• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Zwischen langweilig und überfrachtet - wie viel Handlung braucht eine Geschichte?

Begonnen von chaosqueen, 03. Mai 2015, 11:07:36

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

gbwolf

Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen, dass sich diese Frage - auch mit Beispielen eigentlich nicht klären lässt. Da müsste man meines Erachtens ein Wochenende zusammensitzen und an konkreten Textpassagen drüber sprechen: Was genau funktioniert da für Leser A und Leser B und was funktioniert nicht und was willst du als Autor mit bestimmten Textstellen aussagen?

Du machst dir in letzter Zeit ja öfter einen Kopf über das Schreiben und mir kommt es vor, als wärst du noch auf der Suche nach dem, was du erzählen möchtest, was du transportieren und in den Lesern bewegen willst - und natürlich nach dem Wie.

Deshalb erlaube ich mir, dich einmal ganz frech zu fragen: Wie viele Romane hast du bislang beendet und wie oft hast du sie überarbeitet?

Ich gehöre nämlich auch zu denen, die nicht als naturgegebene Genies und Bauchschreiber ins Textleben geboren wurden (Ich kenne mittlerweile ein paar, die zügig sehr gute Texte verfassen können - in diese Sphären werde ich niemals vorstoßen) und tue mir noch immer damit schwer, Romane zu beenden. Ich muss noch während ich schreibe ganz viel überarbeiten und wenn sie fertig sind, erst recht. Es gibt sicherlich kein Werk von mir, das ich nicht viermal oder fünfmal sehr gründlich überarbeitet habe oder bei dem ich nicht 60-100 Seiten komplett rausgeworfen und neu geschrieben bzw. umgeschrieben habe - und trotzdem knackt es noch an allen Ecken und Enden. Ich brauche einfach viel länger als andere für einen gescheiten Roman und das muss ich noch immer akzeptieren lernen.
Aber eigentlich will ich dir damit Mut machen. Denn bei mir ist es auch oft so, dass Teile des Romans sehr kompakt und ohne Übergänge oder viel zu ausführlich sind. Das eine bezeichne ich als "Notizen mitnotieren, während man die Rohform schreibt und später konkretisieren" und das andere als "Aus dem Selbstmitleidsgesülze eine selbstbewusste Person mit einem kleinen Hänger machen".  ;D
Mit jeder Überarbeitung stellt man fest, was einem gefällt und was nicht, formt seinen Stil, modelliert den Roman - und ab dem dritten oder vierten Roman fällt einem das dann leichter.

Churke

Zitat von: FeeamPC am 03. Mai 2015, 14:36:51
Ich widerspreche insoweit, als ich eine Überfrachtung mit Handlung durchaus für möglich halte. Nämlich dann, wenn eine atemlose Handlungszene nach der nächsten abläuft, ohne dem Leser eine Möglichkeit zu geben, sich irgendwie hineinzufühlen.

Liegt es dann an der Handlung an sich - oder eher daran, dass die Handlung keine Struktur hat und kein rundes Bild abgibt?

Ja, ich habe mich auch schon durch "Bücher" gequält, in denen X Perspektivträger in Y Erzählebenen auf Z Zeitebenen vor sich hin handelten. Sorry, aber das funktionierte halt einfach nicht. Wobei ich in allen diesen Fällen nicht den geringsten Grund fand, weshalb der Autor sich für diese szenische Auflösung entschieden hatte. Das war völlig überflüssig, ich weiß also nicht, was das sollte.   :wart:


Zitat von: chaosqueen am 03. Mai 2015, 15:06:16
Um bei meinem Lieblingsbeispiel zu bleiben: Stefón Rudel ist völlig überfrachtet, aber kein Fitzelchen ausgearbeitet. In jedem Satz passiert etwas Neues, Grandioses. Die Entwicklung der Figur bleibt dabei völlig auf der Strecke.

Das Gegenstück wäre ein Roman, in dem nichts passiert, aber das halt sehr ausführlich. ;D Ich habe dazu kein passendes Beispiel. Beides sind aber Erzählweisen, die maximal im Nischenbereich einen Verleger finden - Stefón Rudel ist entweder DKZV oder Selbstverlag, ich hab es gerade nicht auf dem Schirm.

Okay, aber ich denke, wir sind uns einig, dass beides Mist ist...  ::)

Zitat von: chaosqueen am 03. Mai 2015, 15:06:16
Das ist alles ganz hübsch, aber am ende hab ich mich selber gefragt, was ich dem Leser eigentlich erzählen will - außer, dass ich ein dystopisches Kiel ohne Kunst und Spaß entworfen habe. :rofl:
Das würde ich für dein Problem halten: Du weißt nicht, welche Geschichte du erzählen willst. So lange du dir darüber nicht im Klaren bist, wirst du keinen stringenten Plot und keine in sich stimmige Handlung zusammenbekommen. Behaupte ich jetzt einfach mal so.  :engel:

Zitat
Also, ganz konkret (ich versuche es, ehrlich): Ist weniger nicht eigentlich mehr? Reicht es nicht, wenn ich einen Hauptplot habe und den Figuren die Möglichkeit gebe, sich innerhalb dessen Grenzen zu bewegen, sich zu entwickeln und zu interagieren?
Siehe oben. Es ist meinen Augen völlig egal, wie viele Plots du in ein Projekt rein steckst, so lange du dich dabei auf die Geschichte konzentrierst, die du erzählen willst. Natürlich kan man auch sagen: Ein Hauptplot genügt, der Rest ist Zuckerguss. Aber wir alle wissen, dass manches Tortenwerk mit Zuckerguss besser wird. Nur muss man wissen, welche Torte man backen will. Dann weiß man auch, ob Zuckerguss und wenn ja wie viel.

FeeamPC

Dann schreibt George R.R. Martin eine dreistöckige Hochzeitstorte mit einem Zuckergusswasserfall...

chaosqueen

Churke, für diesen Roman hast Du absolut Recht: Da wusste ich nicht, was ich wirklich erzählen will - und weiß es noch nicht. Bei meinen "Sechs Seiten der Medaille" weiß ich es durchaus, da hakt es an anderen Stellen.

Zitat von: Churke am 03. Mai 2015, 15:38:18
Okay, aber ich denke, wir sind uns einig, dass beides Mist ist...  ::)

Natürlich sind wir uns da einig! ;D Mir ging es ja nur darum, die beiden Extreme der Spannweite festzulegen und dann zu überlegen, wie man ein gesundes Mittelmaß erreicht. ;)

Zitat von: Nadine am 03. Mai 2015, 15:33:51
Deshalb erlaube ich mir, dich einmal ganz frech zu fragen: Wie viele Romane hast du bislang beendet und wie oft hast du sie überarbeitet?

Beendet einen, überarbeitet - mehr. Klingt paradox, aber ich neige dazu, vor Beendigung schon mal zu überarbeiten, wenn ich in eine Sackgasse gerate.

Und ja, ich denke, dass ich da auch eher so funktioniere wie Du. Mir ging es mit diesem thread aber gar nicht so sehr darum, meine Probleme in den Vordergrund zu stellen (ich hab meine Texte als Beispiel genommen, um zu verdeutlichen, worum es mir geht), sondern allgemein darüber zu reden, wie man diese Balance hinbekommt. Wie machen andere das, in welchen Büchern ist es eurer Meinung nach gut gelungen, in welche romane passt es, die Toilettengänge des Protagonisten zu dokumentieren, bei welcher Art von Roman reicht ein "nach dreiwöchigem hartem Ritt erreichten sie völlig erschöpft das kleine Dorf Gurkensalat" - ohne dass der Leser sich fragt, ob sie wirklich drei Wochen durchgeritten sind oder doch vielleicht auch mal Rast gemacht haben. ;)

Ich weiß meistens mehr über meine Charaktere als ich im Buch verarbeite, ich glaube, das ist auch eher normal, dass man nicht alles unterbringt. Eben gerade die Dinge, die für den Charakter selbstverständlich sind, aber möglicherweise seine Persönlichkeit geformt haben, sollte man besser nicht plakativ einbringen, sondern höchstens versteckt. Also kein "ich wusch mir dreimal die Hände, da ich einen Waschzwang habe" sondern eben eher "immer noch hatte ich das Gefühl, Dreck an meinen Händen kleben zu haben, der auch nach mehrfacher Reinigung mit Wasser und Seife nicht verschwand." Aber wenn der Waschzwang überhaupt keinen einfluss auf den Charakter, sein Handeln und den Roman hat, dann sollte ich ihn auch nicht erwähnen.

Hm, ich bin noch immer nicht dort, wo ich sein will. Ich glaube, ich mache mal eine Computerpause. ;)

Zitat von: FeeamPC am 03. Mai 2015, 16:03:24
Dann schreibt George R.R. Martin eine dreistöckige Hochzeitstorte mit einem Zuckergusswasserfall...

:rofl: :rofl: :rofl:

Nein, ich glaube, die ist mindestens fünfstöckig. Und hat auch noch einen eingebauten Schokobrunnen! ;D

Snöblumma

Zitat von: Churke am 03. Mai 2015, 15:38:18
Du weißt nicht, welche Geschichte du erzählen willst. So lange du dir darüber nicht im Klaren bist, wirst du keinen stringenten Plot und keine in sich stimmige Handlung zusammenbekommen.

Ich glaube, das ist der Dreh- und Angelpunkt, sowohl individuell, @chaosqueen , als auch ganz generell gesprochen. Welche Elemente ein Plot benötigt, ergibt sich ja eigentlich zwangsläufig aus dem Thema, das man erzählt. Sobald ich mir darüber klar bin, welche Geschichte ich erzählen möchte, also nicht im Sinne von Plot, sondern im Sinne von "Botschaft", dann ergeben sich die Elemente, die es braucht.

Schreibe ich über die individuelle Lebensleistung einer bestimmten Figur, interessieren mich äußere Umstände eher weniger. Schreibe ich einen historischen Roman, mit dem ich vor allem historische Fakten erzählen will, kann man durchaus ein größeres Panorama aufspannen und auch mal ein paar Stimmungsszenen bringen, die wenig bis gar nichts zum Plot beizutragen haben. Geht es um die Geschichte einer Kaufmannsfamilie durch drei Generationen, mit dem Fokus auf dem Aufstieg und Niedergang durch individuelle Nichtleistung oder Leistung, dann wird das Panorama wieder ein anderes. So oder so, das ist für mich der Ausgangspunkt jeder Geschichte: Was ist meine Botschaft? Und worauf läuft die Geschichte hinuas?

Mir hilft dabei oft der Pitch. Sobald ich meine Geschichte in drei Sätzen zusammenfassen kann, weiß ich, was die Essenz ist. Danach klopfe ich gerne alle Szenen danach ab, ob sie etwas zu dieser Geschichte beitragen und in irgeneinder Form meine Charaktere weiterbringen - ich persönlich mag einfach Geschichten, in denen sich Figuren individuell entwickeln und ihre Stärke finden. Hat eine Szene in dieser Hinsicht keine Funktion, muss sie raus. Fehlt mir ein logischer Schritt in der Entwicklung, muss noch eine Szene her. Wirklich abstrakt kann ich das nicht machen, ich bin ja absoluter Bauchschreiber und habe außer Pitch und der Grobstruktur (Szene 1: Sie lernen sich kennen. Kapitel 27: Happy End) vor Beginn keinerlei Aufzeichnungen oder Planungen. Aber während ich schreibe, achte ich darauf, ob diese Szene nun wirklich sinnvoll und weiterführend ist. Beim Überarbeiten flechte ich dann Szenen dort ein, wo sich im Eifer des Gefechts Logiklöcher ergeben haben.

Was die Dichte der Handlung angeht, finde ich es immer wichtig, dass eines zum anderen führt - jede Aktion erfordert eine Reaktion, die wiederum als neuer Ausgangspunkt für eine weitere Aktion und Reaktion dient. Stillstand in dem Sinne, dass seitenweise nichts vorwärts geht, mag ich weder lesen noch schreiben - was natürlich nicht bedeutet, dass Aktion und Reaktion immer mit Explosion und Action gleichzusetzen sind. Das kann durchaus auch einmal eine ruhige Szene sein, in der wichtige Grundsteine gelegt werden, aber die Szene muss in irgendeiner Form zum nächsten Schritt auf dem Weg hin zum großen Finale denknotwendig erforderlich sein und irgendwie weiterführen.

Oder, um Grey weiter als Beispiel zu benutzen: Spielt es irgendeine Rolle für das Buch, dass die Eltern das Mädchen suchen? Im Grunde genommen: Nein. Die Geschichte ist die Geschichte des Mädchens in Barcelona. Die Geschichte der Eltern, die das Kind suchen, ist eine ganz andere Geschichte. Eine Erzählenswerte, vielleicht, aber eine gänzlich andere Geschichte. Dass die Eltern das Mädchen suchen, hat in diesem Moment weder Bedeutung für den Fortschritt der Handlung (das hätte es zum Beispiel, wenn die Polizei zu einem weiteren Antagonisten werden würde, bspw. indem die Heldin sich vor der Polizei verbergen müsste, um weiter ihre eigentliche Aufgabe erfüllen zu können) noch für die persönliche Entwicklung des Mädchens. Es spielt schlichtweg keinerlei Rolle für diese Geschichte - und das ist klar in dem Moment, in dem Grey sich dafür entschieden hatte, die Geschichte dieses Mädchens in Barcelona zu erzählen. ;)

Churke

Zitat von: FeeamPC am 03. Mai 2015, 16:03:24
Dann schreibt George R.R. Martin eine dreistöckige Hochzeitstorte mit einem Zuckergusswasserfall...
:jau:

Wobei Martin überhaupt nicht vorhat, eine fertige Torte abzuliefern. GoT ist als ewiger (?) Fortsetzungroman konzipiert. Ständig neue Baustellen aufzumachen, gehört da zum Handwerkszeug. Für Serienautoren bestes Anschauungsmaterial, aber andere sollten sich das nicht unbedingt als Vorbild nehmen.


Christopher

Grundsätzlich sehe ich ein Buch niemals als überladen an, sofern jede Szene ihren Mehrwert hat. Beispiel: Der Name des Windes. Jede Menge Szenen, gar ganze Kapitel, die Kvothe kein Stück näher an sein Ziel bringen. Aber für sich genommen sind sie interessant, ich habe sie gerne gelesen. Dass er dabei nicht so wirklich mit der richtigen Geschichte vorankommt, finde ich nicht schlimm.

Was ich hingegen schlimm finde, sind diese "gehetzten" Bücher, bei denen die Handlung knallhart vorangetrieben wird ohne eine Pause.

Ich versuche mal einen Vergleich zu ziehen: Serien. Also die Sorte, die einen Plot hat und wo nicht jede Folge für sich steht. Da gibt es sogenannte "filler"-Folgen, über die sich gerne aufgeregt wird. Manchmal zu Recht. Oft aber auch nicht. Diese "filler" geben dem Zuschauer die Chance, die Figuren auch mal in Lagen zu sehen, die unabhängig von der großen Rahmenhandlung sind. Die auch ihren Reiz haben und interessant sein können.

Das Maß, in dem sich solche filler/Nebenhandlungen und der Hauptplot zueinander verhalten sollten, hängt denke ich von der Qualität der jeweiligen ab (die Nebenplots können durchaus interessanter sein als das eigentliche), sowie vom Lesergeschmack ;)

Was allerdings kein Mensch braucht, sind seitenlange Beschreibungen von Zigarettenschachteln. Außer er zieht da eine philosophische Metapher oder so draus  :wart:


@Churke
Das mit ewigem Fortsetzungsroman würde ich so nicht unterschreiben. Da gibt es ganz klare Punkte, auf die er zustrebt. Siehe auch sein (zwar überholtes, aber immerhin) teilweise veröffentlichtes Exposé.
Be brave, dont tryhard.

Lucien

Ich sehe es auch so, dass die Frage, ob eine Handlung "überladen" ist oder nicht, vom jeweiligen Roman abhängt. Und auch dann ist es immer noch eine Frage des Lesergeschmacks.
Ich für meinen Teil fand z.B. "Dark Desires" von Lara Möller gnadenlos unterversorgt, was den Handlungsstrang des ersten Protagonisten angeht. Dafür werden Details beschrieben, die rein gar nichts mit dem Fortgang der Geschichte zu tun haben und noch nicht einmal der Charakterentwicklung dienen. Der Handlungsstrang des anderen Protagonisten dagegen fast schon wieder zu gehetzt. Es geht also auch beides gleichzeitig. ;D

Zitat von: Anjana am 03. Mai 2015, 12:00:13
Meine Plots neigen dazu, recht verworren zu sein, so dass relativ viele Informationen von Nebenfiguren relevant sind. Um die in einer einzigen Perspektive unterzubringen brauche ich öfter mal Gespräche, die ich dann bei Alltagshandlungen stattfinden lasse.
Aus diesem Grund liebe ich es, mit mehreren Handlungssträngen zu jonglieren, wenn ich eine komplexe Geschichte schreibe, in der sehr viele Informationen aus unterschiedlichen Quellen erst zusammengetragen werden müssen.
Hätte ich nun nur eine Perspektive, müsste ich unglaublich viele Situationen künstlich herbeiführen, in denen der Prota aus irgendwelchen Gründen ausgerechnet mit den richtigen Personen zusammen kommt, um die nötigen Informationen zu erhalten, obwohl es für den Prota eigentlich keine Notwendigkeit dazu gibt, die Reise zu unternehmen und das würde die Geschichte furchtbar in die Länge ziehen. Ich hätte dann m.E. jede Menge an "überflüssiger" Handlung.
Mit mehreren Perspektiven kann ich den Leser immer dorthin führen, wo gerade für die Geschichte wichtige Ereignisse stattfinden, während der Prota gerade anderweitig beschäftigt ist, und dadurch Zeit sparen, etc. Für mich sind mehrere Perspektiven meistens für die Handlung optimal, ob ich nun selbst schreibe oder ein anderes Buch lese.
Von meiner Mutter weiß ich allerdings, dass es sie meistens überfordert, wenn es mehrere Perspektiven gibt. Für sie ist es dann schlicht und ergreifend zu viel Handlung auf einmal.

Ich persönlich finde, dass "zu viel" Handlung immer dann vorhanden ist, wenn ich das Gefühl habe, dass eine Geschichte an einem bestimmten Punkt bequem zu Ende sein könnte, aber immer noch künstlich weitergeführt wird. Speziell im TV bei Serien habe ich das oft, dass ich denke: "Da kommt doch eh nichts Neues/Überraschendes/Spannendes ... mehr."

So, das ist jetzt etwas wirr, glaube ich, aber ich hoffe, ihr versteht mich trotzdem. ;D

Cailyn

ZitatEine der wenigen Ausnahmen, bei denen unglaublich viel auf unglaublich wenig Seiten passiert und der Roman mich trotzdem sehr gefesselt hat, ist "Stein und Flöte" von Hans Bemmann. Noch immer mein absoluter Lieblings-Fantasy-Roman und wirklich empfehlenswert. 800 eng beschriebene Seiten, eine komplette Lebensgeschichte - und nie hatte ich das Gefühl, dass der Autor Seiten füllen wollte. Den Protagonisten wollte ich hingegen häufiger mal schütteln, aber das liegt an seiner Natur, nicht am Roman an sich. ;)
Chaosqueen, es freut mich, dass noch jemand Fan von Stein und Flöte ist. Das war auch schon immer eines meiner Lieblingsbücher.

Vic

Vermutlich ist es auch ein bisschen Geschmackssache, aber ich gebe zu, ich mag es wenn viel Handlung passiert, aber dazwischen immer noch Raum ist für Chara-Entwicklung und Chara-Interaktion.
Also mir sind die Charaktere immer mit das Wichtigste und ich möchte gerne ganz viel über sie erfahren. Andererseits mag ich es nicht wenn ewig lange nichts passiert sondern wenn ich eben DURCH die Handlung viel über sie erfahre. Wie verhalten sie sich in Krisensituationen, wie verhalten sie sich bei moralischen Konflikten, etc.
Ich gestehe Bücher ohne Spannung finde ich meistens langweilig. Ich mag es wenn es handlungsbedingt ist, dass meine Charas generell in einer Art konstanten Gefahr schweben. Deswegen mag ich eben auch Sci-Fi/Fantasy/Thriller/Crime so viel lieber als Drama/Liebesgeschichte.
Aber das ist bestimmt Geschmackssache.
Dinge, bei denen ich mich tierisch gelangweilt habe und mich gefragt habe wieso nicht endlich mal was schlimmes passiert, fand meine beste Freundin toll und umgekehrt.

Belle_Carys

ZitatWelche Elemente ein Plot benötigt, ergibt sich ja eigentlich zwangsläufig aus dem Thema, das man erzählt. Sobald ich mir darüber klar bin, welche Geschichte ich erzählen möchte, also nicht im Sinne von Plot, sondern im Sinne von "Botschaft", dann ergeben sich die Elemente, die es braucht.

Damit, und mit dem kompletten folgenden Kommentar hat Snö eigentlich ausgedrückt, wie ich die Sache auch sehe.

Jede Geschichte fordert ihre eigenen Elemente. Die Balance kann man deshalb meiner Meinung nach auf einer abstrakten Ebene gar nicht finden, weil es sie nur individuell gibt. Ein historischer Roman braucht natürlich viel mehr "drumherum" als, sagen wir mal, ein zeitgenössischer Roman von Ian McEwan. In einem werden 30-50 Jahre Geschichte abgedeckt, im anderen vielleicht eine Woche. Die Balance kann nicht die selbe sein. Andererseits kannst du in beiden zuviel und zu wenig erzählen.

Ich glaube wirklich auch dass der einzige Leitfaden, mit dem man zum Ziel kommt die Frage ist: Was will ich erzählen? Am Ende muss man das Geschriebene darauf abklopfen, ob einem das gelungen ist.

Für mich ist dabei noch der Fokus zu betrachten. Wenn jemand also eine Story mit sechs Handlungssträngen schreibt, um bei deinem Beispiel zu bleiben, und alle Geschichten gleichwertig erzählen könnte, muss er oder sie sich eben die Frage stellen, ob das das Ziel ist. Ob die Geschichte aus allen sechs Perspektiven gleichgewichtig dazu beiträgt, den Inhalt zu transportieren, der (bestimmt durch die schon gestellte Frage "Was will ich erzählen?") vermitteln werden soll.

Wenn ja, muss man von dort aus entscheiden, ob sich dann nicht eine Reihe mit sechs Bänden besser eignet, oder ob man den Umfang eines einzigen Buches ungefähr gleich gewichtet auf alle sechs Handlungsstränge aufteilt, oder oder oder. Wenn der Fokus jedoch bei einer (zwei, drei...) der Figuren liegt, und die fünf (vier, drei, ...) anderen Handlungsstränge mehr oder minder stark mit dieser Figur verbunden sind, Dinge beeinflussen, verständlicher machen oder was auch immer, dann muss ich als Leser  nicht die ganze Geschichte dieser anderen Figuren kennen sondern vor allem den Bereich, indem sie maßgeblich für meine Hauptfigur sind.

Lange Rede kurzer Sinn, für mich stellen sich bei jedem Projekt drei Fragen:

Textübergreifend die Frage: Was will ich erzählen?
Einzelne Szenen betreffend die Frage: Brauche es das? / Fehlt hier was?


HauntingWitch

Ich finde Churkes Beispiel mit dem Kuchen super. Das sehe ich genauso. Ich habe immer gedacht, ich brauche viel Action, wenige Seiten und einen möglichst geradlinigen Plot. Dann dürfte ich aber gerade bei "Game Of Thrones" nicht einmal die Serie mögen, "Once Upon A Time" auch nicht und diverse Bücher von Autoren, die ich sehr schätze, müsste ich dann auch schlecht finden und dürfte nicht weiter in "Der dunkle Turm" von King lesen. Finde ich aber alles klasse, daran kann es also nicht liegen. Ich stimme deshalb den anderen zu. Es kommt darauf an, wie es gemacht ist.

Was ist nun also gut? Das ist Geschmackssache. Für jeden ist etwas anderes gut und jeder macht es an anderen Kriterien fest. Mein Rat an alle Unschlüssigen ist deshalb, schreibt, was ihr selber mögt (das hat, glaube ich, auch schon weiter oben jemand gesagt). Verwendet Elemente, die ihr toll findet. Du magst ausschweifende Landschaftsbeschreibungen, dann beschreibe deine Landschaften zehn Seiten lang. Du magst pausenlose Action, dann hetze deine Protas durch die 300 Seiten. Es gibt kein Patentrezept. Die einzigen Regeln, die ein Autor meiner Meinung nach beachten muss, sind die unserer Grammatik. Alles andere ist sehr individuell. Was also überfrachtet ist und was langweilig, bestimmt jeder selbst.

Natürlich gibt es gewisse Tricks, eine Geschichte spannend zu machen. Z.B. mehr Fragen zu stellen, als man beantwortet (am Schluss muss allerdings alles klar sein, ausser bei einer Fortsetzungsreihe). Aber andererseits gibt es auch Leute, die gerne Bücher lesen, die für mein Empfinden einfach vor sich hinplätschern. Da landen wir wieder weiter oben. Wichtig finde ich als Autor vor allem, dass man nur einen Kuchen backt, den man selbst auch essen würde.