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Mr. Nanowrimo 2015 - Die Finalrunde

Begonnen von Lothen, 04. Januar 2016, 17:01:12

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Lothen

Liebe Forenmitglieder,

der November ist im Tintenzirkel ein besonderer Monat. Das wissen sowohl jene, die am Nanowrimo teilnehmen und sich in den überbordenden Trubel unseres Unterboards stürzen als auch jene, die in der gleichen Zeit durch das plötzlich gespenstisch leere Forum irren, in dem jeder neue Beitrag plötzlich im weiten Raum widerhallt. In den vergangenen Jahren hat der Nanowrimo einige Traditionen hervorgebracht, und eine davon ist die Wahl zum Mr. Nanowrimo. Oder anders: die Suche nach der allercoolsten Sau, die unsere Romane zu bieten haben.

Traditionen verändern sich, und so auch diese hier: Letztes Jahr haben wir den Wettbewerb ungeachtet seines Namens für alle Geschlechter geöffnet. Teilnehmende müssen in diesem Sinn nur noch zwei Kriterien erfüllen: Sie müssen Romanfiguren aus einem Nanowrimo-Projekt sein - und verdammt cool! Der Sieger erhält die von Kamen gestiftete, ultimative Trophäe (siehe Anhang), Jubel, Begeisterung und eine Portion Extra-Coolness für heiße Tage. Oh, und nicht zu vergessen: Eine Laudatio von Tymur, unserem letztjährigen Preisträger!

In der ersten, boardinternen Abstimmungsrunde sind drei Finalisten bestimmt worden, die sich jetzt im allgemeinen Tintenzirkelboard der Finalabstimmung stellen. Bis zu diesem Finale war es für die drei ein steiniger Weg. Denn die drei Sieger mussten, um ihre ultimative Coolness unter Beweis zu stellen, eine Nacht in einem schottischen Spukschloss verbringen, auf Bloodcurling Castle.

Gespannt harren wir jetzt der spannenden Geschichten, die die drei bei ihrem unfreiwilligen Aufenthalt erlebt haben.

Nachfolgend findet ihr die Berichte unserer drei Finalisten. In den Spoilern sind zusätzlich die Infos zu Aussehen, erstem Auftritt und Talenten versteckt, damit ihr euch ein noch besseres Bild machen könnt, für wen ihr da abstimmt. Die Abstimmung ist geöffnet bis 1. Februar, 19.03 h (ja, auf die Minute ;D), jeder nur ein Kreuz.

Und das sind unsere Finalisten 2015:

Damura
Dracula
Hades

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]

Lothen

#1
DAMURA
Die Eisige Jungfrau

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Damuras Reiseprotokoll: Was geschah auf Bloodcurling Castle

Noch bevor das Taxi zum Stehen kam wurde die Tür aufgestoßen und eine Gestalt polterte auf den von Unkraut zerfressenen Gehweg. In unflätigsten Tönen fluchend strich sich Damura ihre Kleider glatt und warf einen unheilvollen Blick auf das viel zu neumodische Gefährt zurück.
,,Verdammte [piep] nochmal! Das wollte uns doch umbringen!"
Deutlich sorgfältiger schälte sich auch Dracoola aus dem Auto und zupfte sich den eleganten Kragen zurecht. ,,Nanana, meine Dame, wir wollen doch hier einen kühlen Kopf bewahren. Dieses Auto ist wunderbar und sogar mit Airbags ausgestattet, die -"
,,Är-was?! Für'n [piep]! Es hat uns in seinen stählernen Körper geschluckt! Und war schneller als das beste Ross! Wer weiß, was es noch mit uns machen wollte, dieses... dieses 'Taxi'! Gemeingefährliche Zustände sind das hier in Rottland!"
,,Schottland", seufzte Hades, dessen blau gegelter Schopf nun ebenfalls aus dem Wagen auftaucht. ,,Wirklich, Damura, du stellst dich an. Es ist ein ganz. Normales. Taxi."
,,Das sagst du jetzt! Warte, bis du dich alleine wähnst und es dann plötzlich zähnefletschend hinter dir auftaucht!"
,,Autos haben keine Zähne."
,,Bullenscheiße! Aber wenn das Taxi erst der Anfang ist... welche Schrecklichkeiten erwarten uns dann erst im Blattkürdling Kassl...?"

Das uralte Gemäuer betraten die drei Abenteurer glücklicherweise getrennt voneinander. Leise seufzte der Wind durch das blind gewordene Fenster zu Damuras Linken, das nur schwache Lichtstrahlen in die Schatten der Eingangshalle ließ. Staub wirbelte unter jedem ihrer Schritte auf. Von weißen Laken verhüllte Möbel und ein dicker, wild gemusterter Teppich boten keinen fröhlichen Anblick und doch fühlte sie sich auf Anhieb wohl. Verdammt nochmal, das war wenigstens ein anständiges Gebäude ohne blinkende Lichter, merkwürdig gekleideter Leute und vor allen Dingen: Hier schien weit und breit kein Taxi zu sein.
Ein Lächeln stahl sich auf ihre Züge. Vielleicht würde diese Nacht doch noch angenehm werden.

Mit jedem weiteren Raum, den sie durchschritt, wuchs ihre Behaglichkeit ein wenig mehr. Herrliche Gemälde finster dreinblickender Herrschaften! Verwinkelte Räume und knarzende Treppen, deren Geländer von Schnitzereien verziert waren! Und erst das geräumige Bett, auf dem noch die dicken Decken lagen und sie zum Verweilen einluden. Gerade wollte sie es sich gemütlich machen, vielleicht ein paar kleine Eisskulpturen für die Nachwelt erschaffen, als ein spitzer Schrei sie aufschreckte.

,,[Piiiiep]! Darf man sich hier nicht mal ausruhen? [Pieppiep] nocheins!" Trotz Damuras Gefluche dauerte der gellende Schrei an und das in einer Tonlage, die derart hoch war, dass sie sich wunderte, die Fenster noch heil zu sehen. Entnervt ließ sie den kleinen Eiszapfen fallen, den sie gerade noch mühsam aus einigen Regentropfen auf der Fensterbank geformt hatte, und trat in den Gang hinaus.
Plötzliche Stille umfing sie.
Ihr Atem gefror vor ihren Lippen zu zarten Wölkchen. Deshalb war es ihr also plötzlich so angenehm gewesen. Endlich war eine erfrischende Kühle zu spüren und behaglich fröstelte sie. So musste das sein.
Doch woher war dieser Schrei gekommen, wo mochte das Mädchen wohl sein?
Die dunklen Gänge durchquerend, wurde es immer kälter. Kleine Kristalle begannen, das Fenster zu überziehen, an dem sie vorbei schritt.
Dort! Ein Schatten! Zusammengekauert in einer Ecke gleich neben der hässlichen, pink bemalten Vase! Der Schatten wimmerte. Als sie näher kam, erkannte sie blau glänzende Haare und ein bleiches Gesicht, aus dem sie große Augen anstarrten.
,,Hades?!"
,,Ha-hast du es g-gesehen?"
,,Was?"
,,D-das M-mädchen..." Hades war bleich wie der Tod. Irgendetwas an dem Vergleich kam ihr ominös vor, doch bevor sie den Finger drauflegen konnte, zuckte Hades wie von einer Splitterspinne gestochen zusammen und kreischte in höchsten Tönen, während er wild an ihr vorbei deutete. Wer hätte ahnen können, dass an Hades eine Schreikönigin verloren gegangen war?
Damura fuhr herum. Vor ihr stand ein niedliches kleines Mädchen.
Gut. Ihr weißes Nachthemd war zerrissen, ihre Gestalt nahezu durchscheinend, doch so waren Geister eben. Bei Damura zu Hause kreuchten einige Geistererscheinungen herum und für eine solche sah das Mädchen noch fast fidel aus.
,,Du solltest längst im Bett sein!", schalt Damura sie und verbrachte, während Hades hinter ihr in Ohnmacht fiel, einige Zeit damit, mit dem Geistermädchen ihre wohlverdienten Eisskulpturen zu formen.

Nein, die Zeit in dem Gemäuer war alles andere als gruselig gewesen, das stellte sie bald fest und auch die Grabeskammer im Keller konnte an diesem Umstand nichts mehr ändern. Selbst Dracoola hatte sich längst in einem der leerstehenden Särge zusammengerollt und schnarchte derart laut, dass der Wiedergänger im Sarg nebenan genervt von dannen zog und wenig später erneut Hades' schrilles Kreischen erklang Selbst die Kühlkammer, die Damura irgendwann fand, konnte ihrem Namen nicht gerecht werden, war sie doch nicht nennenswert kühler als der Rest des Gebäudes.

Als der Morgen graute, war Damura ausgeruhter denn je und als sie hinaus in die Welt trat, empfingen sie nicht nur die ersten Schneeflocken des Jahres, sondern auch das grauenhafte Taxi, dessen garstige Färbung nichts Gutes versprach.

Mit einem Seufzer schob sie erst den quengelnden Hades ins Auto hinein, dann den zu einer Fledermaus verwandelten und friedlich schlummernden Dracoola hinterher, bevor sie selber einstieg. Dieses Mal konnte ihr im Taxi nichts passieren. Sie war gewappnet und das Gemäuer um eine Ritterrüstung und eine Axt ärmer.

Lothen

#2
DRACULA
Urvater der Vampire, Einflussreicher Blutsherr, Gentleman


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Draculas Reiseprotokoll: Was geschah auf Bloodcurling Castle ODER: Draculas Nacht: Ein Geist auf Abwegen

Bloodcurling Castle. Der Name verlor nicht an Lächerlichkeit, wenn man ihn häufiger aufsagte. Wer auch immer dem Gemäuer seinen Namen verliehen hatte, hatte wohl einen besonders reißerischen Effekt erzielen wollen und damit genau das Gegenteil bewirkt. Auf den Grafen wirkte das Schloss nicht bedrohlich, sondern eher, als wolle es sich hinter seinem Graben verstecken.
Während er die Ärmel seines Mantels über den Handgelenken zurechtzupfte, verzogen sich die Lippen des Grafen zu einem dünnen Lächeln. Für gewöhnlich waren es seine Villen, die die Menschen als Mutprobe aufsuchten, nicht andersherum. Diese Herausforderung empfand er als gut gemeinten und schlecht ausgeführten Witz. Noch immer lächelnd wandte Dracula sich dem lila-behaarten Mann an seiner Seite zu.
,,Die Nacht könnte lang und langweilig werden. In einem schottischen Schloss sollte sich wohl guter Whiskey auftreiben lassen. Was halten Sie von einem Glas zur Mitternacht?"
,,Hervorragende Idee, Euer Spitzzahnigkeit", antwortete der Dämon mit breitem Grinsen. ,,Aber ich muss erstmal flink verschwinden, man möchte doch angemessen und dem Ambiente entsprechend erscheinen." Dabei machte der Dämon eine wilde Geste, die so ziemlich alles an ihm, von den Piratenstiefeln bis hin zu seiner vergilbten Lederjacke, umfassen konnte. ,,Mitternacht klingt hervorragend. Der alte Kasten wird wohl ein Kaminzimmer haben, da sollte es sich bis morgen früh ganz gut aushalten lassen."
,,Das Kaminzimmer ist immer eine gute Idee", bejahte der Graf mit einem leichten Kopfschütteln über Hades' Tonfall. Über die Jahre war er schon mit so manchem Titel angesprochen worden, aber ,,Eure Spitzzähnigkeit" war bisher nicht darunter gewesen. Ab und an empfand er es durchaus als erfrischend, sich mit Leuten zu umgeben, denen nicht schon sein bloßer Anblick die Sprache verschlug. ,,Wunderbar. Ich werde meine Reisekleidung ablegen und dann um Mitternacht zu Ihnen stoßen."

***

Bloodcurling Caste. Auch, als Dracula sich gegen Mitternacht auf die Suche nach dem Kaminzimmer begab, wollte ihm der lächerliche Name nicht aus dem Kopf. Je älter er wurde, desto törichter erschienen ihm die Menschen und ihr Aberglaube.
,,Ein bisschen Mühe hätten sie sich bei der Namensfindung geben können. Bloodcurling Castle..."
Die Stimme des Grafen verlor sich im vor ihm liegenden, dunklen Gang, doch das irritierte ihn nicht. Was immer in der Dunkelheit lauern mochte, würde besser daran tun, ihm fern zu bleiben. In dieser Nacht war er das gefährlichste Raubtier innerhalb der feuchten Schlossmauern. Wie verabredet würde er sich mit Hades, diesem besseren Hausmeister aus der Unterwelt, einen guten Drink gönnen, um dann am Morgen die Rückreise anzutreten. Herausforderung bestanden.

Der Graf erreichte das Kaminzimmer ein paar Minuten vor Mitternacht, und natürlich war von dem Dämon mit seinen lächerlichen Piratenstiefeln weit und breit noch nichts zu sehen.
Kaum, dass er den Raum betreten hatte, verdrehte Dracula genervt die Augen. Eine erbärmlich laut knarrende Tür, ein Kronleuchter mit fehlenden Kerzen, ein Teppich, der schon vom bloßen Ansehen staubte, und zwei mit grauen Spinnweben überzogene Sessel. Stilloser konnte man ein angebliches Gruselschloss kaum einrichten. Seine erste Handlung bestand darin, das Fenster zu öffnen, um den in der Luft konzentrierten Staub zu verdünnen, als nächstes entzündete er zwei alte Kerzen auf dem Kaminsims.
Der Graf nahm sich Zeit, den Staub aus seinem dunkelgrünen Hemd zu klopfen und ein paar Spinnweben von seiner Weste zu pflücken, ehe er sich wieder dem Raum widmete. Whiskey. Er hatte sich mit Hades auf einen Whiskey verabredet, und er hatte vor, eben diesen Whiskey auch zu bekommen. Kurzerhand legte er seine Weste über die Lehne eines Sessels ab und krempelte die Hemdsärmel nach oben.
Ein paar zerrissene Spinnennetze und diverse Staubwolken später wurde der Graf in einer Kommode fündig. Er entschied sich für eine Kristallflasche aus dem hinteren Teil des Fachs und angelte sie gemeinsam mit zwei schweren Gläsern hervor. Immer noch keine Spur von Hades und seinen schrillen Kleidern, dafür aber ein rotes Funkeln aus der Ecke der Kommode.
Eins nach dem anderen, beschloss Dracula, goss einen ordentlichen Schluck Whiskey in eins der Gläser und nippte an seinem Drink, ehe er nach dem funkelnden Gegenstand tastete. Etwa in demselben Moment, in dem das Funkeln unter seiner Hand verschwand, richteten sich die Härchen auf seinen Armen ganz leicht auf.
,,Weg da." Das war eindeutig nicht Hades' Stimme. ,,Ich sagte: weg da!"
Der Graf schloss die Finger um einen kühlen Ring und richtete sich dann möglichst gelassen auf.
,,Kein Grund zur Feindseligkeit. Ich bin mir sicher, Sie möchten eine Auseinandersetzung mit mir vermeiden."
,,Weg da!"
Dracula zog reichlich unbeeindruckt eine Braue hoch. Im Türrahmen war ein Mann mit breitem Nacken und noch breiteren Schultern erschienen, die in hartem Kontrast zu den dünnen Waden unter seinem Kilt standen. Bevor er sich zu einer Antwort herabließ, steckte der Graf den Ring in seine Hosentasche, und sofort legte der Kiltträger die Hand über die Axt an seinem Gürtel. Seiner leicht durchscheinenden Konsistenz nach zu schließen, handelte es sich bei Draculas Gegenüber um einen Geist.
,,Du wirst sie sofort wieder hergeben, Fremder, sonst gnade dir Gott!"
Also waren sie schon dazu übergegangen, einander zu bedrohen? Der Graf lächelte, die Daumen locker in den Hosenbund gehakt.
,,Eigentlich bin ich verabredet, aber da mein Compagnon auf sich warten lässt, schlage ich vor, dass wir uns setzen und die Angelegenheit bei einem Drink besprechen."
,,Den Drink kannst du dir sonstwohin stecken, Eindringling. Ich will meine Schwester zurück!"
Schwester? Der Graf war versucht, nach dem Ring in seiner Tasche zu tasten, aber in Anbetracht der Axt, die jetzt vom Gürtel gelöst wurde, schien das nicht angebracht zu sein.
,,Mein Name ist Dracula. Sie können mich auch gerne Herr Graf nennen."
Das schien den Kiltträger aus dem Konzept zu bringen. Seine Augen zuckten zwischen dem Grafen, dessen Hosentasche und dem offenen Fenster hin und her.
,,Und?" Ganz beiläufig schlenderte Dracula in Richtung des Fensters und zog den Ring aus seiner Tasche, als würde er darüber nachdenken, ihn einfach fallen zu lassen. ,,Haben Sie auch einen Namen?"
,,Man nennt mich den Blutigen Lord."
,,Ah." Der Graf verschränkte die Arme vor der Brust, während seine Finger mit dem Ring spielten und langsam zu kribbeln begannen. Silberschmuck also. ,,Der Blutige Lord von Bloodcurling Castle."
Es überraschte ihn nicht wirklich, dass jemand, der sich selbst Blutigen Lord nennen ließ, sein Schloss Bloodcurling Castle taufte.
,,Jetzt gib mir den Ring zurück!"
,,Was ist daran so besonders?" Der Graf fand Spaß daran, sein Gegenüber in Rage zu versetzen, aber das war nicht der einzige Grund, aus dem er den Ring behielt. Etwas daran war lebendig, und dieses lebendige etwas wand sich seinen Arm hinauf und flüsterte ihm zu, den Ring nicht aus der Hand zu legen. ,,Gehörte der Ring Ihrer Schwester?"
Er präsentierte ihn seinem Gegenüber mit vorgereckter Hand, doch eben die Hand weigerte sich, den Ring auch herzugeben. Es war gleichermaßen faszinierend wie auch ärgerlich.
,,Lass sie los. Das geht nur mich und sie etwas an!"
Da er nicht loslassen konnte, betrachtete der Graf den Ring auf seiner Hand noch einmal. Keine sonderlich filigrane oder kunstvoll ausgeführte Arbeit, über die Jahre oder Jahrhunderte schwarz angelaufen. Trotzdem versprühte das Schmuckstück einen gewissen Charme, der mit Sicherheit auch mit dem roten, geschliffenen Stein in seiner Mitte zusammenhing. Dracula hatte das Kribbeln, das der Ring durch seinen Arm sandte, fälschlicherweise zuerst für das Kribbeln von gewöhnlichem Silber gehalten. Von Nahem jedoch war eindeutig ein leichte Pulsieren im Stein zu erkennen, dem jeweils ein neuer Schauder auf seinem Arm folgte. Es wirkte wie ein Herzschlag, nur dass Licht statt Blut durch den Stein floss.
Dermaßen abgelenkt registrierte der Graf zu spät, dass der Blutige Lord seine Axt zu schwingen begann. Erst kurz bevor sie Ring und Hand mit Gewalt trennen konnte, riss Dracula den Arm zurück. Er schloss die Faust um den Ring und brachte durch einen schnellen Sprung einen der Sessel zwischen sich und den Lord. Nur, weil der Mann ein Geist war, wollte er es nicht unbedingt darauf ankommen lassen, die Konsistenz seiner Axt zu testen.
Der Graf wich einem weiteren Axthieb aus, der stattdessen die Lehne des einen Sessels und seine darüber liegende, teure Weste spaltete. Dracula hatte keine Zeit, sich darüber zu ärgern, schob den Ring zurück in seine Hosentasche und warf das leere Kristallglas auf seinen Angreifer. Wie erwartet blieb der Blutige Lord davon recht unbeeindruckt und stürmte weiter.
Vielleicht wäre es für den Moment das Beste, sich erst einmal zurückzuziehen? Im selben Augenblick, in dem Dracula darüber nachdachte, ertönte in der Wand ein metallisches Klicken, fast als habe jemand einen Schalter umgelegt.
Der Graf handelte geistesgegenwärtiger als sein Kontrahent und sprang beiseite. Unmittelbar darauf sauste der alte Kronleuchter auf den Kopf des Blutigen Lords nieder. Dracula nutzte die Chance, um sich vorübergehend möglichst elegant aus dem Kaminzimmer zurückzuziehen.

Nach dem staubigen Zimmer empfand er die kühle Dunkelheit auf dem Gang als sehr angenehm. Der Graf ging bis zum Treppenhaus zurück, stieg ein Stockwerk höher und zog sich dort in den nächstbesten Raum zurück, um nachzudenken. Bis auf einen alten, sehr vermodert aussehenden Flügel war das Zimmer leer, nur eine niedere Tür führte weiter in einen Nebenraum. Dracula klopfte zum zweiten Mal innerhalb der letzten halben Stunde Staub aus seinem grünen Hemd.
,,Vadim..."
Die Stimme zog sich wie ein Flüstern durch den ganzen Raum. Mit leichtem Stirnrunzeln zog der Graf den Ring aus seiner Tasche, legte ihn auf den vermodernden Flügel und trat ein Stück zurück. Das Pulsieren darin war erloschen, doch sein Gewicht ruhte nach wie vor in Draculas Tasche, ganz als habe er das Schmuckstück nie abgelegt.
,,Wenn Sie sich mit mir unterhalten wollen, geben Sie sich zuerst zu erkennen", erklärte er, während er seine Hemdsärmel herunterkrempelte. Woher die Stimme wohl seinen Namen kannte?
,,Ich bin hier."
Dracula ballte die Rechte mehrfach zur Faust. Das Kribbeln in seinem Arm ließ nicht nach, obwohl er längst kein Silber mehr berührte. Was auch immer in dem Stein gehaust hatte, war wohl auf ihn übergesprungen. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte Dracula sich gegen den Flügel, schloss die Augen und konzentrierte sich. Ja, da war sie.
,,Finden Sie es nicht unhöflich, sich ungefragt in einem fremden Körper zu verschanzen?" Die Frau, oder das, was noch von ihr übrig war, lachte leise in seine Gedanken hinein.
,,Ich musste mein Gefängnis endlich verlassen, das müsst Ihr verstehen."
,,Nun, bei mir bleiben können Sie aber nicht, Lady. Ich muss Sie auffordern, auch mich wieder zu verlassen."
,,Das werde ich nicht tun."
Natürlich war das ärgerlich, andererseits verliehen diese Wendungen der Nacht gerade eine unerwartete Prise an Unterhaltungswert. Dracula lächelte.
,,Was schlagen Sie stattdessen vor?"
,,Ihr helft mir, freizukommen. Für immer."
Der Graf wägte seine Optionen ab. Wenn er es darauf anlegte, würde er den Geist mit Sicherheit aus seinen Gedanken verdrängen können. Nur was dann? Sich auf eine Zusammenarbeit mit der Frau einzulassen, versprach deutlich mehr Unterhaltungswert und da Hades nicht zu ihrem Treffen erschienen war, musste er sich anderweitig beschäftigen.
,,Ich denke, Sie sollten mir ein wenig von sich erzählen, ehe wir über meine eventuelle Hilfe verhandeln können. Meinen Sie nicht auch?"
,,Ihr habt keine Wahl, als..."
,,Ich bitte Sie", würgte der Graf sie ab. ,,Ich habe schon Blut getrunken, als Sie noch lebendig Kinderlieder geträllert haben. Wenn ich es nicht wünsche, wird es Ihnen keine fünf Minuten länger gelingen, meinen Körper zu bewohnen. Sie lesen doch meine Erinnerungen, nicht wahr? Dort haben Sie meinen Namen gefunden. Lesen sie ruhig auch die anderen Erinnerungen, vor denen Sie aus Angst zurückgeschreckt sind."
Damit hatte er die Frau zum Stutzen gebracht. Er konnte förmlich spüren, wie sie mit sich rang.
,,Morven heiße ich. Ich bin Lord Adams Schwester. Nach meinem Tod sperrte er mich in den Ring, um sogar über mein Leben hinaus zu verhindern, dass ich meinem Geliebten Bartholomew folge."
,,Wie rührend." Das überschießende Pathos in Morvens Stimme ließ den Grafen reichlich kalt. ,,Also soll ich den Ring für Sie zerstören."
,,Ihr könnt ihn nicht zerstören, solange ich bei Euch bin."
Einen Moment lang war Dracula versucht, den Geist doch zu vertreiben.
,,Wie stellen Sie sich Ihre Rettung dann vor?"
,,Ihr musst dafür sorgen, dass Barthy den Ring bekommt. Er hat versprochen, mich zu befreien."
,,Dieser Bartholomews ist demnach auch noch im Schloss unterwegs?" Drei Geister mit lächerlichen Namen, die seit Jahrhunderten ein Schmierentheater innerhalb von Bloodcurling Castle aufführten. Der Graf konnte nicht sagen, dass ihn daran noch irgendetwas überraschte. ,,Warum hat er Sie bisher nicht befreit, Morven?"
,,Mein Bruder hindert ihn daran. Ihr müsst dafür sorgen, dass Barthy den Ring bekommt und der Lord uns endlich in Frieden lässt."
Dracula ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Natürlich könnte er Morven helfen. Die Frage war, ob sich der Aufwand lohnte.
,,Bitte, Graf Vadim!" Zumindest was Aufdringlichkeit anging, war Morven gut aufgestellt.
,,Also gut. Nur, was habe ich davon?"
Auf seine Frage folgte ratloses Schweigen. Bisher war Graf Dracula mitnichten für seine Großzügigkeit oder sein Mitgefühl bekannt. Wie war Morven nur auf die Idee gekommen, ausgerechnet ihn um Hilfe zu bitten? Und was war sie bereit, dafür zu opfern?
,,Ich habe kein Blut, das ich Euch schenken kann", flüsterte die Frau. ,,Und ich kann Euch keine Kräfte verleihen, die Ihr nicht bereits besitzt."
,,Das stimmt. Aber Ihr kennt doch die Geschichten. Keine Kreatur meiner Art verschenkt Gefälligkeiten ohne Gegenleistung."
Während Morven über ihre Antwort grübelte, spitzte Dracula die Ohren. Auf dem Gang war ein lautes Poltern zu hören, als würden wahllos Gegenstände hin und her geworfen.
,,Ich kann Euch meine Geschichte bieten. Einen Kuss, sobald ich frei bin. Das Versprechen, Euren Namen für immer in Ehren zu halten."
,,Denkt weiter nach." Ihre Ratlosigkeit amüsierte Dracula. Vielleicht würde er diesen kurzen Zeitvertreib als Gegenleistung akzeptieren? ,,Ich werde mich Eurem Bruder, Lord Adam, stellen. Über den Preis verhandeln wir später."
Die Türklinke bewegte sich und Morven schrie auf. Warum nahm der Lord die Tür, wo er doch als Geist durch Wände hätte gehen können? Es gab Wichtigeres zu tun, als darüber nachzudenken. Ihm blieben nur wenige Momente um zu entscheiden, wie er sich des Blutigen Lords entledigen sollte. Dracula bewegte sich in Richtung der zweiten, niedrigen Tür.
Das Nebenzimmer glich einer Rumpelkammer. Dracula verschaffte sich einen raschen Überblick, pustete einige Spinnweben beiseite und nahm dann einen alten Säbel an sich.
,,Fremder!" Eindeutig der Blutige Lord. Bislang hatte der Geist ein eher untypisches Verhalten gezeigt, nutzte Türen, interagierte mit Gegenständen und zeigte sich in der Lage, ebendiese auch zu zerstören. Nur gegen körperliche Angriffe war er scheinbar trotzdem immun.
,,Weshalb kann Ihr Bruder wie ein Lebender agieren?"
Morven lachte zum ersten Mal. Ein ziemlich hässlicher Laut, wie der Graf fand.
,,Eines Tages stand er einfach auf und ließ seinen Körper zurück, ohne sich daran zu stören. Er weigert sich, seinen Tod anzuerkennen."
,,Ich konnte ihn trotzdem nicht berühren."
,,Keine Sorge, das wird Euch nun, da ich bei Euch bin, gelingen, Graf Vadim."
Das waren gute Neugikeiten.
,,Und wo starb Ihr Bruder?"
,,Innerhalb des Castles, er... oh." Morven schien die Frage begriffen zu haben. ,,Oben im Ostturm. Direkt unter dem Dach."
,,Zeigen Sie mir den Weg dorthin, damit ich diese lästige Angelegenheit klären kann." Der Graf trat zurück ins Musikzimmer und grüßte Lord Adam mit leichtem Tippen an die Stirn. ,,Mylord, es ist mir eine Ehre."
Der Blutige Lord ließ die Höflichkeiten aus und ging direkt dazu über, die Axt mit martialischem Kampfgeschrei über seinen Kopf zu schwingen. Dracula ließ den ersten Hieb ins Leere laufen, drehte sich an Lord Adam vorbei und brachte den Geist mit einem Knaufhieb gegen die Schulter ins Wanken. Beim nächsten Angriff hatte der Blutige Lord keinen Raum, um Schwung zu holen. Der zweite Schlag erfolgte deutlich kraftloser, sodass der Graf den Axtgriff an der Klinge seines Säbels abgleiten lassen konnte. Er setzte nach und nutzte die unmittelbare Nähe zu seinem Gegenüber dazu aus, ihm einen Ellenbogen in den Hals zu rammen.
Das musste für den Moment reichen. Dracula ließ den röchelnden Lord zurück und verrammelte die Türe zum Musikzimmer mit einem der Stühle vom Gang hinter sich. So nett es war, sich ein kleines Scharmützel mit dem Geist zu liefern – es war gänzlich belanglos, solange keiner von ihnen als Sieger hervorgehen konnte. Der Schlüssel zum Sieg lag in der Schwachstellte des Blutigen Lords, und die wiederum wartete im Ostturm.
,,Diesen Gang zu Eurer Linken entlang, Graf Vadim, dann durchquert den kleinen Saal", dirigierte ihn Morven gehetzt. Einen Moment später ertönte hinter ihnen das Bersten der Tür. Lord Adam hatte sich scheinbar bereits befreit. ,,Ihr müsst Euch beeilen, Vadim! Mein Bruder ahnt, wohin wir gehen!"
Eigentlich hielt Dracula nicht viel davon, sich zur Eile drängen zu lassen. In diesem Fall allerdings begriff er die Notwendigkeit einer schnelleren Gangart.
,,Bleibt ruhig, Morven, und konzentriert Euch auf den Weg", wies er den Geist an und beschleunigte seine Schritte, während er gleichzeitig seinen Atem ruhiger werden ließ, bis er die Dunkelheit von Bloodcurling Castle zu seiner eigenen gemacht hatte. Dracula warf den Säbel voraus, stieß sich ein letztes Mal vom Boden ab und landete nur einen Lidschlag später auf kräftigen Vorderläufen. Noch im Vorbeihetzen schnappten seine Fänge nach den Zierkordeln am Griff der Waffe, dann preschte er als riesiger Wolf den Gang hinab, der Säbel scheppernd an seiner Seite schleifend. Morven quittierte den Gestaltwandel mit einem atemlosen Schrei.
,,Durch den Saal und dann auf die Treppe zu Eurer Linken, Vadim!"
Im Körper des riesigen, schwarzen Wolfes nahmen sie mehrere Stufen pro Sprung, bis Morven ihm ein ,,Halt!" zurief. Dracula wechselte zurück in seinen menschlichen Körper, nahm den Säbel auf und brach die Tür zum Zimmer des Lords mit einem beherzten Tritt auf. Ihn erwarteten noch mehr Spinnenweben und noch mehr Staub.
,,Bleibt stehen!" Jetzt, wo das Scheppern des Säbels verklungen war, hallte Lord Adams Stimme deutlich hörbar durch die Gänge. Das hielt den Grafen nicht auf. Er trat ein und ließ die Blicke prüfend über die massive Kleidertruhe schweifen, die den Raum dominierte, dann wandte er sich dem Sessel am Fenster zu. Dort in sich zusammengesunken ruhte ein Skelett.
,,Lord Adam", stellte Dracula fest und trat näher. Die Meeresluft hatte das Gesicht des Schlossherren gegerbt, sodass sie sich jetzt wie dünnes Leder über eingefallene Wangen spannte.
,,Morven, gib auf!", hallte es durchs Treppenhaus, jetzt schon ganz nah. Dracula setzte die Säbelspitze auf dem Brustkorb des Toten an, bis Lord Adam in der Tür erschien und dort erstarrte. ,,Wag es nicht, Fremder. Ich bin der Blutige Lord, Herr von Bloodcurling Castle, und ich befehle dir, mein Heim zu verlassen!"
,,Ich lasse mir nicht gerne Befehle erteilen. Heute werden Sie das Schloss verlassen müssen, nicht ich."
Dracula stieß zu. Als er das Herz des Leichnams durchbohrte, riss der Geist die Augen auf und fasste sich an die Brust, wo ein dunkles Loch erschienen war, das Lord Adam mit Zerstörerischer Kontinuität von innen heraus zu zerfressen schien. Der Blutige Lord verlor er an Konsistenz, bis durch ihn hindurch die Fugen zwischen den Mauersteinen und jede Unebenheit der Wand zu erkennen waren. Einen Moment später zerbarst er in einer unerhört großen Staubwolke.
,,Ihr habt es geschafft, Graf Vadim! Das Schloss wurde befreit!" Morven schien ihr Glück noch kaum fassen zu können. Der Graf nickte zustimmend. Ohne die Leiche eines weiteren Blickes zu würdigen, nahm er seinen Säbel an sich und machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen, doch Morven hielt ihn zurück.
,,Ich weiß, dass ich Euch keinen angemessenen Lohn bieten kann, Graf Vadim. Doch es erschiene mir nur gerecht, wenn Ihr Euch zum Ausgleich für die von meinem Bruder zerstörte Weste an seiner Kleidung bedienen würdet. Bitte, nehmt, was immer Ihr wünscht."
Der Graf schmunzelte amüsiert. Es konnte nicht schaden, zumindest so zu tun, als würde er den Tausch annehmen, also öffnete er die Kleidertruhe und nahm sich einen Moment Zeit, ihren Inhalt zu betrachten. Der Anblick bestätigte seine Vermutung: völlig unbrauchbar für seine Zwecke. Aber vielleicht sollte er später einem gewissen Höllenhausmeister die Gelegenheit dazu geben, seine Sammlung an geschmacklosen Kostümen weiter auszubauen?
Als habe er auf sein Stichwort gewartet, ließ ebendieser Hausmeister in diesem Moment seine Stimme mit vollster Kraft im Schloss ertönen.
,,BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAARTHY!"
Also war Hades auf dem Weg zu ihrer Verabredung scheinbar auch einem der Geister über den Weg gelaufen. In dem Fall befand sich der bisher erfolglose Bartholomew wohl in guter Gesellschaft, um endlich doch noch seiner Geliebten zur Rettung eilen zu können. Dracula warf einen letzten Blick in die Kleidertruhe. Doch, etwas darin gab es, das er mitnehmen würde.
,,Betrachtet Euren Handel als abgeschlossen", erklärte er der stutzenden Morven und zog eine Flasche mit goldenem Inhalt zwischen einigen Kilts hervor. ,,Lassen Sie uns Ihren Bartholomew auf dem Dach erwarten. Ich habe das Gefühl, dass er bald dort eintreffen wird."

Es dauerte nicht allzu lange, bis besagter Liebhaber auf dem Dach eintrudelte. An die Zinnen gelehnt beobachtete der Graf den als Pirat gekleideten Geist dabei, wie er die Treppe hoch stürmte und dann orientierungslos im Kreis zu laufen begann. Dicht hinter dem Piraten folgte der zweite Kiltträger für diese Nacht. Hades der Hausmeister hatte es ganz offensichtlich darauf angelegt, seinen Stil auf das Geschmacksniveau von Bloodcurling Castle zu senken, anders war der Aufzug nicht zu entschuldigen. Dracula hob sein Glas in Richtung des Dämons.
,,Morven hatte mich vor dem da", er reckte das Kinn in Richtung des Piratengeistes, ,,gewarnt. Dass Sie sich gleich dem Lokalkolorit anpassen würden, hatte ich allerdings nicht erwartet."
,,Und ich hätte Ihnen ein wenig mehr Respekt vor der lokalen Kultur zugetraut, mein Lieber. Wenigstens ein Einstecktuch in Tartan hätte es schon sein dürfen."
Ungeachtet der spöttisch durchsetzten Unterhaltung vor seiner Nase rannte der Piratengeist von einer Ecke des Daches zur anderen und begann dann, sich gehetzt im Kreis zu drehen.
,,Barthy? Oi, mate?", machte Hades, was dem Grafen ein Schnauben entlockte, den Piraten aber nicht einmal erreichte.
,,Morven? Morven, wo steckst du? Ich weiß dass du da bist!"
Dracula räusperte sich widerwillig, bevor die Geisterfrau sich seiner Stimme bedienen konnte. Den Teufel würde er tun und für sie mit dem Piratengeist Liebkosungen austauschen.
,,Sie ist hier." Er wartete, bis der Pirat ihn ansah, tippte sich dann an die Stirn und wartete darauf, dass bei seinem Gegenüber der Groschen fallen würde. Der Pirat brachte nicht mehr als ein verständnisloses Starren zustande.
,,Ich diene Ihrer Morven vorübergehend als Vehikel, seit sie durch mich aus Ihrem Gefängnis fliehen konnte."
Endlich hellte sich Bartholomews Gesicht ein wenig auf, zumindest vorübergehend.
,,Morven...?"
Der Graf brachte den dummen Geist mit einem ungeduldigen Wedeln zum Schweigen.
,,Sie möchten Morven zurück, Barthy, und ich möchte meine Ruhe, also sorgen Sie dafür, dass Sie beide endlich Frieden finden."
,,Der Ring", flüsterte Morven ihm zu und Dracula nickte.
,,Der Ring. Habe Sie den Ring mitgebracht? Sie müssen den Käfig zerstören, der Morven an Bloodcurling Castle bindet."
Wie von der Tarantel gestochen zuckte Hades an Bathys Stelle zusammen und beugte sich dann vornüber, wo er den Schaft seiner Socke zu betasten begann. Noch bevor Dracula sich herablassen musste, nach dem Sinn dieses Manövers zu fragen, richtete Hades sich wieder auf, triumphierend einen kleinen Gegenstand in der Hand schwenkend.
,,Zerstören, hm? Was meinen sie Herr Graf. Ein bisschen Höllenfeuer?"
,,Alles, was recht ist, Herr Kollege." Dracula zog sich trotzdem von dem potenziellen Brandherd zurück. Seine Bekleidung hatte in dieser Nacht schon mehr als genug gelitten. ,,Setzen Sie dem Ganzen ein Ende. Ich habe für eine Nacht wirklich genug mit Geistern zu tun gehabt."
"Ja, das glaube ich. Bereiten Sie sich schon mal drauf vor, mir das ganze minutiös zu schildern, ich habe nur das schlechteste über ihre abendliche Begleitung gehört. Nun denn, dann wollen wir mal."
Hades klemmte sich den Ring zwischen die Zähne und positionierte den Piraten vor sich, dann machte sich ein konzentrierter Ausdruck auf seinem Gesicht breit. Nur einen Augenblick später glomm eine winzige Flamme in seiner hohlen Hand, streckte sich und wuchs immer weiter, bis sie gut zwanzig Zentimeter hoch leckte. Hades ließ den Ring ganz einfach in sie hineinfallen und provozierte damit eine hohe, flammende Feuersäule, die den Dämon für einen Moment vollkommen einhüllte.
Als sich die Flammen legten, stand Hades in vollkommen ausgewechselter Montur vor ihnen. Der Graf nippte stumm an seinem Whiskey. Pure Effekthascherei. Das Schlimmste an der Sache war, dass die Spielerei tatsächlich auf den Piratengeist gewirkt zu haben schien, denn dieser starrte Hades nun aus weit aufgerissenen Augen an.
,,Wer ... wer zur Hölle bist du?"
Hades machte einen weit ausgreifenden Diener und schlug die Hacken zusammen.
,,Gestatten, Hades mein Name. War mir ein Vergnügen mit dir blutige Pissnelken zu verfolgen." Er pustete einmal beherzt in das Häufchen Asche auf seiner Hand. ,,Adieu, Gefängnis. Möge die liebreizende Morven hervortreten, auf dass ihr in den Sonnenuntergang reiten könnt. Oder was immer ihr sonst zu tun gedenkt."
,,Halten Sie den Ball flach", murmelte Dracula, dann konzentrierte er sich auf seinen eigenen, ungebetenen Gast. ,,Morven, Sie sind dran. Wenn Sie sich nicht zusammenreißen, dann werde ich es für Sie tun." Das anhaltende Zögern der Frau begann den Grafen zu verstimmen. ,,Nehmen Sie Ihren Piraten und verschwinden Sie."
Einige Momente lang geschah - nichts. Dracula leerte sein Glas mit einem letzten, beherzten Zug, stellte es beiseite und starrte Bartholomew an.
"Ihrer Freundin wird nicht gefallen, was ich gleich tun werde, um Sie loszuwerden. Es sei denn, sie entschließt sich von selbst..."
Das reichte, um Morven zu vertreiben. In gleichem Maße, in dem das Gewicht aus der Tasche des Grafen schwand und sich das Kribbeln entlang des Armes zurückzog, begann sie sich zu materialisieren. Zunächst war sie nicht mehr als ein Flirren in der Luft, dann heller Nebel und schließlich die Art Geist, die auch der Pirat darstellte.
,,Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite", würgte er Morven ab, ehe sie den Mund aufmachen konnte, dann trat er zurück, um nicht zwischen den beiden Geistern zu stehen, als sie einander in die Arme fielen.
Hades schlenderte an den wiedervereinten Liebhabern vorbei und grinste Dracula an.
,,Graf Mahlzahn, geben sie mir fünf Minuten, dann können wir uns endlich in aller Ruhe einen Drink genehmigen."
Graf Mahlzahn? Solange der Graf gleichzeitig lächelte und die Stirn runzelte, verschwand der Dämon hinter der Tür zum Treppenhaus, um nur wenige Momente später vollbeladen zurückzukehren. Im Vorbeigehen warf er eine Handvoll bunter Papierschnipsel auf die Geister.
Noch während Dracula den Kopf über so viel Kitsch schüttelte, schaufelte der Dämon noch eine zweite Hand Konfetti aus seiner Tasche – und warf sie ihm entgegen. Dracula schaffte es nicht, dem bunten Treiben zu entkommen, schüttelte den Kopf, um seine Haare vom Konfetti zu befreien und klopfte sich anschließend still fluchend das Papier aus dem Hemd. Bei Gelegenheit würde er sich für diese Unverschämtheit rächen, beschloss er und warf Hades einen möglichst verächtlichen Blick zu, der mit einem ihm entgegengereckten Glas beantwortet wurde. Dracula nahm an.
,,Cheers, altes Haus. Bin gespannt was die Eisige Jungfrau zu berichten hat, falls sie den Weg hier herauffindet", plapperte der Hausmeister in einem Erguss unerträglich guter Laune vor sich hin und prostete dem Grafen bereits zu. Ja, womöglich hatte Damura ähnlich seltsame Dinge erlebt wie sie.
,,Also dann... wie war's mit Morven der Schrecklichen und Lord Blugegel?", faselte Hades unaufhörlich weiter.
Der Graf sah einen einzelnen Knofetti-Schnipsel aus seinen Haaren zu Boden rieseln, nahm einen tiefen Schluck und nickte ihm dann anerkennend zu.
,,Ein Spaziergang", antwortete er nach einiger Zeit und blickte dem Geisterpaar hinterher, das gerade die Schlossmauern hinunter und dann weiter über den Burggraben spazierte. ,,Aber ich schätze, von einem Schloss namens Bloodcurling Castle und einem Hausgeist namens Blutiger Lord sind einfach keine großen Überraschungen zu erwarten."
,,Gesprochen wie echte Adels-Arroganz. Sie sind und bleiben ein Herzchen. Ich finde, man hätte einen schlechteren Abend verbringen können. Natürlich nichts im Vergleich zu den Feiern in meinem bescheidenen Heim. Ich gebe da übrigens demnächst eine Themenparty, die wird Ihnen gefallen..."
Der Graf behielt es sich vor, Hades' Worten nicht mehr allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Er ließ sie als sanftes Rauschen im Hintergrund seiner Gedanken verblassen, während er der Sonne beim Aufgehen zusah und sich dabei fragte, ob seine Abwesenheit in Freiburg in dieser Nacht aufgefallen war. In jedem Fall blieb vieles zu erledigen, und Dracula ertappte sich tatsächlich dabei, Morven und ihrem Geliebten ihr gemeinsames Glück zu gönnen. Warum sollte nicht auch ab und an eine Geschichte gut enden dürfen?

Lothen

#3
Hades
Hüter des Übergangs zur Unterwelt und Hausmeister der Reaper & Co KG

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Hades' Reiseprotokoll: Hades' Nacht: Vom Suchen und Finden der Liebsten. Oder auch: Ein Whiskey Lullaby.

Hades war sich noch nicht so sicher, was er von dieser neuen Aufgabe halten sollte. Manchmal hatten Menschen eben doch seltsame Vorstellungen von der Welt. Die Festung sah immerhin tatsächlich so aus, als müsste man sich in ihr nicht allzu sehr langweilen. Ob drinnen wohl alles in Tartan ausgestattet war? Er hoffte, dass ihm Geschmacklosigkeiten dieser Art erspart bleiben würden. Trotzdem fand er, wäre es angebracht, sich den Umständen und der Lokalität entsprechend zu kleiden. Selbstverständlich musste auch der aktuell blass-lilane man-bun weichen, so sehr er sich damit gefiel. Das hier waren die Highlands, nicht Londons Highstreet.
Was waren gleich nochmal die schottischen Farben?
Blau und Weiß.
Es wäre doch sehr höflich, das einzubeziehen. Wer wusste schon, ob nicht der charmante Geist einer verblichenen Hausherrin irgendwo herum spukte. Geister waren so leicht zu becircen...
Vielleicht eine elegante blaue Stirnlocke in weißem Haar?
Nein, zu mondän.
Einen langen, martialischen Zopf vielleicht, blau mit weißer Strähne?
Das kam auf die Liste.
Wehende Wallemähne?
Oder doch eine gepflegte Kurzhaarfrisur, dafür aber ein Bart?
Immer dieser Zwang, sich zu entscheiden.
Hades seufzte, dann horchte er auf. Neben ihm meldete sich Dracula zu Wort.
"Die Nacht könnte lang und langweilig werden. In einem schottischen Schloss sollte sich wohl guter Whiskey auftreiben lassen. Was halten Sie von einem Glas zur Mitternacht?"
Whiskey! Daran hatte er noch gar nicht gedacht, aber der Mann hatte völlig Recht.
"Hervorragende Idee, euer Spitzzahnigkeit."
Er grinste, als er sah wie der andere ob dieser Bezeichnung die Augenbraue hochzog. Ein bisschen Humor würde dem Grafen durchaus stehen. Na, das würde er ihm schon beibringen.
"Aber ich muss erstmal flink verschwinden, man möchte doch angemessen und dem Ambiente entsprechend erscheinen."
Er wies auf seine heißgeliebten Piratenstiefel und die Lederjacke.
"Mitternacht klingt hervorragend. Der alte Kasten wird wohl ein Kaminzimmer haben, da sollte es sich bis morgen früh ganz gut aushalten lassen."
,,Das Kaminzimmer ist immer eine gute Idee" bestätigte der Graf, auch wenn er dabei leicht den Kopf schüttelte. Hades hatte wenig Mühe sich vorzustellen, dass sein Gegenüber höchst selten mit Spitznamen tituliert wurde. Vielleicht würde der Abend ja doch ganz unterhaltsam.
,,Wunderbar. Ich werde meine Reisekleidung ablegen und dann um Mitternacht zu Ihnen stoßen." Damit wandte der Graf sich um und machte sich auf in Richtung Schloss. Hades verschwand mit kleinem Umweg über die Unterwelt zurück in die Behörde, um sich umzuziehen.

Als er zurückkam, war er sich ziemlich sicher, dass Mitternacht lange vorbei war, aber ein ordentlicher Auftritt brauchte eben seine Zeit, und er hatte schließlich einen Wettkampf zu gewinnen.
Ob der Graf wohl noch auf ihn wartete? Hoffentlich war wenigstens das Kaminzimmer leicht zu finden. Im Idealfall war es behaglicher eingerichtet als der Rest der Festung, denn die präsentierte sich bisher als ziemlich zugiger Kasten, dessen Inneneinrichtung definitiv bessere Tage gesehen hatte. Hades begann sich zu fragen, ob es eine kluge Idee gewesen war, sich letztendlich für den Kilt entschieden zu haben. Bequem war er ja, dass musste er zugeben. Aber eben auch keine Hose, und bei dem Windzug in den Gängen...
Die alberne Tasche um den Bauch war nach kurzer Anprobe allerdings direkt in die nächste Ecke geflogen. Es war einfach unwürdig, mit so etwas herum zu laufen. Er hatte sich seinen kleinen Flachmann kurzerhand in den Strumpf gesteckt. Die Dinger waren wenigstens schön warm.
Hades grinste bei dem Gedanken an das Entsetzen, dass sich innerhalb von Sekunden seines Erscheinens auf Draculas Gesicht ausbreiten würde. Allein das war es ihm schon wert.
Wenn es nur um die Kleidung gegangen wäre, hätte er es wohl noch leidlich pünktlich geschafft. Mitsamt Frisur allerdings... Nun gut, was sollte es. Der Graf hielt selbst viel auf Stil und würde wohl verstehen, dass die Auswahl ihn aufgehalten hatte. Er hatte sicher zwanzig Frisuren probiert, bis er sich schließlich doch für den langen geflochtenen Zopf in Weiß mit blauer Strähne entschieden hatte. Er war sehr zufrieden mit seinem Werk und fand, dass es sein Zuspätkommen mehr als rechtfertigte. Gab dem noblen Herrn außerdem genug Zeit, sich das aristokratische Näschen zu pudern.

Er kam an einer offenen Tür vorbei und blickte in ein Zimmer, das definitiv schon bessere Zeiten gesehen hatte. Zerschlissene Vorhänge, ein Bett, dass aussah als ob es sich nur mit Müh und Not auf seinen Beinen hielt und am liebsten mitten durchkrachen würde und ein ganz und gar abscheuliches Bild einer bedauernswert hässlichen Frau an der gegenüberliegenden Wand.
"Ist sie nicht wunderschön?"
Das konnte unmöglich der Graf sein, solcherlei Geschmacksverirrung würde ihm niemals passieren. Er wusste schon, warum er den Mann schätzte. Hades drehte sich um. Hinter ihm stand eine Gestalt, der aussah als hätte er sich in seinem Kleiderschrank bedient. Er war sich ziemlich sicher, dass er dieselben Stiefel hatte. Er mochte es nicht, wenn jemand dieselben Sachen hatte wie er. Gott sei Dank blieb ihm die Peinlichkeit erspart, dass sie sie gerade auch noch beide trugen.
"Ja. Ein Bild von einer Frau."
Wörtlich genommen nicht mal gelogen.
Der Pirat nickte.
"Meine schöne Morven. Viel zu früh von uns gegangen."
Er gab einen jämmerlichen Laut von sich, der in den Gängen des Schlosses wiederhallte. Hades grinste. Daher also das Gejaule, vor dem die Leute hier in der Gegend solche Angst hatten. Wenn sie den Jammerlappen sehen könnten, der dafür verantwortlich war, hätte sich die Sache in kürzester Zeit erledigt. Ob es hier auch tatsächlich gruselige Dinge gab? Er grinste noch breiter, als er an den Grafen, Damura und sich selbst dachte. Heute Nacht bestimmt.
Nachdem es in dem Zimmer nichts Interessantes gab, und der Piratengeist immer noch vor sich hin jammerte, beschloss Hades, seine Suche nach dem Kaminzimmer fortzusetzen. Eckzähnchen hatte nicht den Eindruck gemacht, als wolle er sich allzu sehr verausgaben um die ihnen gestellte Aufgabe zu absolvieren, also saß er vermutlich noch dort und trank Whiskey. Vielleicht gab es hier ja auch irgendwo eine noch halbwegs funktionale Küche? Dann ließe sich aus der Nacht mit ein paar Snacks und dem einen oder anderen Cocktail vielleicht noch etwas machen...
"Hey, Romeo!"
Das jammernde Elend sah auf.
"Ich? Ich heiße Bartholomew."
"Okay, Barthy. Gibt's hier eine funktionierende Küche?"
Der Pirat schüttelte bedauernd den Kopf.
"Kennst du wenigstens den Weg ins Kaminzimmer?"
Das ließ ihn innehalten, als fiele ihm etwas ein. Er wiegte den Kopf hin und her. Die langen Jahre tot hier herum zu hängen, hatte ihm ganz offensichtlich nicht gut getan.
Wobei.
Hades' Blick wanderte zurück zum Porträt von Morven der Schrecklichen. Wer die Dame schön fand, war wohl von Anfang an nicht ganz rund gelaufen. Immerhin schien sie Geld gehabt zu haben. Das ließ jedenfalls der Klunker an ihrem Finger vermuten. Eigentlich ein wenig zu massiv für eine zarte Frauenhand, aber bei Morven hatte man wohl stärkere Geschütze auffahren müssen.
Barthy sah ebenfalls wieder zu dem Bild, und stieß dann einen erneuten, herzzerreißenden Seufzer aus. Dann fuhr er zu Hades herum.
"Du musst mir helfen."
Hades zog die Augenbraue hoch.
"Wie meinen?"
Barthy straffte die Schultern.
"Du musst mir helfen, oder ich spuke für den Rest deines Lebens hinter dir her! Ich brauche keinen Schlaf, ich habe den ganzen Tag Zeit, dir das Leben zur Hölle zu machen, also hilf mir gefälligst!"
Das war die erbärmlichste und gleichzeitig amüsanteste Drohung, die Hades je untergekommen war. Barthy mangelte es offensichtlich ganz und gar an jeglichem Gespür für seine Umwelt. Er schien ihn für einen Menschen zu halten. Der Gedanke hatte seinen Reiz. Wenn sie hier schon rumhängen mussten, konnte er ja auch ein wenig Spaß haben. Also beschloss er, den Geist auch nicht höflich darauf hin zu weisen, dass er die Festung vermutlich sowieso nicht verlassen konnte, und spielte mit.
"Na, da bleibt mir wohl nichts anderes übrig."
Auch Ironie ging spurlos an Barthy vorbei, denn er nickte vehement.
"Vorher muss ich allerdings eben im Kaminzimmer vorbei, eine Verabredung absagen. Du kennst den Weg, nehme ich an? Unterwegs kannst du mir erklären wobei ich dir eigentlich helfen soll."
Barthy zögerte kurz, nickte dann aber.
"Kenne ne Abkürzung."
Damit entschwebte er und Hades folgte. Sie gingen einen Gang entlang, in dem ein Teppich lag der bei jedem Schritt, den man darauf machte, Staubwolken ausspieh. Hades war froh, nicht atmen zu müssen. Barthy erklärte ihm indes, dass er ihm helfen müsse, an den Klunker zu gelangen, den Morven auf dem Porträt trug, da ihr Geist darin eingeschlossen sei.
Ein hübsches Stückchen Fluchmagie, wenn es wahr war. Hades nickte anerkennend vor sich hin und wäre beinahe in Barthy hinein gelaufen. Oder vermutlich eher durch ihn hindurch. Nicht jedem Geist war dieselbe Solidität gegeben wie Desi.
"Da. Einer von den Hebeln macht die Wand auf, dann können wir nach nebenan ins Kaminzimmer durch gehen. Sonst müssen wir außen rum, das ist weit."
Vor ihm in einer Nische befanden sich drei Hebel.
"Und welcher?"
Barthy zuckte mit den Schultern.
"Habs vergessen. Kann ja durch die Wand."
Geister.
Hades zuckte mit den Schultern und zog am ersten Hebel. Er klemmte ein wenig, doch schließlich ruckte er einmal und ließ sich umlegen. Sie warteten einen Moment, doch nichts geschah.
Blieben noch zwei.
Hades wählte den links außen.
Es folgte ein ohrenbetäubendes Scheppern von nebenan.
"Oh."
Wenn das so weiter ging, würde er am Ende dieser Nacht einen Krampf in der Augenbraue haben.
"Oh? Elaboriere."
"Ähm. Ich denke das könnte der Kronleuchter im Kaminzimmer gewesen sein."
Blieb zu hoffen, dass der Graf entweder schon gegangen war oder gute Reflexe besaß.
"Noch irgendwelche anderen Überraschungen, auf die ich mich gefasst machen sollte, Barthy?"
"Bartholomew. Mein Name ist Bartholomew. Und ja, natürlich. Das ist ein Spukschloss. Das scheint mir doch der Sinn der Sache zu sein, oder?"
Sieh an. Wenn er nicht jammernd und schmachtend vor dem Porträt der Schrecklichen stand, schien er gelegentlich sogar sowas wie Rückrat und Schlagfertigkeit zu besitzen.
"Erklär mir doch nochmal genauer, was es mit dem Ring und dem Geist deiner Angebeteten auf sich hat."
Barthy seufzte dass der Putz aus dem alten Gemäuer bröckelte.
"Morven war die Schwester des Hausherrn. Unsere Crew schmuggelte gelegentlich für ihn, dafür drückte er ein Auge zu wenn wir im Gewässer vor der Festung unser Unwesen trieben. Wir verliebten uns, was dem Blutigen Lord natürlich nicht recht war. Er wollte seine Schwester standesgemäß verheiraten."
Der Blutige Lord? Ging es noch einfalls- und geschmackloser?
"Er bezahlte einige meiner Kameraden dafür, mich zu beseitigen. Einer warnte mich, so dass ich zumindest noch mit Morven sprechen konnte. Ich wollte mich eine Weile absetzen und sie nachholen. Sie versprach, auf mich zu warten. Leider waren die zwei anderen sehr daran interessiert, das Geld zu bekommen und was soll ich sagen... sie bekamen mich. Ich jedoch fand keine Ruhe und spukte seit dem hier im Schloss herum. Irgendwann konnte ich mich Morven verständlich machen und sie versprach, zu mir zu kommen. Ich wollte sie abhalten, doch das Leben mit ihrem Bruder war ihr unerträglich und sie brachte sich um. Für einige wenige Tage waren wir wieder vereint, bis dieses Scheusal dass sich ihr Bruder nennt einen verdammten Magier anschleppte, der ihren Geist in den Ring bannte, den er fortan trug."
Klang ja nach einem sehr freundlichen Zeitgenossen.
"Ich nehme an unser blutlustiger Freund ist hier noch zu Gange?"
Barhty nickte.
"Und er bewacht den Ring. Ich habe alles versucht, aber er lässt mich nicht an ihn heran. Behauptet, er müsse Morven vor mir beschützen, ich sei nicht gut für sie. Dabei hat er sie doch in den Tod getrieben!"
Das versprach ja doch noch ein recht unterhaltsamer Abend zu werden.
"Das heißt, wir suchen den Klunker, halten uns deinen liebreizenden Schwager in Spe vom Hals und befreien die holde Dame, und dann habe ich meine Ruhe?"
Barthy schnaubte.
"Du nimmst die Sache anscheinend nicht ernst! Das ist kein Spaziergang, sonst hätte ich das Problem schon allein gelöst."
Das entlockte Hades ein süffisantes Grinsen.
"Nun... ich würde sagen, du hast dir kompetente Hilfe gesichert, mein Freund. Also, dann wollen wir mal, hm?"
Damit zog er am dritten Hebel.
Die Wand bewegte sich nur langsam, so als wolle sie nicht freigeben, was hinter ihr lag. Doch schließlich war der Spalt breit genug. Das erste, was Hades sah war der überdimensionierte Kronleuchter, der mitten im Raum auf den Boden gekracht war. Vom Grafen war nichts zu sehen, allerdings hatte einer der Sessel Bekanntschaft mit einer Axt oder etwas ähnlichem gemacht gemacht. Über der Lehne lag eine gänzlich zerfetzte Weste, die Hades als die erkannte, die Dracula vor einigen Stunden noch getragen hatte. Das dürfte Graf Zahn nicht gefallen haben. Gnade dem gemeinen Westenmeuchler.
Hades sah sich weiter um. Das Fenster war offen, auf dem Kaminsims flackerten zwei Kerzen im Wind. Auf einem Tischchen stand eine Flasche Whiskey und zwei Gläser, in einem war noch ein Rest Whiskey. Damit war immerhin einer von ihnen zu seinem wohlverdienten Drink gekommen. Er würde den Grafen wohl mal zu einer seiner Partys einladen müssen, um in Ruhe mit ihm zu trinken. Bei dem Gedanken, was Jones davon halten würde, grinste er breit und zufrieden. Ja, für die nächste Party würden die Gruselgestalten alter Stummfilme herhalten müssen. Da musste sich der feine Herr nur den Kragen hochschlagen und schon fiele er gar nicht auf.
Barthy war indess hektisch durch den Raum gefegt, hatte hier in Schubladen, da in Regalen geklappert. Nun seufzte er wieder.
"Hier ist er nicht. Aber der Lord war hier. Er hat immer eine Axt dabei."
Nun wurde es lustig. Hades hatte keinen Zweifel daran, dass Dracula sich irgendwo ein fröhliches Scharmützel mit dem Blutlord lieferte - auch wenn der feine Herr es wohl nicht als solches bezeichnen würde. Vermutlich würde tatsächlich eher die Hölle einfrieren als dass der Blutsauger eingestand, an irgendetwas Spaß zu haben. Hoffentlich bekam er von dem Schauspiel wenigstens noch ein bisschen zu sehen.
"Nun dann. Und wohin jetzt? Meine Verabredung hat sich offensichtlich schon allein davon gemacht. Ich vermute sogar stark, er hat sich an die Fersen des ehrbaren Lords geheftet. Oder andersrum. Das ist dem Chaos hier nicht wirklich zu entnehmen, löst dieses Problem für uns aber vielleicht momentan. Bleibt die Frage, wie du gedenkst den Klunker überhaupt zu finden?"
Barthy sank in sich zusammen, dann zuckte er resigniert die Schultern.
"Meine Taktik bisher war, so lange in der Festung rum zu geistern, bis der Baron auftauchte. Dann konnte ich mir sicher sein, dass der Ring in der Nähe war."
"Warum trägt er ihn nicht selbst?"
"Weil... keine Ahnung. Irgendwas von den Nebenwirkungen des Fluches verträgt er wohl nicht."
Typisch. Erst mit Magie spielen und dann die Konsequenzen nicht vertragen. Menschen, Geister, alles dasselbe.
"Eigentlich brauchst du mich ja nicht mehr. Wie wärs, wenn du einfach los geisterst? Sollte es doch noch Stress geben, kannst du ja einfach rufen. Ich mache es mir derweil hier bequem und..."
Weiter kam er nicht, den Barthy sauste einfach einmal mitten durch ihn hindurch.
"Den Teufel wirst du tun! Du kommst gefälligst mit!"
Das die Leute den Titel seines Bruders auch immer gar so lästerlich führten. Barthy durch sich hindurch rauschen zu haben war allerdings ein äußerst unangenehmes Gefühl gewesen. Auf eine Wiederholung konnte er gut verzichten, ihm war kalt genug. So ein wärmendes Höllenfeuerchen könnte der Hütte hier nur gut tun, allerdings zweifelte er daran, dass es den Wettbewerbsregeln entsprach, wenn er die Bude einfach abfackelte. Außerdem würde er sich hier alleine vermutlich ohnehin zu Tode langweilen.
"Also schön. Dann schweb schon los. Ich komme."

Die nächste Zeit verbrachten sie damit, ziemlich ziellos durch die Festung zu laufen. Hades hatte ausreichend Gelegenheit, den absolut erbarmungswürdigen Zustand zu bewundern, in dem sich die ganze Anlage befand. Sämtliche Bodendielen knarzten dass man fürchten musste, im nächsten Moment durchzubrechen. In jeder Ecke schien eine Armada von Spinnen zu hausen, deren Netze bis tief in die Räume hingen. Blinde Spiegel an den Wänden, Staubwolken, die jeden Effektnebel in den Schatten stellten und ein muffiger Geruch in der Luft vervollständigten das allumfassende Klischee eines Spukhauses.
"Hey, Barthy?"
Der Pirat drehte sich unwillig um.
"Mir ist langweilig und wenn mir langweilig ist, bekomme ich schlechte Laune. Das wollen wir also nicht. Deshalb habe ich mir folgendes überlegt: Vermutlich hat seine Lordschaft aktuell ohnehin andere Probleme als aufzupassen, wo du dich rumtreibst. Also zeigst du jetzt einfach mal ein bisschen Rückgrat und gehst den Ring alleine suchen und ich schau mich hier ein bisschen um. Vielleicht lässt sich ja die eine oder andere Räumlichkeit auftreiben, in der man eine kleine Feier abhalten kann..."
Damit ließ er den Piraten einfach im Gang hinter sich und schlenderte in das nächste Zimmer. Hier mochte es ja keine Küche geben, aber dafür gab es jede Menge Türen, durch die man einfach ins Cross Roads gehen konnte. Das Problem ließe sich also lösen. Und eine kleine Party könnte der Bruchbude nur gut tun. Wer wusste schon, was für lustige Gesellen sich noch so in dem alten Gemäuer herum trieben. Hades grinste bei der Vorstellung an das blanke Entsetzen auf dem Gesich des Grafen, wenn er sich in Mitten einer spontanen Gruselparty wieder fand.
Hinter ihm protestierte Barthy wild und schwebte zwei dreimal durch ihn hindurch, vermutlich um zu unterstreichen wie fürchterlich bedrohlich er war. Das war immer noch unangenehm, aber inzwischen hatte Hades sich an die Temperaturen in der Festung gewöhnt und blieb davon sichtlich unbeeindruckt. Man konnte Barthy nur dazu gratulieren, wie gut es ihm gelang seine eigene Erbärmlichkeit zu ignorieren. Was mal wieder bewies, dass jedem irgendein Talent gegeben war.
"Barthy, hör auf mich zu nerven. Ich bin nur bis morgen früh hier, also wenn du willst dass ich dir mit irgendetwas helfe, dann sorge dafür, dass du den Ring findest, dann sehen wir weiter. Ansonsten stehst du bei Sonnenuntergang wieder allein mit deinem Problem dar. Capito? Gut. Dann lass mich meine Party planen und zieh Leine."
Die Spinnenweben könnte man einfach anzünden, Feuer ließ sich ziemlich leicht konrolieren. Der Staub allerdings... Na gut, eins nach dem anderen, erstmal musste es einen Raum geben, der ein wenig Athmosphäre hatte.
Barthy entschwand gerade um die nächste Ecke, ob beleidigt oder tatsächlich auf der Suche nach dem Ring war schwer zu sagen, aber er ließ leise, jammervolle Laute erklingen. Grauenhaft. Für die Party brauchte es definitiv anständige Musik. Das brachte ihn auf einen Gedanken.
"Hey, Barthy, warte kurz!"
Mit langen Schritten schloss Hades zu dem Geist auf.
"Sag, hier gibt es doch sicher sowas wie ein Musikzimmer? Mit Flügel oder so?"
Barthy nickte, und sein Gesicht bekam wieder den schwermütigen Ausdruck. Im nächsten Moment erklang sein ächzendes Seufzen und hallte durch die Gänge. Es war und blieb ein abscheuliches Geräusch.
Offensichtlich, schloss Hades daraus, hatte die liebreizende Morven Klavier gespielt. Blieb nur zu hoffen, dass ihr musikalisches Talent ihre Attraktivität bei weitem überstieg.
"Und das finde ich wo? Na komm schon Freund, hilf mir ein bisschen. Bist mit deiner Holden selbstverständlich auch zur Party eingeladen. Ich habe da mal ein paar Cocktails entwickelt, die fließen so langsam durch Geister hindurch, da hast du fast das Gefühl, du hast sie wirklich getrunken..."
Gut. Cocktail war vermutlich kein Wort das im Repertoire eines Piraten aus dem... schätzungsweise 17. Jahrhunderts vorkam. Aber das reichte nicht, um Barthys kuhäugigen Blick zu erklären. Der Geist war schlichtweg nicht die hellste Lampe im Laden.
"Vergiss das. Musikzimmer?"
Barthy wies den Gang entlang.
"Die Treppe hinauf und dann links."
"Wunderbar, besten Dank. Wir sehen uns später."

Das "Musikzimmer" stellte sich als genauso herunter gekommen heraus wie alles in diesem Haus. Der Flügel sah aus als würde er bei der ersten Berührung einfach in sich zusammen brechen.
Hades seufzte. Also definitiv keine Live Musik. Man hätte sie wirklich zu einem funktionaleren Schloss bringen können, wie sollte man denn hiermit arbeiten? Er war drauf und dran, das Zimmer zu verlassen und einen letzten Versuch zu starten, um zumindest den Ballsaal, den es doch wohl irgendwo geben sollte, zu finden, als er aus dem Augenwinkel ein rotes Schimmern aus Richtung des Flügels wahrnahm. Er ging näher.
Nicht zu fassen.
Da lag der Klunker, den Barthy so verzweifelt suchte.
Manchmal musste man die Dinge eben einfach auf sich zukommen lassen. Er nahm ihn vom Klavier, marschierte aus dem Raum und brüllte.
"BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAARTHY!"
Seine tiefe Bassstimme hallte durch die Gänge und Hades stellte befriedigt fest, dass sie sicherlich bis in jeden kleinsten Winkel der Festung zu hören war.
Wie erwartet fegte der Pirat im nächsten Moment durch die Wand.
"Bist du verrückt? Wenn der Lord uns hört sind wir geliefert!"
"Na erlaube mal, du bist schon tot und mich bringt so schnell keiner um, was soll also passieren? Außerdem haben wir jetzt das hier."
Breit grinsend hob er die Hand und hielt Barthy den Ring vor die Nase.
Dem fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.
"Wo... wie.... Morven!"
Oh. Stimmte. Angeblich steckte die Dame ja im Ring. Aber auch bei genauerem Hinsehen sah er einfach nur nach einem etwas grob gearbeiteten aber irgendwie trotzdem recht charmanten Klunker aus. Das schien auch Barthy aufzufallen.
"Sie... sie ist weg."
Fehlte nur noch dass er die Hände vor die Augen schlug und anfing zu weinen. Geister waren heutzutage wirklich auch nicht mehr das was sie mal waren.
"Na, na, na, wer wird den gleich... Wenn sie nicht mehr im Ring steckt, muss sie ja irgendwo anders sein. Will heißen, sie hängt noch irgendwo in der Festung. Also spielst du einfach ein neues Spiel. Such Morven."
Bei suchen fiel ihm etwas ein.
"Hah. Und weißt du was? Vielleicht kann ich dir da sogar helfen. Ich habe da ein paar feine Spürhunde..."
Er stieß einen leisen Pfiff aus, und seine zwei Höllenhunde materialisierten sich. Sie waren etwas durchscheinender als Barthy, und reichten Hades bis zum Oberschenkel. Er tätschelte ihnen die Köpfe.
Barthy war entsetzt bis halb in die Mauer zurück gewichen.
"Was... was sind das für Viecher?"
"Hey! Nicht so unfreundlich. Das sind Kerberos und Garm. Keine Sorge, ganz harmlose Tiere."
Er hielt ihnen den Ring unter die Nase und flüsterte ihnen leise etwas zu. Dann reichte er ihn Barthy, doch der schüttelte vehement den Kopf.
"Was denn nun wieder?"
"Ich fasse das verfluchte Ding nicht an! Auf keinen Fall. Immer wenn ich auch nur mit dem kleinen Finger dran komme, steht im nächsten Moment der Lord hier und ich muss vor der Axt flüchten. Nimm du ihn."
Konnte man ein noch größerer Feigling sein? Hades zuckte mit den Schultern und stopfte den Ring in Ermangelung von Taschen im Kilt zu seinem Flachmann in den rechten Socken.
"Also dann... auf gehts."
Barthy rührte sich immer noch nicht und sah ihn zweifelnd an.
"Ja willst du deine Holde nun finden oder nicht?"
"Schon... aber... der Lord."
"Ach der Lord, der Lord, papperlapapp. Wie ist denn jemand wie du Pirat geworden?"
Barthy guckte, wenn möglich, noch miserabler.
"Nicht freiwillig."
Das erklärte so einiges. Entschuldigte aber trotzdem nichts.
"Los jetzt."
Barthy schwebte zumindest aus der Wand.
"Aber du gehst vor, mich erwischt er jedes Mal."

Kerberos und Garm schien irgendetwas zu irritieren, denn es dauerte länger als gewöhnlich, bis sie endlich Witterung aufgenommen hatten. Was Hades Zeit gab, nochmal einen Zug aus dem Flachmann zu nehmen. Gut, dass er seinen eigenen Whiskey mitgebracht hatte. Schließlich hoben die Hunde die Köpfe und setzten sich in Bewegung. Doch statt wie üblich los zu fegen, gingen sie vorsichtig und mit gesenkten Köpfen die Gänge entlang.
Barthy warf immer wieder zweifelnde Blicke über Hades' Schulter. Er schien wenig Vertrauen in die Hunde zu haben, was Hades in nicht geringem Maße ärgerte. Niemand zweifelte an seinen Hunden!
"Vermutlich ist es der Fluch, der sie irritiert. Deine Holde mag ja ihrem Gefängnis irgendwie entkommen sein, aber gar so leicht lässt sich kein Fluch brechen. Sie sind vorsichtig, und das ist klug von ihnen."
Er tätschelte Garm, der neben ihm lief, den Kopf.
Barthy sah weiterhin nicht überzeugt aus, doch bevor Hades ihm gehörig die Meinung sagen konnte, schlug Kerberos an, und dann rannte er los, den zweiten Höllenhund dicht auf seinen Fersen. Irgendetwas in der Fährte musste ihren Jagdinstinkt ausgelöst haben. Sie fegten um eine Kurve, Hades und Barthy hinterher und dann standen sie vor einer Treppe, die hinauf in einen Turm führte.
"Der Ostturm! Oh Morven, natürlich... dass ich darauf nicht gleich gekommen bin. Ich komme, meine Süße, ich komme!"
Barthy schoss wie ein Pfeil an Hades vorbei und die Treppe hinauf. Soviel zu "Du gehst vor, mich erwischt er jedes Mal". Aber gut, wenn sein Gefühl, dass Dracula sich des feinen Lords angenommen hatte, sich als richtig heraus stellte, war der Blutonkel inzwischen vermutlich ohnehin Geschichte. Sehr bedauerlich, wie Hades fand, er hätte den beiden feinen Pinkeln gern ein bisschen beim Spielen zu gesehen. Stattdessen pfiff er die Hunde zurück, die von Barthy momentan irritiert kurz stehen geblieben waren und schickte sie zurück nach Hause. Dann schlenderte er die Treppe hinauf.

Als er auf dem Dach ankam, lehnte der Graf entspannt mit einem Glas Whiskey - wusste der Himmel wo er das her hatte - am Geländer und prostete ihm zu.  Hades nickte grinsend zurück.
"Morven hatte mich vor dem da", er nickte in Richtung des Piratengeistes, "gewarnt. Dass Sie sich gleich dem Lokalkolorit anpassen würden, hatte ich allerdings nicht erwartet."
"Und ich hätte Ihnen ein wenig mehr Respekt vor der lokalen Kultur zugetraut, mein Lieber. Wenigstens ein Einstecktuch in Tartan hätte es schon sein dürfen."
Während er mit de m Graf (Un-)Höflichkeiten austauschten, sah Hades aus dem Augenwinkel, wie Barthy wie gehetzt über das Dach fegte und sich im Kreis zu drehen begann wie eine Katze, die ihren Schwanz jagt.
"Barthy? Oi, mate?"
Das hatte er schon immer mal sagen wollen. Er ignorierte die hochgezogene Augenbraue des Grafen.
"Morven? Morven, wo steckst du? Ich weiß dass du da bist!"
Aha. Jetzt wurde es spannend.
Neben ihm räusperte sich der Graf, und Hades dämmerte es. Kein Wunder, das Kerberos und Garm gänzlich verwirrt waren. Ein Vampir, ein Geist und ein Fluch... das mussten selbst gestandene Höllenhunde erstmal sortiert bekommen.
Barthys wirres Suchen wurde vom Grafen unterbrochen.
,,Sie ist hier."
Verständnislosigkeit machte sich auf Barthys Gesicht breit, als er sich weiter suchend umsah. Jetzt immerhin stehend. Der Graf sah ein, dass Barthy von alleine nicht auf des Rätsels Lösung kommen würde und half nach.
"Ich diene Ihrer Morven vorübergehend als Vehikel, seit sie durch mich aus Ihrem Gefängnis fliehen konnte."
Hades beobachtete wie, Barthys Gesicht sich aufhellte, es dann aber recht flink wieder dunkel wurde, als ihm aufging, dass seine Angebetete jetzt in einem lebenden, allerdings auch wesentlich unhandlicherem und zudem eindeutig männlichem Gefängnis steckte.
"Morven... ?"
Der Hellste war er wirklich nicht, aber immerhin eine treue Seele, soviel musste man ihm lassen.
Dracula neben ihm wurde indes wirklich ungeduldig. Er schien allgemein mit sehr wenig Geduld ausgestattet zu sein. Dasselbe galt für seinen Humor. An beidem würde man arbeiten müssen, aber ansonsten gab der Mann einen wirklich ganz unterhaltsamen Zeitgenossen ab. Hades beobachtete ein kurzes, boshaftes Funkeln in den Augen des Vampirs, doch was immer er vorgehabt hatte, offensichtlich verwarf er es.
"Sie möchten Morven zurück und ich möchte Sie beide loswerden, also sorgen Sie dafür, dass sie beide endlich Ruhe finden"
Er nickte kurz, als hielte er stumme Zwiesprache mit jemandem. Tat er vermutlich auch, ging Hades auf. Barthy starrte immer noch. Damit schien er vollauf ausgelastet.
"Der Ring. Haben Sie den Ring mitgebracht? Sie müssen den Käfig zerstören, der Morven an Bloodcurling Castle bindet."
Jetzt geriet Hades für einen kurzen Augenblick wirklich ins Schwitzen. Er hatte vorhin, als er den Flachmann herausgeholt hatte, keinen Gedanken an den Ring verschwendet. Hoffentlich war das verflixte Ding noch da. Unter dem irritierten Blick des Grafen kramte er in der Socke, doch da war er. Triumphierend zog er ihn heraus.
"Zerstören, hm? Was meinen Sie, Herr Graf. Ein bisschen Höllenfeuer?"
"Alles, was recht ist, Herr Kollege."
Der Vampir trat einige Schritte zurück.
"Setzen Sie dem Ganzen ein Ende. Ich habe für eine Nacht wirklich genug mit Geistern zu tun gehabt."
Hades grinste. "Ja, das glaube ich. Bereiten Sie sich schon mal drauf vor, mir das ganze minutiös zu schildern, ich habe nur das Schlechteste über Ihre abendliche Begleitung gehört. Nun denn, dann wollen wir mal."
Er klemmte sich den Ring zwischen die Zähne, schob Barthy, der den Grafen nach wie vor mit einer Mischung von Anbetung und Abscheu ansah, so vor sich dass er als Windfang diente und konzentrierte sich. Bedauerlicherweise musste er auf große Showeffekte verzichten, denn Höllenfeuer außerhalb der Unterwelt heran zu schaffen, war Schwerstarbeit. Er schob jeden anderen Gedanken beiseite, und einen Augenblick später glomm ein kleines Flämmchen in seiner hohlen Hand, das langsam aber beständig wuchs. Als die Flamme gut zwanzig Zentimeter hoch schlug und in ihrem Zentrum nahezu durchsichtig geworden war, ließ er den Ring hinein fallen. Die Flammen loderten augenblicklich auf und Hades stand in einer Feuersäule. Als er sich sicher war, dass nichts als Asche vom Ring zurück geblieben war, ließ Hades das Feuer erlöschen.
Nachdem er vom Kilt ohnehin genug hatte, hatte er den Moment im Feuer genutzt, sein Outfit zu re-arrangieren. Soviel Effekt musste sein. Selbstverständlich hatte er fein säuberlich darauf geachtet, andere Stiefel zu tragen als Barthy. Der starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an.
"Wer ... wer zur Hölle bist du?"
Hades machte einen weit ausgreifenden Diener und schlug die Hacken zusammen.
"Gestatten, Hades mein Name. War mir ein Vergnügen mit dir blutige Pissnelken zu verfolgen."
Er pustete einmal beherzt in das Häufchen Asche auf seiner Hand. "Adieu, Gefängnis. Möge die liebreizende Morven hervortreten, auf das ihr in den Sonnenuntergang reiten könnt. Oder was immer ihr sonst zu tun gedenkt."
"Halten Sie den Ball flach", murmelte Dracula während er nach seinem Whiskey griff. Recht hatte er, es war definitiv Zeit für Drinks. Allerdings wirkte der Graf immer noch höchst unzufrieden und im nächsten Moment klärte sich auch warum.
"Morven, wenn du dich nicht zusammenreißt, tue ich es für dich. Nimm deinen Piraten und verschwinde."
Nichts geschah. Wenn Morven klug war, stellte sie die inexistente Geduld ihres temporären Vermieters nicht allzu lang auf die Probe. Der wandte sich schließlich an Barthy.
"Ihrer Freundin wird nicht gefallen, was ich gleich tun werde, um Sie loszuwerden. Es sei denn, sie entschließt sich von selbst..."
Das schien schließlich zu wirken, denn Morvens Geist begann, sich neben dem Grafen zu materialisieren. Dracula nickte sichtlich zufrieden, sah im nächsten Moment allerdings aus als hätte er in eine Zitrone gebissen.
"Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite"
Hades grinste breit, konnte es dem Grafen allerdings nicht verübeln, dass er auf rührselige Dankesbekundungen der Dame gut verzichten konnte und sie deshalb gleich von vornherein unterband. Er schlenderte hinüber zum Grafen, der sich mit einem schnellen Schritt aus der Schusslinie der beiden aufeinander zueilenden Liebenden gebracht hatte und nun aussah, als bereite ihm die herzzerreißende Szene Übelkeit.
"Graf Mahlzahn, geben sie mir fünf Minuten, dann können wir uns endlich in aller Ruhe einen Drink genehmigen."
Mit diesen Worten verschwand er zurück zur Tür, und machte sich auf ins Cross Roads. Dort schnappte er sich unter Sinis verwirrtem Blick ein paar Zutaten für ordentliche Whiskey Sours, klaubte mit flinken Fingern noch ein Päckchen Konfetti aus ihrem nicht ganz so geheimen Partyvorräte-Fach, tippte sich an den nicht vorhandenen Hut und kehrte zurück aufs Dach. Im Vorbeigehen warf er fröhlich Konfetti auf das Geisterpärchen, das leidlich entschleunigt durch die beiden hindurch rieselte. Und weil er sonst nicht Hades wäre, schaffte er es sogar, eine Handvoll über dem Grafen auszuschütten, der sich offensichtlich eine Sekunde zu spät entschieden hatte, dass ihm diese Unverfrorenheit tatsächlich zuzutrauen war.
Hades nahm ihm die Whiskeyflasche ab und begann, Whiskey Sours zu mischen. Nachdem der Graf sich mit dem verächtlichsten Blick, den er zu bieten hatte, Konfetti aus den Haaren geschüttelt und vom Hemd gesammelt hatte, reiche er ihm ein Glas.
"Cheers, altes Haus. Bin gespannt was die Eisige Jungfrau zu berichten hat, falls sie den Weg hier herauf findet." Er hob sein Glas und prostete Dracula zu.
"Also dann... wie wars mit Morven der Schrecklichen und Lord Blugegel?"
Dracula sah wenig amüsiert einem einzelnen Konfetti-Schnipsel nach, der langsam zu Boden rieselte, und nahm dann einen tiefen Zug aus seinem Glas. Hades grinste, als er ihm anerkennend zunickte. Immerhin seine Cocktails schienen die Zustimmung des Grafen zu finden.
"Ein Spaziergang" antwortete der andere dann schließlich, während er dem über die Burgmauer entschwebenden Glück nachsah.
"Aber ich schätze, von einem Schloss namens Bloodcurling Castle und einem Hausgeist namens Blutiger Lord sind diesbezüglich keine großen Überraschungen zu erwarten."
"Gesprochen wie echte Adels-Arroganz. Sie sind und bleiben ein Herzchen. Ich finde, man hätte einen schlechteren Abend verbringen können. Natürlich nichts im Vergleich zu den Feiern in meinem bescheidenen Heim. Ich gebe da übrigens demnächst eine Themenparty, die wird Ihnen gefallen..."
Während Hades dem Grafen seine aufrichtig herzliche Einladung aussprach, ging hinter ihnen langsam die Sonne auf.

Lothen

So, dank Malinche jetzt kann auch abgestimmt werden. :)

Jen

Ist es gewollt, dass man gleich die Ergebnisse sieht? Da ist doch Schmupotenzial.
Guilty feet have got no rhythm.

Guddy

#6
Oh Mann es ist mir so peinlich, dass meins gerade im Vergleich so knapp ist :/
Aber über die Feiertage hat es zu mehr bei mir echt nicht gereicht, sorry dafür. Aber ich bin froh, dass ich auf den letzten Drücker doch noch was einreichen konnte! Es hat trotzdem Spaß gemacht, dabei gewesen zu sein :) Bis zum Ende der Abstimmung kriege ich es sicher auch noch hin, die anderen beiden Geschichten zu lesen, bis dahin drücke ich noch jedem von euch die Daumen!

Malinche

Zitat von: Jen am 04. Januar 2016, 19:22:56
Ist es gewollt, dass man gleich die Ergebnisse sieht? Da ist doch Schmupotenzial.

Ist natürlich nicht gewollt, da ist mir beim Erstellen was schiefgegangen. :) Bitte sagt mir Bescheid, ob es jetzt klappt!
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Jen

Hat geklappt, sehe die Zahlen jetzt nicht mehr.  :jau:
Guilty feet have got no rhythm.

Naudiz

So, abgestimmt. Die Entscheidung fiel mir echt schwer. Alle drei Kandidaten sind so toll!

Belle_Carys

Danke nochmal an @Lothen für die ganze Veranstaltung :D

War mir eine Ehre, im Finale gewesen zu sein. Hades natürlich auch  ;D

Akirai

Zitat von: Naudiz am 04. Januar 2016, 19:43:55
So, abgestimmt. Die Entscheidung fiel mir echt schwer. Alle drei Kandidaten sind so toll!

Kann ich unterschreiben, und alle sind verdammt coole Säue!  :jau:
Hab mich trotzdem entschieden und bin gespannt, wie es ausgeht.

DoroMara

Habe abgestimmt. Danke fürs Organisieren. Ich bin schon ganz gespannt!

Lucien

Ich habe meine Stimme auch abgegeben. Und ich habe mich köstlich amüsiert. :rofl:

Auch von mir noch einmal einen herzlichen Dank, @Lothen! :pompom:

Lothen

Gern geschehen, es war mir ein Fest. ;D

Ich wurde gerade noch freundlich darauf hingewiesen, dass Hades aus Versehen Draculas Überschrift bekommen hat, jetzt ist das aber auch gefixt. ;)