie kenne) bestimmen maßgeblich auch meine Sicht mit. Wäre Harry Potter aus Snapes Sicht erzählt worden, hätte sich eine völlig andere Geschichte ergeben, andere Sympathien, andere Konflikte, auch innere. Aber nur, weil Snape ein vielschichtiger Charakter ist. Wäre er einfach nur ein Statist, der seine Rolle erfüllt, hätte die Geschichte nicht viel zu bieten. Tiefe in den Charakteren verleiht auch dem Plot Tiefe.

Zitat von: FeuertraumUnd genau das ist es ja: Weder der Held ohne Schwäche als auch der mit Hinkebein und Platzangst sind - zumindest für mich - keine Persönlichkeiten. Sie machen - zumindest für mich - nichts Herausragendes, für das ich sie bewundern kann.
Natürlich reicht eine Schwäche oder irgendeine andere Art von Vielschichtigkeit nicht aus, um eine gute Geschichte zu erzählen. Aber andersherum gilt für mich dasselbe: Wenn die Figur keine Tiefe besitzt, kann sie auch auf spektakulärste Weise die Welt retten, ohne das ich auch nur einen Funken Bewunderung aufbringe. Aber wenn Sie sagen, dass ein körperlich eingeschränkter Mann, der sich dennoch in den Krieg wagt und sich dort seinen Schwächen stellt, keine Persönlichkeit ist - was genau macht dann für Sie eine Persönlichkeit aus? Was genau bringt Sie dazu, die Figuren zu bewundern?
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Churke

Zitat von: Feuertraum am 06. Juli 2016, 12:28:15
Irgendwo gab es seine Gedanken, seine Gefühle, seine Ideen. Und sie ändern ja nichts wirklich am Plot.

Was tun Ihre Figuren, wenn sie in einem Dilemma stecken?
Bei flachen Figuren können sie natürlich würfeln. Aber wenn eine Figur eine Persönlichkeit hat, dann wird sie sich aufgrund ihrer Persönlichkeit entscheiden. Das ist ein absoluter Plot-Driver.
Ein Beispiel:
Karl V. hätte Martin Luther als Ketzer verbrennen lassen können. Was ist schon ein kleiner Wortbruch gegen die Einheit der Christenheit?

Mondfräulein

Ich weiß nicht, ob wir hier im Forum mal darüber geredet haben oder ob ich das aus dem Studium kenne, aber ich würde da sogar noch nach schwachen und starken Situationen differenzieren. Starke Situationen sind solche, in denen die meisten Menschen gleich handeln würden, weil es die soziale Norm so vorgibt, also beispielsweise eine rote Ampel für Autofahrer. Schwache Situationen geben weniger soziale Normen vor und interindividuelle Unterschiede kommen eher zum Vorschein. Natürlich gibt es da auch Ausreißer, beispielsweise der, der sich nicht um Regeln schert und sowieso über jede rote Ampel brettert, auch soziale Normen unterscheiden sich mituntert stark voneinander. Aber aufs Schreiben bezogen würde ich dann sagen: Wenn ich Figuren in starke Situationen stecke, sollte ich schauen, ob diese Situation überhaupt noch etwas über sie aussagt. Wenn meine Figur brav an jeder roten Ampel hält, dann sollte ich vielleicht überlegen, ob ich sie nicht eher in eine Situation stecke, die mehr über sie aussagt, oder in ein Dilemma, in dem sie aufgrund von ihrer Persönlichkeit entscheiden und nicht aufgrund von sozialen Normen. Oder: Ich sollte meine Figuren in Situationen bringen, in denen ich dem Leser etwas über ihre Persönlichkeit vermitteln kann, in denen er etwas über ihre Persönlichkeit erkennen kann, das heraus sticht und sie für ihn genauer definiert und umreißt.

Trippelschritt

Das, finde ich, ist ein guter Hinweis, der mich auf einen Gedanken bringt.
Eine gute Methode, etwas über eine Person auszusagen, ist, ihn durch seine Handlungen zu charakterisieren. Wenn eine Person flach ist, dann gibt es nicht viel zu charakterisieren, wenig interessante Handlung und auch kaum einen interessanten Plot. Es sei denn man findet eine Leserschaft, die gern etwas ganz bstimmtes immer wieder und wieder liest. Dem Prinzip folgen z.B. Heftromane und die stillen auch ein ganz bestimmtes Bedürfnis mit ihrem vom Verlag festgelgtem Schema.

Liebe Grüße
Trippelschritt