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Ein Hoch auf Schwarz Weiß und nieder mit Grau!! Oder ?

Begonnen von Feuertraum, 19. Mai 2007, 23:18:08

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Feuertraum

Ja, ich sehe Sie schon alle, wie Sie  :nöö: machen und gleich ein "Nur Grautöne machen eine gute Geschichte aus".

Machen Sie?
Auch wenn ich jetzt hunderte, tausende, zehntausende Autoren gegen mich habe, ich behaupte: Nein!
Ganz im Gegenteil: Grautöne bei den Absichten von Protagonist gegen Antigonist gehören verboten! Vorausgesetzt, es handelt sich dabei um eine physische Geschichte, bei der die Handlung im Vordergrund steht.

Verstehen Sie mich nicht falsch: es geht UM DIE HANDLUNG, um das ZIEL der jeweiligen Akteure, NICHT um deren Charakterisierung!!

Schauen wir uns in der Welt um: Welchen Zuschauer von Boxkämpfen interessiert es, ob die beiden Boxenden schwere private Probleme haben? Keinen! Man will einen Fight sehen, will sehen, wie Fäuste ins Gesicht krachen und einer von beiden zu Boden geht.
Ob der "gute" Bush einen Krieg gegen den "bösen" Saddam führt, zeigt genauso das S/W-Muster auf wie zum Beispiel dass "freie deutsche Volk im Osten" gegen den "bösartigen kapitalistischen Westen"
Und seinen wir ehrlich: diese Propaganda (als etwas anderes darf man sie nicht bezeichnen) wirkt.
Auch in der Literatur/Filmwelt liest und sieht man es immer wieder: Gut kämpft gegen Böse, und in 99,99% aller Fälle weiß man, wie die Story ausgeht.

Leider hat diese Sache einen dummen Haken: Ob nun Batman gegen Riddleman gewinnt, Kommissar Wallander einen Mord aufklärt oder irgendein Geisterjäger einen Dämon zur Hölle schickt: dem Leser wird aufgezeigt: Protagonist = Gut, Antigonist = böse, beides zusammen = Propaganda. Und Propaganda ungleich Geschichte.
Ergo darf eine Geschichte nicht Gut vs Böse sein!
Darf sie nicht?
Hier muß ich mit einem entschiedenen "Jain" antworten. Meines Erachtens kommt es darauf an, welche Motivation hinter den jeweiligen Parteien steckt, welche Ziele und Pläne sie verfolgen und vor allen Dingen: wie stichhaltig diese sind.

Doch damit beginnt eine Schwierigkeit: welche Argumente kann man finden? Genügt ein: Das Böse macht sich breit, weil es an Macht zunehmen, und das Gute kämpft dagegen an, weil es seine Freiheit nicht verlieren will ?
Kann man da von stichhaltigen (wenn auch profanen) Argumenten sprechen?
Auch hier will ich kein eindeutiges "Ja" sagen. Wenn man sich alleine schon mal die Thematik "Rache" anschaut: Das Gute will sich für den Tod eines geliebten Menschen rächen, das Böse will verhindern, dass an ihm Rache geübt wird. Klar, es ist "böse", einen anderen Menschen umzubringen. Aber ist es auch "böse", sein eigenes Leben zu schützen? Oder andersrum gefragt: "Ist es gut, für seine Rache jemanden zu töten"?

Wenn man als Autor also S/W-Zeichnerei vermeiden will, will man damit der Gefahr der Propaganda aus dem Weg gehen, braucht man für Prota und Anti jeweils logisch nachvollziehbare Motivation. Und diese in einem auf Handlung ausgelegtem Plot zu finden scheint doch eher schwierig zu sein?

Was meinen Sie?

LG

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Hr. Kürbis

*schwirrt der Kopf*

Aaaaaaalso, für mich geht es gar nicht so sehr um gut gegen böse sondern um Standpunkt gegen Standpunkt. Dennoch stimme ich der Zusage zu, das Protagonist und Antagonist klar definiert sein sollten in ihrer Zielstrebigkeit und nicht Wendehälse, die an jeder Ecke ihrer Meinung ändern.
Entwickeln, ja, das dürfen sie sich, aber ihr Ziel sollte dabei immer klar erkennbar sein (auch wenn der Leser das nicht immer so sieht). Das hat aber wie gesagt für mich nur sehr wenig mit gut und böse zu tun. Gerade Charaktere wie der als Beispiel genannte Batman sind ja auch nicht immer gut in ihrer Handlungsweise, würden sich per Selbstdefinition aber durchaus auf die gute Seite stellen.
Auf beiden Seiten der Handlung darf es natürlich auch "graue" Charaktere geben, die das Geschehen würzen (und an die die Leser ihre Herz hängen dürfen  ;)) und der Handlung mehrere Facetten geben. Ob die allerdings als Protag oder Antag taugen? Hm...

Das ist meine Meinu8ng zu diesem doch recht relativen und schwierigem Thema.

Artemis

Das erinnert mich an die Diskussion mit dem "Dürfen Orks böse sein?"   :hmmm:

Ich würde auch sagen, dass alles vom Betrachtungspunkt abhängt. Wenn ich auf der Seite der Guten bin, ist es klar, dass die andere Seite die Bösen sind.
ABER: Wenn man einen Blick in die Reihen der Bösen wirft, sieht man, dass sie das, was sie machen, als gut ansehen!

Wie kommt das?

Keiner kann/ darf von sich behaupten, er wäre absolut gut oder böse. Jeder ist nur das Gegenteil von denen, die nicht der gleichen Meinung sind wie man selbst (hui, da kriegt man ja nen Hirnknoten ...  :gähn:)

Ok, kleines Beispiel: Zwei Fronten, ein Land. Die Guten leben im Land seit x-Jahren, die Bösen wollen aber auch dazu. Jetzt sind die Guten aber mal so böse und lassen die Bösen nicht rein. Das gefällt den Bösen natürlich nicht, weshalb sie das Land eben mit Gewalt erkämpfen wollen, weil die Guten (also in ihren Augen die Bösen, die sie nicht reinlassen) nicht nachgeben. Damit unterstreichen sie in den Augen der Guten die Tatsache, böse zu sein, obwohl sie eine für sie selbst gute Absicht (nämlich Land für ihre Familien erobern) haben.

*ächz*

Versteht jemand, wa sich meine?  ???
Die Bösen (außer diese albernen Klischee-Bösewichte, aber das sind eh nur Pappkameraden) sind in ihren eigenen Augen die Guten, weil sie ganz einfach ihre eigenen Ansichten haben, die sie als richtig empfinden. Somit sind wir nicht in einer grauen, sondern in einer schwarz-weiß-gestreiften Welt, weil jeder in seinen Augen gut und in den Augen der Gegner böse ist.

Das Gehaue um Protagonist und Antagonist lässt sich somit jederzeit umkehren, und dann tauschen die beiden ganz einfach mal die Rollen. Tja, und dann? Dann geht die Hackerei von vorne los.

Mist verdammter, ist das kompliziert ...

Die Behauptung, dass Gut immer gewinnt, stimmt daher nur zu 50 %. Natürlich gewinnt GUT immer, aber welches GUT denn jetzt? Wenn wir eine Geschichte sehen oder lesen, dann sind wir immer der Meinung, dass das Gute wirklich das absolut Wahre und Gerechte ist - es muss halt gewinnen, weil man es uns von Kindesbeinen an so beigebracht hat. Aber wir sehen nur eine Seite der Medaille.
Schneewittchen muss ihren Prinzen kriegen, weil die Stiefmutter böse ist - warum ist sie böse? Weil sie eifersüchtig ist. Und ist eifersüchtig = böse? Dann wären wir wohl alle böse, weil Eifersucht ein nicht zu vermeidendes Gefühl ist.
Der Wolf frisst die Sieben Geißlein, weil er böse ist - und warum ist er böse? Weil er hungrig ist und um sein Leben kämpft. Ist der Überlebenskampf denn böse? Jeder kämpft ums Überleben, und genau darin liegt die ewige Rivalität von Gut und Böse. Wer leben will, ist gut, und alle anderen, die das ebenfalls wollen, sind Konkurrenten und damit böse!

Wisst ihr, dass wir hier grade in einem der größten Probleme der Menschheit rumwühlen? Was ist Gut und was ist Böse - das gabs schon zu Zeiten, als wir noch auf Bäumen hockten und uns um den besten Platz da oben stritten, und es wird ihn auch in Zukunft geben.


So, das wars von meiner Seite  ::)

gbwolf

#3
Das sich Gut und Böse immer aus der Sichtweise ergeben, dem stimme ich absolut zu.
"Grau" definiere ich persönlich die Herangehensweise an die Geschichte. Es heißt für mich, dass für die Leute im Roman vielleicht ein s/w-Schema existiert, der Leser aber einen höheren Blick hat und genug wertungsfreie Informationen erhält, um sich selbst aussuchen zu können, wen er für den "Böseren" hält oder auf welche Seite er sich schlägt.

Das heißt für mich vor allem, die "Bösen" nicht auf wenige Attribute zu reduzieren, sondern ihnen die gleichen Eigenschaften zu gönnen, wie den "Guten". Eine Entwicklung im Charakter eines Heerführers muss plausibel und nachvollziehbar sein, auch wenn man im Bereich Fantasy natürlich mehr Möglichkeiten hat, wie z.B. dämonischen Ursprung.
Das gilt übrigens auch für die "Guten", die sich oft jenseits aller psychologischen Glaubhaftigkeit bewegen.

Für die Bösen charakteristisch ist z.B.:
Hässlich, überaggressiv, dumm, sind Egoisten, von idiotischen Soldaten in martialischen Rüstungen umgeben, blutrünstig, vernichten alles Land, bis der Leser sich fragt, wovon die Bösen sich jetzt noch ernähren sollen, haben schleimige und gruselige Kreaturen, tragen schwarz oder rot.

Für die Guten charakteristisch ist:
Lieben die Farben Gold und Weiß, sind klug (außer der Held, der immer dann dumm ist, wenn eine Falle auf ihn lauert), sind mildtätig, teilen alles, sind liebenswert, sind naiv, haben niedliche oder edle Kreaturen dabei, sind attraktiv, regieren mit so weicher Hand, dass das Volk eigentlich den Regierungsapparat lahm legen müsste, weil der Mensch nunmal jede Schwachstelle nutzt, um sich zu bereichern, sind immer gnädig.


Für mich heißt "grau" schreiben also vor allem: Glaubwürdige Darstellung unter soziologischen und psychologischen Gesichtspunkten, möglichst freie Meinungsbildung des Lesers.


"Propaganda" gehört zur Handlung natürlich dazu (Der Boxkampf ist ein guter Vergleich), aber auch in solchen Fällen ist in der realen Welt jedem klar, dass ein komplexeres System als das "pure Böse" hinter den Sachen steht und wird z.B. von den meisten Zeitungen zumindest angedeutet. Das sollte im Roman trotz alles Parteinahme nicht unter den Tisch fallen.

THDuana

Was mich zum Teil ärgert, ist eben, dass das Gute und das Böse so eindimensional dargestellt werden. Es sind immer irgendwelche Gründe, die vielleicht ansätzlich zu verstehen sind, aber, wie Artemis und gbwolf schon sagten, aus der Sicht des "Täters" und des "Verteidigers" immer gut sind.

Grau zu definieren finde ich noch schwerer als Gut und Böse.
Grau ist neutral. Aber ist das alles? Wie stellt sich eine Seite im Krieg als neutral dar?
Kämpfen sie nicht um ihr Land und fallen auch nirgenwo ein, wenn sie kein Land mehr haben?

Grau ist ein gemisch aus Gut und Böse. So sieht man das zumindest auf der Farbtabelle.
Ist dann jemand "grau", wenn er/sie sich nicht entscheiden kann, ob er/sie Angreifer oder Verteidiger ist? Gut oder Böse?

Grau ist das "wahre" Gesicht von Gut und Böse, weil es eben zugibt, weder zu 100% das eine, noch das andere zu sein.

Vielleicht ist Grau ja alles zusammen, aber ich tendiere zu Überlegung drei, weil ich der Überzeugung bin, dass alles Gute irgendwo böse ist und alles Böse irgendwo gut.

In Romanen wird leider oft das "typische" Schwarz/Weiß-Schema verwendet und die Gründe von Weiß sind klar (Land verteidigen, damit die Welt nicht untergeht), aber die Gründe von Schwarz? Die bleiben auf der Strecke.

In einer Geschichte jemanden "grau" darzustellen bedeutet für mich, jemanden glaubhaft und real darzustellen.

So viel von meiner Seite (, obwohl ich glaube, dass ich etwas vom Eigentlichen abgekommen bin ::))


Duana

Möchtegernautorin




Komisch, darüber habe ich letzte Woche erst mit meinem Onkel etwas diskutiert <schmunzel>

Mein Onkel schreibt ja auch und ist der Meinung, es müsste immer ein schwarz/weiß- Schema geben und dass man es damit den Lesern am einfachsten machen würde. Wenn man einen ,,Buhmann" hat ist eben alles einfacher.
Allerdings bin auch ich da der Meinung, dass es zu einfach ist, ohne sich die Gedanken zu machen und vor allem auch glaubhaft darzustellen, was den angeblich Bösen dazu bewegt so zu sein, wie er ist.

Ich bin eine Verfechterin dessen, die gerne wissen möchte, warum jemand so handelt, wie er handelt, also möchte ich auch wissen, warum der ,,Böse" böse sein soll und der ,,Gute" gut. Sowohl als Leserin, als auch als Schreiberling möchte ich das wissen.
Die Konsequenz dessen ist, dass ich jeden Charakter über den ich schreibe gut kennen muss und nicht einfach so jemanden einbauen kann, der mir gerade so flüchtig in den Sinn kommt. Dann kann ich auch dem Leser nicht vermitteln, warum jemand so denkt, wie er es tut.

Den Ausdruck mit dem schwerz-weiß-gestreift finde ich eigentlich ganz passend. Jeder denkt, es sei gerechtfertigt, was er tut.
Da passt auch das Stück von Sartre dazu, dass wir gestern gesehen haben. Zwei Seiten waren Feinde, der Protagonist schleicht sich bei den von seiner Sicht aus ,,Bösen" ein und stellt fest, dass die gar nicht so böse sind. Letztlich hatten alle das gleiche Ziel nur eben andere Methoden es anzugehen. Ja.. und da kommt wieder die Frage: wer ist denn jetzt böse?

Mein Fazit dafür wäre: Sind alle mitmachenden Personen in einem Roman gut charakterisiert, kann man selbst als Leser daraus schließen, wer jetzt eigentlich die falsche Ansicht ab. Und das wiederum hängt ja auch von den eigenen Vorstellungen von gut und böse.. oder eben grau ab.
Wobei man sich da auch wieder die Frage stellen kann, wie viele Leser sich das selbst überlegen wollen und nicht lieber klar gesagt bekommen möchten, gegen wen sie sein sollen....
Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

THDuana

Zitat von: Drachenelfe am 20. Mai 2007, 11:58:10Mein Onkel schreibt ja auch und ist der Meinung, es müsste immer ein schwarz/weiß- Schema geben und dass man es damit den Lesern am einfachsten machen würde. Wenn man einen ,,Buhmann" hat ist eben alles einfacher.
Das ist es wahrscheinlich, warum in so vielen Büchern das Schwarz/Weiß-Schema herrscht.
Der Einfachheit halber.
Der Autor hat es einfacher, weil er etwas behaupten kann, ohne die Beweggründe dahinter nennen zu müssen und der Leser hat es einfacher sich dem Guten anzuschließen und das Böse zu hassen.
Viele empfinden das als "näher am Protagonisten" und hassen dann - wie selbiger - den Bösen.

Dennoch finde ich, sollte man sich als Schreiberling die Mühe machen, den Leser hinter die schwarz-weiß gestreifte Fassade schauen zu lassen, damit er entscheiden kann, wem er sich "anschließt".
Die Lieblingsfiguren sind ja selten die guten Protagonisten ;)


Duana

Möchtegernautorin

Zitat von: Duana am 20. Mai 2007, 12:03:17
Die Lieblingsfiguren sind ja selten die guten Protagonisten ;)
Stimmt :)
Selbst mein Onkel meinte, er würde die vielschichtigen Charaktere lieber mögen. Der Unterschied zwischen uns ist wohl lediglich derer, dass er das Schreiben zwar liebt, aber auch Erfolg haben möchte mit dem, was er schreibt. Er versucht sich also dem anzugleichen, was die Masse möchte.
Ich schreibe, weil ich einfach Spaß daran habe zu schreiben, Charaktere zu entwickeln und Geschichten zu erfinden. Mit einem Erfolgsgedanken plage ich mich nicht. Ich versuchte nur so zu schreiben, wie ich es selbst gerne lesen wollen würde.
Anscheinend entstehen aus der Motivation heraus auch andere Ansprüche, was das schwarz-weiß denken angeht.
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THDuana

Es ist eben die Frage, für wen man schreiben will.

Ich lese nicht gerne Bücher, in denen das Schwarz/Weiß-Schema allein vertreten ist.
Klar, es können auch gute Bücher sein, aber ich mag eben lieber die realistischen Charaktere.
Die Masse liest allerdings wohl doch lieber schwarz/weiß...


Duana

Feuertraum

#9
Hallo erstmal!

Und ein Dankeschön für die Meinungen, auch wenn ich - sorry @ Artemis - den Vergleich mit dem Wolf im Märchen ein bißchen unglücklich gewählt empfinde; Die "guten alten" Märchen sind spezifisch auf das S/W-Schema angelegt (bleiben wir in diesem Falle bitte bei den deutschen; manches ausländische sieht das ganze vollkommen anders). Wenn man nun den Wolf in "Der Wolf und die sieben Geißlein" mit dem Argument "Er hat Hunger und muß essen" ausstattet, ist es trotzdem eine S/W-Malerei, weil Geißlein bei Kindern eben niedlich (süß) sind, und der böse böse Wolf das Niedliche verspeist. Wird ein Kind da das Argument "Hunger" gelten lassen ?

Nun kann das Argument kommen: Jaha, Kinder. Kinder haben eine vollkommen andere Auffassung und von der Welt und den Problemen der Erwachsenen. Da funktioniert ein S/W-System auch ohne Probleme.
Allerdings sollte man gleich hinzufügen, dass es KiBü gibt, die vollkommen auf S/W ausgelegt sind (z.B. die Geschichten um TKKG) und Bücher, bei denen es schon einen "Kampf" Gut gegen Grau gibt (zum Beispiel einige Bände der 3 Fragezeichen).

Wenn wir nun zum "gebildeten" Erwachsenen springen ist es eigentlich recht erstaunlich, dass auch er dem S/W-Muster nicht vollkommen abgeneigt ist. Allerdings spielt da ein weiterer Punkt eine Rolle: die Moral.
Selbst wenn der Autor wertfrei schreibt und für beide Seiten einen logischen, nachvollziehbaren Punkt einbindet, so ist es doch der Leser, der im Prinzip entscheidet, ob nun das Argument von Prota oder das Argument von Anti richtig und "gesellschaftlich moralisch" vertretbar ist.
Ich gehe nun den Schritt und behaupte, das unter diesem Gesichtspunkt alles wieder auf ein S/W-Denken hinausläuft, nur dass es differenzierter versteckt ist... ;)

LG

Feuertraum

Edit: @ Duana: noch einmal: es geht mir hier NICHT um die Charakterisierung der Person. Es geht um dessen Motivation!!
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Hr. Kürbis

@Feuertraum
Es ist sicherlich richtig, das eine nachvollziehbare Handlungsweise noch keine Rechtfertigung für einen gute oder bösen Standpunkt ist. Aber diesen für den Leser "richtig" darzustellen ist Aufgabe des Autors, und das macht er eben durch Dinge wie Moral etc.
Er wertet seine Geschichte also für den Leser, gibt ihm eine Seite, an die er sich klammern und sein Herz hängen kann. Denn es währe wohl ein schlechtes Buch, wenn es den Leser völlig kalt lässt, welche Seite denn nun "gewinnt", nur weil die Gründe absolut nachvollziehbar sind und keiner das moralische i-Tüpfelchen hat...

Ryadne

Ach, ist das schön, alte Threads rauszukramen ;)

Also, zum Thema.
Für mich ist eine Handlung erst dann glaubwürdig, wenn sie sich nicht auf das Schwarz/Weiß-Schema verlässt, da das einfach nicht der Realität entspricht. Schön, wir sind hier meist in der Fantasy oder wenigstens der Phantastik, aber ich bin hier kein Freund des Wunderbaren. Zumindest den Charakter der Charaktere möchte ich auch in der Realität finden können, bzw. das Gefühl haben, ihn finden zu können.

Dennoch sind viele Handlungen auf ein graues Weiß und ein graues Schwarz angewiesen, sonst besteht ein Motivationsproblem. Ich habe letztes Jahr mal an einem Schreibworkshop teilgenommen, wo sechs Leute saßen, die gemeinsam eine Fantasy-Geschichte schreiben wollten. Gut, die Weltentwicklung hat anfangs noch gut geklappt, dann hieß es, man wolle kein Klischee-böses-Volk haben und auch keine Götter, alle haben sich lieb und schön, darauf haben wir uns dann erstmal geeinigt. Ja, nun war aber natürlich das Problem - wer ist denn dann der Antagonist? Kein Gott, der Mist bauen kann, kein Volk, gegen das es sich guten Gewissens kämpfen lässt, da gehen einem die Ideen schneller aus, als man meinen mag.

Auf der einen Seite besteht also ein Bruch mit der erlebten Realität, auf der anderen ein Motivationsproblem. Die goldene Mitte muss her und meiner Meinung nach darf sich die Mitte ruhig auf der Seite des Motivationsproblems befinden, denn was man hier nicht wie die frühe High Fantasy mit mythischem Moraldenken erlangen kann, das kann man durch Sympathien einzelner Charaktere ausgleichen, was dann wohl auch der Grund ist, weshalb auch Assassinen sich zu Helden entwickeln können. Gerade in letzter Zeit ist es ja in, sogar den Superhelden der Comicwelt ihre ambivalenten, ja, dunklen Seiten zuzugestehen und im "Krieg der Spinnenkönigin" etwa gibt es zwar Sympathieträger, die sind aber nicht moralisch gut, sondern erhalten die Sympathien etwa dadurch, dass sie von moralisch nicht schlechteren, aber mächtigeren und kälter wirkenden Antagonisten unterdrückt werden. Womit wir wieder an dem Punkt wären, dass es ein relatives Schwarz, bzw. Weiß geben muss, das nicht durch Moral, sondern durch Emotionen in die eine oder andere Richtung gedrückt wird. "Unrelative" Charaktere wie z.B. Ollowain aus der Elfen-Reihe von Bernhard Hennen erscheinen meiner Meinung nach auch durch fehlende "böse", aggressive Emotionen schnell als langweilig und auch dumm.

Man denke z.B. auch an die Reihe "Drachenlanze". Da ist die böse Takisis, die null Sympathien erweckt, weil sie einfach blöd erscheint. Macht alles kaputt, hat niemanden lieb, eine schwere Kindheit kann man ihr leider nicht anhängen, denn sie ist nun mal eine Göttin und ich glaub, die werden schon erwachsen geboren.
Da ist aber auch der böse Raistlin, der eigentlich auch ein ziemlicher Unsympath ist, sogar seine Familie verrät, um selber mehr Macht zu haben, und trotzdem ist er der beliebteste Kerl der ganzen Reihe! Warum? Weil der Leser seine Emotionen kennenlernt, nachvollziehen kann, warum er so geworden ist und am Ende ist Raistlin ja eh das Opferlamm, tata.

Wenn man sich nicht auf einzelne Figuren konzentrieren will, sondern eine ganze fiese Partei braucht, kann man ja wenigstens innerhalb dessen ein paar Sympathieträger noch einbauen, wie z.B. wiederum in Hennens Elfenreihe, da gibt's ja auch innerhalb der Tjured-Kirche ein paar "Helden", die halt einfach nicht wissen, dass sie einem lügenden Dämon folgen. Und auf der anderen, "guten" Seite der Elfen gibt es auch moralisch genau genommen als tiefgraue Schafe Erscheinende wie Meuchelmörder Farodin, der aber ja wiederum dank seiner Emotionen auch sehr sympathisch rüberkommt. 

Joa, ich hoffe, mein Punkt kam an. Also, totales Schwarz/Weiß lehne ich ab, aber nennt mir auch mal ein Werk, in dem das noch richtig konsequent vorkommt. Inzwischen haben die meisten Fantasybücher auch innerhalb der "bösen" Seite Sympathieträger und das funktioniert ja ganz gut, erhöht auch die Spannung. Ich persönlich mag es nicht so, wenn es dann doch ein ultimatives Böse gibt, wie z.B. Voldemort oder den Devanthar aus der "Elfen"-Reihe. Aber na gut, das gestehe ich den Autoren aufgrund des Motivationsproblems ein.

Aphelion

Zu viel Grau schadet, finde ich. Das wirkt oft sehr gewollt. Bei reinem Schwarz-Weiß ist es jedoch genauso.

Die goldene Mitte ist in meinen Augen wie so oft der richtige Weg.

Ich persönlich halte es, wie im richtigen Leben: Etwas kann gute Gründe haben und trotzdem "moralisch falsch" sein. Dann wäre die Betrachtung grau und das Fazit schwarz. Dabei ist denke ich vor allem wichtig, dass die Gründe für das "Grau" nicht zu banal sind - sonst ist es wieder zu eindimensional. Denn auch Grautöne können furchtbar aufgepappt wirken.

Innerhalb einer Geschichte bedeutet das: Manche Charaktere dürfen auch einfach platt-gut oder dumm-böse sein - Jedenfalls in ihrem Auftreten, weil man auch innerhalb eines Romans nicht auch dem letzten Ork ( ;) ) hinter die Stirn gucken kann. Das finde ich okay.
Die Protagonisten sollten auch in sich einiges an Konfliktpotential haben (mit sich selbst - also "grau" sein), aber je unwichtiger die Charaktere sind und je mehr sie Statisten sind, darf es auch platt schwarz und weiß sein.

Viel wichtiger als gut und böse sind Konflikte. (Das hatte glaube ich schon jemand hier geschrieben, ich finde nur leider die Textstelle irgendwie nicht wieder.)
Dabei können auch beide theoretisch, auf einer Meta-Ebene "gut" sein, sich aber trotzdem in die Wolle kommen. Man denke nur an Opferschutz und -rechte vs. Täterschutz und -rechte, was auch in der Fantasy immer wieder indirekt aufgegriffen wird.

Lomax

Nun ja, es gibt ja nun genug scharz/weiße und graue Geschichten und Figuren, die alle ihre Fans haben und die zeigen, dass beides funktioniert, dass es Leser ansprechen kann (mitunter unterschiedliche Leser, mitunter sogar dieselben Leser), und dass es Erfolg haben und mitreißend sein kann, je nachdem, wie es im Detail aufgemacht und erzählt ist. Ich denke mal, vor dem Hintergrund dieser Empirie ist es müßig, darüber zu diskutieren, ob das eine oder das andere sein muss oder besser funktioniert.

Ich kann also für mich persönlich nur sagen, dass ich eigentlich weder das schwarz/weiße noch das Graue so gerne mag. Schwarz/weiße Geschichten sind nun mal in aller Regel so naiv und dumm konzipiert, dass man die im Eingangspost erwähnte "Propaganda" allzu deutlich bemerkt, dass man weiß, wie unrealistisch das ist und das man widersprechen möchte. Manchmal und für viele Leser mögen klare moralische Fronten beruhigend sein, auch ich kann mich damit unterhalten - was allerdings bei mir zurückbleibt, ist immer der Geschmack einer süßen, klebrigen Lüge im Mund, und das stört schon das Eintauchen in einer Geschichte und reicht zumindest bei mir, um mit einem  klaren schwarz/weiß-Szenario nicht wirklich zufrieden sein zu können.
  Umgekehrt ist das, was gerne als "grau" bezeichnet wird, oft nur auf andere Weise dumm und undramatisch und ersetzt schwarz-weiß-Zeichnung nicht etwa durch eine "differenziertere Charakterisierung", sondern vor allem durch Politische Correctness. Bei Geschichten, wo alles irgendwie ununterscheidbar grau in grau ist, da schaudert es mir dann auch. Da darf niemand was böses tun, ohne durch eine schwere Kindheit dazu getrieben zu sein oder heimlich in seinem Zelt vor Gewissensbissen zu weinen und ganz furchtbar missverstanden zu sein :nöö:. Da muss jedes Volk irgendwie gleichermaßen menschlich sein, Orks sind halt etwas wilde und kriegerische Indianer, Echsenmenschen sind stolze Wüstenkrieger oder sonst so einen Schmu, nur um jeden Anschein von Rassismus zu vermeiden - aber warum sollte es keine völlig fremden Völker geben, die aus menschlicher Sicht einfach böse und schwer zu ertragen sind, die sich selbst womöglich nicht als "böse" empfinden, die aber einfach anders sind, aus eigenem Recht und ohne Relativierung und Entschuldigung? Mich stört also eine "graue" Erzählweise genauso wie schwarz-weiß, wenn "grau" in Wahrheit nur "weichgespült" bedeutet, ohne Ecken und Kanten, ohne Klare Positionen und ohne Figuren, die wirklich provozieren können.
  Ich mag also nicht zwischen schwarz/weiß und grau unterscheiden, sondern ich mag am liebsten eine dritte Erzählhaltung, auf die weder scharz/weiß noch grau passt - nämlich eine ambivalente Struktur. Wo Figuren glaubwürdig empfinden können und einen Hintergrund haben, wo der Leser verführt wird, mit ihnen zu sympathisieren oder sie "verstehen" zu wollen - und im nächsten Moment trotzdem wieder ohne jede Grauzeichnung abgestoßen wird von dem, was sie tun, weil die Figuren nämlich trotzdem wirklich böse sein können. Ich mag Geschichten, wo schwarz neben weiß steht, ohne sich zu vermischen und zu grau zu verwaschen - wo es aber einfach nicht so klar nach Figuren und nach Positionen getrennt ist. Ich denke, diese Erzählweise, wo man schwarz und weiß noch klar konturiert erkennen kann, wo es aber im Roman nicht bunt durcheinandergeht und schwarz und weiß überall lauern kann, nicht nur in den Protagonisten, die muss ganz deutlich von der gleichmacherischen "Grauzeichnung" unterschieden werden, weil sie einfach das dramaturgische Potenzial klarer Kontraste erhält, aber zugleich die naive leichte Unterscheidbarkeit von "Gut" und "Böse" vermeidet. Solche Bücher sind es, die ich vor allem interessant finde.
  Und viele der besseren Romane, bei denen man gerne von "Grau" spricht, schaffen das auch, und das vor allem sind dann die interessantesten Figuren - der Antagonist, der schocken kann, aber den man fast verstehen möchte; der Held, der ernsthaft beschädigt wird, aber trotzdem versucht, das Richtige zu tun, auch wenn er selbst dabei kaum noch vom Bösen zu unterscheiden ist ... im Gegensatz zu dem "weißen" Helden, dessen Gegner am Ende von der Klippe fällt, damit der Gute sich nicht die Hände schmutzig machen muss  >:(.

Ich möchte also zumindest den Gegensatz Schwarz/weiß vs. Grau auf ein Dreieck erweitern, und ich persönlich ergreife dabei ganz klar Position für die dritte Position. Ambivalente, mehrdeutige Geschichten und Figuren, mit vielen klar konturierten Facetten, deren Farbe niemals zu einem Grau verwäscht - sich aber immer wieder ändert, je nachdem, wo der Leser gerade steht oder wohin der Autor ihn im Laufe der Geschichte führt.

Churke

Zitat von: Aphelion am 01. März 2012, 15:45:33
Zu viel Grau schadet, finde ich. Das wirkt oft sehr gewollt. Bei reinem Schwarz-Weiß ist es jedoch genauso.

Wenn ich mir die Realität anschaue, dann gewinne ich den Eindruck, dass das wahre Grau, nicht interessiert.
Betrachtet man die mediale Rezeption irgendeines Konflikts, dann gibt es zwei Grundmuster:

a) Der Konflikt findet medial nicht statt - allenfalls im Kleingedruckten. Das sind Kriege, die uns entweder nicht interessieren - oder uns nicht interessieren sollen.

b) Die Medien ergreifen Partei für eine Seite. Sie unterdrücken Meldungen, die den "Guten" schaden und pushen die ständigen Verbrechen der "Bösen". Beim für dumm verkauften Zuschauer/Leser entsteht so automatisch das Schwarz-Weiß-Modell.

Da ist kein Verbrechen zu romanesk, um es nicht in die Schlagzeilen zu schaffen. Wenn der Diktator von Tripolis an schwarze Söldner Viagra verteilt, damit sie mehr weiße Frauen vergewaltigen können, gerät der mitteleuropäische Wohlstandsbürger in wohlige Empörung. Was für ein Schurke!

Warum ist eine objektive, unparteiische Berichterstattung so kaum möglich? Ich denke, dass die Leute ganz einfach erwarten, dass es einen Guten gibt und einen Bösen. Das ist die unterbewusste Sehnsucht, sich mit dem Guten zu identifizieren. Ich leite daraus ab, dass auch Geschichten besser funktionieren und ankommen, wenn sie diese Erwartungshaltung bedienen. Gut gegen Böse. Man kann dieses Modell ja durchaus hinterfragen - aber die Fassade ist eben schwarz und weiß.