• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Schwache Verben, starke Verben

Begonnen von Maja, 21. April 2013, 21:27:41

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Maja

Während des Lektorats des Puppenzimmers stelle ich fest, dass ich in einem Punkt offenbar komplett andere Vorstellungen habe als meine Lektorin, und das sind schwache Verben. Ich vermute, mit meinen Ansichten stehe ich mal wieder komplett entgegen allem, was als guter Stil gilt, aber ich möchte sie trotzdem gerne vorstellen:

Ich mag "schwache" Verben, wegen ihrer Einfachheit und vor allem wegen ihrer Schwäche. Sie lenken nicht ab von dem, was ich für wichtig und wesentlich halte - meistens das Objekt eines Satzes. Mein lieber Gatte, als alter Lateiner, geht mit meiner Lekorin d'accord und findet, dass das Prädikat der wichtigste Teil des Satzes ist, weil er das einzige ist, was man nicht weglassen kann, aber daraus schlussfolgere ich jetzt nicht per se, dass man schwache Verben meiden sollte.

Wenn ich sagen "Blanche hat den Körper einer Toten", dann ist klar, worauf ich hinaus will. Wenn ich aber sage "Blanche besitzt den Körper einer Toten", dann lässt das Verb an sich schon zu viel Interpretation zu: Hat sie von dem Körper Besitz ergriffen? Ist der Körper besessen? Ist er nur in Blanches Besitz, aber jemand anderens Eigentum? An dieser Stelle lenkt das starke Verb zu sehr vom Wesentlichen ab, während man das schwache Verb so beiläufig registriert, dass man es ruhig überlesen kann.

Ich bediene mich eines ziemlich komplexen Satzbaus, aber dafür verwende ich gerne sehr einfache Verben. Meine Figuren sagen meistens, was sie sagen - kein "ausrufen", "äußern", "mitteilen", "erörtern", etc. Mein Problem mit vielen Verben, die mir meine Lektorin als Ersatz für die zu einfachen oder schwachen Begriffe einsetzt, klingen mir oft zu weit hergeholt - als hätte der Autor den Thesaurus bemühen müssen, um dieses bestimmte Wort zu finden. Ich habe kein großes Problem damit, die Änderungen rückgängig zu machen und wieder zu haben oder zu können, als zu besitzen oder zu vermögen,  aber mich würde interessieren, wie ihr es mit den schwachen Verben haltet - teilt ihr da meine Leidenschaft, oder vermeidet ihr sie doch lieber, wo ihr könnt?


P.S. Grinsen musste ich an der Stelle, wo sie mir "wir sind der Stoff, aus dem man Träume macht" umgeändert hat in "der Stoff, aus dem man Träume herstellt". Da bleibe ich doch lieber bei meinem Shakespeare, vielen Dank!
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Alana

Ich sehe das recht ähnlich. Ich benutze starke Verben dann, wenn sie mir helfen, etwas auszudrücken, für das ich sonst zum Beispiel ein Adjektiv verwenden müsste, für Showing oder um Akzente zu setzen. Sonst setze ich auch eher auf Dezentes, das den Lesefluss nicht stört. Inquit-Formeln versuche ich wegzulassen oder benutze "sagen" wenn ich eben nicht gerade etwas Besonderes zum Ausdruck bringen will.
Alhambrana

Thaliope

Ich glaube, diese "starken" Verben (leicht.verwirrende Bezeichnung, übrigens ;)) sind nur dann störend, wenn sie nicht ganz genau treffend sind. Das ist für mich die Kunst, die guten Stil ausmacht - das ganz genau passende Wort zu finden. Was manchmal eben auch "haben" oder "sein" sein kann.

Mogylein

Brauche kurz eine Erläuterung: Ich habe im Schulunterricht damals gelernt, dass man starke und schwache Verben danach unterscheidet, wie sie gebeugt werden. Davon ist in diesem Thread nicht die Rede, oder? Sondern vom Unterschied zwischen pauschalen und sehr definierten Verben, oder?
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Lovagh

Bei einfachen Aussagen oder Sätzen bevorzuge ich auch schwache Verben. Wie du gesagt hast, können sonst Interpretationen hervorgerufen werden, die den Lesefluss stören.
Allerdings finde ich die Verwendung starker Verben gut, wenn man mehr ausdrücken möchte oder eben doch eine Unsicherheit bereitstellen möchte, über die man nachdenken kann/muss.

Bei der Satzänderung mit den Träumen stellen sich mir die Nackenhaare auf. Da kam mir sofort die Vorstellung von lauter kleinen Elfchen, die an Nähmaschinen magische Wolldecken machen... ::)

Maja

Zitat von: Mogylein am 21. April 2013, 21:49:12
Brauche kurz eine Erläuterung: Ich habe im Schulunterricht damals gelernt, dass man starke und schwache Verben danach unterscheidet, wie sie gebeugt werden. Davon ist in diesem Thread nicht die Rede, oder? Sondern vom Unterschied zwischen pauschalen und sehr definierten Verben, oder?
Du hast völlig recht, ich habe die Begriffe durcheinandergeschmissen. Aber wie nennt man diese Verben dann, die sowohl Hilfsverben sein können, aber auch für sich  alleine stehen?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Mondfräulein

Das mit den starken und schwachen Verben habe ich nie so richtig verstanden, ich glaube, meine Schwester hatte das mal in der Schule, ich aber nicht. Aber ging es dabei nicht nur darum, wie man sie konjugiert? Anyway, ich glaube, ich weiß ungefähr, was du meinst.

Meiner Meinung nach gibt es keinen wichtigsten Teil eines Satzes, zumindest nicht in schriftstellerischer Hinsicht. Natürlich, man kann ein Prädikat eigentlich nicht weglassen, als literarisches Stilmittel ist das jedoch durchaus mal zulässig Sie schleppte sich den Hügel hinauf, das Haar noch nass vom Meer. Weiter, immer weiter, bis zum sandigen Gipfel. Höher hinauf, die Füße mit jedem Schritt tiefer im Sand. Meiner Meinung nach ein Satz (und nebenbei einfach nur ein dahingescheppertes Beispiel, auch zur Verdeutlichung ein wenig übertrieben, keine schriftstellerische Glanzleistung), weil er durch einen Punkt vom Rest getrennt ist, eine Ergänzung zum vorher Gesagten und ohne Prädikat. Das kann man machen.

Verben werden hier meiner Meinung nach überschätzt. Sie sind nicht das Wichtigste am Satz, eher durch ihre Grundlegenheit das unauffällige Gerüst, die Balken, mit denen du dein Haus aufbaust und die du hinter Putz und Tapeten verbirgst. Es ist schon charmant, in der Küche ein paar Balken zu haben, die hervor gucken, das ist rustikal, hübsch, aber das ganze Gerüst will man nicht sehen. Das ist auf die Dauer zu anstrengend für die Augen und stört dann nur noch. Wo soll denn dann noch deine hübsche Blümchentapete hin? Wo hängst du Bilder an die Wand?

Indem ich bestimmte Satzteile durch Wortwahl und Formulierung in den Hintergrund rücke, kann ich aus Sätzen mit objektiv derselben Bedeutung ganz unterschiedliche Bedeutungen und Stimmungen hervor kitzeln. Schwache Verben haben meinem Anschein nach hier die Eigenschaft, immer ein wenig unter zu gehen, haben und sagen zum Beispiel. Sie zu meiden halte ich für grundlegend falsch. Das sind wieder diese elenden Inquit-Formeln. In der Grundschule haben wir gelernt, niemals sagen zu benutzen, immer schön etwas anderes, möglichst kreativ, da werden Sätze gehustet, geräuspert, gelächelt, geschmunzelt, in den Bart gemurmelt, ausgespien, wenn man ganz kreative Kandidaten hat, kommt so etwas dabei heraus: "Gehe er hinfort", strich der König über seinen Purpurmantel.

Solche Sätze halte ich wirklich für ein Unding. Natürlich, es klingt kreativ und wuhu, man hat sagen nicht verwendet, Wortwiederholungen sollte man ja schließlich vermeiden, aber in meinem Kopf erscheinen dann immer nur ganzganz komische Bilder und es wirkt meistens gestelzt. Meiner Meinung nach holen solche "unnatürlichen" Formulierungen den Leser aus der Geschichte heraus, wie bei Brechts epischem Theater. Man macht hier von einem wundervollen Effekt nicht gebrauch, den Wörter wie sagen oder haben nun einmal mit sich bringen, man überliest sie leicht. Wer ganz normal eine Seite in einem Buch liest, wird oft nicht bemerken, dass das Wort sagen mehrmals fällt, genau wie unscheinbare Wörter wie ich, er, sie, es, das, der, die, etc. Wer den Text alledings liest wie ein Lektor und gezielt nach Dingen sucht, die es zu verbessern gilt, dem fällt das dann natürlich viel mehr auf. Und so etwas kommt heraus.

Insofern... schwache Verben sind nicht nur einfach nicht unschön sondern grundlegend, um einen Text richtig aufzubauen, finde ich. Starke Verben werden so, wie ich das aus deinem Text herauslesen kann, schnell zu dominant und übertönen, was du eigentlich sagen willst. Meiner Meinung nach solltest du klar bei deinen Formulierungen bleiben, gerade, wenn du es immer so handhabst. So baust du schließlich deinen Stil auf. Ich bin ganz klar auf der Seite der schwachen Verben. Es muss nicht immer unnötig kompliziert sein. Natürlich können starke Verben genau so hilfreich und nützlich sein wie Schwache und natürlich sollte man sie niemals meiden, aber einfach nur starke Verben der starken Verben wegen... nein, besser nicht. Aber Hauptsache, man weiß, was man tut und warum man es tut.

Kaeptn

Keine Ahnung, offen gestanden mache ich mir um sowas weder als Leser noch als Autor groß Gedanken. Geschrieben wird was richtig/gut klingt - aber ok, ich bin ein handlungsorientierer Pragmatiker und kein Schöngeist ;) und habe mich längst damit abgefunden, nie an die Wortgewalt eines Zafon/Rothfuss heranreichen zu können.

Manches Mal hatte ich auch schon bei einem Lektor (bei anderen Themen) das Gefühl, dass die ziemlich verbohrt sind und per se ihre Regeln immer umsetzen, ganz egal ob es danach bescheuert klingt. Finde ich auch reichlich nervig, wenn man ihnen dann solche peinlichen Änderungen wie die oben genannten Träume unter die Nase reiben muss.

TheaEvanda

#8
Das eine ist die grammatikalische, das andere die literarische Definition von "starken" und "schwachen" Verben. Beides ist richtig. ;)

Ich tendiere zu vielen starken (aka. ausdrucksstarken) Verben, die aber treffgenau eingesetzt werden müssen. Ein Lektor hat mir das mal angekreidet. Seine Begründung war, dass starke Verben nur durch den Kontrast mit schwachen "Hintergrundverben" stark sein können. Man sollte sie also nicht überstrapazieren, aber auch nicht vernachlässigen.

Die Verbenfolge im Text muss stimmen, der sprachliche Rhythmus passen. Lass die Vorschläge doch mal auf dich wirken und lies den Text einmal im Original und einmal in der voll-lektorierten Fassung durch. Und dann sinne auf eine Synthese, die die Stärke von beidem mitnimmt?

Inquit-Floskeln lasse ich nach Möglichkeit weg. Die Sprache und Ausdrucksweise der Figuren muss transportieren, wer spricht. Oder der Kontext trägt die Information. Wenn ich etwas mit "er/sie/es sagte tagge, ist mir nichts besseres eingefallen.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Mondfräulein

Zitat von: TheaEvanda am 21. April 2013, 22:06:13
Seine Begründung war, dass starke Verben nur durch den Kontrast mit schwachen "Hintergrundverben" stark sein können. Man sollte sie also nicht überstrapazieren, aber auch nicht vernachlässigen.

Diese Formulierung finde ich wundervoll. Das muss ich mir unbedingt merken. :vibes:

Zitat von: TheaEvanda am 21. April 2013, 22:06:13
Die Sprache und Ausdrucksweise der Figuren muss transportieren, wer spricht. Oder der Kontext trägt die Information. Wenn ich etwas mit "er/sie/es sagte tagge, ist mir nichts besseres eingefallen.

Das stimmt teilweise, aber in hitzigen Debatten oder Dialogen kann das auch manchmal untergehen. Deshalb finde ich es oft durchaus legitim, obwohl du natürlich auch Recht hast, Sprache und Ausdrucksweise sollten ihre Arbeit tun. Das ist allerdings auch wieder ein Argument gegen schrie er, flüsterte er, etc., denn das kann auch durch den Kontext vermittelt werden und wäre etwas für Show, don't tell.

Debbie

#10
ZitatInquit-Floskeln lasse ich nach Möglichkeit weg. Die Sprache und Ausdrucksweise der Figuren muss transportieren, wer spricht. Oder der Kontext trägt die Information. Wenn ich etwas mit "er/sie/es sagte tagge, ist mir nichts besseres eingefallen.

Nö, ich benutze die Inquits gerne, in einem moderaten Rahmen. Im Wechsel mit Tätigkeiten, Gesichtsausdrücken und dem kompletten Verzicht (den ich maximal über zwei bis drei Wechsel einsetze, und eher als Stilmittel verwende. Aber ich bevorzuge bei den Inquits auch die "herkömmlichen", weil der Leser sie einfach nicht wahrnimmt. Ausgefallenere Inquits lenken die Aufmerksamkeit des Lesers wieder mehr auf die Sprache, außer eben, wenn sie als "starkes" Verb sagte+Adverb ersetzen (im Gegensatz zu "ausgefallenes" Inquit zur Vermeidung von Wiederholungen). Diese Konstellation vermeide ich, wo ich kann. Da sie für mich auf Bequemlichkeit des Autors schließen lässt. Wenn der Autor schreibt "sagte er laut/traurig/glücklich" ist das in den meisten Fällen (für mein Empfinden) einfach der mangelnde Wille, nach einem Verb zu suchen, dass konkreter ist und beides in einem Wort ausdrücken kann.

Also ja, ich bin ein Verfechter von "starken" Verben. Allerdings nicht auf Biegen und Brechen! Und das hier:

Zitat"Blanche besitzt den Körper einer Toten"

"der Stoff, aus dem man Träume herstellt"

Fühlt sich für meine Verhältnisse schon ziemlich stark nach "auf Biegen und Brechen" an. Im ersten Fall lässt das Verb tatsächlich zu viel Interpretationsspielraum. Gut, im Kontext mit weiteren Infos, würde es mich wahrscheinlich nicht stören. Aber "hat" stört mich hier auch nicht. Für mich ist "besitzt" keine wirkliche Verbesserung.

Das zweite Beispiel tut mir schon fast ein bisschen weh  :-\  (Wegen des Rhythmus - hier zwei Silben statt einer - den es nämlich auch noch gibt, und der keinesfalls unbedeutend ist, auch wenn man ihn nicht wirklich analysieren kann, sondern eher "fühlen" muss) Finde ich nicht besonders schön oder gelungen. Also wenn schon ein konkreteres Verb, dann doch bitte eines, das auch wirklich einen Unterschied macht! Wie gesagt, finde ich die starken Verben - oder auch Substantive - v. a. dann besonders wichtig, wenn sie eine Sache oder einen Vorgang auch wirklich treffender ausdrücken oder eben die Konstellation "schwaches Verb + (allgemeines) Adjektiv oder Adverb" ersetzen. Das ist für mich nämlich wirklich laienhaft (was nicht heißen soll, dass es mir nie passiert  :-[)


Adam_Charvelll

#11
Die Bezeichnung "schwache" und "starke" Verben höre ich in diesem Zusammenhang das erste Mal, finde ich auch etwas unglücklich, da diese Bezeichnung bereits deutlich besetzt ist. Wie TheaEvanda gemeint hat, redet man eher von ausdrucksstarken Verben, wobei ich die Bezeichnung auch etwas verwirrend finde.

Zitat von: Maja am 21. April 2013, 21:51:39
Aber wie nennt man diese Verben dann, die sowohl Hilfsverben sein können, aber auch für sich  alleine stehen?

Ich denke, da muss man anders an das Thema herangehen. Hilfverben sind ja nicht ursprünglich Hilfsverben, sondern normale Verben (oftmals auch als "Vollverben" bezeichnet), die zusätzlich die Funktion eines Hilfverbs einnehmen können. Sie sind daher nicht weniger oder mehr wert als die anderen Verben, haben aber diese zusätzliche Funktion.
Der größte Unterschied zwischen "ist", "hat" und "kauft" "liebt", etc. ist  meines Erachtens rein auf einer semantischen Ebene zu betrachten, da Erstere einfach eine allgemeinere Bedeutungsbreite besitzen/haben ( ;D), als die hier erwähnten starken Verben. Außerdem geht es ja nicht rein um Hilfzeitwörter, wie zum Beispiel das hier genannte "sagen" verdeutlicht. Eine Trennung in eine Art hyperonyme und hyponyme Verben wäre wohl sinnvoller, aber gut, das ist schon sehr pedantisch und soll die Linguistiker beschäftigen  :) Die schwachen Verben erinnern so wie sie hier gezeigt wurden mehr an eine Variable, einen Platzhalter, der für mehrere Begriffe stehen könnte.
Nur ein kleiner Ausflug zur Terminologie, aber zurück zum Thema:

Ich bin durchaus Fan von ausdrucksstarken Verben, denke aber, dass beide Gruppen sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Wie Maja bereits völlig richtig gesagt hat, sind die ausdrucksschwachen Verben simpel und fördern den Lesefluss, indem man den Leser die freie Wahl lässt, wie er gewisse Verben semantisch besetzen will. Ein "sagen" ist ein Blankoscheck, während man dem Leser mit "klagen", "schluchzen", "jubeln" gewisse Muster und Gedanken aufzwingt, da diese Begriffe viel engere Konnotationen besitzen.  Ausdrucksstarke Verben steuern den Leser also viel mehr, was man als Autor natürlich zu seinem Vorteil nutzen kann, was die Leserschaft allerdings auch einschränkt, in einen Rahmen presst und im schlechtesten Fall sogar verärgern könnte.

Auf der anderen Seite kann man mit ausdrucksstarken Verben, zumindest meiner Meinung nach, viel mehr mit der Sprache spielen und eloquent schreiben. Gerade erst hatte meine Lektorin mir gesagt, dass ich "trompetete" nur benutzen sollte, wenn es sich um einen Elefanten oder einen Trompeter handelt. Meine Absicht war allerdings 1.) auf die Nasalierung des Gesprochenen aufmerksam zu machen und 2.) tatsächlich mit der Konnotation "Elefant" auf einen Zirkus bzw. Zirkusdirektor anzuspielen, der in der Manege zum Publikum spricht. Vielleicht bin ich aber auch der Einzige, der das in diesem Fall für legitim hält  ;D

Ich denke, man sollte beide Gruppen nicht so sehr separieren und wirklich abwechselnd nutzen, wie hier bereits schön gesagt wurde. Die Verben sind alle gleich viel wert und sind nur in Hinblick auf ihre semantische Besetzung einzustufen und situationsadäquat für den Text auszuwählen.

Pestillenzia

Ich benutze beides, sowohl die allgemeineren/ausdrucksschwächeren Verben wie "haben", "sagen", "sein", als auch die spezifischeren/ausdrucksstärkeren wie "besitzen", "flüstern", "bestehen", etc. Die spezifischeren kommen bei mir aber wirklich nur dann zum Zug, wenn sie auch hundertprozentig passen, alles andere klingt schnell schräg, bemüht oder unfreiwillig komisch.

Die Formulierung mit den "hergestellten Träumen" ist für mich ein solches Beispiel. Das klingt in meinen Ohren so, als hätte sich jemand krampfhaft um Originalität bemüht - und ist kläglich gescheitert. "Träume herstellen" hört sich für mich nach gewerblicher/industrieller Fertigung an, also etwas, das nur Betriebe tun, um Geld damit zu verdienen.

Zu viele von den allgemeineren Verben lassen einen Text wiederum platt und langweilig klingen.

Auch bei Texten gilt eben auch Paracelsus' berühmter Satz: "Die Dosis macht das Gift." Und das falsche Gift an der falschen Stelle ist der Gesundheit auch nicht gerade zuträglich.

Churke

- Wenn man ein allgemeines Verb durch ein spezielles ersetzt, bekommt der Satz automatisch Konnotationen und Bedeutungen, die der Autor womöglich gar nicht beabsichtigt.

- Diese Wörter sind komplizierter und stören den Lesefluss

- Satzbau und Wortwahl bilden eine Einheit. Ein guter Autor - und ich billige dir, Maja, jetzt einfach mal zu, dass du eine gute Autorin bist - überlegt sich genau, was er/sie sagt und mit welchen Worten. Wenn man mal schnell die Verben durch den Thesaurus jagt, wird der Text wahrscheinlich nicht besser.

ZitatIch habe kein großes Problem damit, die Änderungen rückgängig zu machen und wieder zu haben oder zu können, als zu besitzen oder zu vermögen,  aber mich würde interessieren, wie ihr es mit den schwachen Verben haltet - teilt ihr da meine Leidenschaft, oder vermeidet ihr sie doch lieber, wo ihr könnt?
Das ist eine Stilfrage. Kommt ganz auf den Text an. Der einzige objektive Grund, ein Wort zu vermeiden, ist für mich die Wiederholung.

Malinche

Ich bin von Betalesern öfter mal auf meine "Verbfaulheit" gestupst worden und gucke gerade bei "haben" und "sein" jetzt öfter mal, ob ich das nicht anders sagen kann. Das heißt für mich aber, dass ich nicht krampfhaft versuche, ein anderes Verb zu finden, sondern mir Gedanken mache, ob es nicht ein Verb gibt, das aussagekräftiger und präziser das transportiert, was ich mit dem Satz sagen will. Wenn ja - rein damit. Aber das geht nicht immer. Und wenn ich sehe, nein, der Satz klingt dann nur noch gestelzt, aufgebläht oder wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet, dann bleibt da auch das "schwache" Verb.

Ich denke, hier ist es wie mit so vielen Dingen des Schreibens: Es gibt keine Patentregel, sondern man sollte stets noch sein Sprachgefühl und seine Intuition zurate ziehen. Pestilenzia hat es mit ihrem Paracelsus-Zitat schon sehr schön auf den Punkt gebracht, finde ich. :)
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)