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Erfahrung mit / Tipps für das Schreiben mit vorgegebener Obergrenze?

Begonnen von Signy, 16. Januar 2015, 12:03:34

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Signy

Ich habe nichts dazu gefunden ...

Hat das schon mal jemand gemacht? Ich stelle gerade fest, dass ich 46 % meines Maximalumfangs geschrieben habe und kriege die Panik, ob es reicht, um den Rest zu meiner Zufriedenheit zu beenden. (Plot liegt vor; demnach befinde ich mich am Ende des 2. Drittels.)

Signy

Malinche

Oh, das Problem kenne ich gut, im kleineren Maßstab regelmäßig bei KG-Ausschreibungen mit fester Obergrenze für den Umfang, was Wort- oder Zeichenzahl betrifft.

Wenn ich merke, dass es knapp wird, überlege ich manchmal, was vom verbleibenden Plot ich straffen und kürzer erzählen könnte. Im Allgemeinen arbeite ich aber so, dass ich erst einmal weiterschreibe, bis das Projekt fertig ist, und dann gucke, um wie viel gekürzt werden muss. Manchmal sind es dann gerade Szenen am Anfang, welche durch die spätere Plotentwicklung zwar nicht überflüssig geworden sind, aber doch gestrafft werden können. Aber auch ganz behutsames Straffen über ein ganzes Projekt hinweg, das Rauswerfen redundanter Infos etc. kann insgesamt sehr viel ausmachen.

Mit anderen Worten: Ich versuche, während des Schreibens nicht in Panik zu verfallen (und wenn du jetzt in deinem Beispiel die Hälfte des vorgegebenen Umfangs geschrieben hast und nur noch 1/3 Plot vor dir, würde ich ohnehin denken, dass du relativ entspannt sein kannst).

Manchmal braucht eine Geschichte auch einfach mehr Raum, es kann also auch vorkommen, dass man das dann einfach akzeptieren muss (ist jedenfalls meine Erfahrung).
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

THDuana

Ist die Obergrenze denn durch einen Wettbewerb oder Verlag vorgegeben?
Denn ehrlich gesagt verschätze ich mich sehr gern mit dem Umfang meiner Romane. Aus einer 20.000-Wörter Novelle wird da schnell ein 50.000-Wörter Roman, obwohl ich vom Plot ausgehend gedacht habe, dass 20k reichen. Wenn du Panik hast, dass dir die verbleibende Wortzahl vom selbstgesteckten Ziel nicht reicht, geh den Plot noch einmal durch, teile ihn vielleicht in Szenen auf, wenn du das noch nicht getan hast. Mir hat es geholfen, auch das bereits Geschrieben in Szenen aufzuteilen und das Dokument durchzugehen, dann habe ich aufgeschrieben wie viele Wörter jede Szene hat. Somit bin ich auf einen Durchschnitt von etwa 2.000 Wörtern pro Szene gekommen, mit der Ausnahme einiger Schlüsselszenen, die ich vage im Plot beschrieben und erst beim Schreiben richtig ausgearbeitet habe. Das hat mir geholfen, den Gesamtumfang des Roman neu zu berechnen.

In erster Linie würde ich dennoch erst einmal schreiben. Einiges kann später auch noch gekürzt werden und dann fallen so viele tausend Wörter weg, dass du am Ende womöglich doch wieder in deinem selbstgesteckten Rahmen bist. Ansonsten bleibt nur: Die Grenze nach oben verschieben!

Edit: Überschneidet dich mit Malinche.

Churke

Zitat von: Signy am 16. Januar 2015, 12:03:34
Hat das schon mal jemand gemacht? Ich stelle gerade fest, dass ich 46 % meines Maximalumfangs geschrieben habe und kriege die Panik, ob es reicht, um den Rest zu meiner Zufriedenheit zu beenden. (Plot liegt vor; demnach befinde ich mich am Ende des 2. Drittels.)

Das scheint mir zunächst ein psychologisches Problem zu sein. Nach den Zahlen liegst du ja nicht so neben dem Zielkorridor. Mit dem im Hinterkopf weißt du ja beim Schreiben, ob du jetzt aufs Gas oder eher auf die Bremse treten musst. Richtig in Form gebracht wird es dann in der Überarbeitung. Faustregel: 30 % kürzen geht immer, länger machen auch. Also keine Panik...

Signy

Also zunächst mal vielen Dank für eure mutmachenden Antworten.

Die Obergrenze ist vom Verlag, den ich ins Auge gefasst habe, vorgegeben.
Aber prinzipiell scheint - zumindest für Neulinge - je kürzer, umso größer die Veröffentlichungschance.

Von dem her sollte, falls es mit Verlag A nicht klappen sollte, auch zur Einsendung bei anderen gut geeignet sein.

Das was du schreibst, Duana, habe ich in der Art schon für die zweite Hälfte des zweiten Teil gemacht:
Ich habe einfach mal Kapitel mit "sprechenden" Überschriften - mit denen ich generell gerne arbeite - als Pflöcke eingeschlagen, um den weiteren Weg festzulegen.

Es wird wohl nicht blöd sein, das dann für den dritten Teil ebenso zu gestalten.

Dass ich mich in Sicherheit wiegen könnte wegen des derzeitigen Umfangs sehe ich leider nicht so, denn bisher bedeutete Überarbeitung bei mir immer einen Umfangzuwachs.
Abgesehen von meinem allerersten Erstling.

Es ist echt blöd, die Vorgaben bei Kurzgeschichten - seien es nun 10, 25, 50 oder 60.000 Zeichen - hat mir noch nie Schwierigkeiten bereitet.

Jaaa, ich denke auch, es ist ein psychologisches Problem. Oh, warum kann ich diesen Teil von meinem Hirn nicht abschalten?

Churke

Zitat von: Signy am 16. Januar 2015, 13:02:27
Dass ich mich in Sicherheit wiegen könnte wegen des derzeitigen Umfangs sehe ich leider nicht so, denn bisher bedeutete Überarbeitung bei mir immer einen Umfangzuwachs.

Also eigentlich macht man das Kürzen nach dem Überarbeiten. Wenn ich kürze, achte ich einzig und allein darauf, dass Wörter, Sätze und Absätze hinterher kürzer sind als vorher.


Janika

Churke meint damit (korrigier mich, falls ich jetzt daneben greife ;) ), dass man erst überarbeitet auf Inhalts-, Rechtschreibfehler etc, und erst, wenn dahingehend alles fertig ist, machst du einen weiteren Durchgang, bei dem du nur darauf guckst, wie du diese schon flüssigen Sätze einkürzen kannst, sodass sie trotzdem noch gut klingen. Man kann das mit Übung natürlich auch alles zusammen machen, aber an sich ist es immer klüger, mehrere fokussierte Durchgänge zu machen, damit alle Punkte die gleiche Konzentration kriegen.
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Signy

Ja, soweit schon klar, aber wenn doch beim (inhaltlichen) Überarbeiten bei mir erfahrungsgemäß so um die 10% dazu kommen und beim finalen Kürzen aber nur 1-2% rausfallen, ergibt das über die gesamte Überarbeitung doch einen Zuwachs.

Deswegen versuche ich jetzt ja schon, nur die 90% anzustreben, um noch den nötigen Puffer zu haben.

Ahh, mich quält das echt. Und es hilft nicht wirklich, dass ich im nächsten Kapitel diesen vermaledeiten Überfall habe (nehme mich aber hart an die Kandare und schreibe jetzt keine Schlaufen, um mich davor zu drücken, sondern treibe meine Reisegesellschaft gnadenlos ins Verderben).

Churke

@ Janika: Danke

Zitat von: Signy am 16. Januar 2015, 14:40:29
Ja, soweit schon klar, aber wenn doch beim (inhaltlichen) Überarbeiten bei mir erfahrungsgemäß so um die 10% dazu kommen und beim finalen Kürzen aber nur 1-2% rausfallen,
1 - 2 % ist kein Kürzen. Kürzen heißt 30 % weniger, und das geht immer. 10 % lassen sich durch simple Umformulierungen erreichen, bei 20 % muss man Szenen straffen und bei 30 % muss man sich von der einen oder anderen liebgewordenen Passage verabschieden.

Tigermöhre

Signy,

ich habe diesen Nano viel übers Kürzen gelernt. Denn im Nano-Board darf man Szenen mit maximal 200 Wörtern posten. Also musste ich meistens kürzen. Und zu meinem Erstaunen waren selbst Szenen, die ich schon echt gut fand, danach noch deutlich besser.
Probier das mal aus. Such dir eine Szene aus, die dir gefällt und kürze sie um 30% und dann vergleiche sie.

Signy

@ Churke

Falls ich die 400.000er Marke reiße, darfst du dann gerne den Rotstift ansetzen.  ;D

@ Tigermöhre

Es wäre alles viel leichter, wenn Word statt Wörter Zeichen in dem kleinen Fenster unten links mitzählen würde.

Denn ehrlich gesagt nervt mich das umständliche Nachschauen am meisten beim Kürzen.

Signy

War wohl hauptsächlich ein psychologisches Problem, ich scheute das Überspringen der 50-%-Marke, verstärkt dadurch, dass ich Bammel vor der Kampfszene hatte.

Nachdem die "im Kasten" ist und meine hyperkritische Kampfszenen Alpha sie auch zu meinem großen Erstaunen und noch größeren Stolz abgenickt hat, kann ich mich nun vorerst mit normaler Atemfrequenz dem restlichen Plotdrittel widmen.

FeeamPC

Nebenbei bemerkt, beim Kürzen entstehen zwar sehr schöne, prägnante Romane, aber dummerweise hat dann das fertige Buch eben auch weniger Seiten, und die heutigen Fantasyleser scheinen zu glauben, dass Buchlänge mit Qualität gleichzusetzen ist. Jedenfalls heißt es allenthalben, die Leser wollen dickere = längere Bücher.
Kurz gehaltene Romane werden wenig geschätzt, ganz egal, wie gut sie sind.

Meine ersten Romane von Marion Zimmer Bradley habe ich übrigens als Heftromane gelesen und mir Jahre später als Buch gekauft. Das Heftroman war naturgemäß drastisch gekürzt, was aber dem Inhalt und dem Lesevergnügen überhaupt keinen Abbruch tat.

Signy

MZB-Romane kann ich mir in einer Readers-Digest-Ausgabe gut vorstellen, aber da meine Oma diese Sammelbände im Abonnement hatte, habe ich mehrfach Bücher gekürzt und dann aus der Ausleihe noch mal in der Originalversion gelesen, und nein, nicht immer war das Kürzen von Vorteil.

Sicherlich gibt es gewisse Schreibstile, denen tut ein Straffen gut, aber wenn ein Autor an sich schon recht straff schreibt, dann entstehen durch weiteres Kürzen doch unschöne Logiklücken, oder das ganze erinnert im Stil dann an eine Pressemitteilung, aber keinen Roman.

Ich kenne da einige Kandidaten, wenn ich dürfte, würde ich da auch seitenweise Landschaftsbeschreibungen oder ebenso wortreiche wie anatomisch korrekte Sexszenen (die nur das Umblättern beflügeln mit der Frage, wann geht es endlich wieder im Text weiter?) streichen.

Aber solche Dinge bei mir eher knapp und prägnant vorkommen und gerade bei Landschaft/Setting die Probeleser gerne "mehr" schreien, werde ich mich weiter daran halten, mit dem Ziel vor Augen den Plot weiter straff abzuhandeln.

Es ist sicher effektiver, gezielt dem Plot zu folgen und nicht erst Überlänge zu produzieren, um dann einzukürzen.

Aktuell habe ich mit dem dritten und letzten "Buch" des Manuskripts angefangen, laut Wortzählerei bin ich bei 57% und habe nach längerer Pause mal wieder die Zeichen (meine eigentlich vorgegebene Grenze) überprüft, und siehe da, unter 50%.

Wobei man auch im Auge behalten sollte, dass 53.000 Wörter für einen historen Roman sehr, sehr knapp kalkuliert sind. Aber angesichts der aktuellen Zwischenstände ich habe gute Hoffnung, das zu schaffen.

Aber da der Verlag nun mal diese Grenze gesetzt hat, und nicht ich, werde ich mich deren professioneller Einschätzung beugen. Ist nämlich ein wirklich schöner Verlag mit tollen Büchern und ich denke, die wissen, was sie tun.