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Frauen in militärischen Führungspositionen

Begonnen von Fianna, 14. Oktober 2013, 20:14:52

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Fianna

Lustig, ein paar Reenacter wollten mir erzählen, dass die gar nicht gehen.
Mangels Geschicklichkeit konnte ich das nicht mal mit der Luft-Sense demonstrieren, wie ich mir die Nützlichkeit vorstelle  :D

Coppelia

#16
Puh, ich konnte gestern nach dieser Diskussion gar nicht einschlafen. :gähn: Und jetzt bin ich auch schon wieder wach.

ZitatEr meinte jedenfalls, dann müsse man ja ein ganz anderes Gesellschaftssystem definieren

Ich weiß nicht, wie dein Gesellschaftssystem aussieht, aber generell glaube ich, dass es stimmt: Du müsstest ein Gesellschaftssystem definieren, in dem Frauen im Militär normal sind (es sei denn, du möchtest es als etwas Besonderes darstellen). Dieses System hätte wahrscheinlich eine andere Geschichte und Tradition als z. B. unseres. Ob die Abweichung von der "Norm" (zumindest so, wie man sie heute kennt) so hoch wäre, wage ich aber zu bezweifeln. Außerdem könnte ich mir auch gut vorstellen, dass eine Gesellschaft, in der Frauen nicht gleichberechtigt sind, die Leser nervt, weil sie mit ihren eigenen Idealen nicht übereinstimmt. Ich denke, Leser hätten eher Schwierigkeiten, sich mit einem Fantasysetting anzufreunden, das auf reale historische Vorbilder einer Gesellschaft zurückgreift, in der Frauen unterdrückt werden.
Aber wieso soll das alles auf Kosten der restlichen Welt gehen?

Rhiannon

Dein Freund traut den Lesern aber nicht viel zu, Fianna.
Ich meine, ich weiß nicht, wie deine Elben organisiert sind, aber allein das dürfte schon eine Abweichung von der Norm sein. Und wenn man in einem Fantasy-Roman nicht einmal eigene Wege gehen kann, weiß ich auch nicht. Ich meine, das macht doch zum Teil den REiz des Genres aus, dass man quasi ein "Was wäre wenn" daraus machen kann.

Ich stimme Coppi zu, dass deine Welt dann natürlich eine andere Geschichte braucht, als unsere Welt, aber da du ja sowieso eine eigene Welt hast, ist das für mich nur logisch, dass sie das hat.

Simara

Ich finde den Widerspruch deiner Freunde vollkommen unbegründet. Wenn es in deiner Gesellschafft eine eher fortschrittliches Verhältnis zu Geschlechterrollen gibt spricht doch nichts dagegen, eine Frau in einer militärischer Führungsposition zu beschäftigen.
Zu dem Argument, dass Frauen einen Nachteil durch ihren Körperbau haben: Natürlich brauchen weibliche Muskeln länger um sich zu entwickeln, dass ist ärgerlich, aber wahr. Das ändert jedoch nichts daran, dass auch eine Frau mit genügend Training sehr stark werden kann- und als Kampfsportlerin muss ich dazu sagen, dass es generell nicht allein auf die Kraft sondern vorallem auf das Wissen, Können, und die Geschicklichkeit ankommt, egal ob man bewaffnet oder unbewaffnet kämpft.


Pygmalion

Ich stelle mir Frauen in gewissen Positionen sogar nützlicher als Männer vor. Spionage :D, Späher, leichte Infanterie/Bogenschützen. In der schweren Kavallerie dann eher die Männer...

Ich glaube ein wesentliches Problem deiner Freunde ist: Frauen sind zu wertvoll, um sie im Krieg zu verheizen, richtig? Wenn eine Population klein und bedroht ist, sollen also lieber nur die Männer kämpfen, weil davon am Ende ja theoretisch 2 ausreichen würden, die Population am Leben zu erhalten.
Im Umkehrschluss könnte man es aber auch so sehen: Gerade wenn es wenige Elben gibt, ist es umso wichtiger, dass auch die Frauen mitkämpfen, weil die Armee sonst eben nur halb so groß ist. Halbe Armee = doppelter Verlust in der Schlacht (sofern die Gegner größere Ressourcen haben, wovon ich jetzt ausgehe). Denn wenn die Verteidiger in der Schlacht gestorben sind, stehen die Frauen mit den Kindern hilflos in ihrem Dorf und werden abgeschlachtet/vergewaltigt/erobert. Dass man dann nicht unbedingt schwangere in den Krieg schickt, versteht sich von selbst... wobei mir Krieg in Fantasy sowieso immer zu einseitig dargestellt wird. Da ziehen die Heere in voller Rüstung durch die Landschaft, keine Heertrosse, keine Verpflegungswagen, keine Marketenderinnen. Es gibt genug Tagebücher aus dem 30- jährigen Krieg, die sehr eindrücklich darstellen, wie das Heerleben wirklich war. Kämpfen in Schlachten war da eher die Ausnahme (die meiste Zeit hat man wohl mit Plündern und Nahrungsbeschaffung verbracht) und in den Heeren waren fast genau soviele Farauen wie Männer, ebenso Kinder.

Was wollte ich noch... ahja, wehrhafte Menschenfrauen mit Sicheln? Also, ich bezweifel, dass die erste Reaktion einer friedlichen Küstenansiedlung auf einen Plünderungsversuch durch ausgerüstete Soldaten/Krieger was auch immer wäre, sich mit Erntegeräten zu verteidigen. Egal ob in der Siedlung jetzt Männer und Frauen oder nur eins von beidem sind. Wenn die Angreifer auch nur Multifunktionsäxte haben, ok, aber sobald die etwas besser ausgerüstet sind, möglicherweise sogar Kettenhemden, Schilde und Speere tragen, würde ich der Sichel wenig Chancen einräumen.
Wohl eher: Schatz vergraben/mitnehmen und ab in den befestigten Wehrturm, von Oben Pfeile, Steine und Pippi runterkippen und warten, bis die Angreifer genug geplündert haben und verschwinden.

Simara

Zitat von: Pygmalion am 15. Oktober 2013, 10:26:45
Wohl eher: Schatz vergraben/mitnehmen und ab in den befestigten Wehrturm, von Oben Pfeile, Steine und Pippi runterkippen und warten, bis die Angreifer genug geplündert haben und verschwinden.

Also wir Friesenfrauen haben uns einen Namen damit gemacht, den feindlichen Soldaten heiße Grütze ins Gesicht geschüttet und sie dadurch vertrieben zu haben.  :jau:

Churke

Zitat von: Pygmalion am 15. Oktober 2013, 10:26:45
Ich stelle mir Frauen in gewissen Positionen sogar nützlicher als Männer vor. Spionage :D, Späher, leichte Infanterie/Bogenschützen. In der schweren Kavallerie dann eher die Männer...
Ach ja, die elfengleiche Bogenschützin.  ::) Gehört in jedes Rollenspiel. Nur haben Langbögen Zuggewichte bis über 180 Pfund...  :-X


Zitat
Ich glaube ein wesentliches Problem deiner Freunde ist: Frauen sind zu wertvoll, um sie im Krieg zu verheizen, richtig?
Ich denke, mit Rationalität und Logik kommt man hier nicht weiter. Da geht es eher um kulturelle Faktoren.

Zitat
Was wollte ich noch... ahja, wehrhafte Menschenfrauen mit Sicheln? Also, ich bezweifel, dass die erste Reaktion einer friedlichen Küstenansiedlung auf einen Plünderungsversuch durch ausgerüstete Soldaten/Krieger was auch immer wäre, sich mit Erntegeräten zu verteidigen.
Viele Waffen sind aus Erntegeräten entstanden, zum Beispiel der Flegel. Die Sichel ist eine sehr unangenehme Kurzwaffe. Habe ich alles schon ausprobiert.

Kati

ZitatIch stelle mir Frauen in gewissen Positionen sogar nützlicher als Männer vor. Spionage :D, Späher, leichte Infanterie/Bogenschützen. In der schweren Kavallerie dann eher die Männer...

Das hier klingt sehr sinnvoll, denke ich. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen Männern und Frauen ist ja nun mal wirklich, die Muskelentwicklung und die körperliche Stärke, obwohl es auch da natürlich Ausnahmen gibt. Wäre es nicht sinnvoll, jede Figur, ob nun Mann oder Frau, dort einzusetzen, wo sie am Meisten ausrichten kann? Das hat aber gar nichts damit zu tun, dass eine Frau keine Generälin sein kann. Gerade das ist geeignet, welcher General kämpfte schon direkt in der ersten Reihe?

Ich weiß nicht, ich glaube es wurde schonmal irgendwo angesprochen, aber in der Geschichte gibt es nicht so wenig Beispiele für Frauen mit militärischen Karrieren, weil Frauen das nicht können, sondern, weil Geschichte von Männern geschrieben wurde und meist immer noch wird. Einer Frau stand der Eintritt ins Militär lange Zeit gar nicht offen, ob sie wollte oder nicht. Und trotzdem gibt es Frauen, die etwas im Militär erreicht haben. Nicht nur so Figuren wie Johanna von Orleans oder Hua Mulan (ob es die nun wirklich gab, sei mal dahingestellt), wo man sagen kann "Gut, die Ausnahme bestätigt halt die Regel." Im amerikanischen Bürgerkrieg ist bis heute nicht klar, wie viele Frauen als Männer verkleidet gute Dienste geleistet haben. Es waren einige und das gilt auch für andere Kriege. Ich schreibe im NaNo über die Pariser Kommune. Auch hier haben Frauen die Barrikaden verteidigt, aber man hört trotzdem eher von den Männern, die an ihrer Seite gestanden haben. Warum? Weil Geschichte von Männern geschrieben wird und man den Erfolg oder den Ehrgeiz der Frauen gern mal unterschlägt. 

Frauen sind in der Geschichte des Militärs so unterpräsent, weil sie einfach nicht durften, nicht, weil sie nicht konnten oder nicht wollten. Und daraus bildet sich dann diese merkwürdige "Norm", das Männer im Krieg zu sein haben und Frauen eben zuhause nach dem Rechten sehen. Das ist menschengemacht, nicht Natur gegeben und deshalb kann man es besonders als Fantasyautor auch getrost beiseite schieben und nicht beachten. Ob das gut für die gesellschaftliche Struktur ist, weiß ich nicht, ist das so wichtig? Ein Volk wird nicht untergehen, weil Frauen in der Armee sind. Es wird vielleicht kleiner werden, das aber auch, wenn nur Männer kämpfen, aber es wird nicht verschwinden, bloß weil ein paar zeugungsfähige Damen nicht zu Hause sitzen, sondern sich auf den Schlachtfeldern "verpulvern" lassen. Es ist ja längst nicht jeder auf dem Schlachtfeld, der sich gemeldet hat, viele halten sich bereit, werden vielleicht nie eingezogen. Es wird schon noch genug "wertvolle" Frauen geben, die Kinder bekommen können. Das Argument halte ich für nicht stichhaltig.

Pygmalion

ZitatGerade das ist geeignet, welcher General kämpfte schon direkt in der ersten Reihe?

Pyrrhus, Alexander der Große, Gustav Adolf II. von Schweden und Richard Löwenherz (beide im Krieg gestorben) usw... :D

Ob die jetzt in er "ersten" Reihe standen, sei dahingestellt, mit im Geschehen waren sie in auf jeden Fall...

Churke

Zitat von: Kati am 15. Oktober 2013, 13:35:26
Wäre es nicht sinnvoll, jede Figur, ob nun Mann oder Frau, dort einzusetzen, wo sie am Meisten ausrichten kann?
Unter utilitaristischen Gesichtspunkten wäre das in einer vorindustriellen Gesellschaft wahrscheinlich die Feldarbeit, weil der Kriegerstand unter 1 % der Gesamtbevölkerung ausmacht. Ist der Soldatenberuf zudem angesehen, gibt es objektiv keinen Grund, sich bei den Anforderungen mit weniger als dem Gardemaß des Wachbataillons zufrieden zu geben.

Ausnahmen kommen aber bei Söldnern vor. Wenn sie aus anderen Kulturkreisen kommen, ist man(n) schon mal bereit, auch Söldnerinnen zu akezptieren.

Zitat
Das ist menschengemacht, nicht Natur gegeben und deshalb kann man es besonders als Fantasyautor auch getrost beiseite schieben und nicht beachten. Ob das gut für die gesellschaftliche Struktur ist, weiß ich nicht, ist das so wichtig?
Frag mal einen Dschihadisten, was er von Soldatinnen hält.
Das Wort fängt mit H an und hört mit -ure auf.
Wenn in deinem Viertel noch mehr so Typen rum springen, dann gehst du nicht zur Armee. Du denkst nicht mal daran.

Fianna

#25
Da ich nach Schreiben des Beitrages alleine auf Coppelias Beitrag schon einen langen Post verfasste, habe ich Moni gebeten, die Diskussion zu teilen und in einen neuen Thread auszulagern (mein Vorschlag war "Realismus in Heer und Krieg).
Das ist eine superschöne Diskussion, die noch in viele Richtungen führen kann, aber es geht schon weit vom Eingangspost weg.

~~~

Coppelia, er meinte, dass in einer Gesellschaft mit regulärr Wehrpflicht für Frauen das traditionelle Familiensystem nicht mehr gültig wäre. Wer soll die Kinder betreuen, wenn beide Eltern im Feld stehen? Bei einer richtigen Tradition kann man die nicht einfach den Grosseltern aufhalsen, denn für diese galten ja früher dieselben Regeln, somit werden viele Familien einfach diese Grosseltern nicht mehr haben (da neben Krankheit etc nun auch Heerdienst für Dezimierung sorgt). Moderne Einrichtungen wie Kindergarten, betreute Schulen, kann man aber nicht so einfach übertragen, die meisten Fantasygesellschaften haben.ja kein vergleichbares Bildungssystem und wenn, nur für die Elite.
Bei der Erfindung von Strukturen, die weder traditionelle Familiennetzwerke noch "staatliche" Einrichtungen sind, setzt man dem Leser etwas Neues vor. Kernfamilien (Eltern, Kinder, Grosseltern) existieren nicht als Norm. Selbst wenn man die naheliegende Lösung wählt und den Familienbegriff neu definiert (Tanten, Onkel, Grosstanten werden zur Betreuung rangezogen... wer eben a) gerade nicht dient und b) überlebt hat), ist das im praktischen Alltag des Protagonisten etwas sehr Ungewohntes.
Dass der Protagonist von Tanten und Grosscousinen aufgezogen wird (vermutlich alle paar Jahre mit wechselnder Besetzung), ist dann doch recht ungewöhnlich. Und indem man das zeigt, beschreibt, glaubhaft macht, nimmt man natürlich anderen Weltendetails den Platz.
Vielleicht denke ich zu kleinteilig, aber ich fand das nicht ungewöhnlich.
Wobei ich noch unschlüssig bin (und was sowieso nicht objektiv zu beantworten ist), inwiefern man den Leser mit "Neuem" überfordert.
Dieser Freund meinte, wenn man ein anderes Gesellschaftssystem hat (z.b. Kernfamilie nicht existent etc), ein sehr ungewöhnliches Magiesystem, relativ fremdes Glaubenssystem, erfundene Waffen etc - würde das den Leser überfordern.
Er vertritt die Ansicht, dass man nur eine gewisse Menge an unbekannten/neuen Dingen erfinden soll. (Lustigerweise ist der andere starke Weltenschöpfer, mit dem ich oft diskutiere, komplett anderer Meinung.)
Er war übrigens für Frauen in Führungspositionen (wenn begründet und logisch) und nur gegen reguläre Wehrpflicht.

Er fängt auch immer mit Dreissigjährigem Krieg, Tross etc an, sobald wir auf militäriscje Themen kommen.
Da stimme ich euch beiden (ihm und Pygmalion) zu, auf solche Dinge achte ich auch immer sehr stark.
Auch z.b. dass die Zahlen der beteiligten Soldaten nicht zu hoch sind, denn in Gesellschaften, die ich vom technologischen und organisatorischen Stand vergleichbar fand, gibts auch nicht diese immensen Zahlen. Da kann man schon in einem historischen Text als ganz ausserordentlucher Held gefeiert werden, der so sehr vom König geehrt wurde, und irgendwann kommt der Satz "Ich habe 5 Männer im Namen meines Königs getötet". Legolas macht das in einem Krieg in 4 Sekunden ;)

Aber es schweift etwas vom Thema ab, wenn wir "Realismus in phantastischen  Kriegsdarstellungen" dazu nehmen.

Pygmalion

ZitatEr fängt auch immer mit Dreissigjährigem Krieg, Tross etc an, sobald wir auf militäriscje Themen kommen.
Da stimme ich euch beiden (ihm und Pygmalion) zu, auf solche Dinge achte ich auch immer sehr stark.

Meine Ausführungen zum 30-jährigen Krieg waren aber dann offenbar genau gegenteilig zu seinen. Ich sage ja, dass es gerade da völlig normal war, dass ganze Familien in den Heertrossen waren. Ergo funktioniert da doch auch das Familiensystem innerhalb dieser überschaubaren Anzahl von "Berufssoldaten" weiter. Mal davon abgesehen, dass es in diesen wirren Zeiten vielleicht sogar angenehmer war, in einem Heer zu stecken, bzw. das zu begleiten, als zur Landbevölkerung zu gehören, denen die Dörfer im Wochentakt jeweils von den wechselden Heeren ausgeplündert wurden.
Wie Churke ja auch schreibt, überwiegt in einer normalen Gesellschaft doch ganz klar der Anteil der nicht dauerhaft Kämpfenden Personen. Die Gesellschaft funktioniert da doch völlig normal, nur dass die Soldatenfamilien ihre Kinder eben mitschleppen und die Kinder dann Pech haben, wenn beide Eltern zufällig im Krieg sterben sollten. Genau wie andere Kinder Pech hatten, wenn ihre Eltern durch Plünderungen des Dorfes, Krankheiten oder Unfälle gestorben sind.

Fianna

#27
Achso, ich hatte es jetzt etwas losgelöst betrachtet im Sinne von "Es gibt einen Tross (was bei den meisten Fantasyheeren fehlt, wie unrealistisch)" etc.

Diese Diskussion, das habe ich vielleicht vergessen zu betonen, ging von einem wesentlich höheren Anteil aus als normal. "Normal" scheinen 3% zu sein.

Nochmal zu den sichelschwingenden Frauen: natürlich würde eine Invasionsstreitmacht auf andere Personengruppen treffen. Die Besatzung des Wachturmes, die Bereitschaft an Bewaffneten, die von diesen herbeigerufen werden, evt eine Art "Küstenwache"...
Aber zum einen könnten einige davon ja (je nach Organisation und Verlauf) durch die Reihen stossen, zum anderen gibt es ja nicht nur Invasionen. Räuber, Strauchdiebe, Deserteure des Nachbarvolkes, alle möglichen bewaffneten Leute könnten theoretisch durch die Felder kommen. Wenn die Feldarbeit überwiegend in Händen der körperlich eher unterlegeneren Einwohner liegt (Zivilistinnen, Jünglinge, Ältere) müssen die ja dennoch wehrhaft sein.
Wenn eine Generation lang oder länger nichts Gravierendes passierte (abgesehen von ein paar abgerissen Strauchdieben etc) würde es ja auch keine Rundum-Bewachung der Felder/FeldarbeiterInnen oder eine engmaschige Grenzüberwachung geben.
So gern ich auch immer alles begründe, ich finde, das kann ich einfach als Maxime definieren: Frauen dieser Kultur müssen wehrhaft sein. Grundsätzlich.
Falls dann mal ein Katastrophenfall eintreten würde, der die Kapazität der im Kampf ausgebildeten Personen übersteigt, hat man direkt rudimentär erfahrene Personen, die sich schon irgendwie nützlich machen können.

Gestern habe ich überlegt,  inwiefern man als Speerträger angelernt werden sollte - unter der Grundannahme, dass die nicht nur verheizt werden, sondern auch tendenziell eher überleben sollten. Leider habe ich da weder Kampferfahrung noch viel über entsprechende Kriege gelesen (Sachbücher meine ich).
Im Katastrophenfall muss man es natürlich einfach machen, aber als Kriegsplaner kann man ja so lange an den einzelnen Zahnrädern schrauben, bis man ein Szenario entworfen hat, in dem Überleben nicht Glückssache ist.

Gab es in euren Geschichten schonmal einen solchen "Katastrophenfall", in dem nicht oder nur wenig angelernte Einwohner eingezogen werden?
Gibt es bei euch überhaupt ein "stehendes Heer", so dass ihr eure Kriege ausschliesslich mit Berufskämpfern besetzt?

Ich habe das nicht bei allen Ländern, es ist einfach zu teuer für eine Defensivarmee.
Berufskämpfer gibt es natürlich immer, aber viele meiner Länder sind darauf angelegt, in einem Kriegsfall zu rekrutieren und anzulernen. Manche Länder haben bei mir ein Rotationssystem oder Ähnliches, damit die Bevölkerung grundlegende Waffenkenntnisse hat.
Ich glaube, mein Verhältnis "Berufskämpfer-eingezogen" geht weiter auseinander als bei historischen Beispielen. (Hat da ein Mittelalterfreund vielleicht irgendwann mal Zahlen zu gefunden?)
Aber da diese i.d.R. extrem kleine Länder sind (nach anderer Definition vllt keine Länder, da nur eine richtige Ansiedlung besteht und ansonsten Weiler), i.d.R. durch geographische Barrieren in geschützter Lage sind und die militärischen Strukturen ausschliesslich dem Defensivfall dienen, fand ich dieses extreme Verhältnis nicht schlimm.

Coppelia

#28
@ Fianna

Danke für die Erläuterung, verstehe. :)

Es ist ja ein bisschen ähnlich zu dem, was ich auch schon meinte: Dass man eine andere Gesellschaft als Grundlage braucht.
(Es folgen Details zu Kessel, bei Nichtinteresse bitte überspringen)
Ich habe es sogar ganz ähnlich gemacht, wie er meint, Stichwort Kinderbetreuung und Elite. In meinem Setting spielen Ruhm, Macht und Ansehen einzelner adliger Großfamilien eine bedeutende Rolle. Wenn die Eltern nicht zur Verfügung stehen, weil sie im Feld sind oder andere wichtige Dinge machen, die für die Familie von Vorteil sind, muss eben ein anderes Familienmitglied einspringen. Es wird für selbstverständlich gehalten, anderen Familienmitgliedern den Rücken freizuhalten, wenn die Familie dadurch insgesamt gewinnt. Natürlich heißt es immer abzuwägen, was jeweils für die Familie von größerem Vorteil ist und ob z. B. eine Feldherrin im Fall einer Schwangerschaft nicht lieber eine Pause einlegen sollte.
Wer keine Macht, kein Geld, keine Beziehungen und keine Familie hat, hat, wie Pygmalion schreibt, halt Pech gehabt. Ich erfinde nicht die perfekte Gesellschaft, das wäre mir viel zu langweilig. ;D

Als besonders "neu" empfinde ich das alles allerdings nicht. Und auch weiß Gott nicht als weit hergeholt. Es hat einfach eine andere Basis. Wieso sollte es "im praktischen Alltag des Protagonisten etwas Ungewohntes" sein? Meinst du auf den "normalen" Protagonisten bezogen? Welcher Fantasyheld kommt denn schon aus einer intakten, kuschligen Familie? ;) Und wenn der Held sein Leben lang nur bei Tanten und Onkeln gewohnt hat, weil seine Eltern auf Feldzug waren, ist das für ihn doch nicht ungewohnt, sondern völlig normal. Er freut sich dann, wenn sie Eltern ab und zu mal vorbeischauen, sofern sie dazu in der Lage sind. Das ist dann eher das Ungewöhnliche für ihn.

Die Fragen zum stehenden Heer sind bedenkenswert. (Kessel) Ich dachte es bei mir bisher ungefähr so: Das Heer setzt sich teilweise aus Berufssoldaten, teilweise aus Zeitsoldaten zusammen. Die Zeitsoldaten werden für eine bestimmte Frist oder ein bestimmtes militärisches Unternehmen rekrutiert. Auch auf längeren Feldzügen wird zwischendurch rekrutiert, u. a. im Ausland. Im Großen und Ganzen ähnelt die Organisation des Heeres der der Familie, d. h. der Feldherr erfüllt die Funktion und trägt die Verantwortung eines Familienoberhaupts.
Wie die Soldaten bezahlt werden sollen, ist in Kessel von jeher ein Streitpunkt und hat schon häufig zu Ärger geführt. ;) Gewöhnlich sollen sie über die Kriegsbeute finanziert werden, was aber in der Praxis häufig nicht funktioniert.


Ich denke, es ist richtig, dass der Text in gewisser Hinsicht anspruchsvoller und schwerer zugänglich wird, je mehr er den Leser dazu zwingt, sich in eine Zeit, eine Gesellschaft und ein Setting hineinzudenken, das er aus persönlicher Erfahrung nicht kennt. Ich denke auch tatsächlich, dass solche Texte weniger Mainstream und damit unverkäuflicher sind. Aber für mich ist das gerade das Interessante an Fantasy. Ich möchte andere Welten, andere Länder, andere Sitten. Ich weiß auch, dass sich die Bücher am ehesten verkaufen, die den Leser "da abholen, wo er sich befindet". Aber das sind nicht meine persönlichen Lieblingsgeschichten. Ich mag die Herausforderung. Und besonders mag ich es, wenn solche fiktiven Settings nicht einfach nur so sind, wie sie sind, weil der Autor eine blühende Fantasie hatte, sondern wenn sie in gewisser Weise Probleme unserer Gesellschaft reflektieren.

Churke

Zitat von: Fianna am 15. Oktober 2013, 17:39:12
Diese Diskussion, das habe ich vielleicht vergessen zu betonen, ging von einem wesentlich höheren Anteil aus als normal. "Normal" scheinen 3% zu sein.
Ähem, was? 3 % als Tross???

Zitat
So gern ich auch immer alles begründe, ich finde, das kann ich einfach als Maxime definieren: Frauen dieser Kultur müssen wehrhaft sein. Grundsätzlich.
Müssen? In manchen Kulturen sind nicht mal die Männer wehrhaft. 

Zitat
Gestern habe ich überlegt,  inwiefern man als Speerträger angelernt werden sollte - unter der Grundannahme, dass die nicht nur verheizt werden, sondern auch tendenziell eher überleben sollten. Leider habe ich da weder Kampferfahrung noch viel über entsprechende Kriege gelesen (Sachbücher meine ich).
Das ist nicht besonders anspruchsvoll. Die Jungs (!) dürften vor allem im Halten von Formationen und Speeren gedrillt werden.

ZitatGab es in euren Geschichten schonmal einen solchen "Katastrophenfall", in dem nicht oder nur wenig angelernte Einwohner eingezogen werden?
Die meisten Potentaten haben was gegen Volksbewaffnung. Die spätrömischen Kaiser untersagten ihren Untertanen sogar, sich gegen die Barbaren zu verteidigen. Und Waffen waren in den Händen von Zivilisten sowieso verboten. Die öffentliche Sicherheit und so.  ;D