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Urheberrecht "Mein Kampf"

Begonnen von Imperius, 12. Januar 2016, 21:59:45

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Imperius


Hier einmal aus aktuellem Anlass etwas zum Urheberrecht in dem besonderen Fall des Buches ,,Mein Kampf".

Nachfolgend handelt es nur einmal um eine oberflächliche und unverbindliche Darstellung, wie sich die juristische Lage darstellen könnte.  Ohne Anspruch auf irgendwas und erst recht nicht auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Und wer was zu dem Thema beisteuern kann  oder will oder Anregungen hat, mag dies bitte gern tun.   

Ein Buch wie ,,Mein Kampf" steht grundsätzlich unter dem Urheberschutz. Was andere von dem moralischen oder sittlichen Inhalt halten oder ob der Inhalt gegen Gesetze verstößt, ist erst einmal egal.

Urheber und damit Inhaber des Urheberrechts war zunächst der Verfasser Adolf Hitler.
Aufgrund der Vererblichkeit des Urheberrechts gehörte dieses zur Erbmasse Hitlers. Der Nachlaß wurde nach dem Ende des Dritten Reichs zugunsten Bayerns eingezogen.

Bayern nutzte dann seine negative Veröffentlichungsfreiheit.

Das Urheberrecht ist 70 Jahre nach dem Tod Hitlers nun zum 31.12.2015 erloschen. Ab dem 01.01.2016 dürfte es nach herrschender juristischer Auffassung unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten jedem erlaubt sein, ,,Mein Kampf" zu verbreiten und zu vervielfältigen.

Juristisch wäre bei einer entsprechenden Verbreitung aber zu prüfen, ob eine Strafbarkeit vorliegt. Nach herrschender Meinung wäre der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Das nach herrschender Meinung dann aber nicht, wenn es sich um eine wissenschaftliche Ausgabe mit Kommentaren handelt, die aufklärend den Aussagen des Werks entgegentreten.

( Im Streitfall entscheidet ein Gericht. )

Maja

Man sollte auch darauf hinweisen, dass "Mein Kampf" zu keinem Zeitpunkt in Deutschland verboten war. Kommentierte, aber auch unkommentierte antiquarische Versionen durften und dürfen noch immer gehandelt werden.

Interessant zu diesem Thema auch ein Artikel im Bildblog: http://www.bildblog.de/75385/nicht-alles-was-hitler-ist-ist-verboten-3/
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Imperius

 
Zitatauch unkommentierte antiquarische Versionen durften und dürfen noch immer gehandelt werden.

So ist es. Das hat der BGH 1979 auch entschieden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.07.1979, 3 StR 182/79
( Freispruch eines Betreibers eines Antiquitätengeschäfts )

LinaFranken

#3
Danke für diese ausführliche Information.  :jau: Ich habe schon vor kurzem gehört, dass 2016 kommentierte Versionen erscheinen sollen, wusste aber nicht warum das 2016 plötzlich passieren sollte. Ich bin an einer wissenschaftlich kommentierten Version jedenfalls sehr interessiert, gleichzeitig aber auch etwas skeptisch, welche Qualität die Kommentare haben werden. Auf ein Vorwort, in dem steht, das man das alles nicht nachmachen soll, kann ich schon verzichten. Vielmehr würden mich genauere geschichtliche und psychologische Analysen zu den einzelnen Passagen interessieren. Ich habe auch schon versucht mir einen Online-Überblick zu verschaffen, jedoch tauchen die Bücher alle mit dem Vermerk "Ende Januar lieferbar" oder Ähnlichen auf. Scheint als würde da eine ganze Flut von überarbeiteten und kommentierten Ausgaben erscheinen. Jetzt muss ich mir natürlich gründlich überlegen, welche ich mir da herauspicke. Für Vorschläge wäre ich auch dankbar, falls jemand eine gut kommentierte Version erwischen sollte.

Das es nie Verboten war, hat mich doch überrascht, da ich glaube, dass eine Bekannte mal ein Exemplar aus einem Nachlass verkaufen wollte und es überall abgelehnt wurde.

Churke

Übrigens wird Hitlers zweites Buch ohne Skandalisierung seit 1961 verlegt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hitlers_Zweites_Buch

Ich fand das auch interessanter als Mein Kampf.


Zitat von: Lina Franken am 13. Januar 2016, 16:49:00
Das es nie Verboten war, hat mich doch überrascht, da ich glaube, dass eine Bekannte mal ein Exemplar aus einem Nachlass verkaufen wollte und es überall abgelehnt wurde.

Und meinem Großeltern wurde's geklaut.
Zusammen mit Das Kapital und Im Westen nichts Neues.




Romy

Letztes Jahr auf dem Bibliothekartag wurde in einem Vortrag zu dem Thema eine kommentierte Ausgabe des Instituts für Zeitgeschichte vorgestellt. Dort sollen die Kommentare darüber informieren, wo Hitler gelogen, beschönigt, herauf- oder herabgespielt hat etc. und die Fakten richtig gestellt werden. Selbst in der Hand hatte ich es noch nicht, aber was da erzählt wurde, klang auf jeden Fall sehr gut, deshalb beabsichtige ich die Ausgabe für die Bibliothek, in der ich arbeite, anzuschaffen (sobald unser Haushalt frei ist, was leider dauern kann ::) ).

Eigentlich sollte das Buch seit dem 8.1.2016 erschienen sein, aber im VLB steht es gerade als "nicht lieferbar" ... Bei KNV steht zusätzlich drin: "Momentan nicht lieferbar, der Verlag plant einen Nachdruck zum Januar 2016." Von daher vermute ich mal, dass die erste Auflage jetzt schon vergriffen ist.
Ziemlich teuer ist es mit 59 Euro leider auch, aber ich denke über kurz oder lang werden viele Bibliotheken dieses Buch (oder eventuelle andere kommentierte Ausgaben) im Bestand haben, da würde ich es mir eher dort ausleihen.

LinaFranken

@Romy
Weißt du vielleicht den Namen des Kommentators oder ISBN-Nr ? Manchmal findet sich was über ebay.
Ich bestelle oft über einen Sachbuchverlagag (Name: WBG), der auch spezielle Sonderauflagen und Sammlerausgaben rausbringt, aber die haben im Moment auch nichts bei ihren Neuerscheinungen.
Zitat
Ziemlich teuer ist es mit 59 Euro leider auch, aber ich denke über kurz oder lang werden viele Bibliotheken dieses Buch (oder eventuelle andere kommentierte Ausgaben) im Bestand haben, da würde ich es mir eher dort ausleihen.
Ähm... Nope.  :P Mein Sammler-Herz schreit da viel zu Laut "Größte Sachbuch-Bibliothek der Welt haben will"  ;D

Romy

Die ISBN ist Folgende: 9783981405231

Zu den Autoren steht im VLB (bzw. buchhandel.de)
ZitatAutoren/Herausgeber: Christian Hartmann, Othmar Plöckinger, Roman Töppel, Thomas Vordermayer (Hrsg.)
Weitere Mitwirkende: Edith Raim, Angelika Reizle, Martina Seewald-Mooser, Pascal Trees

Joa, wenn Du das Buch für Deine Privatbibliothek brauchst, dann kann man da wohl nichts machen, dann musst Du es kaufen. ;D Aber wenn jemand nur mal reinlesen will, dann lohnt es sich nicht so viel Geld auszugeben.


Slenderella

Mein Vater hat vor einer ganzen Weile den Nachlass eines entfernten Bekannten über 10 Ecken begutachtet. Der Herr hatte eine komische Sammelleidenschaft ... ihr könnt euch denken, was der gesammelt hat. Unter anderem ein "Mein Kampf" - in Perlmutt eingeschlagen ... mit einer Widmung - Handschriftlich: "Für EVA!" Ob es jetzt wirklich für DIE Eva war, hätten sicher Historiker klären können, wenn die sich mal die Handschrift angesehen hätten.
Das wollte keiner mit der Kneifzange anfassen, geschweige denn kaufen. 
Ich brauch noch eine Katze
Und ein Beil wär nicht verkehrt
Denn ich gehe heute abend
Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Zit

Ich denke, kommentierte Versionen für den Schulunterricht (Oberstufe) wären sicher nicht verkehrt.
Ansonsten wird mir schlecht, wenn ich daran denke, wie viel Reibach damit wohl nun gemacht wird.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Maja

Ich denke nicht, dass es auf Reibach hinausläuft. Eher auf kostenlose Ebooks, so wie mit den meisten gemeinfreien Büchern. Viele werden das Buch haben wollen, wenige dafür bezahlen, und ob es am Ende dann gelesen wird, sei dahingestellt - auch im Dritten Reich war "Mein Kampf" zwar ein Buch, das die allermeisten im Regal stehen hatten, aber dann nicht gelesen haben.

Die Gefahr - und ich halte sie für groß - geht heute von ganz anderen Dingen aus als von der Frage, wie leicht "Mein Kampf" verfügbar ist.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

LinaFranken

#11
Zitat von: Maja am 14. Januar 2016, 19:40:07
Die Gefahr - und ich halte sie für groß - geht heute von ganz anderen Dingen aus als von der Frage, wie leicht "Mein Kampf" verfügbar ist.
Da stimme ich definitiv zu.

Ich wage sogar noch weiter zu gehen und zu unterstellen, das Personen, die dem Inhalt idealistisch zugeneigt sein könnten, mit dem Lesen eines ganzen Buches, das auch noch in etwas veralteter Ausdrucksweise geschrieben ist, ohnehin überfordert wären. Diese Personen ziehen ihr Halbwissen aus schlichteren Quellen. Ich denke, es ist in etwa das selbe Prinzip, wie wenn ich als Atheist einem gläubigen Christen Passagen aus der Bibel zitiere und in verständnislose Augen blicke, weil mein Gegenüber mit dem Grundwerk seines Glaubens nur ein Mal Daumenkino gemacht. Ich möchte natürlich nicht Religion mit Nationalsozialismus in einen Topf werfen, sondern beziehe mich hierbei nur auf das Verhältnis zwischen dem Folgen einer Idee und dem tatsächlichen Ahnung haben über den Ursprung dieser Idee.
Ich nehme auch an, dass die meisten, die das Buch jetzt wirklich lesen werden, eher Geschichts-Interessenten sind oder Personen die sich in irgendeiner Weise mit Literatur, Geschichte und Politik im größeren Ausmaß beschäftigen.
Ich zum Beispiel komme aus Osteuropa und interessiere mich für die politischen Verhältnisse zwischen Russland und Deutschland, die ich auch in meinem Buch bearbeite. Daher möchte ich auf jedem Fall gründlich recherchieren über die NS-Ansichten zum Thema des slawischen Volkes.

Edit: @Romy  Danke für die ISBN

Aphelion

Zitat von: Zitkalasa am 14. Januar 2016, 14:13:23
Ansonsten wird mir schlecht, wenn ich daran denke, wie viel Reibach damit wohl nun gemacht wird.
Eher weniger. Das Buch ist über das Ausland (mit anderem Urheberrecht) schon immer verkauft worden. Vor Jahren gab es einen riesigen Aufschrei, an den ich mich noch gut erinnere, wegen einer Publikation in England. Die dramatischsten Szenarien wurden über verschiedene Medien hinweg wie der Teufel an die Wand gemalt. Tatsächliche Konsequenzen? Die Veröffentlichung erhielt kurzzeitig viel Aufmerksameit, und heute haben die meisten schon wieder vergessen, dass es sie gibt.

Neo-Nazis haben ohnehin ihre Bezugsquellen - auch für illegales Material - und der Mythos um ein (nicht vorhandenes) Verbot füttert eher ihre Selbstdarstellung als unterdrückte Märtyrer.

JarlFrank

Leute, die sich der Ideologie hingezogen fühlen, haben das Buch sowieso schon vorher irgendwie in die Hände bekommen, da es online einen ganzen Haufen PDFS davon kostenlos zum Herunterladen gibt. Jetzt ist es halt nur wieder für eine breitere Masse zugänglich, da es offiziell erhältlich sein wird. Im Ausland war es eh schon immer (wenn auch meist in Übersetzung) erhältlich, und andere Werke Hitlers sind ebenso einfach zugänglich, wenn man danach sucht, wie die Monologe im Führerhauptquartier oder sein Politisches Testament, ebenso auch Werke anderer nationalsozialistischer Politiker. Das ist alles kein Ding.

Hier wird immer so ein Trara darum gemacht, als würden alle zu Nazis werden, wenn sie Mein Kampf in die Hände bekommen. Die ganzen Neo-Nazi Skinheads haben sowieso kein Interesse daran, sich mit ideologischen Schriften auseinanderzusetzen, die wollen nur prügeln. Und die, die ein tatsächliches Interesse an der Ideologie haben, haben sich sowieso schon mit den Inhalten auseinandergesetzt. Wenn jetzt gewisse Werke freier zugänglich sind, führt das nicht dazu, dass jetzt plötzlich viel mehr Leute ein Interesse daran entwickeln - aber natürlich werden viele das Werk kaufen, weil so ein Trara darum gemacht wird. Erst dadurch wird es auch für Leute interessant, die nichts mit Nationalsozialismus am Hut haben. Große Diskussionen im TV, in jeder Zeitung ein Artikel darüber, große Ankündigung der kommentierten Ausgabe... ist doch klar, dass durch den Medienrummel Interesse geweckt wird.

Es ist auch Quatsch, so zu tun, als wäre das das einzig wichtige Werk, wenn es um NS-Ideologie geht. Nach 1945 hat sich da auch noch einiges getan, was NS bzw. faschistische und rechtsreaktionäre Theorie und Philosophie betrifft, und diese Werke sind auch frei und legal erhältlich: die meisten Werke von z.B. Savitri Devi und Julius Evola kann man sogar bei amazon.de bestellen, und die sind meines Erachtens nach relevanter für die heutige Zeit. Führt trotzdem nicht zu einem rapiden Zuwachs an Rechten, da das eh keiner kennt, der sich nicht dafür interessiert.

Das Interessanteste an der Sache, aus Sicht eines Lesers und Schriftstellers, ist eigentlich der Verfall des Copyrights. Wie genau funktioniert das? Trifft das auf jedes Werk zu, das ein gewisses Alter überschreitet, oder bleiben die Rechte möglicherweise bei einem Erben, unter gewissen Umständen (Tolkiens Nachkommen verwalten ja auch noch sein Werk und Erbe, und wären sicher nicht so erfreut, wenn das Copyright verfallen würde und dann jeder Hinz und Kunz seine Fanfictions legal verkaufen könnte).

FeeamPC

Für jedennormalen Menschen und sein Werk verfällt das Copyright derzeit 70 Jahre nach seinem Tod, genauer gesagt, mit dem Ablauf des entsprechenden Jahres. Solange dürfen die Erben damit wirtschaften.
Ausnahme: Disney. Disney hat bislang immer, wenn das Copyright für seine Figuren abzulaufen drohte, eine Verlängerung im US-Parlament durchgeboxt. Also nix von wegen zum Schutz der Urheber und zu Gunsten der Allgemeinheit. Copyright in diesem Falle ganz eindeutig zum Schutz der sehr gewinnträchtigen Belange eines Konzerns.