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Klugscheißerwörter?

Begonnen von Sascha, 06. Februar 2014, 20:40:41

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Fianna

Zitat von: Sascha am 10. Februar 2014, 20:21:53
@Fianna: Die Idee mit den Fußnoten kam auf, als ich Kommentare bekommen habe wie:
- "Ich mußte erst mal googeln, was das ist. Und ich hab X Leute gefragt, keiner kann was mit dem Begriff anfangen." Gemeint war hier der "Bible Belt".
- "Das hab ich noch nie gehört, das wird der Leser als haltlose Unterstellung abtun." Hier ging es um einen SEK-Einsatz, nur weil jemand den Aufstand kritisiert hatte, der um Ratzinger gemacht wurde. Bayrische Realsatire.
- "Was ist mit Uganda? Eat da poo poo, muß man das kennen?" Ich weiß nicht, wie viele hier gleich wissen, welchen Irrsinn ich anspreche.

Und es hieß, daß man völlig aus dem Text fliegt, wenn man nicht weiß, worum es da geht.
[...]
Aber bei diesem Testleser reichte das nicht.
[...]
Das ist nicht das Problem des Autors, sondern des Lesers. Er gehört nicht zu der (anscheinend doch deutlich angesprochenen) Zielgruppe, also kann er damit nüscht anfangen.
Dann muss der Autor sich überlegen, ob er a) die Zielgruppe zu eng gefasst hast (also wirklich nicht viele Menschen das verstehen) oder er mit diesem Testleser einfach Pech gehabt hat oder b) das Ganze allgemeingültiger formulieren sollte. Es haben ja auch nicht alle Figuren in einem Manuskript immer dasselbe Wissen über alles. Da kann man sowas gut mit den Fragen/Erklärungen der Charaktere klären.
Besonders überlegene oder spezialisierte Figuren haben deshalb einen Sidekick, der solche Erklärungen fortlaufend einfordert (Holmes seinen Watson, ein spezialisierter Ermittler hat dann einen Anfänger oder ein Fachberater einen normalen Cop zur Seite etc).

Zitat von: Sascha am 10. Februar 2014, 20:21:53
Und mit Gewalt eine ausführliche Erklärung in den Text zu quetschen, das ist erst recht bäh.
Wer braucht denn eine ausführliche Erklärung zum Bible Belt? Da reicht ein Satz. Gleiches gilt für den Rest, da muss man nicht alles drüber wissen, eine knappe Verortung reicht.

Hast Du eigentlich recherchiert oder nachgelesen, um das Buch zu schreiben? (Falls Du verneinen willst: nicht mal eine Jahreszahl, einen Ort oder einen Begriff nachgeschlagen?)
Ich gehe mal davon aus, dass die Antwort darauf "Ja" lautet  ;) deswegen fahre ich direkt mit der nächsten Frage fort: wenn Du als Autor recherchieren/nachlesen musst, warum soll der Leser dann sofort alles in der vollen Tragweite wissen und begreifen können?


Ich kenne dein Manuskript nicht, aber bei dir könnte beides eine Baustelle sein (natürlich ist es in der Wirkung miteinander verknüpft): einerseits zu enge Fokussierung auf eine Zielgruppe mit bestimmtem spezifischen Hintergrundwissen, andererseits eine zu starke Anreicherung des Textes mit Anspielungen und Fachbegriffen, die nicht zur Allgemeinbildung gehören.


Zitat von: Sascha am 10. Februar 2014, 20:21:53
Ich meine, wenn jetzt die nächsten Leute sagen "Was soll der Quatsch? Man merkt doch, worum's geht!", dann schiebe ich alles wieder ins Nachwort (wo es auch mal war).
Lass Dich doch von einem Feedback nicht so verwirren! Ein einziges Feedback ist null aussagekräftig. Wenn es danach geht, ist meine Lieblingsnovelle entweder Nobelpreiswürdig oder stinklangweilig - je nachdem welchen Testleser ich als Maßstab nehme.
Zum Glück habe ich weitere Meinungen abgewartet, bevor ich meine Dankesrede einstudiert bzw. das Manuskript verbrannt habe  ;)


Zitat von: Sascha am 10. Februar 2014, 20:21:53
Mal sehen, ich hab schon das nächste Opfer in der Firma gefunden. Abwarten, ob die das auch ohne Fußnoten soweit schnallt.
Ich halte es für unklug, die Testleser aus einem so relativ engen Kreis zu nehmen. Warum nimmst Du nicht ein geschlossenes Textkritik-Forum (vorsicht, viele Foren sind öffentlich einsehbar, auch in diesen Teilen, und das will man nicht, dann gilt Dein Text als verbrannt in der Verlagswelt!) oder nutzt die Betaleser-Börser des TiZi? Dann kannst Du gezielt Feedback von Deiner Zielgruppe finden anstatt von zufällig ausgewählten Menschen, die Du von der Arbeit kennst und die unklugerweise gestanden, dass sie selbst schreiben oder gerne Krimis lesen... da ist es Glückssache, ob die in die Zielgruppe des Manuskripts passen (das scheint ja etwas speziell zu sein, "Krimifreund" hilft da als Kriterium nicht - falls Du dein nächstes Opfer überhaupt unter diesem Gesichtspunkt ausgesucht hast).

Lieber genau die Zielgruppe mal lesen lassen und dann eventuell die absolut unerklärte Darreichungweise geschickt auflösen.
Es gibt einen Unterschied zwischen "Fakten/Anspielungen vor den Latz knallen" und "erstmal seitenlang erklären" ;)


Der Unterschied zwischen Erzählsprache und Dialogsprache ist ohnehin interessant (gibt es dazu schon ein Thema?), hierbei wäre jedoch am interessantesten, was für eine Erzählart Du hast. Auktorial oder personal?

chaosqueen

Okay, wenn das Mädel so spricht, dann ist nichts gegen den falschen Satzbau mit "weil" einzuwenden - sofern sie denn insgesamt im Text eine eher einfache, nicht immer grammatikalisch ganz korrekte Sprache verwendet, wäre es vermutlich sogar seltsam, wenn sie hier korrekt formulierte, denn gerade "weil das ist so" ist ja im Deutschen inzwischen salonfähig und viele wissen nicht mal mehr, dass es falsch ist.
Ich gebe meinen Figuren auch unterschiedliche Stimmen, arbeite mit Elisionen und Auslassungen, aber ich gebe mir Mühe, die Grammatik nicht zu sehr zu verbiegen - oder so sehr, dass es hoffentlich auch dem dümmsten Leser auffällt, dass da was nicht stimmt. ;D Ich möchte später nicht als Beispiel für die Verschleifung der Sprache hinzugezogen werden (wobei das immerhin bedeuten würde, dass ich überhaupt mal etwas veröffentliche, das dann auch noch Bestand hat - hehre Ziele! ;D).

Die weiteren Beispiele, die Du nennst, fallen für mich alle unter "müsste ich nachgucken". Wenn Du aber im Text so weit darauf eingehst, dass Du nicht vom Leser erwartest, dass er alles weiß, sondern die Figuren selber recherchieren oder sich darüber unterhalten, so dass der Leser zumindest die Grundinfo hat, dass es da etwas gibt, das einen realen Bezug hat und das man recherchieren kann, dann dürfte das kein Problem sein.

Du scheinst ein ehrgeiziges Projekt am Wickel zu haben, in dem auch weniger geläufige politische Probleme zur Sprache kommen. Bleib dabei, aber sorg dafür, dass die Leser am Ende wissen, worum es geht. Ich werfe gerne als Beispiel Khaled Hosseini in den Raum, der seine Geschichten in einem zerstörten und dem Wahnsinn (bzw. den Taliban) anheim gefallenen Afghanistan spielen lässt und mir mehr über die Vorgänge dort beigebracht hat, als jede Nachrichtensendung es konnte. Und ganz ohne Fußnoten und Erklärungen, die nicht in den Kontext passten.

Sascha

Zitat von: chaosqueen am 14. Februar 2014, 23:21:09
Okay, wenn das Mädel so spricht, dann ist nichts gegen den falschen Satzbau mit "weil" einzuwenden - sofern sie denn insgesamt im Text eine eher einfache, nicht immer grammatikalisch ganz korrekte Sprache verwendet, wäre es vermutlich sogar seltsam, wenn sie hier korrekt formulierte, denn gerade "weil das ist so" ist ja im Deutschen inzwischen salonfähig und viele wissen nicht mal mehr, dass es falsch ist.
Ich weiß, ehrlich gesagt, grad gar ned, ob ich sie sonst auch auf schlechtes Deutsch gesetzt hab. Aber als Akademikerin erscheint sie sonst auch nirgends, da bin ich mir sicher.

Zitat von: chaosqueen am 14. Februar 2014, 23:21:09
Ich gebe meinen Figuren auch unterschiedliche Stimmen, arbeite mit Elisionen und Auslassungen, aber ich gebe mir Mühe, die Grammatik nicht zu sehr zu verbiegen - oder so sehr, dass es hoffentlich auch dem dümmsten Leser auffällt, dass da was nicht stimmt. ;D Ich möchte später nicht als Beispiel für die Verschleifung der Sprache hinzugezogen werden (wobei das immerhin bedeuten würde, dass ich überhaupt mal etwas veröffentliche, das dann auch noch Bestand hat - hehre Ziele! ;D).
Ich geb Dir mal ein ganz berühmtes Beispiel, wobei ich natürlich nicht weiß, ob er im Original was ähnliches tut.
Zur Zeit (wenn ich mal zu allem anderen zu schlapp bin) lese ich "Doctor Sleep" von Stephen King. Und bei dem kommt (vom Erzähler, nicht in wörtl. Rede!) dauernd was wegen dem Dativ und nicht wegen des Genitivs. :wums:
Möglich, daß gleichzeitig Übersetzer und Lektor schlecht sind, aber ich denke, da wird irgendwas nachgebildet, was King auf englisch macht. Und der Typ war mal Englischlehrer!!!!111einself

Zitat von: chaosqueen am 14. Februar 2014, 23:21:09
Die weiteren Beispiele, die Du nennst, fallen für mich alle unter "müsste ich nachgucken". Wenn Du aber im Text so weit darauf eingehst, dass Du nicht vom Leser erwartest, dass er alles weiß, sondern die Figuren selber recherchieren oder sich darüber unterhalten, so dass der Leser zumindest die Grundinfo hat, dass es da etwas gibt, das einen realen Bezug hat und das man recherchieren kann, dann dürfte das kein Problem sein.
Ich wollte eigentlich heute eh schon hierhin schreiben, daß wir den Thread mal beenden können. Hab mit Fia noch eine Diskussion per PN weitergeführt, aber das mit den Fußnoten gehört ja eigentlich nimmer hierher.
Sei's drum.
Ich will den Leser schon zur Recherche anregen, muß ihn aber gleichzeitig soweit innerhalb der Geschichte informieren, daß er bei der Stange bleibt, ohne dabei vor lauter Information in den Oberlehrermodus zu rutschen. Ich versuch noch mal, das nötige Minimum an Infos besser in der Story unterzubringen, den Rest liefere ich im Nachwort als eine Art Faktenliste. Die hab ich eh drin, da wandert dann halt doch einiges wieder rein.

Zitat von: chaosqueen am 14. Februar 2014, 23:21:09
Du scheinst ein ehrgeiziges Projekt am Wickel zu haben, in dem auch weniger geläufige politische Probleme zur Sprache kommen. Bleib dabei, aber sorg dafür, dass die Leser am Ende wissen, worum es geht.
Oh ja, ehrgeizig ist vorsichtig ausgedrückt. Das Schwierige ist ja auch, die Aussagen und Infos nicht plump mit dem Holzhammer anzubringen. Da ist eig. meine größte Sorge dabei.

Zitat von: chaosqueen am 14. Februar 2014, 23:21:09
Ich werfe gerne als Beispiel Khaled Hosseini in den Raum, der seine Geschichten in einem zerstörten und dem Wahnsinn (bzw. den Taliban) anheim gefallenen Afghanistan spielen lässt und mir mehr über die Vorgänge dort beigebracht hat, als jede Nachrichtensendung es konnte. Und ganz ohne Fußnoten und Erklärungen, die nicht in den Kontext passten.
Nie gelesen, aber klingt so, als sollte ich das nachholen. Erst recht, da mein Haupt-Prota ein Ex-Soldat ist, dem der Irrsinn in Afghanistan schwer auf den Magen geschlagen hat. Es ist nicht direkt das Thema, da laß ich die Finger weg. Aber es prägt ganz gewaltig seine Einstellung zu religiösen (und auch antireligiösen) Fanatikern.

So, nun möchte ich das Thema aber gerne für beendet erklären, bevor die große :pfanne: kommt, weil solche Diskussionen hier nix zu suchen haben. Mal sehen, vllt. melde ich mich bzgl. Fußnoten/Nachwort-Problematik noch mal im Workshop. Ein alter Fußnotenthread existiert ja schon. Aber vorher bau ich mal ein bißchen rum, wie ich's am vernünftigsten hinbekomme.
Vielen Dank an alle, die ihre Gedanken beigesteuert haben! :winke: