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Welche Szenen haben eine Daseinsberechtigung?

Begonnen von Guddy, 06. März 2014, 23:27:57

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Vibulanius

Hm, ich weiß gar nicht, ob das so sehr etwas mit Show don't tell zu tun hat. Also in meinem Verständnis zumindest nicht. Weil manchmal finde ich es auch ganz toll sozusagen die Welt ge-show-ed zu bekommen bzw die Welt zu show-en ;-) Aber das ist ja in der Regel nicht, was mit show don't tell gemeint ist. Aber du hast schon recht, Fianna, dass das in bestimmten Genres besser funktioniert als in anderen. Besonders dort wo es wichtig ist den Leser zu ermöglichen, in die Welt einzutauchen und die eigene Welt zu vergessen. Also Fantasy und Sci-Fi sind da mit ganz vorne. Aber ich finde persönlich auch Historien-Romane (okay ich bin Historiker, also mag meine Meinung da stark beeinflusst sein). Aber bei all diesen Welten ist man doch sehr darauf angewiesen, dem Leser irgendwie eine Welt näherzubringen, die ihm vollkommen Fremd ist. Die muss er irgendwie verstehen lernen, damit er einschätzen kann, wie die Figuren im Bezug auf den Plot handeln - also zumindest wenn eine Einheit von Figuren-Plot-Welt gegeben sein soll. Finde ich immer erstrebenswert. Aber gerade das ist oft mein Problem mit Historien-Geschichten im übrigen: Solche Szenen die uns zB die mittelalterlichen Stadtkommunen und ihre Lebenswelt näherbringen und nichts weiter entfallen oft und man bekommt den Eindruck, die Geschichten spielen nur auf einer historisch ausgestalteten Bühne und nicht in der Vergangenheit. So was könnte dann genauso gut im Hier und Jetzt spielen (wo man zB beim klassischen Krimi in der Gegenwart kaum was erklären muss, denn der Leser lebt eh in dieser Welt). Diese Szenen haben also für mich durchaus eine große Daseinsberechtigung - aber nicht zwangsläufig bezogen auf den Plot als solches.

Fianna

Zitat von: Vibulanius am 28. März 2014, 12:16:26
Hm, ich weiß gar nicht, ob das so sehr etwas mit Show don't tell zu tun hat. Also in meinem Verständnis zumindest nicht. Weil manchmal finde ich es auch ganz toll sozusagen die Welt ge-show-ed zu bekommen bzw die Welt zu show-en ;-) Aber das ist ja in der Regel nicht, was mit show don't tell gemeint ist.
Wieso?
Ich kann schreiben, dass der Protagonist die was-auch-immer-Gilde misstrauisch beäugt, wie alle seine Kameraden, und dass er seinen Vorgesetzten für einen blöden Arsch hält, aber der ist manchmal so willkürlich, das passt schon, wobei er andererseits für seine Männer durchs Feuer geht. Das ganze etwas schicker formuliert, tell.
Ich könnte auch einen Prolog machen, der erklärt, warum die Bezugsgruppe des Protas und diese Gilde sich nicht grün sind - reinstes tell.
Ich kann aber auch mehrere Szenen schreiben, in denen sich die Gruppe des Protas und die was-auch-immer-Gilde umkreisen, ohne jemanden aus der Bezugsgruppe des Prota ein einziges Mal jemanden ein Urteil à la "Die sind zwielichtig" fällen zu lassen (ob verbal oder gedanklich).
Show.

Oder ich setze diese Wertung des Protagonisten über seinen Vorgesetzten, die sicherlich wichtig für den verlauf der Story ist (sonst macht man sich solche "show don't tell??"-Gedanken ja nicht) im Verlauf von mehreren Szenen um. Da kann ich die willkürliche Behandlung des Vorgesetzten einfach zeigen, ebenso wie seinen Stimmungsumschwung und seinen mehr als hundertprozentigen Einsatz, wenn jemand in der Klemme sitzt.
Show.


~~~~~

Reden wir grad über dasselbe?
Wovon redest Du? Beziehst Du Dich vielleicht auf den zweiten Teil meines Beitrags (der mit "show don't tell" nüscht mehr viel zu tun hat)?

Fianna

Zitat von: Vibulanius am 28. März 2014, 12:16:26Diese Szenen haben also für mich durchaus eine große Daseinsberechtigung - aber nicht zwangsläufig bezogen auf den Plot als solches.
Das ist es ja eben, was ich meine: sobald du merkst, dass die Szene "nur" Hintergrundinformationen liefert oder die Atmosphäre eines Ortes oder die Spannung zwischen Figuren aufbaut - und sonst nichts beiträgt - strukturierst etwas um und gibst dem eine zweite Funktion.
Persönliche Konflikte, innerere Konflikte, alles mögliche kann man da reinpacken.
Gute Szenen haben in der Regel niemals nur eine Funktion (z.B. "Ich stelle den Prota vor" oder sonstwas) - vielleicht eine Hauptfunktion. Aber es wird immer noch mehr geschehen, z.b. Informationen/Hintergrund vermittelt.

Vibulanius

#33
Zitat von: Fianna am 28. März 2014, 12:37:27
Reden wir grad über dasselbe?
Wovon redest Du? Beziehst Du Dich vielleicht auf den zweiten Teil meines Beitrags (der mit "show don't tell" nüscht mehr viel zu tun hat)?

Ja ich glaube, ich bin etwas an deinem Beitrag vorbeigeschossen. Könnte zumindest sein. Also ich versuch das nochmal zu reformulieren ;-)

Ja auf jeden Fall denke ich auch, dass show don't tell ein wichtiges Werkzeug für einen Text ist. Aber für mich ist es eher so, dass show und tell Modi einer Szene sind. Die Szene kann in der einen oder der anderen Form existieren. Natürlich ist es so, dass man mit tell manchmal Ereignisse besser zusammenfassen kann und mit show sie aufteilen muss. Aber im Grunde kann ich (zumindest für mich) damit keine Entscheidung über die Daseinsberechtigung einer Szene treffen, weil ich damit zwar Plot anders darstellen bzw komprimieren und expandieren kann, aber nicht direkt wegschneide oder hinzufüge. Das mag für dich natürlich anders aussehen.

Vielleicht haben wir uns auch missverstanden, da es hier ja vorher teilweise darum ging, ob eine Szene, die erstmal nicht Plot relevant ist, geschnitten werden sollte oder nicht. Du hast zurecht angesprochen, dass eine Szene besser wird, wenn sie mehrere Funktionen erfüllt. Aber gerade das geht tatsächlich teilweise auch ohne Plotrelevant zu sein. Die Szene könnte nämlich einfach der Immersion des Lesers dienen, in dem sie einerseits Atmosphäre und andrerseits Weltinformationen vermittelt, die eigentlich nicht direkt relevant für den eigentlichen Plot sind. Zusätzlich können Romane, die zB Bezug auf einen bestimmten Themenkomplex nehmen (willkürliche Beispiele: Menschenrecht, Erkenntnistheorie, Religionskritik) sich hier die Zeit nehmen alternative Ansichten darzustellen, die in der Handlung nicht zur Sprache kommen (können - vllt aus pragmatischen Gründen). Ehrlich gesagt, liebe ich solche Szenen, weil sie zeigen, dass es nicht nur Wahrheit A und vllt noch B gibt, sondern ebenso C, D, G, etc. Da stört es mich dann auch selten, dass es die Szene etwas abschweifend wirkt im ersten Moment oder fast schon nicht richtig zum Roman gehörig.

Letztendlich um es auf den Punkt zu bringen die Überlegung A (Show oder Tell) und die Überlegung B (Szene bleibt im Text oder nicht) kann für mich getrennt voneinander ablaufen.

Hab ich jetzt alle Klarheit restlos beseitigt und noch weiter an dir vorbeigeredet? ;-)

Fianna

Welteninformation oder Bezug zu Aussage der Geschichte ist doch plotrelevant.


NICHT plotrelevant wäre dagegen, wenn der Protagonist Anekdoten aus seiner Ausbildungszeit zum was-auch-immer-erzählt, ohne dass der Leser neue Informationen erhält. Oder wenn der Protagonist einen Kameraden aus dieser Ausbildung trifft, beide jedoch nur über Dinge sprechen, die keinen Bezug zur Handlung haben und keine relevanten neuen Infos für den Charakter des Protagonisten bieten.

So etwas nenne ich nicht plotrelevant.

Vibulanius

Zitat von: Fianna am 30. März 2014, 17:21:22
Welteninformation oder Bezug zu Aussage der Geschichte ist doch plotrelevant.

Nicht zwangsläufig. Auch dein Beispiel der Ausbildungszeit könnte unter Umständen Welteninformation enthalten. Wären die dann plotrelevant? Und Bezug zur Aussage der Geschichte ist immer plotrelevant? Also okay, vielleicht liegt hier der Knackpunkt in einem unterschiedlichen Plot-Verständnis. Die Aussage wird zwar durch den Plot transportiert, ist aber ja nicht der Plot. Daher kann es meiner Meinung nach Szenen geben, die mit der Aussage zusammenhängen, aber nicht mit dem Plot. Ich erweitere mal dein Beispiel: Die Aussage des Buches ist: "Militärdienst ist Kacke" und die Ausbildungszeit genau das demonstriert oder meinetwegen, weil man den Leser ernst nimmt und ihm zutraut mehrere Meinungen auszuhalten, hier ausnahmsweise jemanden hat, der "Militärdienst ist gut" rüberbringt, ohne das sich jetzt sofort Gegenargumente dazu finden. Würde das die Szene für dich plotrelevant machen? Für mich würde sie nur für die Aussage relevant werden, nicht für den Plot. Aber das magst du ja anders sehen.

Zitat von: Fianna am 30. März 2014, 17:21:22
So etwas nenne ich nicht plotrelevant.

Wie du siehst, stimme ich dir da zu. Womit aber immer noch die Frage im Raum steht, ob die Szene im Buch eine Daseinsberechtigung hat ;-) Für mich schon, wenn es gut gemacht ist. Doch das ist wohl eine ziemliche Geschmacksfrage.