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Muss jedes Buch eine "gute" Moral haben?

Begonnen von Artemis, 27. März 2007, 20:02:19

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Artemis

Hatte vor kurzem eine sehr interessante Diskussion mit meiner Mutter (die voll und ganz hinter meinem zeitraubenden Hobby steht  :jau:)

Ich erzählte ihr, dass ich ein Buch mit einem Hauptcharakter plane, der ein Antiheld ist und aus unserer Sicht verwerfliche Dinge tut, also ein Verbrecher ist. Da hat meine Mutter wie verrückt angefangen zu krakeelen, dass ich doch bloß schauen soll, dass der Kerl am Ende gut wird - sonst hätte das Buch keine Moral.

Wie denkt ihr darüber? Ich persönlich finde ja, dass man damit die ganze Story inklusive Stimmung kaputt macht. Ich meine, man kann doch nicht einen Menschen, der über Jahre seine Skrupellosigkeit mit "schlechten" Taten genährt hat, binnen kurzer Zeit zu einem total lieben Kerl machen???? Das ist ja so was von bescheuert und unrealistisch!  :nöö:

Aber fangen da nicht die Kritiker an zu plärren? So was wie Gewaltverherrlichung usw.? Und fühlen sich die Leser dann um ein Happy End betrogen?

Bin gespannt, wie eure Meinung dazu ist  ;D


Liebe Grüße

Artemis

Breanna

Schwierig zu beantworten. Ich denke, als Leser würde mich stören, wenn ein grausamer Mörder am Ende ungeschoren davon kommt. Er sollte schon seine Strafe erhalten, selbst wenn er nicht bereut. Eine Moral in dem Sinne, dass selbst der Böseste am Ende zum Guten konvertiert (um es mal zu übertreiben ;)) muss ich nicht unbedingt haben. Wenn es passend ist - ja. Aber ncihts erzwingen.
Wenn du unter Moral verstehst, dass das Buch eine Aussage hat, dann würde ich sagen, jedes Buch hat seine Moral, sonst ist es nicht lesenswert.  ;) Aber so richtig das, was man unter Moral versteht ... nein, das ist nicht unbedingt notwendig.

Ob es nachher Gewaltverherrlichung ist kommt immer darauf an, wie du es darstellst. Selbst wenn du aus seiner Perspektive schreibst und er nichts Verwerfliches an seinen Taten findet, kannst du es immer noch so machen, dass es nicht gewaltverherrlichend ist.

Pandorah

Nein.

Ich bin ein persönlicher Fan von Happy Ends, bitte mit Sahne und einer Kirsche obendrauf. Aber einerseits ist das nicht jeder, und zum anderen kommt das auch immer darauf an, wie du das präsentierst.

"Ronja Räubertochter" von Astrid Lindgren zum Beispiel: Ronjas Vater als Räuberhauptmann und seine Mannen sind gewiss keine "guten" Menschen im landläufigen Sinne. Und jeder, den sie überfallen, wird dir gewiss bestätigen, dass dieses böse Räuberpack gehängt gehört. Aber Matthis kümmert sich um die Seinen, er liebt seine Frau, er ist menschlich und ein warmer, liebevoller Vater. Man LEIDET mit ihm, als er und Ronja sich verwerfen. Und sie räubern am Ende des Buches noch immer, auch wenn Ronja und ihr Freund das nie wollen.

Robin Hood - auch ein Diebesbruder, wenn man es genau nimmt. ^_~ Trotzdem ist man auf seiner Seite.

7 bis 8 Milliarden Piratenschinken - man steht auf der Seite des Piraten.

Es kommt darauf an, ob du deinen Charakter verständlich rüberbringst, ob du ihm gute Seiten gibst. Wenn man mit ihm mitfühlen und mitleiden kann, verzeiht man einem Charakter sehr viel.

Ach ja, die wenigsten Leser stellen es in Frage, wenn die Helden schwertschwingend und metzelnd durch eine Orkenherde rennen. Ob die armen Orkkinder und Orkinnen daheim vergeblich auf den Orkpapa warten, da fragt niemand nach. ^_~ Denn die Helden metzeln zumeist für "das Gute" (tm).

THDuana

Hallo Artemis,

ehrlich gesagt, es gibt schon genügend Bücher mit Happy End und Moral oÄ. Bisher habe ich nur wenige Bücher gelesen, in denen der Protagonist auf der bösen Seite steht und gegen einen typischen Helden antritt.
Und das finde ich gerade interessant.

Mit einer Moral kann ich nicht so viel anfangen, denn - wie du gesagt hast - würde man da die Stimmung des Buches zerstören.

Und die Kritiker... "Eine fantastisch erzählte Geschichte aus dem Reich des Bösen"  - "Schwarze Spannung pur" - "Der Leser wird hineingezogen und lernt die Seite jedes Menschen kennen, die dunkel und geheimnisvoll ist"
Solche Kommentare kann ich mir dazu gut vorstellen.
Also wegen den Kritikern und Lesern mach dir keine Sorgen, es gibt genug Leute, die sehr gerne sehr dürstere und böse Geschichten lesen.

Und Gewalt verherrlichst du da nicht. Du behauptest ja nicht, dass es deiner Meinung entspricht, dass Gewalt die einzig richtige Lösung sei. Wenn überhaupt meint das dein Protagonist.

Dann kommt es natürlich auch noch darauf an, für welche Altersgruppe du das schreiben willst.


Duana

Kalderon

Hallo Artemis,


Zitat von: Artemis am 27. März 2007, 20:02:19
Ich meine, man kann doch nicht einen Menschen, der über Jahre seine Skrupellosigkeit mit "schlechten" Taten genährt hat, binnen kurzer Zeit zu einem total lieben Kerl machen????

Aber du kannst ihn am Ende sterben lassen. Oder ihn einsehen lassen, dass das, was er macht, schlecht ist. Das ist kein Sprung zum Heilsbringer, aber es ist eine Erkenntnis, die für ihn von großer Bedeutung ist.


Liebe Grüße: Kalderon

Chuck

Die Moral muss ja nicht rüberkommen, dadurch das er "gut" wird. Man könnte ihn z.B., wie schon gesagt sterben lassen, oder ganz kurz aus der Sicht eines Opfers oder anderen Person schreiben.
Ein kurzer, ganz kurzer Moment der Einsicht reicht dabei ja auch schon. Er muss ja nicht seine Meinung ändern und plötzlich Mutter Theresa werden, aber er könnte sich sagen, dass war er tat war nicht das Beste, aber er konnte nun mal nichts anderes.

Rei

Zitat von: Chuck am 28. März 2007, 06:46:55
Ein kurzer, ganz kurzer Moment der Einsicht reicht dabei ja auch schon. Er muss ja nicht seine Meinung ändern und plötzlich Mutter Theresa werden, aber er könnte sich sagen, dass war er tat war nicht das Beste, aber er konnte nun mal nichts anderes.
Das unterschreibe ich doch glatt. *unterschreib*

Rumpelstilzchen

Ich bin ja kein Freund von Happy Ends, aber dennoch sollte es ein Kleines geben. Denn als Leser würde ich mich genauso veräppelt vorkommen, wenn zum Schluss auf einmal alles gut ist und jeder hat auf einmal alle lieb, als wenn auf einmal alles schlecht ist.

Dei Protagonist muss ja nicht gut werden, aber vielleicht hat er am Ende sein Rache bekommen, oder er hat sich mit seiner sterbenden Mutter versöhnt, etc.

Zitat von: Pandorah am 27. März 2007, 20:10:16
7 bis 8 Milliarden Piratenschinken - man steht auf der Seite des Piraten.

Schätzungsweise kommt bei mehr als die Hälfe zum Schluss raus, dass sie Freibeuter oder Geheimagenten bei der Armee sind und Happy End.

Chuck

Die Sache ist ja die... je tiefgründiger eine Geschichte geht, desto mehr weiß man über den Charakter. Und so muss sich irgendwann auch herausstellen, warum der Charakter so handelt. Keiner wird als Arsch der Ärsche geboren.
Dann kommt die Moral von ganz alleine. Wenn jedoch die Geschichte sich etwas oberflächig über die Protas hinwegzieht, dann kann auch die Message, ob beabsichtigt oder nicht, schlecht rüberkommen.
Also das eine zieht das andere ja durchaus automatisch mit.

caity

Hallo Artemis,

ich sehe das genau wie Chuck:
Gib dem Kerl einen Grund so zu handeln wie er handelt und du hast deine Moral.
Damit muss er am Ende nicht einmal geschnappt und bestraft werden, sondern kann sogar wegkommen.
Allerdings könnte er schon etwas wie Reue zeigen, du könntest ihn Einblicke in das Leben der Opfer haben lassen, das es ihm schwerer macht o.ä.
Was du halt auf jeden Fall brauchst sind Antriebe und Hindernisse.
Dann kannst du selbst mit einem Charakter, der wider der Moral handelt, ein moralisch gutes Buch erzeugen. Wenn du als Autor zeigst, das das Verhalten falsch ist, das es ihn sogar selbst quält - das muss nicht einmal eine Strafe von außen sein. Da würde ich sogar dagegen stimmen, aber der Leser muss es spüren, das das ganze auch Probleme mit sich bringt.

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Dreamcatcher

#10
Hallo Artemis,

tja, also den Bösen Buben plötzlich zum Samariter aufsteigen zu lassen, ist so ne Sache. Ich las vor kurzem mal ein Buch, in dem es um einen richtig fiesen Antihelden ging. Ich war fasziniert, wie der Autor es schaffte, diesen Typen seine Mitmenschen unterdrücken, ausrauben und ermorden zu lassen, ohne das der Leser je seine Sympathie für ihn verloren hätte. Das Buch hätte also richtig gut werden können. Richtig, hätte. Denn was passierte? Der Kerl verliebte sich in ein Mädchen und von diesem Augenblick an verweichlichte er immer mehr, ohne dass der Autor dies offensichtlich beabsichtig hatte. Der ganze Charme der Geschichte ging verloren.

Dennoch finde ich, dass ein Quentchen "Moral" nicht schlecht ist. Ein Antiheld kann doch durchaus seine positiven Züge haben und trotzdem hundsgemein sein.  ;D


Liebe Grüße,
Dreami

Manja_Bindig

#11
Uuuuh, gute Frage.
Ich denke, es ist weniger wichtig, ob die Geschichte eine Moral hat, sondern ob das Handeln mehr oder minder nachvollziehbar ist. Und dass eine Frage aufgeworfen wird(ohne, dass unbedingt eine Antwort geliefert wird)


Ich habe da eine interessnte Geschichte. Diese Geschichte kann ich jetzt so formulieren, dass der Leser liest: "Und die Moral von der Geschicht: Verbissen auf Ziele fixiert sein lohnt sich nicht". Da das aber alle Charas meiner Gruppe mehr oder minder von selbst merken(oder auch nicht und dafür den Preis zahlen), muss ich nciht noch einen draufsetzen.
Also formuliere ich das so, dass der Leser sich die Frage stellt: "Wie weit würde ich für meine Wünsche und Ziele gehen?"
Das ist mir immer um einiges lieber als der moralische Zeigefinger und deswegen mag ich auch gemeine Antihelden.

Antihelden dürfen ruhig ihre netten und auch ihre schwachen Momente haben. Wenn sie die nicht hätten, wären sie einseitig und langweilig. Wichtig ist, dass sie in sich schlüssig sind und dann kann es sogar passieren, dass ich es ihnen gönne, wenn sie der "Moral" entkommen. ^^ Ich bin zwar der Meinung, dass Mörder lebenslang hinter Gitter gehören(Todesstrafe ist noch zu gut!), aber es kommt hier wohl drauf an, wie schlüssig er ist.

Pandorah

Zitat von: Rumpelstilzchen am 28. März 2007, 09:33:17
Schätzungsweise kommt bei mehr als die Hälfe zum Schluss raus, dass sie Freibeuter oder Geheimagenten bei der Armee sind und Happy End.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Pirat Menschen überfallen und ermordet hat. Dennoch verzeiht man es ihm - sozusagen der Zweck heiligt die Mittel. Deswegen haben sie dennoch Menschen getötet.

Da habe ich neulich einen ganz interessanten Artikel dazu gelesen, dass Menschen sehr viel bereiter zur Gewalt sind, wenn diese von einer höheren Autorität (Regierung oder Gott) legitimiert ist. Genauso toleriert Mensch in diesen Fällen Gewalt bei anderen eher.

Jules

Man braucht keine Moral. Ich für meinen Teil, bin dafür, dass Harry stirbt und Voldemort die Weltherrschaft an sich reißt, aber leider wird niemand auf mich hören.  :omn:
Wirklich durch und durch böse Charaktere sind genauso sterbenslangweilig, wie durch und durch gute. Auf seine Art und Weise, ist das nur eine andere Art von rosaroter Brille. Er kann gutes zwischendrin tun, eine 180 Gradwendung kann genauso gut nervig und ungewollt komisch sein, wie einleuchtend und sinnvoll, je nachdem, was geschieht und wie es ausgebaut ist. Für eine Moral sollte man nicht den Plot opfern, aber es ist immer gut, wenn man am Ende etwas zum Nachdenken hat. Graue Charaktere und 'graue Geschichten' sind meiner Meinung nach immer das Beste. Keine Moral alla Wilhelm Busch, aber eben auch nichts á la 'und er meuchelte bis zu seinem bitteren Ende'.

Ary

Hi!

Dem Begriff "Moral" stehe ich sehr zwiespältig gegenüber. ich mag Bücher überhauptnicht, die mir mit erhobenem Zeigefunger erklären wollen, was richtig und was falsch ist. Diese sogenannten pädagogisch wertvollen Kinderbücher zum Beispiel. *schüttel*
So lange das Verhalten des Protagonisten erklärbar und nachvollziehbar bleibt, ist für mich die Sache in Ordnung. So lange keine Gewaltverherrlichung auftritt, ist alles im grünen Bereich.
Bücher, die vor "Moralinsäure" scon ganz zerfressen sind, fasse ich gar nicht erst an.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.