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Wie Bücher zu Klassikern werden. Oder: Von zeitgemäßer Moral

Begonnen von Luna, 24. April 2013, 15:28:23

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Alaun

Achtung, off topic, aber ich muss es mal loswerden: Kati, deine unglaubliche Fachkompetenz macht mir manchmal wirklich Angst.  :hmmm: Aber es ist eine positive Angst. OT Ende.

Alana

Ja, ich war grad auch sprachlos. Wirklich sehr spannend, Kati!  :jau: Danke für diesen Beitrag. :)
Alhambrana

Kati

Ach, danke, ihr Lieben.  :knuddel: Das kommt eigentlich alles durch mein Blog, weil ich mir alles aufschreibe, was interessant ist und worüber ich mal bloggen wollen könnte. Jetzt muss ich es nur noch schaffen, aus dem ganzen Wissen einen Roman zu basteln, den auch Menschen lesen wollen.  :d'oh:

Adam_Charvelll

Sehr spannendes Thema, ich stimme den kritischen Beiträgen, vor allem Ludovica zu. Klassiker sind immer relativ zu sehen und zwar genau darum, weil es sich dabei immer um Projektionen der Rezeption der aktuellen Gesellschaft handelt. Sobald sich die Gesellschaft und Lesekultur zum Beispiel durch einen Generationenwandel ändert, verändern sich auch die empfohlenen Klassiker.

Was macht einen Klassiker aus oder wie wird ein Buch zum Klassiker? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Rezeption und Beliebtheit des Werkes zum Zeitpunkt der Veröffentlichung würde ich allerdings als weniger wichtig einstufen. Wie viele Autoren gibt es, deren Texte erst nach ihrem Tod berühmt geworden sind?
Ich würde drei Kriterien als die wichtigsten ansehen. Erstens: Die Thematik des Buchs ist zeitlos, Zweitens: Das Buch bricht alte Regeln, setzt neue Maßstäbe oder beeinflusst die kulturelle Entwicklung in einer anderen Art, Drittens: Das Buch hat eine tiefgründige Botschaft, die es wert ist, transportiert bzw. nach längerer Zeit wieder ausgegraben zu werden.

Welche Bücher zu zukünftigen Klassikern werden könnten, kann wohl niemand beantworten. Harry Potter ist aber ein ganz heißer Tipp, da Harry Potter ja der erste jugendorientierte Roman ist, der Entwicklungsroman und Fantasy mit einem Schulsetting zusammenlegt und damit als erstes Buch an die veralteten Hanni&Nanni-Internatserzählungen anknüpft.
Nachdem ich Twilight weder gelesen noch gesehen habe, traue ich mir da keine Aussage zu tätigen. Wenn man die Handlung auf gesellschaftliche Phänomene herunterbrechen kann, kann es meiner Meinung nach durchaus auch mal zum Klassiker werden. Reine Liebesromane bzw. Unterhaltungsliteratur werden/wird es allerdings schwer haben, langfristig rezipiert zu werden, da sie einfach zu austauschbar sind/ist.

Kati

Adam: Und wie erklärst du dir dann den Erfolg der Jane Austen? Das waren und sind doch reine Liebesromane, keine Gesellschaftskritik oder dergleichen. Ich finde deine Überlegungen sehr spannend und auch sehr richtig, aber es gibt doch auch Klassiker, die heute wie damals als reine Unterhaltung betrachtet wurden und werden. Oder liegt es daran, dass Austen als Frau Romane schrieb? Obwohl sie da ja auch nicht die erste war. Aphra Behn war ja zum Beispiel schon um 1660 eine sehr beliebte Autorin von Theaterstücken.  ???

Ludovica

Dasselbe wie für Jane Austen gilt übrigens auch für Winnetou: Zu der Zeit, als das geschrieben wurde, hat jeder, der auch nur eine Feder halten konnte, Wildwestgeschichten geschrieben. Und Mays Geschichten waren noch nicht einmal authentisch... Der hat Amerika ja erst sehr spät überhaupt besucht, und so grandios sind seine Charaktere oder sein Schreibstil jetzt auch nicht (oder so einzigartig, wenn man sich mal andere Wild-West-Schriftsteller dieser Zeit ansieht).

Linda

Zitat von: Ludovica am 25. April 2013, 00:34:27
Dasselbe wie für Jane Austen gilt übrigens auch für Winnetou: Zu der Zeit, als das geschrieben wurde, hat jeder, der auch nur eine Feder halten konnte, Wildwestgeschichten geschrieben. Und Mays Geschichten waren noch nicht einmal authentisch... Der hat Amerika ja erst sehr spät überhaupt besucht, und so grandios sind seine Charaktere oder sein Schreibstil jetzt auch nicht (oder so einzigartig, wenn man sich mal andere Wild-West-Schriftsteller dieser Zeit ansieht).

ach ja, Gerstecker und die Flusspiraten des Mississippi.

Aber noch ein Nachtrag zu Max und Moritz...
  Verfasst wurde das vielleicht zu erzieherischen Zwecken. Aber geliebt wurde das Buch von Generationen wegen der übertriebenen Darstellung. Die Strafen sind drakonisch, aber zugleich durch die Überzeichnung auch wieder komisch.  Klar, junge oder sensible Kinder bekommen u.U. Angst. Andere dagegen gruseln sich mit Vergnügen. Man sollte nicht unterschätzen, wie vielschichtig Bücher sind und sein können. Und letztlich macht das einen echten Klassiker aus. Die Anwendbarkeit und Interpretierbarkeit für verschiedene Leserschichten, Generationen und Zeitalter.
 
Und zum Thema Märchen, einem meiner Steckenpferde, könnte ich noch Bände schreiben. Das wichtigste wurde aber bereits gesagt.
Und auch wenn die Grimms sich gerne romantikepochentypisch als Bewahrer der Volkstradition und Märchensammler gerierten, hatten sie im Großen und Ganzen eher wenige Quellen zB die 'Viehmännin' Dorothea Viehmann. Außerdem spannten sie einige weibliche Bekannte ein, für sie aufzuzeichnen. Wobei die Motive der Brüder relativ voneinander abwichen.
Bei einer Menge Märchen sieht man daher auch noch die französischen Feenmärchen durchschimmern, die die Hugenotten mitgebracht haben. Erste Aufzeichnungen von Aschenputtel finden sich im Chinesischen ... Märchen sind ein internationales Erfolgsmodell.

Adam_Charvelll

#37
Da kenne ich mich leider nicht so gut aus, habe mich auch nie mit Austen beschäftigt. Aber irgendetwas muss es ja geben, dass ihre Texte zu diesem Status gekommen sind. Das müssen ja auch gar nicht gesellschaftskritische Revolten sein, sondern einfach Besonderheiten wie Stil, Thematik, Gattung, Emanzipation, historische Bedeutsamkeit, etc etc..
Dass die Werke heute wieder so "in" sind, weil sich die breite Masse gerne mit Texten um 1800 unterhaltet, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Aber wie gesagt, nie gelesen, da will ich es mir nicht anmaßen, diese Situation zu beurteilen :)
Ich mag Nestroy zum Beispiel auch sehr gerne und finde ihn durchaus unterhaltsam. Dennoch denke ich nicht, dass er heute noch so beliebt ist, weil die Leute diese veraltete Art des Humors noch so gut findet.
Ich hoffe, es kommt einigermaßen rüber, was ich meine :)

@Ludovica: Karl May ist tatsächlich ein interessantes Beispiel. Der schrieb wahrlich nicht grandios! Literarisch sind seine Bücher sicher mit Vorsicht zu betrachten, vor allem auch der Inhalt. Old Shatterhand wird ja von Anfang an quasi perfekt vorgestellt und besitzt keine Fehler. Im Prinzip ein absoluter Anti-Entwicklungsroman.
May hatte damals so viel Erfolg, weil er den Deutschen die (angeblichen) Gesetze des Wilden Westens näher gebracht hat bzw. Amerika und den Orient allgemein. Er selbst war ja, wie du sagst, erst nach seinen ersten Büchern in diesen Weltteilen. Das war damals ein Skandal und sicherte ihm auch einen besonderen Status.
Aus heutiger Sicht ist das aber natürlich nicht der Hauptgrund für die Berühmtheit seiner Werke. Da ist schon viel interessanter, wie sich May in diese Rolle selbst hineingesteigert hat und allmählich richtige Identitätsstörungen entwickelte. Bzw auch seine Biographie mit der Herkunft aus armen Verhältnissen und seinen Gefängnisaufenthalten.
Bemerkenswert ist aber unter anderem seine relativ aufgeklärte Einstellung gegenüber fremden Völkern. Obwohl er natürlich die heute rassistischen Begriffe verwendete, kommt in seinen Texten immer eine Verbundenheit und Offenheit anderen Kulturen gegenüber vor, was für seine Zeit doch nicht unbedingt selbstverständlich war.
May schrieb einfach unglaublich viele Reiseromane, die den Leuten das fremde Land Amerika (und andere) einigermaßen näher brachte. Ich persönlich denke nicht, dass May noch lange Klassiker bleiben wird.
Wir hatten vor einem Jahr ein Seminar über die Verwendung von Jugendbüchern im Unterricht. Da war May auch dabei. Während sich alle um die anderen Werke von HdR bis Die Schatzinsel gestritten haben, wollte Winnetou I niemand nehmen. Ist dann bei mir hängen geblieben.  ;D May ist sicher weit nicht mehr so beliebt wie noch vor 20 Jahren, Tendenz fallend.

Ludovica

#38
Zitat von: Adam_Charvelll am 25. April 2013, 00:53:06
Da kenne ich mich leider nicht so gut aus, habe mich auch nie mit Austen beschäftigt. Aber irgendetwas muss es ja geben, dass ihre Texte zu diesem Status gekommen sind. Das müssen ja auch gar nicht gesellschaftskritische Revolten sein, sondern einfach Besonderheiten wie Stil, Thematik, Gattung, Emanzipation, historische Bedeutsamkeit, etc etc..

Jane Austen schreibt wahnsinnig clever. Und sie hat ein Gefühl für die menschliche (gerade die weibliche) Natur zu ihrer Zeit, das sie auch mit sehr angenehmer Prosa auszudrücken weiß. Mit historischer Bedeutsamkeit oder Emanzipation ist da eher nix, sie war aber auch zu ihrer Zeit (in späteren Jahren) wahnsinnig beliebt (wenn mich gerade nicht alles täuscht, hat einmal ein Prinz gebeten, dass sie ihn in einem ihrer Bücher verewigt).

Zitat von: Adam_Charvelll am 25. April 2013, 00:53:06
Aus heutiger Sicht ist das aber natürlich nicht der Hauptgrund für die Berühmtheit seiner Werke. Da ist schon viel interessanter, wie sich May in diese Rolle selbst hineingesteigert hat und allmählich richtige Identitätsstörungen entwickelte. Bzw auch seine Biographie mit der Herkunft aus armen Verhältnissen und seinen Gefängnisaufenthalten.
Bemerkenswert ist aber unter anderem seine relativ aufgeklärte Einstellung gegenüber fremden Völkern. Obwohl er natürlich die heute rassistischen Begriffe verwendete, kommt in seinen Texten immer eine Verbundenheit und Offenheit anderen Kulturen gegenüber vor, was für seine Zeit doch nicht unbedingt selbstverständlich war.

Das ist echt interessant  :jau: Ich hab vor einiger Zeit ein Buch namens 'Land of Savagery, Land of Promise' gelesen, über verschiedene Images des Wilden Westens, und wie gesagt, da gibts einfach so unglaublich viel Literatur dazu, dass es mich immer noch ein wenig wundert, wie es ausgerechnet May geschafft hat.... Könnte aber auch einfach an der schieren Menge seiner Bücher liegen.

Adam_Charvelll

Zitat von: Ludovica am 25. April 2013, 01:03:51
Das ist echt interessant  :jau: Ich hab vor einiger Zeit ein Buch namens 'Land of Savagery, Land of Promise' gelesen, über verschiedene Images des Wilden Westens, und wie gesagt, da gibts einfach so unglaublich viel Literatur dazu, dass es mich immer noch ein wenig wundert, wie es ausgerechnet May geschafft hat.... Könnte aber auch einfach an der schieren Menge seiner Bücher liegen.

Also, dass May damals trotz einer Menge Literatur über den Wilden Westen berühmt wurde, lag einfach daran, dass er ja behauptet hatte, selbst diese Abenteuer erlebt zu haben. Old Shatterhand war ja nach seinen Angaben keine erfundene Figur, sondern er selbst  ;D Und das haben ihm die Leute am Anfang abgekauft, dass da ein Deutscher nach Amerika gekommen ist, sich mit den Indianern angefreundet und ohne jegliche Entwicklung oder Anstrengung gleich alle Disziplinen des Wilden Westens dominiert hat  ;D . Während May in Wirklichkeit nie das Land verlassen hatte und unter anderem im Gefängnis saß.
Mit der Zeit hielt May selbst es für wahr und verstrickte sich immer mehr in Widersprüche. Er behauptete zum Beispiel 35000 Apachen zu befehligen und zeigte auf einmal das Gewehr Winnetous, obwohl er zuvor erzählt hatte, dass er ihn mitsamt seiner Silberbüchse bestattet hatte.
Durch diese Lügerei kam der Ruhm, weil es vor ihm einfach noch keiner gewagt hatte, denke ich  :D

Artemis

#40
Zitat von: Linda am 25. April 2013, 00:52:22
Aber noch ein Nachtrag zu Max und Moritz...
  Verfasst wurde das vielleicht zu erzieherischen Zwecken. Aber geliebt wurde das Buch von Generationen wegen der übertriebenen Darstellung. Die Strafen sind drakonisch, aber zugleich durch die Überzeichnung auch wieder komisch.  Klar, junge oder sensible Kinder bekommen u.U. Angst. Andere dagegen gruseln sich mit Vergnügen. Man sollte nicht unterschätzen, wie vielschichtig Bücher sind und sein können. Und letztlich macht das einen echten Klassiker aus. Die Anwendbarkeit und Interpretierbarkeit für verschiedene Leserschichten, Generationen und Zeitalter.

Kann man Wilhelm Busch überhaupt als Kinderbuchautor betrachten? Ich habe alle seine Geschichten zwar seit meiner Kindheit gelesen, aber viele von ihnen verstand ich damals überhaupt nicht bzw. fand sie für mein Alter nicht ansprechend. Totgeschlagene Maulwürfe, Katzen mit abgetrennten Schwänzen, verkohlte Menschen ... nicht gerade das, was man Kindern vor dem Schlafengehen vorlesen möchte, auch wenn Erzählstil und Bilder eher ulkig wirken.

Ich merke bei mir, dass das Interesse an Klassikern auch von meinem Alter abhängt - je älter ich werde, desto älter ist auch das Buch. Las ich als Kind noch die abgegrabtschen 50er Jahre-Jugendbücher meiner Mutter, greife ich mir heute auch mal etwas aus dem vorletzten Jahrhundert. Bei noch älteren Klassikern wie Romeo & Julia und Dante scheue ich im Moment noch etwas zurück, kann damit noch nichts anfangen. Einfach, weil sich der Schreib- und Erzählstil im Laufe der Jahrzehnte so änderte, dass ich mit manchen Büchern noch überfordert bin. In 10 Jahren sieht das vielleicht ganz anders aus  :omn:

Dass die Kinder und Jugendlichen weniger Interesse an Klassikern haben, glaube ich irgendwie nicht. Ich sehe in den Regalen der Buchländen immer noch Kästner, Maar, Lindgren und Preussler stehen. Und die werden da sicher auch dann noch stehen, wenn unsere Kinder und Enkel nach Büchern schauen wollen. Die Klassiker konkurrieren eben immerzu mit jenen Geschichten, die den Zeitgeist einfangen. Mir ging das früher selbst so: Die Kleine Hexe war toll geschrieben, keine Frage, aber für einen neuen Süderhof-Band hätte ich mir einen Finger abgebissen  ;)

Lavendel

Es gibt natürlich verschiedene Arten, wie ein Werk zu "Klassiker" werden kann, meistens passiert das allerdings, wenn es teil des sog. literarischen Kanons wird - also sozusagen offiziell in eine Reihe mit literarischen Werken gestellt wird, die von vielen Leuten als literarisch wertvoll angesehen werden. Die Leute, die das entscheiden sind meist einflussreiche Literaturkritiker, Literaturwissenschaftler oder vielleicht auch Lehrer oder jede andere Person, der man da ein qualifiziertes Urteilsvermögen zuschreibt (nicht einzelne Personen eigentlich, da muss schon ein gewisser Konsens unter vielen Leuten herrschen). Es gibt deshalb auch keine festen "Regeln", die ein Buch ganz sicher zum Klassiker machen.

Der literarische Kanon ist auch nicht statisch. Titel können dazukommen, andere können wieder wegfallen. Das kommt daher, dass Literatur durch die Leser bewertet wird, auf Grundlage ihrer persönlichen Erfahrungen. Die Bedeutung von Literatur änderte sich, weil sich gesellschaftliche Kontexte und Erfahrungen ändern. Leser des 21. Jahrhunderts bewerten "Dracula" anders als Leser des 19. Jahrhunderts, weil sie einen anderen Erfahrungshintergrund haben. Es ist in den meisten Fällen deshalb so, dass eben diejenigen Werke als Klassiker angesehen werden, vor einem neuen Erfahrungshintergrund noch immer Relevanz haben, dass also das betreffende Werk noch relevant für aktuelle Trends oder Bewegungen in Kunst, Philosophie, Gesellschaft oder Wissenschaft ist oder eben einen Bezug zu wichtigen historischen oder aktuellen Ereignissen aufweist. Ich denke, wir wissen alle, dass die Popularität einer Geschichte nicht nur mit Qualität zu tun hat. Der Text selbst ändert sich über die Zeit zwar nicht, aber die Interpretation des Inhalts eben schon. Es können letztlich viele Faktoren eine Rolle spielen, sicherlich auch ein wenig Zufall, aber der Punkt mit der aktuellen Relevanz hat mir immer eingeleuchtet.

Es gibt viele zu ihrer Zeit sehr erfolgreiche Werke, die heute keiner mehr kennt, weil sie irgendwann ihre gesellschaftliche Relevanz verloren haben, was dazu führte, dass kein Kritiker und so gut wie kein Literaturwissenschaftler (oder sonst jemand dem man Urteilsvermögen über gute Literatur zuspricht) sich mehr dafür interessierte. Ich habe mal eine Hausarbeit über Maria Edgeworth geschrieben. Sie lebte etwa zur gleichen Zeit wie Jane Austen (etwas füher geboren und etwas später gestorben). Sie hat mehr als dreimal soviele Romane verkauft wie Jane Austen, sie war sogar sowas wie ein "Star" der Literaturszene. Walter Scott zum Beispiel würdigt sie im Vorwort zu "Waverly" usw. Heute kennt kaum noch ein Mensch Maria Edgeworth, und so ist es auch mit vielen anderen Autoren und Autorinnen. Wieso will ich jetzt nicht analysieren, zu komplex und zu langweilig. ;) Man könnte einfachs sagen, Jane Austen berührt Themen, die auch heute noch relevant sind und zu denen heutige Leser eine emotionale Reaktion entwickeln können. Vereinfacht. ;)

Soviel zur Literaturtheorie. ;)

Adam_Charvelll

Sehr gut beschrieben Lavendel, da kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen :)

Lucien

Ich kann heute nicht mehr sagen, was mich an Winnetou so gefesselt hat, aber ich kann Adam nur Recht geben. Ich erinnere mich eine Doku über ihn gesehen zu haben und er hat regelrechte Legenden um seine eigene Person gestrickt, hat Waffen und Kostüme anfertigen lassen... Das hat bestimmt einiges zur Beliebtheit beigetragen.





Mondfräulein

Ich tue mich sehr schwer damit, zu definieren, was ein Klassiker ist. Generell herrscht da meiner Meinung nach immer diese geheime Absprache, dass ein Klassiker unbedingt ein gutes Buch sein muss und wehe, jemand sagt etwas gegen unseren heiligen Goethe (ja, auch Faust hatte Zweckreime). Wozu brauchen wir überhaupt Klassiker? Wir haben unsere paar Bücher, die sich aus früheren Zeiten durchgesetzt haben, aber was wir in Deutsch gelesen haben, war nach heutigen Maßstäben wirklich nicht gut. Fontanes Irrungen, Wirrungen eignet sich, um Problematiken der Epoche und die Merkmale des Realismus, aber wer würde heute noch einen Roman mit zwei Seiten Beschreibungen eines Hauses beginnen? Wer würde so schrecklich nervige Mary Sues erschaffen? Ich mochte das Buch nicht, natürlich war es im Abi bequem weil einfach durchschaubar, aber nichts, was ich so lesen würde. Dennoch ein Klassiker.

Meiner Meinung nach sollte man einen Klassiker als herausragendes Werk seiner jeweiligen Epoche definieren, Schiller und Goethe waren wichtig für Sturm und Drang bzw. später die Klassik, Kant in der Aufklärung und so weiter und so fort. So habe ich die Auswahl der Lektüren für unseren Deutsch-Leistungskurs betrachtet, einfach repräsentative Werke um sich mit der Epoche zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund, der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Literatur, ist es dann gar nicht mehr so wichtig, einen Klassiker zu kennen.

Ich halte nicht viel vom Begriff Allgemeinbildung. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, allein Wikipedia enthält mehr Daten und Fakten als es sich ein Mensch jemals merken könnte, man kann nicht alles wissen. Der Trend geht eindeutig dahin, sich zu spezialisieren, schon seitdem es mit Leibniz im 18. Jahrhundert den letzten wirklichen Universalgelehrten gab. Niemand kann alles wissen und wie sollen wir somit definieren, was man darüber hinaus wissen muss? Ein genialer Kernphysiker beispielsweise kann eine Koryphäe seines Gebietes sein aber nicht wissen, wer Schiller ist. Setz ihn unter andere Physiker und sie himmeln ihn an, setz ihn unter Literaturkritiker und sie werden sich fragen, was für einen Idioten sie denn da vor sich haben. Niemand muss etwas wissen oder kennen, wofür er sich nicht interessiert. Niemand muss Bücher lesen. Wozu denn? Es gibt genug Leute, die das gerne tun.

Natürlich ist es wichtig, in der Schule gewisse Inhalte zu vermitteln, wenn es darum geht, die allgemeine Hochschulreife zu erlangen, schließlich sollen die Schüler später in jedem beliebigen Fach bestehen können und wer kann schon mit 11 Jahren wissen, was er einmal werden möchte? Dennoch geht es hier meiner Meinung nach immer mehr darum, Techniken zu vermitteln als pures Wissen, wie fasse ich einen Text zusammen? Wie erfasse ich seinen Inhalt effektiv? Gerade wenn Wissen jederzeit und überall durchs Internet verfügbar ist, sollte man eher lehren, wie man damit umzugehen hat. In anderen Ländern soll es schon üblich sein, in der Abiturprüfung das Internet benutzen zu können. Meiner Meinung nach lernen diese Schüler dadurch vielviel mehr wirklich nützliche Dinge, denn es gilt auch damit umzugehen und die Bewertungskriterien sind natürlich entsprechend angepasst.

Meinen Kindern werde ich werder Max und Moritz noch den Struwwelpeter vorlesen, denn die halte ich allenfalls für Zeugnisse der damaligen Zeit, keinesfalls für Kindgerecht. Auch Märchen finde ich zu brutal, ich bin in der Grundschule aus der Theater-AG ausgetreten, weil ich sie zu antifeministisch hielt, immer die blöde Prinzessin, die gerettet werden muss. Die gibt es dann allenfalls in der kindgerechten Disney-Version, bis sie alt genug sind. Das heißt nicht, dass ich sie nur vor den Fernseher setzen werde, keinesfalls, es gibt genug Kinderbücher, die besser geeignet sind. Die Werke von Diana Wynne-Jones werden auf jeden Fall den Struwwelpeter als abendliches Vorlesewerk ersetzen.

Ich glaube nicht, dass die jugendlichen heutzutage kein Max und Moritz mehr kennen, weil sie eben nur vor dem PC oder Fernseher hängen, meiner Meinung nach muss man diese Bücher auch nicht kennen, aber es gibt auch in meiner Generation, über die nun schon wirklich eine Menge geschimpft wurde, durchaus hochintelligente und belesene Menschen. Wir werden nicht dümmer, die Einzelnen, die so etwas nicht wissen, stechen nur mehr heraus. Solche Diskussionen gab es immer und wird es auch immer geben.

Ich kann leider nicht mit so viel historischem Fachwissen glänzen wie Kati, aber dennoch meine ich mir einzubilden (und korrigiert mich, wenn ich falsch liege), dass heute weit mehr Bücher verlegt und gedruckt werden als früher. Unser Buchmarkt ist wechselhafter, es gibt ein paar Fälle wie Harry Potter, die sich ewig halten, aber es kommen immer wieder so viele tolle Bücher heraus, was hält sich davon langfristig? In hundert Jahren werden sie Grass und Herta Müller lesen, alles, was man heute als anspruchsvolle Literatur gilt. Ich bin mir nicht sicher, ob sich unsere Kinder- und Jugendbuchklassiker durchsetzen werden. Das ist so meine Vermutung.

Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden erschlagen... Gratulation an alle, die bis zum Ende durchgehalten haben :vibes: